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Der deutsche Kunsthistoriker und -händler Hildebrand Gurlitt setzte sich während der Weimarer Republik für den Durchbruch der modernen Kunst ein und war später in den NS-Kunstraub verwickelt.

Herkunft

Der am 15. September 1895 in Dresden geborene Paul Theodor Ludwig Hildebrand Gurlitt entstammte einer großen, kulturell einflussreichen Familie, zu der Maler, Musiker, Kunsthistoriker, Galeristen, Theologen, Pädagogen, und Archäologen gehörten. Die Zweige erstreckten sich bis nach Japan und Südamerika.1 In mehreren deutschen Städten (Hamburg, Kiel, Husum, Dresden, Freital, Cuxhaven, Dortmund, Berlin) sind Straßen sowie eine Insel in der Hamburger Außenalster nach Mitgliedern der Familie Gurlitt benannt. Hildebrands Vater Cornelius Gustav Gurlitt (1850-1938), Kunst- und Architekturhistoriker, wurde als drittes von sieben Kindern des Landschaftsmalers Louis Gurlitt und dessen Ehefrau Elisabeth (geb. Lewald) geboren. Seine Mutter Marie Gurlitt (geb. Gerlach, 1859-1949) war Tochter des Königlich Sächsischen Justizrats Ferdinand Heinrich Gerlach. Hildebrand Gurlitt hatte zwei ältere Geschwister, den Musikwissenschaftler Wilibald Gurlitt (1889-1963) sowie die Malerin Cornelia Gurlitt (1890-1919). Die Familie wohnte ab 1896 in dem gutsituierten Dresdner Stadtteil Südvorstadt, in der Kaitzer Straße 26. Im August 1923 heiratete Hildebrand Gurlitt die Tänzerin Helene Hanke (1895-1968). Aus der Ehe gingen der Sohn Cornelius Rolf Nikolaus (1932-2014) und die Tochter Nicoline Benita Renate (1935-2012) hervor. Hildebrand Gurlitt lebte und wirkte beruflich in Dresden (1895-1925, 1929-1931, 1942-1945), Zwickau (1925-1929), Hamburg (1931-1942), Paris (1941-1944), Aschbach (1945-1949) und Düsseldorf (1948-1956).

Museumslaufbahn

Aufgewachsen in einem liberal gesinnten Elternhaus, war Hildebrand Gurlitts Kunstanschauung vor allem durch seinen Vater geprägt, der an der Königlich Technischen Hochschule in Dresden als Baugeschichtsprofessor lehrte und der Kulturkritik Friedrich Nietzsches anhing, vor allem in der populär-reaktionären Abwandlung von Julius Langbehn, der im Haus der Gurlitts ein- und ausging.1 Schon früh setzte sich Hildebrand Gurlitt mit dem Expressionismus auseinander, insbesondere mit Werken der Künstlergruppe „Brücke“, deren Gründungsmitglieder zuvor an der Hochschule seines Vaters Architektur studierten. 1906 besuchte der damals erst 11-jährige Hildebrand eine der ersten Ausstellungen der jungen Maler in einem Dresdener Vorort, auf der seine ihn begleitende Mutter zwei Holzschnitte erwarb.2 Einen nachhaltigen Einfluss übte seine Schwester Cornelia auf ihn aus, die sich ab 1910 in einer privaten Kunstschule ausbilden ließ und eine erfolgversprechende Entwicklung als expressionistische Malerin einschlug, bevor sie sich 1919 das Leben nahm.3

Hildebrand Gurlitts freiwillig angetretener Kriegsdienst führte ihn Ende 1917 in die Presseabteilung der Militärverwaltung Ober-Ost, wo er zum Leiter der Kunstsektion berufen wurde.4 Die dort stationierten Dichter, Künstler, Schriftsteller und Journalisten (darunter Richard Dehmel, Karl Schmidt-Rottluff, Arnold Zweig und Paul Fechter) führten ihn über Fragen der modernen Kunst und Literatur in revolutionäre Ideen einer sozialen Neuordnung der Gesellschaft ein.5 Aus diesen Ideen entwickelte Gurlitt im Zuge seiner kulturpropagandistischen Aufgabe vor Ort seinen Berufswunsch, als Leiter eines Museums über die Kunst im Sinne der neuen geistigen Werte in die Politik hineinzuwirken.6 Nach Ende des Ersten Weltkriegs setzte er sein im Herbst 1914 in Dresden begonnenes Kunstgeschichtsstudium in Berlin und Frankfurt am Main fort, das er 1923 mit einer Promotion abschloss.7 Während seines Studiums geriet Gurlitt in den Sog der Museumsreform, mit der eine Wandlung der Museen von Orten der elitären Bildung zu Volksbildungsstätten angestrebt wurde. Das Preußische Kultusministerium unterstützte die Bewegung und förderte den Aufbau von Sammlungen der zeitgenössischen Moderne, insbesondere des Expressionismus, der offiziell als eine die deutsche Wesensart entsprechende Ausdrucksform galt sowie aufgrund seiner Vielgestaltigkeit als Spiegel des demokratischen Systems.

Während der Weimarer Republik konnte Hildebrand Gurlitt sein Können zweimal erfolgreich unter Beweis stellen: Von 1925 bis 1930 war er Direktor des König-Albert-Museums in Zwickau und von 1931 bis 1933 Leiter des Kunstvereins in Hamburg.8 In beiden Positionen verteidigte er die moderne Kunst als Ideenträger nationaler Selbstbehauptung. Um Vorbehalte gegenüber der Avantgarde abzubauen, fokussierte Gurlitt sein Vermittlungskonzept auf Emil Nolde und Ernst Barlach, die mit den Attributen der Volksnähe sowie der Natur- und Heimatverbundenheit propagandistisch aufgeladen wurden und auf diese Weise eine Brücke zur revolutionären Welt der modernen deutschen Kunst bilden sollten. Namhafte Mitstreiter seiner Sache – darunter Edwin Redslob (1884-1973), bis 1933 Reichskunstwart im Preußischen Kultusministerium, sowie Hans Posse, der Direktor der Dresdener Kunstsammlungen und später erster Leiter des „Sonderauftrags Führermuseum Linz“ – attestierten ihm, hervorragende Dienste für die Entwicklung der deutschen Museumslandschaft geleistet zu haben.9 Der starke Widerstand aus reaktionären Kreisen konnte dadurch jedoch nicht beschwichtigt werden und kostete ihn letztendlich beide Stellen.10 Unter seinen KollegInnen avancierte Gurlitt indes innerhalb kürzester Zeit als „Märtyrer“ für den Expressionismus zu einem der bekanntesten Vertreter seines Faches.11

