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20/05/2022 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Martin Fabiani war ein französischer Kunsthändler und geschickter, durchtriebener Geschäftsmann, der den politischen Machthabern stets nahestand. Da er während der Besatzungszeit auf dem Kunstmarkt sehr aktiv war, beteiligte er sich an zahlreichen Transaktionen von zum Teil beschlagnahmten Kunstwerken, die für Nazideutschland bestimmt waren.

Vorkriegszeit

Martin Fabiani wurde am 4. Oktober  1899 im korsischen Venaco geboren. Einem Bericht der Kriminalpolizei zufolge soll er nach seinem Abitur als 18-Jähriger Korsika verlassen und in Paris zwei Jahre lang Seminare an der Juristischen Fakultät und der Hochschule für Politikwissenschaften belegt haben.1

Sein eigentliches Berufsleben und der Anfang seiner Karriere als Kunsthändler vor dem Krieg bleiben im Dunkeln. Die nach dem Krieg geführten Ermittlungen zeigen sein Interesse für Kunst, „den Kauf und Verkauf von Gemälden auf eigene Rechnung und im Namen verschiedener Pariser Galerien“.2 Vor dem Krieg soll er in der „Verwaltung der Galerie Bignon [sic] gearbeitet haben“. Zudem gibt der Bericht an, dass er angeblich „einer der Mitarbeiter des Kunstverlegers Ambroise Vollard geworden sei, der ihn kurz vor seinem Tod zum Gutachter seines Nachlasses und zu seinem Nachfolger bestimmt hat“.3

In seiner 1976 veröffentlichten Autobiografie „Quand j’étais marchand de tableaux“ [Als ich Kunsthändler war] schildert Martin Fabiani sein Leben wie einen Roman, gefärbt von nicht identifizierbaren Anekdoten.4 Dieses Buch ist mit Vorsicht zu genießen, da darin nur wenig vertrauenswürdige Quellenangaben zu finden sind. Die spät in seinem Leben verfasste Erzählung sollte seine Vergangenheit ganz eindeutig in ein schöneres Licht stellen, um sich auf der historisch korrekten Seite zu positionieren. Seinen Behauptungen zufolge hatte er in den 1920er Jahren begonnen, sich für die Welt der Kunst zu interessieren, da er mit Jacques Bernheim, dem Sohn des Pariser Kunsthändlers Georges Bernheim, befreundet war. Zudem erfährt man, dass „seine Freunde“ zu jener Zeit insbesondere jüdische Maler waren, etwa Moïse Kisling und Chaïm Soutine. Fabiani beschreibt seine Anfänge als Kunstmakler auf folgende Art und Weise: „Das Ganze war ziemlich leicht: Ich holte ein Gemälde aus einem Atelier und brachte es ans andere Ende von Paris, wo ich es Paul Guillaume zum Kauf anbot […]. Es kam vor, dass ich Georges Wildenstein vor seiner Villa abpasste […] um ihm ein oder zwei Gemälde anzubieten.“5

Der Nachlass der Sammlung Vollard

Es war seine Rolle bei den Nachlassabwicklungen der Sammlung Ambroise Vollard (1866-1939), die Martin Fabiani ins Rampenlicht des Pariser Kunstmarkts katapultierte und hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit zahlreiche Gerüchte und Spekulationen auslöste. Ambroise Vollard, der als Kunsthändler von Cézanne, Renoir, Degas, Bonnard und zahlreichen anderen modernen französischen Künstlern des 19. und 20. Jh. eine zentrale Figur war, starb im Juli 1939 bei einem Autounfall. Das Testament wurde am 5. September 1939, also zwei Tage nach der Kriegserklärung verlesen.1 Die Bestandsaufnahme erfolgte unter der Verantwortung von Gaston Bernheim, während Paul Cézannes Sohn die Aufsicht führte, jedoch „werden die mehr oder weniger gut identifizierten Gemälde oft paketweise gezählt“ und Vollards Inventar des Jahres 1922 sowie gewisse Rechnungsbücher sollen angeblich abhandengekommen sein.2 Seine Sammlung habe zwischen fünf- und sechstausend Stücke enthalten. Das einzige Testament aus dem Jahr 1911 soll 1940 für rechtsgültig erklärt worden sein, und zwar durch ein Abkommen zwischen den von seinem Bruder Lucien Vollard vertretenen Erben und anderen Anspruchsberechtigten, den Galéas, der Familie seiner langjährigen Freundin Madeleine de Galéa.3 Lucien Vollard sollte Martin Fabiani und die Galéas den Galeristen Étienne Bignou zum Gutachter ernennen.

