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Karl Haberstock war ein bekannter deutscher Kunsthändler, der Adolf Hitler nahestand und der sich umfassend an dem Aufbau von nationalsozialistischen Sammlungen während des „Dritten Reiches“ beteiligt hatte. Während der Besatzungszeit verfügte er über ein weites Netzwerk von Kunsthändlern in Frankreich, mit denen er zahlreiche Geschäfte abwickelte.

Aufstieg zu einem der erfolgreichsten deutschen Kunsthändler

Haberstock wurde 1878 in Augsburg geboren und entstammte einer Bauernfamilie. Er durchlief zunächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann und machte sich 1903 als Händler von Porzellan und Antiquitäten selbständig. Seine ersten Geschäfte betrieb er in Würzburg und Bad Neuenahr. 1907 siedelte er nach Berlin über und betätigte sich von nun an als Kunsthändler. Schon vor dem Ersten Weltkrieg gelang es ihm, im Berliner Kunstleben eine bedeutende Stellung einzunehmen. Nach dem Krieg baute er seine Position aus und unterhielt internationale Geschäftsbeziehungen.1 Angeblich besaß er auch eine Genehmigung, in der Sowjetunion Gemälde zu kaufen.2 Sein Schwerpunkt waren zunächst Gemälde von Meistern der deutschen Malschule des späten 19. Jahrhunderts (unter anderem von Wilhelm Trübner, Carl Schuch und Fritz von Uhde), die er erfolgreich an öffentliche Sammlungen verkaufte. In den 1920er Jahren erweiterte er sein Programm und bot nun vermehrt auch Meister der niederländischen und flämischen Kunst des 17. Jahrhunderts sowie französische und italienische Werke des 16. bis 18. Jahrhunderts an. Nach seinen eigenen Angaben gehörte die Galerie Haberstock seit 1912 zu den größten und angesehensten Kunsthandelsfirmen im Deutschen Reich.3

Persönlicher Kontakt zu Hitler

Haberstock trat im Frühjahr 1933 der NSDAP bei. Er tat dies nach Erkenntnissen des Augsburger Forschers Kessler mit dem mutmaßlichen Ziel, bei den neuen Machthabern Einfluss auf die Gesetzgebung über den Kunsthandel zu erhalten. Zudem konnte er so seine konservative politische Gesinnung gegenüber seinen oftmals politisch reaktionären Kunden unterstreichen.1 Adolf Hitler kaufte 1936 das erste Bild von ihm. Es gelang Haberstock schnell eine Vertrauensbeziehung zu dem Diktator aufzubauen, der den Berliner Kunsthändler seinerseits als Experte für Malerei schätzte. Haberstock soll in der folgenden Zeit oft Gast in der Reichskanzlei gewesen sein.2 Aufgrund seiner internationalen Verbindungen und seiner Nähe zu den politischen Machthabern des „Dritten Reiches“ gehörte er auch zu dem exklusiven Kreis von deutschen Kunsthändlern, die im Auftrag des Staates ab 1938 die sogenannte „Entartete Kunst“ im Ausland verkauften.3 Für Hitler erstellte Haberstock auch ein persönliches Album mit Gemälden, die er an den Politiker bis 1939 verkauft hatte.4

Den persönlichen Zugang zu Hitler nutzte der Kunsthändler im gleichen Jahr, als er sich für die Rehabilitierung seines Freundes, des ehemaligen Leiters der Dresdener Gemäldegalerie, Hans Posse, erfolgreich einsetzte. Der Museumsleiter war aus politischen Gründen von der örtlichen Parteiführung aus seinem Amt verdrängt worden.5 Hitler fuhr selbst nach Dresden und sorgte persönlich dafür, dass Posse sein altes Amt zurückbekam. Im folgenden Jahr erhielt Haberstock vom Diktator auch den Auftrag, einen Plan zu erarbeiten, wie die umfangreichen Kunstbestände aus jüdischen Sammlungen in Wien aufgeteilt werden sollten. Die deutschen und österreichischen Behörden hatten diese nach dem sogenannten „Anschluss“ beschlagnahmt. Haberstock scheiterte jedoch aufgrund des Widerstandes der österreichischen Denkmalbehörden mit seinem Vorhaben, das unter anderem auch einen Verkauf von Werken aus diesem Bestand vorsah. Hitler betraute daraufhin im Juni 1939 Posse mit dieser Aufgabe, den er zugleich auch zum „Sonderbeauftragten“ für den Aufbau der Sammlung eines von ihm geplanten neuen Museums in Linz an der Donau ernannte („Sonderauftrag Linz“).6