Einstieg in den Kunsthandel

Nachdem Gurlitt seine Posten räumen musste, entschied er sich, endgültig in den Kunsthandel zu wechseln. Schon zuvor war er durch die von ihm organisierten Verkaufsausstellungen in Zwickau und Hamburg in Handelsgeschäfte eingebunden gewesen. Parallel dazu hatte er Privatleuten beim Aufbau ihrer Sammlung beratend zur Seite gestanden und Kunstwerke erworben. Die Sammlung avantgardistischer Fotografie des Dresdener Industriellen Kurt Kirchbach (1891-1967) ist eines der prominentesten Beispiele dafür. Gurlitts Versuch, sich ab 1933 offiziell im Kunsthandelsgeschäft zu etablieren, verlief aufgrund seiner jüdischen Großmutter väterlicherseits, Elisabeth Lewald, nicht ohne behördliche Komplikationen.1 Gleich nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten musste er seine Abstammung nachweisen, erneut mit Erlass der „Nürnberger Rassengesetze“ im September 1935, wonach er als „Mischling 2. Grades“ galt. Eine Mitgliedschaft in der für Kunsthändler zuständigen Reichskammer der bildenden Künste (RdbK), die Voraussetzung für jegliche Berufsausübung war, konnte er aufgrund seines Einsatzes im Ersten Weltkrieg („Frontkämpferprivileg“) sowie durch die guten Beziehungen seines Vaters zu hochstehenden Amtsträgern und durch Einfluss seiner eigenen Kontakte dennoch erreichen und beibehalten.2

So gelang es ihm nach langem Vorlauf, zum 1. November 1935 das Kunstkabinett Dr. H. Gurlitt in Hamburg zu eröffnen.3 Sein Angebot reichte von der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts bis in die unmittelbare Gegenwart, womit er die aktuellsten künstlerischen Tendenzen offenbar durch eine nationale Entwicklungslinie seit der Romantik zu legitimieren versuchte. Wie zuvor als Museumsdirektor und Kunstvereinsleiter zeigte sich Gurlitt als großer Kommunikator und machte sein Kunstkabinett durch zahlreiche Ausstellungen, Vorträge und Abendveranstaltungen zum Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Laut seinen Geschäftsbüchern wickelte Gurlitt lukrative Geschäfte wiederholt mit Galerien in Hamburg (Commeter, Lüders), Chemnitz (Gerstenberger), Dresden (Heinrich Kühl, Emil Richter), Düsseldorf (Pfaffrath, Alex Vömel), Köln (Hermann Abels), Leipzig (C. G. Boerner), Mannheim (Rudolf Probst), München (Günther Franke, Julius Böhler) und Stuttgart (Valentien) ab. Seine Berliner Kontakte nutzte er besonders intensiv (Nicolai, Hans W. Lange, Matthiesen, Victor Rheins, Dr. A. Lutz, Galerie van Diemen & Co., Paul Roemer).4 Hierzu gehörte auch sein Cousin Wolfgang Gurlitt (1888-1965), der die von seinem früh verstorbenen Vater gegründete Galerie Fritz Gurlitt 1912 in jungen Jahren übernommen und für die Kunst des Expressionismus geöffnet hatte.5

Einen festen Kundenkreis des Hamburger Kunstkabinetts bildeten Hildebrand Gurlitts Verbindungen in Museumskreise sowie in die der Moderne aufgeschlossene Sammlerszene in Hamburg und Berlin. Im Zuge der sich verschärfenden rassischen Verfolgung wendeten sich zunehmend SammlerInnen jüdischer Herkunft im Vertrauen an Gurlitt, um ihre Werke zu veräußern, wie aus seinen Geschäftsbüchern und Korrespondenzen hervorgeht. Dazu gehörte zum Beispiel Elsa Helene Cohen (1874-1947), die im Dezember 1938 Zeichnungen von Adolph Menzel aus der Sammlung ihres Vaters Albert Martin Wolffson (1847-1913), einem angesehenen Hamburger Juristen, an Gurlitt verkaufte.6 Ein weiteres Beispiel ist der Leipziger Musikalienhändler Henri Hinrichsen (1868-1942), eine Bekanntschaft aus Hildebrands Elternhaus, der 1942 im Konzentrationslager Ausschwitz ermordet wurde und drei Jahre zuvor Hildebrand für den Weiterverkauf eines Teils seiner Kunstsammlung bestimmt hatte.7 Gurlitt wusste um die Zwangslage der EinlieferInnen; konkrete Angaben zur unmittelbaren Herkunft der Werke hat er den Kaufinteressierten nicht unterbreitet. Heute gelten die Fälle zweifelsohne als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut und sind zum Teil restituiert.8

Ab 1937 geriet Gurlitt selbst erneut ins Visier der NS-Behörden: Nach der Konsolidierungsphase der Reichskulturkammer (RKK) und ihren Einzelkammern Ende 1936 wurden die Maßnahmen gegen die Avantgarde reichsweit radikaler.9 Gurlitt sah sich zusehends Drohungen ausgesetzt. Neben den ab 1933 zunächst noch lokal begrenzt verfemten Expressionisten, stellte er in seinem Hamburger Kunstkabinett auch Künstler aus, die bereits auf Reichsbeschluss aus der RdbK ausgeschlossenen worden waren (wie Emil Maetzel), die aufgrund ihrer Kunstanschauung aus ihren öffentlichen Hochschulämtern entlassen worden waren (wie Franz Radziwill) oder die jüdischer Herkunft waren (wie Anita Rée).10 Als sein Bruder Wilibald seine Professur als Musikwissenschaftler an der Universität in Freiburg im Breisgau verlor und dessen Familie unter Beobachtung stand, stellte er sein provokantes Ausstellungsprogramm ein und überschrieb das Kunstkabinett seiner ‚arischen‘ Ehefrau Helene.11 In dieser Lage bot Hildebrand Gurlitt im Oktober 1938 dem Deutschen Reich seine Dienste für die „Verwertung“ der „Entarteten Kunst“ an, um als Devisenbringer Schutz für sich und seine Familie zu erlangen.12

Handel mit „entarteter Kunst“

Ab Sommer 1937 hatte Joseph Goebbels auf Grundlage von zwei Führererlassen mehr als 21.000 Werke moderner Kunst aus deutschen Museen sicherstellen lassen. Ein Teil davon wurde unter dem Titel „Entartete Kunst“ auf eine die gezeigten Werke diffamierende Ausstellungstournee geschickt. Ein anderer Teil war für den Verkauf gegen Devisen ins Ausland vorgesehen. Dafür erließ man am 31. Mai 1938 das „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“, mit dem die Werke endgültig dem Vermögen der Institutionen entzogen wurden.1 Gurlitt erhielt kurz nach dem Berliner Buch- und Kunsthändler Karl Buchholz von der Abteilung IX (Bildende Kunst) im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) die Autorisation für den Freihandverkauf.2 Der Berliner Galerist Ferdinand Möller und Bernhard A. Böhmer, Bildhauer und ehemaliger Manager des gerade verstorbenen Ernst Barlach in Güstrow, wurden ebenfalls dazugezogen. Hildebrand Gurlitt übernahm im Vergleich zu seinen drei Kollegen die meisten Werke aus dem Beschlagnahmegut: Gurlitt (3.879), Möller (848), Buchholz (883) und Böhmer (1.187).3 Gurlitt handelte hauptsächlich mit seinen Schweizer Kontakten; er zahlte jedoch auch französische Francs und englische Pfund für seine Geschäfte auf die dafür vorgesehenen Sonderkonnten ein.4