Ambroise Vollards Biograf Jean-Paul Morel kommentiert diese Entscheidung wie folgt:

„Das ist nur der Anfang, denn von nun an wird das Ganze ohne jede Kontrolle in alle Winde verstreut. Man weiß nur […], dass Lucien Vollard einen Großteil seines aus Gemälden bestehenden Erbanteils für eine Summe von 9.000.000 F an Martin Fabiani abgetreten haben soll; und dass die Galéas, den Ermittlungen der Kriminalpolizei aus dem Jahre 1948 zufolge, etwa 3.000 Stücke erbten […], was 2/3 der Sammlung darstellte.“4

Nach dem Krieg sollten die komplexen Ermittlungen des Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für Beschlagnahmung unlauterer Gewinne], das Fabiani für seine, den Behörden gegenüber nicht angegebene Bereicherung während der Besatzungszeit verurteilen sollte, Vollards Erbe in ein neues Licht rücken. In seinem zusammenfassenden Bericht vom 11. Mai 1947 schreibt Oberinspektor Faure diesbezüglich: „Dass Herr Fabiani von Herrn Ambroise Vollard zu dessen Lebzeiten zum Gutachter seines Nachlasses ernannt worden war, ist weder durch eine Urkunde noch durch einen Zeugen belegt.“5 Der Bruder Lucien Vollard hatte der Akte einen auf den „13. April 1940“ datierten Brief hinzugefügt, in welchem er bestätigte, dass Fabiani ein Ensemble von Gemälden gekauft habe. Er gibt darin die Summe von 5.000.000 F an:

„Von Herrn Martin Fabiani, 5 Avenue Montaigne, Paris, für den Verkauf eines Loses von Gemälden die Summe von fünf Millionen Franc (5.000.000 F) in bar erhalten: Cézanne, Renoir, Degas, Picasso etc. Eine Inventarliste wurde erstellt und gegengezeichnet von den Herren Lucien Vollard und Martin Fabiani.“6

Dieser Brief ist unterschrieben mit dem Zusatz „gelesen und genehmigt, gilt als Rechnung. L. Vollard“, das Datum ist jedoch mit der Maschine getippt und Lucien Vollard hatte die erwähnte Inventarliste nicht beigelegt. Inspektor Faure geht davon aus, dass es sich um ein vordatiertes Dokument handelt:

„Es gilt als gesichert, dass die am 13. April  1940 von Herrn Lucien Vollard übergebene Quittung kein als bestimmt anzunehmendes Datum enthält, was in Anbetracht der Höhe der darauf stehenden Summe verwunderlich ist […] die Echtheit dieses Dokuments  […] muss in Zweifel gezogen werden.“7

Der im Jahre 1947 übergegebene Bericht des Polizeiinspektors betont Fabianis unregelmäßige Einkommenserklärungen und weist die zu seiner Verteidigung vorgebrachten Argumente in Bezug auf Sammlung Vollard zurück.

„Keinerlei Versicherungsvertrag gegen Diebstahl oder Feuergefahr wurde für eine dermaßen umfangreiche Sammlung abgeschlossen, von der ohne zu übertreiben behauptet werden kann, dass sie gegenwärtig über 200 Millionen wert ist. Es gibt keinen einzigen Werkkatalog, was den Gepflogenheiten der Kunsthändler und wichtigen Sammler widerspricht. Als Herr Fabiani darum gebeten wurde zu erläutern, unter welchen Bedingungen diese Kunstwerke angekauft worden waren (Verkäufer, Erwerbsdatum, Preis), konnte er zu keinem einzigen dieser Punkte etwas Genaues sagen. Er schreibt (Verteidigungsschrift vom 10. März 1947 […]) "… Ihre Anfrage in Bezug auf die Gemälde […] scheint mir hinfällig. Da es sich überdies um eine seit 1920 nach und nach zusammengestellte Privatsammlung handelt, ‚aufgrund meiner überaus großen Vorliebe für Gemälde und Kunstwerke‘, wie Sie in Ihrem Bericht sehr wohl Willens waren zu bestätigen, bin ich nicht in der Lage, Ihnen die gewünschten Auskünfte zu liefern, da die besagten Ankäufe im Laufe von mehr als 20 Jahren sowie auf Privatkosten erfolgt sind." Die soeben zitierte Aussage scheint darauf schließen zu lassen, dass diese Sammlung am 1. September 1939 nicht einmal ansatzweise existierte, da ein Sammler sich ganz im Gegenteil normalerweise sehr wohl an die Umstände erinnert, unter denen er bestimmte, oft lange herbeigesehnte Kunstwerke erwirbt.“8