Aktivitäten auf dem französischen Kunstmarkt

Haberstock unternahm ab 1940 zahlreiche Reisen in die besetzten Gebiete, z.B. nach Frankreich und in die Niederlande, sowie in die Schweiz und nach Italien. Er verfügte über eine ausdrückliche Reisegenehmigung von Hitler.1 Im Ausland arbeitete er nur mit erstklassigen Händlern zusammen wie beispielsweise mit Fischer in Luzern, Wildenstein in Paris und Legatt in London.  Der Schwerpunkt seiner Erwerbungen aus dem Ausland lag dabei in Frankreich. Hier ließ er sich von einer großen Anzahl von Händlern und Informanten mit Kunst beziehungsweise mit Hinweisen auf bedeutende Sammlungen beliefern.2 Ein alliierter Bericht nannte nach dem Krieg 75 Personen, mit denen Haberstock allein in Frankreich während der Besatzungszeit geschäftliche Beziehungen unterhielt.3 In Paris wohnte er regelmäßig im Hotel „Ritz“ und ließ seine Aufenthalte in der Gazette des Beaux-Arts sowie durch den Versand von Postkarten an seine Geschäftspartner anzeigen.4

Kontaktpersonen in Frankreich

Haberstock ließ für sich Agenten im besetzten Frankreich und in der freien Zone des Landes arbeiten. Im besetzten Teil des Landes war Hugo Engel sein bevorzugter Geschäftspartner. Der ehemalige Flüchtling aus Österreich lebte seit mehreren Jahren in Paris. Er belieferte Haberstock mit Kunstwerken, arbeitete aber auch als Vermittler bei Verhandlungen mit den Speditionen Schenker, Wacker & Bondy und Charles Blot. Daneben machte Haberstock auch zahlreiche Geschäfte mit Roger Dequoy, der als Vertreter für den geflohenen Inhaber die jüdische Galerie Wildenstein leitete. Haberstock kannte Georges Wildenstein aus der Zeit vor dem Krieg. Zusammen mit Engel half er Dequoy, die Gemälde der Sammlung Wildenstein aus dem unbesetzten Frankreich nach Paris zu bringen.1

Dequoy verfolgte bei diesen Geschäften das Interesse, das Lager der Galerie vor Beschlagnahmungen zu schützen und persönliche Profite zu machen. Er vermittelte Haberstock unter anderem den Verkauf von zwei Gemälden von Rembrandt – laut Akten mit den Titeln Landschaft mit Schlossruine (Linz 2291, Mü 1576/2) und Bildnis seines Sohnes Titus (Linz 2292, Mü 1406) –, bei dem er eine Vermittlungsgebühr von 1,8 Millionen Francs einnahm.2 Dequoy seinerseits arbeitete viel mit den französischen Kunsthändlern Georges Destrem und Martin Fabiani zusammen.3 Weitere wichtige Kontaktpersonen und Geschäftspartner für Haberstock in Paris waren die französischen Kunsthändler Dr. Simon Meller und Allen Loebl sowie der deutsche Besatzungsoffizier Gerhard von Pölnitz (?-1962). Darüber hinaus arbeitete die Elsässerin Jane Weyll für Haberstock als Aufkäuferin im Versteigerungshaus Hôtel Drouot.4

Im nicht besetzten Frankreich arbeitete Alexander Ball für Haberstock. Ball war früher in Berlin als Kunsthändler tätig gewesen und emigrierte vor dem Krieg nach Frankreich. Bei der deutschen Invasion floh er nach Südfrankreich. Er erkundete von hier aus für Haberstock Sammlungen in Lyon und in der Provence. Daneben arbeitete Herbert Engel, der Sohn von Hugo Engel, in Südfrankreich für Haberstock und versuchte ebenfalls dort wertvolle Sammlungen zu erkunden. Ein weiterer Geschäftspartner war Arthur Goldschmidt, der ebenfalls aus Deutschland stammte. Alle drei Agenten verließen später Frankreich. Goldschmidt und Ball emigrierten in die USA, Herbert Engel floh in die Schweiz.5

Einkäufer für den „Sonderauftrag Linz”

Hauptabnehmer für die zahlreichen Werke, die Haberstock in Frankreich einkaufte, war der „Sonderauftrag Linz“. Der Kunsthändler verkaufte mehr als 200 Gemälde, Teppiche und Skulpturen, die auch aus anderen europäischen Ländern kamen, an den Aufbaustab für das neue Museum. Haberstock wurde damit zu einem Hauptlieferanten für die geplante Sammlung.1 Unter den Werken, die er für Linz verkaufte, befanden sich die beiden bereits erwähnten Gemälde von Rembrandt, aber auch die Odalisque von François Boucher, 53 x 65 cm (Linz 2742, Mü 4337, MNR 61), sowie von Peter Paul Rubens das Gemälde Pan und Sphinx, 88 x 125 cm (Linz 2138, Mü 1589, MNR 404).2 Die Verkäufe an den „Sonderauftrag“ dürften auf die Sonderstellung zurückgehen, die Haberstock bei Posse nach dessen Rehabilitierung besaß. Haberstock reiste mit dem Galeriedirektor 1940 auch zusammen nach Paris.3 Trotz seiner herausgehobenen Stellung als Lieferant für Hitler musste Haberstock bei jeder Ausfuhr von Kunstwerken einen mühsamen Weg durch die französischen und deutschen Behörden gehen, um die nötige Erlaubnis zu erhalten: nach seinen eigenen Angaben zunächst die deutsche „Reichsstelle für Waren verschiedener Art“, dann das französische „Office des compensations“ in Paris und schließlich die deutsche „Zentralauftragsstelle“, die sich ebenfalls in Paris befand. Die zusätzliche Zustimmungspflicht eines deutschen Zollamtes wurde allerdings während des Krieges abgeschafft.4