Ansprechpartner für die Kunsthändler war der promovierte Jurist und Kunsthistoriker Rolf Hetsch (1903-1946), der das Inventar der Beschlagnahme erstellt hatte. Seit Herbst 1937 verhandelte er als Sachreferent die Belange der „Entarteten Kunst“ zunächst in der RdbK und später in der Abteilung IX im RMVP.5 Hetsch war ein Cousin von Adolf Ziegler (1892-1959), der von Goebbels Ende 1936 zum Präsidenten der RdbK und im Sommer 1937 zum Leiter der Beschlagnahmekommission „Entartete Kunst“ ernannt worden war. Gurlitt und Hetsch kannten sich schon vor dieser Zeit über ihre jeweiligen Verbindungen zum Kunstdienst der evangelischen Kirche (KD), der 1928 von dem Buchhändler Gotthold Schneider (1899-1975) in Dresden gegründet worden war. Der KD stellte sich den virulent gewordenen Fragen einer modernen Kirchenarchitektur und -kunst. Ein guter Teil der Mitglieder stammte aus dem Bekanntenkreis von Hildebrands Vater Cornelius Gustav Gurlitt.6 Als Leiter des Hamburger Kunstvereins hatte Hildebrand die vom KD organisierte Ausstellung „Kult und Form“ als Auftakt seines Winterprogramms 1931/1932 übernommen und erstmals einen Katalog zur Ausstellung herausgegeben.7 Gemeinsam mit dem KD soll Gurlitt gegen den vom „Kampfbund für deutsche Kultur“ ausgehenden Rechtsruck und die damit einhergehende pauschale Verfemung moderner Kunst vorgegangen sein.8

1933 war der KD nach Berlin übergesiedelt und fest in die RdbK eingegliedert worden, nachdem er in Goebbels’ Auftrag gemeinsam mit Rolf Hetsch erfolgreich die Abteilung deutscher Kirchenkunst auf der Weltausstellung in Chicago 1933/1934 organisiert hatte. Ernst Barlach und Emil Nolde, die mit Werken auf der Weltausstellung vertreten waren, wurden in den Ehrenvorsitz des KD berufen. Goebbels selbst hatte sich in den 1920er Jahren positiv über beide Künstler geäußert und besaß zwei Plastiken von Barlach.9 Ganz im Sinne von Gurlitts eigenen Ambitionen sah der Goebbels nahestehende Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStb) in beiden Meistern des Expressionismus Wegbereiter des neuen Deutschland. Dementsprechend setzte sich der KD für Noldes offizielle Ernennung zum Staatskünstler ein.10 Im Rahmen der aus diesen Reihen entfachten Expressionismus-Debatte konnten die Befürworter der Stilrichtung noch bis 1935 über diverse Foren ihre favorisierten Maler und Bildhauer protegieren.11 Alfred Rosenberg rügte seinen Konkurrenten Goebbels für dessen Unterstützung der Bewegung, indem er Personen in Ämter der RdbK berufen habe, „die gerade zum Barlach – Nolde – Kreis in engsten Beziehungen stehen“, womit der KD gemeint war.12

Gurlitts persönliche Kontakte zu KD-Mitarbeitern lassen sich neben Rolf Hetsch auch im Falle von Gotthold Schneider und Stephan Hirzel (1899-1970) nachweisen. Hirzel war Mitbegründer des KD. Gurlitt lernte ihn spätestens 1925 kennen, als er ihn in eine seiner ersten Ausstellungen am König-Albert-Museum in Zwickau mit einbezog.13 1931 stieg Hirzel zum stellvertretenden Direktor des KD auf. Auch er hatte persönlich 1933 an der Weltausstellung in Chicago mitgewirkt; im gleichen Jahr wurde ihm die Hauptschriftleitung des Publikationsorgans der RdbK, „Die Kunstkammer“, übertragen, ein Jahr später das Referat der Reichspressekammer. Insofern unterhielt Gurlitt bereits in dieser frühen Phase lockere Kontakte zur Goebbels-Fraktion. Die Beziehungen intensivierten sich, als der KD im Sommer 1938 den für „international verwertbar“ eingestuften Teil der „Entartete Kunst“ in das von ihm genutzte Schloss Schönhausen im Norden Berlins übernahm und in enger Absprache mit Hetsch an der Organisation der „Verwertung“ partizipierte.14 Als kurz darauf – im August 1938 – Ernst Barlach verstarb, wurde an seinem Wohnsitz in Güstrow zur Pflege seiner Kunst ein klandestines Nachlassgremium gegründet, zu dem Rolf Hetsch gehörte, da er durch seinen Posten im RMVP vermeintlich befähigt war, die offizielle Verfemung des Künstlers zu unterwandern.15

Die regelmäßigen Treffen des Gremiums, die zum Teil in der Berliner Geschäftsstelle des Kunstdienstes am Matthäikirchplatz stattfanden, gingen weit über die Barlach-Angelegenheiten hinaus. Als Goebbels im Frühjahr 1943 den „Totalen Krieg“ ausrief, organisierten Hetsch und Bernhard A. Böhmer, der ebenfalls zum Gremium gehörte, die Auslagerung der Restbestände „Entarteter Kunst“ nach Güstrow.16 Nach Ende des Zweiten Weltkriegs sollte die Idee des „Nordischen Expressionismus“17 hier wiederbelebt werden. Als Pendants galten die Künstlerkolonien in Worpswede und Fischerhude in Niedersachsen, zu denen Hetsch all die Jahre enge Kontakte pflegte.18 Durch Emil Nolde in Sebüll ergänzt, hätte sich die Zukunftsvision eines kulturellen Dreiecks nationalrevolutionär denkender und agierender Künstler im Norden Deutschlands ergeben. Zur Realisierung des Plans bezog Ende des Jahres 1943 der Kunstdienst eine dort zunächst für Joseph Goebbels vorgesehene Liegenschaft, wodurch evident wird, dass Gurlitt an einem Netzwerk partizipierte, für das ein Teil der ästhetischen Moderne mit der Kulturideologie des RMVP kompatibel war.

Netzwerke in den besetzten Westgebieten

Gurlitts gute Beziehungen zum RMVP halfen ihm auch bei der Ausdehnung seiner Geschäfte auf die besetzten Westgebiete. Spätestens ab November 1940 unterhielt er Handelsbeziehungen nach Holland und Belgien und ließ sich von Hetsch ein Reichsinteresse daran bestätigen.1 Zwei Monate zuvor war Eduard Plietzsch (1886-1961) als Kunstsachverständiger für die „Dienststelle Mühlmann“ nach Den Haag berufen worden. Gurlitt und Plietzsch kannten sich bereits aus den frühen 1920er Jahren. Der zunächst bei Wilhelm von Bode und Max J. Friedländer an den Berliner Museen assistierende Plietzsch war 1919 in die Galerie van Diemen & Co des Markgraf-Konzerns eingetreten, deren Leitung er schon kurz darauf übernahm. Wilhelm von Bodes Großneffe Leopold Reidemeister (1900-1987), Gurlitts Studienkollege in Berlin und lebenslanger Freund, hatte für Plietzsch als Werkstudent gearbeitet und Gurlitt in die Galeriekreise eingeführt. Plietzsch war auf die niederländische Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts spezialisiert; mit Gurlitt und Reidemeister teilte er das Faible für die expressionistische Kunst. In Gurlitts Geschäftsbüchern sind Transaktionen mit Plietzsch zwischen März 1938 und Februar 1941 nachweisbar, wobei es hauptsächlich um die internationalen Moderne der Jahrhundertwende ging (wie Werke von Ferdinand Hodler, Édouard Manet, Edvard Munch, Auguste Renoir und Paul Signac).2