Die Reise nach Lissabon

Jüngsten Nachforschungen zufolge sollen sich Étienne Bignou, Fabiani und Lucien Vollard darauf geeinigt haben, „ein Abkommen über die Gewinnaufteilung mit der New Yorker Bignou Gallery und der Londoner Galerie Reid & Lefevre zu treffen“.1 Am 17. Juni 1940 verließ Fabiani Frankreich und fuhr in Richtung Lissabon, um Bilder in Sicherheit zu bringen. In seinem Wagen befanden sich zahlreiche Gemälde aus dem Nachlass Vollard.2 Im September 1940 gelang es ihm dann tatsächlich, eine große Anzahl von Gemälden auf dem Kreuzfahrtschiff SS Excalibur nach New York zu verschicken.3 Zwischen seiner Ausreise aus Frankreich und dem Zeitpunkt, als das Schiff Lissabon verließ, hatten die deutschen Truppen jedoch Nordfrankreich besetzt und am 22. Juni 1940 wurde der Waffenstillstand zwischen den deutschen Machthabern und Marschall Pétain unterzeichnet. Der britische Geheimdienst vermutete damals, dass es sich bei der von Fabiani verschickten Sammlung um eine geraubte Sammlung handelte und dass er selbst ein für Nazideutschland arbeitender Agent war. Das Schiff wurde gestoppt und in den Hafen von Hamilton auf den Bermudas gebracht. Die Kisten mit den Kunstwerken wurden daraufhin ins Kanadische Nationalmuseum (National Gallery of Canada) nach Ottawa gebracht, wo sie bis 1949 aufbewahrt wurden.4

Der britische Geheimdienst hatte sich geirrt: Fabiani hatte nicht im Namen der Nationalsozialisten gehandelt. Und das aus einem einfachen, zeitlichen Grund, wie die Forscherin Nancy Caron Karrels betont: Als er Frankreich in Richtung Lissabon verließ, hatten die Nazis das Land noch nicht besetzt.5 Wegen der „Bermudas-Affäre“ vermischten sich im späteren Narrativ die Enteignungen von Kulturgütern, die Aktivitäten des Händlers Fabiani während des Zweiten Weltkrieges mit der Tatsache der Konfiszierung eines Teils der ehemaligen Sammlung Vollards.

Fabianis enge Verbindungen zu den Machthabern in Vichy

Des weiteren geht aus dem oben genannten Bericht der Kriminalpolizei aus dem Jahre 1952 hervor, dass im Mai 1940 das Außenministerium in Paris Fabiani einen Reisepass und ein Visum für eine Reise nach Portugal ausgestellt hatte.1 Er wohnte dort im Grand Hotel Estoril in Begleitung seiner zukünftigen Ehefrau Frau Adrienne Delebart (1891-1951). Nachdem die Briten im September 1940 die Kunstsammlung auf den Bermudas konfisziert hatten, versuchte das Paar, nach Frankreich zurückzukehren. Doch infolge des am 23. Juli 1940 erlassenen Gesetzes, demzufolge Franzosen ihre Staatsbürgerschaft verlieren konnten, wenn sie das Land zwischen dem 1. Mai und dem 30. Juni 1940 verlassen hatten,2 wurden Ermittlungen gegen Martin Fabiani und Frau Delebart eingeleitet, sodass diese ein Visum für ihre Rückkehr nach Frankreich beantragen, ihre Ausreise rechtfertigen und die Gründe anführen mussten, warum sie wieder einzureisen wünschten.3 Die Ermittlungen dauerten bis Januar 1941. Martin Fabiani richtete höchstpersönlich ein Schreiben an Marschall Pétain, um ihn um die Rückkehrerlaubnis zu bitten.

„Sehr geehrter Herr Marschall!

Gestatten Sie mir, dass ich mich mit der Bitte an Sie wende, meinen Rückreiseantrag nach Frankreich wohlwollend zu genehmigen. Ich war ordnungsgemäß ins Ausland gereist, um eine Ausstellung französischer Kunst zu organisieren und Vorträge über französische Malerei zu halten.