Nicht alle Erwerbungen aus Frankreich liefen allerdings über seine Geschäftsbücher, welche die alliierten Kunstfahnder nach dem Krieg sicherstellen konnten. Der Erwerb der Gemälde von Rembrandt sowie zweier Bilder von Angelo Bronzino – ein männliches und ein weibliches Bildnis (Linz 2740 und 2741, Mü 4421 und 8863, MNR 800) – sind in diesen Unterlagen nicht auffindbar, aber in den Akten des „Sonderauftrags“ und in einem alliierten Bericht von 1945 ausdrücklich erwähnt.5 Hinweise auf solche Kunstwerke, die der Händler nicht selbst besaß, sondern an Hitler in Kommission verkaufte, lassen sich verstreut in den übrigen Geschäftsunterlagen finden.6 Diese Kunstwerke wurden von der Deutschen Botschaft in Paris direkt mit Devisen bezahlt.7 Neben Hitler waren aber auch Hermann Göring und andere führende Repräsentanten des „Dritten Reiches“ Käufer von Werken, die Haberstock aus Frankreich einführte. An alle diese Personen verkaufte der Kunsthändler Werke zu sehr hohen Preisen. Die ausgesprochene Gewinnorientierung von Haberstock erweckte bereits Ende 1942 das Misstrauen von Hitler und seines Kunstexperten Posse.8 Anlass dafür bot sicherlich auch der eigenwillige Charakter des Kunsthändlers. Er schreckte aus gekränkter Eitelkeit nicht davor zurück, sich 1943 in der Parteikanzlei darüber zu beschweren, dass sein Anteil bei der Beschaffung von Kunstwerken in einer ersten Veröffentlichung über das neue Museum in Linz nicht ausdrücklich genannte wurde.9

Seit Frühjahr 1943 verkaufte Haberstock allerdings immer weniger Werke an den „Sonderauftrag“, bis diese Geschäftsbeziehung schließlich ganz versiegte. Der neue Leiter des „Sonderauftrags Linz“, Hermann Voss, der dieses Amt nach dem Tod von Posse übernommen hatte, war ein ausgesprochener Gegner des Berliner Kunsthändlers und unterstellte ihm skrupellose Methoden bei seinen Geschäften. Im Kern trafen hier der akademisch geprägte neue Sammlungsleiter und der Selfmademan Haberstock, der nur über autodidaktische Kenntnisse verfügte, unversöhnlich aufeinander. In der folgenden Zeit stützte sich Voss dann vor allem auf den Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, um Kunst aus Frankreich zu erhalten.

Nachdem sein Berliner Geschäft Ende Januar 1944 vollkommen zerstört worden war, zog sich Haberstock immer mehr aus dem Handel zurück und siedelte im Mai 1944 nach Aschbach in Franken (bei Bamberg) über, wo er das Kriegsende mit vielen geretteten Geschäftsunterlagen erlebte.10 Seine Kunstwerke hatte er ebenfalls dorthin mitgenommen und daneben in zwei weiteren Lagern in Süddeutschland untergebracht.11

Nach dem Krieg

Die alliierten Kunstfahnder, die nach dem Ende des Krieges nach den Akteuren des deutschen Kunstraubs fahndeten, konnten Haberstock schnell ausfindig machen und ihn als einen zentralen Kunstbeschaffer für Hitler identifizieren. Der Kunsthändler wurde mehrfach verhaftet und auch in Altaussee, wo die Spezialeinheit „Monuments Men“ ein Verhörzentrum für die Verantwortlichen des Kunstraubs eingerichtet hatten, eingehend befragt. Die alliierten Kunstfahnder konnten bei ihren Ermittlungen auf Haberstocks umfangreiches Archiv über Ankäufe in Frankreich zurückgreifen. Da es jedoch der Natur des Händlers entsprach, nie ein Risiko einzugehen, war ihm zu diesem Zeitpunkt kein Verkauf von Kunst nachzuweisen, die während des Krieges verfolgungsbedingt entzogen worden war.1 Es gelang den alliierten Ermittlern daher nicht, den Kunsthändler trotz seiner politischen und persönlichen Nähe zu Hitler eines Verbrechens zu überführen. Auf der anderen Seite unterlag Haberstock bei dem Versuch, Werke zurückzuerhalten, die er aus eigenen Devisenbeständen in Frankreich während des Krieges gekauft hatte.2

Ein Spruchkammerverfahren zur Entnazifizierung endete 1950 in der zweiten Instanz mit einem Freispruch. Haberstock ließ sich anschließend in München nieder, um wieder als Kunsthändler zu arbeiten. Es gelang ihm bis zu seinem Tode 1955 allerdings nicht mehr, an frühere Verkaufserfolge anzuknüpfen.3