Einen Monat nachdem sein Handel mit „entarteter Kunst“ durch das Ende der NS-Aktion am 30. Juni 1941 auslief, reiste Gurlitt im Auftrag des RMVP ein erstes Mal nach Paris, um den französischen Kunstmarkt zu sondieren und Werke für deutsche Museen anzukaufen.3 Bis Juli 1944 sollte er sich weitere 31 Mal in der französischen Hauptstadt aufhalten, seine Geschäfte immer weiter ausdehnen und schließlich für den „Sonderauftrag Führermuseum Linz“ tätig werden. Sein Handel im Dienst des Reiches, den er daheim zum Schutz für seine Familie und sich angetreten hatte, lief dadurch ununterbrochen weiter. Seine Kontaktstelle in Paris war das Deutsche Institut (DI), die Kulturabteilung der Deutschen Botschaft (DB), von der er seine Reisevisa und die erforderlichen Expertisen für den Weiterverkauf der von ihm akquirierten Werke erhielt.4 Gleichzeitig war Gurlitt für das Institut in propagandistischer Hinsicht tätig und suchte „im weitesten Umfang Fühlung“ mit „französischen Künstlerkreisen“ aufzubauen.5

Das DI war eine Gründung des Auswärtigen Amtes (AA). Nach der Besetzung Frankreichs hatte Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop einen Arbeitsstab seiner Frankreich-Referenten an die Dienststellen des Militärbefehlshabers in Frankreich entsandt, um die Belange des AA zu vertreten. Otto Abetz leitete die Gruppe, die das Konzept des DI entwarf und zu der u. a. Rudolf Schleier und Karl Epting gehörten.6 Kurz darauf war er zum deutschen Botschafter ernannt worden, Schleier zum Gesandten und Epting zum Leiter des DI. Goebbels hatte von Anfang an versucht, die Aktivitäten der neuen Institution im Sinne des RMVP mitzusteuern. So war auch er es gewesen, der die ‚Rückführung‘ deutschen Kulturguts aus den westlichen Ländern am vehementesten vorantrieb und darüber hinaus „Kunstbesitz jüdischer und deutschfeindlicher Eigentümer“7 im Interesse deutscher Museen als Kompensation für zerstörte Güter sicherstellen ließ. Dafür war Goebbels von Adolf Hitler mit der zentralen Leitung beauftragt worden. Für die Vorbereitung hatte er von seiner Seite Adolf Ziegler und Rolf Hetsch mit einbezogen, während die Ausführung in den Händen von Abetz, Epting und Schleier lag.8

Hildebrand Gurlitt erinnerte sich später an bedeutende Werke aus der Sammlung Rothschild, die er in der DB gesehen haben will: einen barocken Schreibtisch, den Abetz selbst nutzte, sowie bedeutende französische Zeichnungen des 18. Jahrhunderts.9 Die massiven Eingriffe wurden von der Militärverwaltung mit der Verordnung vom 6. November 1940 unterbunden. Goebbels konnte seinen Einfluss jedoch weiterhin über Mitarbeiter des Kunstdienstes geltend machen. Otto Abetz selbst gehörte seit 1937 zum Kunstdienst, später war er sogar dessen Vorsitzender. Hildebrand Gurlitts langjähriger Bekannter Stephan Hirzel organisierte das Kunst- und Theaterprogramm des DI, für das auch Gurlitt Vorschläge unterbreitete.10 Ebenso wirkte Rolf Hetsch als Ausstellungsorganisator für den Kunstdienst bei der Propagandaarbeit des DI mit. Eines der Großprojekte war die im Herbst 1942 durch den Kunstdienst und das DI in der Orangerie in Paris ausgerichtete Retrospektive Arno Brekers. Zuvor war der Künstler durch die Vermittlung von Abetz zum Kunstdienst gestoßen.

Aufgrund seiner vielfältigen Aufgaben hielt sich Hirzel jeweils nur eine Woche pro Monat in Paris auf. Dennoch war auch er zusätzlich in den Kunsthandel vor Ort involviert, dies allerdings nur „halboffiziell“11, weshalb die Aktivitäten des Kunstdienstes in Paris schwer zu rekonstruieren sind und von der Forschung bisher nicht beachtet wurden. Die MFA&A Section erhielt durch ihre Befragungen später Hinweise auf ein klandestines Netzwerk des RMVPs, das ein dem Wallraf-Richartz-Museum sowie dem Kölnischen Kunstverein zur Verfügung stehendes Kunstlager in der Burg Nideggen nahe der Grenze zu den besetzten Westgebieten nutzte:

„Es existierte ein weites und untereinander gut verbundenes Netzwerk von Künstlern und Architekten, die im Untergrund arbeiteten und Kunstwerke, die verfemt, beschlagnahmt oder anderweitig sichergestellt wurden oder die allgemein den Besitzer wechselten, zu einer neuen Werkidentität zu verhelfen. Einige dieser Männer arbeiteten heimlich im Propagandaministerium mit dem ausdrücklichen Ziel, Kunstwerken, die zur Vernichtung vorgesehen waren, aufzudecken und deren Etiketten zu ändern.“12

Die in dem Dokument aufgelisteten Personen gehörten dem Kunstdienst beziehungsweise den Güstrower Kreisen an: Hugo Körtzinger, Bernhard A. Böhmer, Otto Andreas Schreiber, Carl Georg Heise, Otto Bartning, Stephan Hirzel und Gotthold Schneider.13 Hier scheinen sich die Distributionswege von „Entarteter Kunst“ und Werken aus Frankreich zu überschneiden, die eventuell unter neuer Etikettierung in den Kunsthandel zurückgeschleust wurden.

1942 musste sich Goebbels dienstlich für seine Zusammenarbeit mit dem Kunstdienst rechtfertigen. Im Nachgang der oben geschilderten Vorwürfe durch Rosenberg hatte 1941 Reinhard Heydrich, Chef des Sicherheitsdienstes zur Überwachung oppositioneller Strömungen, Goebbels aufgrund seiner freien Handhabung der „Verwertung“ der „entarteten Kunst“ eine „außerordentlich schwerwiegenden Sabotage der Kunstpolitik des Führers“ vorgeworfen.14 In der dadurch ausgelösten Untersuchung wurde der Kunstdienst erneut beschuldigt, „kulturbolschewistische Tendenzen“ zu verfolgen. Auch der Einbezug unliebsamer Literatur und politisch unerwünschter Wissenschaftler in das Kulturprogramm des DI wurde aufgedeckt.15 Otto Abetz und sein Pariser Mitarbeiterstab vom DI mussten sich daraufhin Ende 1942 aus Frankreich zurückziehen. Goebbels wusste jedoch seine Interessen durchzubringen und seine Leute wieder an den für ihn wichtigen Stellen zu positionieren. Im Februar 1943 konnte Abetz an die Botschaft in Paris zurückkehren, Epting kam etwas später nach. Letztendlich stärkte der Vorgang den Kunstdienst mehr als das er ihm geschadet hätte. Goebbels transferierte die Mitarbeiter kurzerhand von der RdbK direkt ins Propagandaministerium in die Abteilung IX Bildende Kunst. So rückte der Kunstdienst näher mit Rolf Hetsch zusammen, der mittlerweile zum Oberregierungsrat der Abteilung ernannt worden war und auf diese Weise seine Befugnisse ausdehnen konnte.16

Handelspartner und Erwerbsstrategien

Aus den Verbindungsstrukturen der DB und des DI entwickelten sich Gurlitts Netzwerke in Paris. Gurlitt verkehrte direkt mit Abetz und Epting. Zu Rudolf Schleier pflegte er einen besonders vertraulichen Kontakt. „Indem Sie mir ermöglichten in Paris arbeiten zu können, haben Sie mir einen für mein Leben entscheidenden Dienst getan“, versicherte Gurlitt gegenüber dem Gesandten in einem Brief vom Februar 1942.1 Gemeinsam mit seinem Freund Hans Domizlaff (1892-1971), einem anerkannten Werbefachmann, der sich seit Spätsommer 1941 ebenfalls geschäftlich in Paris aufhielt, erreichte er bei Schleier Unterstützung der von ihnen bewunderten Malerin Marie Laurencin, der man in Deutschland vorwarf, ihrem Ehemann während des Ersten Weltkriegs zur Fahnenflucht verholfen zu haben und deren Werke ab 1937 als „entartet“ galten.2 Nachweislich vermittelte Gurlitt Kunstwerke an Schleier, wie auch an Abetz und Epting.3 Später erklärte Gurlitt an Eides statt, dass Schleier, der sich im Rahmen der Nürnberger Prozesse für seine Verwicklung in antijüdische Auslandsaktionen verantworten musste, ihn durch die wiederholte Ausstellung von Visa vor Zwangsarbeit gerettet habe. Gurlitt bestätigte Schleier auch, angeblich keine Kunstwerke für seine eigene Sammlung aus jüdischem Besitz angekauft zu haben.4

Einer der zu diesen Netzwerken gehörenden Verbindungsmänner, Adolf Wüster, spielte für Gurlitt in Paris eine wegweisende Rolle. Laut Gurlitt war Wüster bei jedermann als Haupteinkäufer, Vermittler und Berater für deutsche Museen bekannt.5 Seine Geschäfte konzentrierten sich auf rheinische Museen, insbesondere auf die Kölnischen Institutionen, zu denen auch Rudolf Schleier enge Kontakte pflegte.6 Zu den wichtigsten Pariser Handelspartnern von Wüster gehörten Hugo Engel (jüdisch-österreichischer Galerist in Paris), Victor Mandl, Martin Fabiani, Raphaël Gérard, Gustav Rochlitz, Erhard Göpel, Rudolf Melander Holzapfel, George Terrisse und Theo Herrmsen. Exakt in diesen Bahnen bewegte sich auch Gurlitt auf dem französischen Kunstmarkt,7 wobei der Kontakt zu Göpel schon früher, wohl über Plietzsch zustande gekommen war, der ebenfalls mit Rochlitz und Holzapfel Geschäfte machte.8 Darüber hinaus sind Gurlitts Einkäufe im Hôtel Drouot bekannt. Eine direkte Verbindung unterhielt Gurlitt zu den Versteigerern Etienne Ader und Fernand Lair-Dubreuil, ebenso zu dem Sachverständigen des Hôtel Drouot, André Schoeller, der ein enger Freund Wüsters war.9 Schoeller galt als Spezialist für die französische Kunst des 19. Jahrhunderts und fungierte als wichtiger Zulieferer für Gurlitt. In Gurlitts schriftlichem Nachlass befinden sich mehr als 100 von Schoeller ausgestellte Expertisen.10

Die weitaus meisten Geschäfte wickelte Gurlitt mit Theo Hermsen ab. Der aus Den Haag stammende Kunsthändler zog im Jahr 1939 nach Paris und wohnte dort im neunten Bezirk von Paris (Rue de la Grange-Batelière), in der Nähe des Hôtel Drouot. Laut Gurlitts Geschäftsbüchern fanden die ersten Erwerbungen von Hermsen im August 1942 statt. Im gleichen Monat hatte Adolf Wüster von Hitler den Titel eines Konsuls verliehen bekommen. Für seine neue Aufgabe als wissenschaftlicher Mitarbeiter des AA, die Botschafts- und Gesandtschaftsräume mit Kunstwerken auszustatten, konnte er sich nun mit erweiterter Entscheidungsbefugnis sehr flexibel auf der Verwaltungsebene bewegen, durfte aber offiziell nicht gleichzeitig als Händler in Erscheinung treten.11 Insofern wird Gurlitt für Wüsters Geschäfte mit Hermsen eingetreten sein: Gleich bei seiner ersten Transaktion vom 3. August 1942 übernahm Gurlitt von Hermsen auf einen Schlag 38 Werke für eine Pauschalsumme von 41.000 + 4.000 RM; nur fünf Tage später vermittelte er 30 davon, kurze Zeit danach die übrigen. Alle Werke gingen nach Köln, die meisten an den Kölnischen Kunstverein, eines an das Wallraf-Richartz-Museum und sechs an eine Kölner Privatsammlerin.12 Eng in Gurlitts Geschäfte mit Hermsen einbezogen war der Maler Lucien Adrion,13 von dem Rolf Hetsch mindestens zwei Gemälde besaß.14

Bis 1944 blieb Hermsen die Hauptquelle für Gurlitt. Gut 80 Prozent der von ihm in den besetzten Westgebieten erworbenen Objekte (hauptsächlich Gemälde französischer Künstler, aber auch Gobelins), die anhand der Geschäftsbücher und Devisenbescheinigungen rekonstruierbar sind, gingen auf Rechnung des Niederländers. Hermsen, der die deutsche Sprache beherrschte und sich auf die Vermittlung französischer Werke für deutsche Museen spezialisiert hatte, bot als besonderen Service die Beschaffung der notwenigen Exportgenehmigungen beim Kunstschutz an, über den teilweise auch die Fuhren nach Deutschland als „Militärtransporte im Auftrag der Propagandastaffel Paris“ organisiert wurden.15 Angeblich hat Hermsen ebenfalls die Kosten dafür bezahlt, auch dann, wenn sich die Geschäfte zerschlugen, wobei er in diesen Fällen die Werke wieder zurückgenommen haben soll.16 Hermsen muss auch hinter dem „Pariser Geschäftsfreund“ vermutet werden, der Gurlitt regelmäßig die Hotelkosten aufgrund der profitablen Geschäftsabschlüsse „über sehr grosse Summen“ bezahlte.17

Gurlitt konnte Wüsters Platz problemlos einnehmen. Nach seinem Wechsel in den Kunsthandel ab 1933 hatte er die Verbindungen zur deutschen Museumsszene weiter gepflegt, was ihm nun landesweit Tür und Tor öffnete. In seinen unvollständig überlieferten Korrespondenzen aus der Zeit von 1942 bis 1944 ist von Angeboten an die Museen in Breslau, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt am Main, Hamburg, Lübeck, Königsberg, Mannheim, München, Nürnberg, Oldenburg, Weimar und Wiesbaden die Rede. Wie schon Wüster, so verband auch Gurlitt insbesondere mit Köln eine der nachhaltigsten Geschäftsbeziehungen. Als Händler „entarteter Kunst“ konnte er in enger Absprache mit Otto Förster, dem Direktor des Wallraf-Richartz-Museums, Tauscherwerbung vom RMVP erzielen, die für beide Seiten lukrativ waren, jedoch die offiziell vorgegebenen Handelsregularien unterwanderten.18 An dieses Vertrauensverhältnis knüpfte Gurlitt an. Bei seinen Reisen von Hamburg oder Dresden nach Paris legte er fast jedes Mal einen Halt in Köln ein. Aktuelle Forschungen haben ergeben, dass Gurlitt dem Wallraf-Richartz-Museum während der Besatzungszeit 27 hochkarätige Werke aus Frankreich vermitteltte, was 54 Prozent der in diesem Zeitraum von dort bezogenen Erwerbungen ausmacht.19

Für das Wallraf-Richartz-Museum verhandelte Gurlitt nicht mit Förster allein. Vielmehr stand er auch mit dem Leiter der Graphischen Sammlung, Helmut May (1906-1993), in regem Kontakt, ebenso mit Fritz Fremersdorfer (1894-1983), Kurator der Römisch-Germanischen Abteilung.20 Mit Abstand die meisten Werke aus Frankreich vermittelte Gurlitt an den Kölnischen Kunstverein, wie sich an dem oben bereits genannten Geschäft vom 3. August 1942 ablesen lässt. Insgesamt sind in Gurlitts Geschäftsbüchern 110 Objekte verzeichnet.21 Der Kölnische Kunstverein vertrat die gleiche Linie wie Hildebrand Gurlitt und positionierte sich in der 1933 entfachten Expressionismus-Debatte zugunsten der modernen Kunst. Im Rahmen der dafür initiierten Ausstellungsreihe „Neue deutsche Malerei“ konnte Gurlitt 1934 seine eigene Aquarell-Sammlung mit Werken vorwiegend Dresdener Künstler unterbringen.22 Ab Frühjahr 1942 leitete der Schwiegersohn von Otto Förster, Toni Feldenkirchen, den Kunstverein. Mit ihm setzte Gurlitt seine guten Beziehungen zu dessen beiden Vorgängern Walter Klug und Hans Peters fort. Bei Gurlitts umfangreichen Verkäufen an den Kunstverein handelte es sich um Werke von so renommierten Meistern wie Edgar Degas, Renoir, Signac und Auguste Rodin, aber auch um Werke unbekannterer Künstler wie Paraire, [Ernest-Victor ?] Hareux, Lévigne, [Jacques Alfred ?] Brielman.23 Zu fragen bleibt, wieso ein Kunstverein – dessen Ziel es war, die aktuelle Kunst seiner Region durch Ausstellungen und andere Veranstaltungen zu fördern und nicht, eine eigene Sammlung aufzubauen – in den Handel einbezogen war und was mit den übrigen Bildern, die vor den Alliierten verschwiegen wurden, passierte.

Neben seinen Geschäften mit deutschen Museen erwarb Hildebrand Gurlitt in den besetzten Westgebieten auch Kunstwerke für private Kunstsammler und Galeristen. Seine Abnehmer gehörten den Kreisen der Freunde und Händler moderner Kunst an, die er lange zuvor an seinen Wirkungsorten in Deutschland aufgebaut hatte. Hierzu gehörte beispielsweise der Zittauer Textilfabrikant Carl Neumann (1896-1966), für den er aus der Versteigerung Viau im Hôtel Drouot im Dezember 1942 das als von der Hand Paul Cézannes geltende Gemälde Vallée l’Arc et Mont St. Victoire erwarb, das sich später als Fälschung herausstellte.24 Die meisten Werke vermittelte Gurlitt an Hermann F. Reemtsma (1892-1961), den Hamburger Zigarettenfabrikanten, der aufgrund seiner Barlach-Affinität eng in die Kunstdienst-Aktivitäten in Güstrow eingebunden war und seit Beginn der 1930er Jahre steten Kontakt zu Gurlitt hielt. Auch in Köln hatte Gurlitt einen treuen Kundenstamm für seine Einkäufe in Paris: Hier ist an erster Stelle der Rechtsanwalt Josef Haubrich (1889-1961) zu nennen, dem Gurlitt schon zuvor zahlreiche Werke der „entarteten Kunst“ verkauft hatte, die 1946 mit dessen Schenkung an die Stadt Köln wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnten.25

Im Hinblick auf Gurlitts fortgesetzte Geschäfte mit deutschen Handelspartnern nach 1941 sind Heinrich Kühl und Paul Rusch in Dresden, Alex Vömel und die Galerie Paffrath in Düsseldorf, die Galerie Commeter in Hamburg und Julius Böhler jr. in München zu nennen. Auffällig häufig bediente Gurlitt seine Berliner Kollegen, wie Arnold Blumenreich, Victor Rheins, die Galerie Matthiesen, Friedrich August Lutz (ein ehemaliger Mitarbeiter von Eduard Plietzsch in der Galerie van Diemen & Co) oder Hans W. Lange. Auch Hildebrands Cousin Wolfgang gehörte zu seinen Abnehmern französischer Werke in der Reichshauptstadt, sowie Bernhard A. Böhmer, der neben Güstrow einen weiteren Geschäftssitz in der Berliner Tiergartenstraße 28 innehatte.26 Eine neue und nahezu freundschaftliche Verbindung entwickelte Gurlitt zu Paul Römer, der vormals in der Münchner Galerie von Heinrich Thannhauser tätig war und mit dessen Sohn Justin K. Thannhauser ab 1927 eine Zweigstelle in Berlin betrieb. Infolge von Justin Thannhausers Flucht nach Paris übernahm Römer im Dezember 1937 das Geschäft am Lützowplatz und als Thannhauser aufgrund der deutschen Besetzung 1940 über die Schweiz weiter in die USA emigrieren musste, wurde Gurlitt für Römer zum wichtigsten Lieferanten französischer Werke.27

„Sonderauftrag Führermuseum Linz“

Offiziell konnte Gurlitt nur bis Dezember 1942 Kunstwerke in Frankreich für Privatpersonen einkaufen, danach waren ihm die dafür notwenigen Devisen aufgrund einer neuen Verordnung über den Warenverkehr verwehrt.1 Schon bald ergab sich für ihn jedoch ein weitaus lukrativerer Auftrag. Als der Wiesbadener Museumsleiter Hermann Voss im März 1943 von Joseph Goebbels zum Nachfolger von Hans Posse berufen wurde und den Sonderauftrag für das geplante Führermuseum in Linz übernahm, wählte er Hildebrand Gurlitt als ‚Chefeinkäufer‘ in Paris. Beide hatten sich wohl bereits in den 1920er Jahren durch Eduard Plietzsch kennengelernt, mit dem Voss gemeinsam an den Berliner Museen tätig gewesen war. Die Verbindung zwischen Gurlitt und Voss muss sehr vertrauensvoll gewesen sein: Gurlitt gab später gegenüber den Alliierten an, seit dem 16. Februar 1943 für Voss und den „Sonderauftrag“ tätig gewesen zu sein.2 Tatsächlich fand an diesem Tag abends erst das entscheidende Gespräch zwischen Hitler und Voss statt, von dem neben Goebbels nur wenige wussten. Ohne Zögern muss Voss anschließend Gurlitt davon berichtet und ihn als Händler engagiert haben, noch bevor die alten, unter Posse aufgebauten Strukturen aufgelöst wurden.

Gurlitts Einbezug in den „Sonderauftrag“ wird durch Goebbels’ Reinstallation seiner Kontaktmänner in der Deutschen Botschaft und im DI Anfang 1943 begünstigt worden sein.3 Er erklärte jetzt Ämtern gegenüber, sich ständig für die Deutsche Botschaft und den Militärsbefehlshaber in Paris aufzuhalten.4 Um diese Zeit – noch vor seiner festen Mitarbeit unter Voss – erhielt Gurlitt erstmals die Gelegenheit, für den „Sonderauftrag“ tätig zu werden. Der Kunsthistoriker Erhard Göpel – seit Mai 1942 in Den Haag beim Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart in den besetzten niederländischen Gebieten im „Referat Sonderfragen“ für die Beschaffung von Kunstwerken für das geplante Führermuseum abkommandiert – hatte Gurlitt spätestens im Januar 1943 in diesbezügliche Einkäufe einbezogen.5 Göpel hielt sehr viel von Gurlitts Kennerschaft. Er wusste von dessen Beziehungen zu Eduard Plietzsch in der „Dienststelle Mühlmann“ und setzte sich erfolgreich für eine Ausdehnung von Gurlitts Tätigkeit in Holland und Belgien ein.6 Göpel selbst war für die „Dienststelle Mühlmann“ als externer Kunsthändler tätig, wie dies auch Max J. Friedländer war, bei dem wiederum Eduard Plietzsch und Hermann Voss an den Königlich Preußischen Kunstsammlungen unter der Generaldirektion von Wilhelm von Bode assistiert hatten und den Hildebrand Gurlitt seit seiner Zwickauer Zeit persönlich kannte.7 Göpel band auffällig viele Kollegen jüdischer Herkunft in seine Dienste ein, wofür er sich später bei Seyß-Inquart verantworten musste.8

Mit seiner Involvierung in den „Sonderauftrag Führermuseum Linz“ stieg Gurlitts Einkommen sprunghaft an. Gegenüber dem öffentlichen Kläger Bamberg-Land gab er nach Ende des Zweiten Weltkriegs bei seinem Entnazifizierungsverfahren an, in seinen ersten beiden Jahren in Paris 44.452 beziehungsweise 41.001 RM erzielt zu haben.9 Das wäre bereits mehr als doppelt so viel gewesen, wie in der Zeit davor als Händler „entarteter Kunst“.10 In den Jahren 1943 und 1944 vervielfachte sich die Summe angeblich auf 176.855 beziehungsweise 159.599 RM.11 Den von Gurlitt angegebenen Zahlen ist jedoch kaum zu trauen; er selbst räumte ein, Angaben nur aus der Erinnerung gemacht zu haben.12 Laut der überlieferten Devisenpapiere gab er in den Monaten Januar und Februar 1944 für seine Einkäufe bei Theo Hermsen und Gustav Rochlitz Devisen in Höhe von 684.000 RM aus.13 In den vier folgenden Monaten, von März bis Juni, erwarb er insgesamt 69 Gemälde, zehn Gobelins und 82 Zeichnungen im Wert von umgerechnet 3.612.000 RM für den „Sonderauftrag“. Im Juli 1944 konnte er ein Spitzengeschäft mit sechs Tapisserien und drei Gemälden für eine annähernd gleich große Summe von 3.130.000 RM abschließen. Noch im August 1944 – kurz bevor die Alliierten Paris befreiten – kaufte Gurlitt dort für 610.000 RM ein, musste aber jetzt versuchen, die Werke über Brüssel ins Deutsche Reich überführen zu lassen.14

Gurlitt erhielt für seine Einkäufe fünf Prozent des Gesamtpreises der Kunstwerke als Provision aus den Geldern des „Sonderauftrags“.15 Insofern lässt sich anhand der oben genannten Ankäufe für Januar bis August 1944 eine Summe von 401.800 RM errechnen, wobei in den Unterlagen für diese Zeit noch ein Mehrerlös zugunsten Hildebrand Gurlitts von 6.000 RM erwähnt ist.16 Nachdem ihm der französische Kunstmarkt endgültig versperrt war, verlegte er seine Handelsreisen in das mit Deutschland verbündete Ungarn und erhielt im Oktober 1944 Devisen im Gegenwert von 500.000 RM genehmigt.17 Gurlitts Geschäfte wurden teilweise direkt über die Sonderkonten des „Sonderauftrags“ abgewickelt. Er beantragte jedoch auch Devisen im Namen seines eigenen Kunsthandelsgeschäftes. In diesen Fällen kaufte Gurlitt die Werke direkt in Frankreich ein und verkaufte sie in Deutschland an den „Sonderauftrag“ weiter. Die Geldflüsse liefen sowohl über das Bankhaus Wilhelm Rée in Hamburg, das ihm einen Barkredit in Höhe von 200.000 RM einräumte, als auch über die Dresdner Bank, wo er ein Darlehenskonto innehatte. In der Pariser Vertretung der Dresdner Bank in der Avenue de l’Opéra, wurden ihm die Devisen zur Verfügung gestellt.18 Auf diese Weise lag die Gewinnspanne zwischen Ein- und Verkauf allein in Gurlitts Ermessen und Verhandlungsgeschick.19

Auch im Rahmen des „Sonderauftrags“ kaufte Gurlitt die weitaus meisten Werke für deutsche Museen ein, direkt für das Führermuseum in Linz hingegen insgesamt lediglich 168 Werke, womit er allein seinem Status als „Chief Dealer“20 kaum gerecht geworden wäre. Die Begünstigung deutscher Museen durch den „Sonderauftrag“ war explizit vorgesehen und gewann vor allem unter Voss’ Leitung an Bedeutung, wie sie auch im Interesse von Goebbels lag. So hatte Gurlitt keinerlei Schwierigkeiten, Devisen in großer Zahl zu erhalten. Die Bescheinigungen mussten zunächst von der RdbK genehmigt werden, woraufhin die Ausstellung der Papiere über die Reichsstelle für Papier erfolgte.21 Als Referenzperson gab Gurlitt wiederholt Rolf Hetsch an. In diesem Zusammenhang ist wohl auch Gurlitts Aussage gegenüber Rudolf Schleier zu verstehen: „Ich konnte für Köln und andere Museen mancherlei erreichen“.22

Laut Michel Martin, dem für Exportgenehmigungen zuständigen Louvre-Kurator, hat Gurlitt in Paris Kunstwerke für insgesamt „400 à 500 millions de francs“ eingekauft.23 Knapp die Hälfte davon wendete er für Einkäufe im Rahmen des „Sonderauftrags“ – für das Führermuseum in Linz und andere deutsche Museen – auf. Etwa 350 dieser Werke sind in Gurlitts Besitz verblieben und 2012 mit dem „Schwabinger Kunstfund“ wiederaufgetaucht.24 Wie viele Werke genau Gurlitt in Frankreich erworben hat, ist jedoch kaum errechenbar. Gegenüber den Alliierten gab Gurlitt nur einen Bruchteil der tatsächlich von ihm vermittelten Werke an.25 Viele Transaktionen sind nicht belegt. Erschwerend kommt hinzu, dass Gurlitt sein Devisenkonto Dritten zur Verfügung gestellt hat, zum Beispiel Erhard Göpel26 und den Handelskontakten der Römisch-Germanischen Abteilung im Wallraf-Richartz-Museum.27 Auch decken sich die Angaben in den unterschiedlichen Archivalien nicht mit denen in Gurlitts Korrespondenzen und Geschäftsbüchern. Die Herkunft der Werke ist aufgrund der dazwischen geschalteten Händler ebenso schwer rekonstruierbar. Zudem ließ sich Gurlitt falsche Quittungen ausstellen, um die tatsächlichen Verkäufer zu verschleiern, wie im Falle des Wiener Restaurators Jean (Hans Wilhelm) Lenthal für den Einkauf von 41 Gemälden französischer Künstler am 20. Juni 1942.28

Arrest in Aschbach und Entnazifizierung

Während der schweren Luftangriffe auf Dresden vom 13. bis 15. Februar 1945 wurde das Elternhaus von Hildebrand Gurlitt zerstört, in das er Anfang 1942 mit seiner Familie zurückgezogen war, nachdem eine Fliegerbombe das Haus seiner Hamburger Wohnung stark beschädigt hatte. Im März 1945 flüchtete er mit seiner Frau und den beiden Kindern aus Dresden auf das Rittergut von Gerhard Freiherr von Pölnitz in Aschbach im Bamberger Land, das als bombensicher galt. Im Mai des Jahres kam auch Karl Haberstock mit seiner Frau hier unter. Von Pölnitz, ein während der Besatzungszeit in Paris stationierter Offizier der deutschen Luftwaffe, organisierte Transportmöglichkeiten für die Ausführung von in Frankreich erworbenen Kunstwerken. Zudem war er als Repräsentant für die Galerie von Hugo Engel in Deutschland aufgetreten und hatte vor allem mit Haberstock und gelegentlich mit Gurlitt gemeinsame Handelsgeschäfte abgewickelt.1

Am 10. Juni 1945 wurde Gurlitt von Oberleutnant Dwight McKay, Judge Advocate Section, Third U.S. Army, verhört und samt seiner Familie auf Schloss Aschbach unter Arrest gestellt.2 Am 3. Oktober des Jahres erfolgte das zweite Verhör von den Mitarbeitern der Art Looting Investigation Unit (ALIU) zu seiner Einbindung in den „Sonderauftrag Führermuseum Linz“.3 Gurlitt hatte bei seiner Flucht etliche Kisten mit Teilen seiner Kunstsammlung nach Aschbach überführt. Zur Überprüfung der Werke wurden die Bilderkisten im Dezember 1945 in den Central Collecting Point Wiesbaden verbracht. Weitere Einzelwerke und Grafikpakete, die Gurlitt ebenfalls als seine eigene Sammlung deklarierte, verblieben sichergestellt in Aschbach.4 In den folgenden zwei Jahren fanden intensive Befragungen zu Gurlitts Handelskontakten, zur Herkunft der Werke und den bezahlten Preisen statt. Außerdem musste Gurlitt die von ihm an deutsche Museen und Privatsammler verkauften Werke aus den besetzten Gebieten auflisten sowie die in Aschbach verbliebenen Werke von Max Liebermann, die er von Hermsen in Paris erworben hatte, nach München abgeben.

Parallel dazu begannen die Untersuchungen der Spruchkammer Bamberg-Land zu Gurlitts Partei-Beziehungen und den Grad seiner Nutznießung des NS-Systems. Aufgrund seines Eintretens für die von den Nationalsozialisten als „entartet“ verfemte Kunst sowie vor allem aufgrund der Diskriminierung als „Vierteljude“ konnte sich Gurlitt überzeugend als Opfer des NS-Regimes darstellen.5 Für den „Sonderauftrag“ sei er tätig geworden, um sich durch die ständige Reiseabwesenheit vor Verfolgung und Verhaftung in Deutschland zu schützen.6 Mitglied der Partei sei er nie gewesen,7 (er hätte es aufgrund seiner Herkunft aber auch nicht werden können). So ging Gurlitt im Juli 1947 als „Entlasteter“ aus dem Verfahren hervor.8 Allerdings ergaben Rückfragen an das zuständige Finanzamt, dass Gurlitt sein jährliches Einkommen von 1941 bis 1945 viel zu gering angegeben hatte. Zusätzlich befeuert durch die Denunziation einer früheren Mitarbeiterin im Hamburger Kunstkabinett nahm der öffentliche Kläger das Verfahren wieder auf und beschuldigte Gurlitt der „Nutznießerschaft“.9

Obwohl Gurlitts Einkommen die zulässige Höhe von 36.000 RM jährlich bei Weitem überstiegen hatte, konnte er auch dieses Mal eine Verurteilung abwenden.10 Mit dem Einreichen zahlreicher Leumundszeugnisse akzeptierte die Spruchkammer Gurlitts Argumentation, die Steigerung seines Einkommens allein aufgrund seiner Kunstkenntnisse und hohen Professionalisierung erreicht zu haben.11 Vom politischen System habe er dabei nicht profitiert, so die Spruchkammer in ihrem zweiten Entscheid vom 12. Januar 1948.12 Und obwohl seine im Laufe der Zeit getätigten Aussagen zur Herkunft der sichergestellten Werke erhebliche Diskrepanzen aufwiesen, wurde im Dezember 1950 seine Sammlung in Wiesbaden freigestellt.13 Mittlerweile war Gurlitt Anfang des Jahres 1948 zum Direktor des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen ernannt worden und mit seiner Familie nach Düsseldorf gezogen.14 Otto Förster vom Wallraf-Richartz-Museum hatte ihn für den Posten empfohlen. Gurlitts langjähriger Freund Leopold Reidemeister übernahm 1946 die Leitung und 1954 die Generaldirektion der Städtischen Kölner Museen. Mit Joseph Haubrichs Schenkung seiner Sammlung vorwiegend expressionistischer Werke avancierte Köln zur Hauptstadt der zuvor verfemten Kunst, während andere Städte noch lange die durch die Beschlagnahme gerissenen Lücken zu beklagen hatten. So konnte Gurlitt durch seine alten Netzwerke ohne Weiteres an seine Bestrebungen der Weimarer Zeit anknüpfen.

Hildebrand Gurlitt starb am 9. November 1956 in Oberhausen.