Mein größter Wunsch ist es, meine Familie wiederzusehen. Meine Anliegen sind alle weiterhin in Frankreich (Prachtausgaben usw.). Aus diesem Grund erlaube ich mir, sehr geehrter Herr Marschall, Sie mit allem Respekt darum zu bitten, meine Rückkehr in mein Vaterland zu genehmigen.
Hochachtungsvoll“4

Das „Ausnahmevisum für eine Rückkehr nach Frankreich“ wurde dem Paar Fabiani-Delebart am 20. Januar 1941 per Schreiben des Direktors der Direction générale de la sûreté nationale [Inlandsgeheimdienst] erteilt.5 Die Verbindungen der beiden zu den Machthabern in Vichy beschränkten sich nicht allein auf diese Genehmigung. Zu einem späteren Zeitpunkt soll Fabiani im Hôtel des Princes in Vichy abgestiegen sein, als er ein zweites Mal auf dem Weg nach Lissabon war, und zwar zwischen dem 15. und 25. April 1941, „um eine Gemäldeausstellung auszurichten […]“.6 Für diese zweite Reise „hatte er einen von den Services du Secrétariat Particulier du Cabinet du Maréchal Pétain [Dienststellen des Privatsekretärs des Kabinetts von Marschall Pétain]7 ausgestellten Dienstreiseauftrag […] bei sich“.

Am 17. Juni  1941 heiraten Martin Fabiani und Adrienne Delebart, Witwe des Banquiers Georges Delebart, in Vichy.8 Trauzeuge soll sein „persönlicher Freund Doktor Ménétrel“, Arzt und graue Eminenz von Marschall Pétain, gewesen sein.9 Anschließend wohnte das Paar in der Villa in Cap-d’Ail, die Adrienne Delebart gehörte und Martin Fabiani hielt sich auch oft in  Monaco auf.10

Die Rückkehr nach Paris und die Übernahme der Galerie André Weil

Zwischen 1938 und 1942 befand sich Martin Fabianis offizieller Wohnsitz an der Pariser Adresse 5 Avenue Montaigne, wo er für seine Wohnung eine Jahresmiete von 12.000 F bezahlte. Im Oktober 1942 zog das Ehepaar Fabiani an Adrienne Delebarts frühere Adresse, 71 Avenue des Champs-Élysées.1 Im Dezember 1941 wurde der Kunsthändler Eigentümer einer Kunstgalerie. Genauer gesagt hat er, wie im Bericht des Fichier central [~ Zentralregister] nachzulesen ist, „den Geschäftsfonds mit Gemälden und Kunstgegenständen des Herrn André Weil 26 Avenue Matignon (achter Arrondissement) übernommen, der wegen seiner israelitischen Religionsangehörigkeit hatte fliehen müssen“.2 Die Übernahme der Galerie André Weil ist kaum dokumentiert. Der Bericht aus dem Jahr 1952 erwähnt, dass der seit dem 16. Dezember 1941 im Registre du commerce de la Seine [Handelsregister des Departement Seine] eingetragene Fabiani die Galerie modernisiert habe, um sie im Februar 1942 neu zu eröffnen.3

Derselben Quelle entsprechend soll Herr Weil am 2. Juni 1947 seine Firma wieder übernommen haben4, aber das, was in der Zwischenzeit passiert ist, lässt sich im Einzelnen nicht nachvollziehen. Im Laufe der vom Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für Beschlagnahmung unlauterer Gewinne] nach dem Krieg durchgeführten Ermittlungen hat Fabiani die Übernahme und die Leitung der Galerie Weil nie bestritten. Wie jedoch Inspektor Faure in seinem Bericht betont, „ist die Vorladung aufgrund der profitablen Geschäftsführung gerechtfertigt. Es ist bemerkenswert, dass zwar der bei der Caisse des Dépôts et Consignations [Finanzinstitut des französischen Staates] gemeldete Kaufpreis (357.000 F) restituiert wurde, nicht jedoch die Gewinne des Unternehmens“.5

Fabiani selbst beschreibt in seiner Autobiografie den Kauf der Galerie auf recht lakonische Art:

„1940 kam ich aus Portugal zurück und wohnte in Nizza. Dort lernte ich einen Kunsthändler aus der Avenue Matignon kennen. Er war ganz außer sich.

‚Ich bin Israelit‘, gestand er mir, ‚und wie du weißt, beschlagnahmen die Deutschen unser ganzes Eigentum. Sie haben mir meine Galerie weggenommen und haben sie jemandem vom Kommissariat für Judenfragen übergeben. Für mich ist alles aus […]‘

‚Du Armer, kann man da wirklich nichts machen?‘

‚Doch. Du könntest etwas machen.‘

‚Aber was denn?‘

‚Das ist ganz einfach. Kauf meine Galerie von diesem Mitglied des Kommissariats für Judenfragen. Und dann, wenn alles gut geht, gibst du sie mir zurück.‘

Für uns beide ist alles gut gegangen: Ich habe die Galerie gekauft, ich habe sie mit Erfolg geführt und als ihr Eigentümer zurückgekommen ist (er war nach Amerika ins Exil gegangen), habe ich sie an ihn abgegeben, auch wenn es mich etwas traurig gestimmt hat.“6

Fabiani gibt den Namen des „Israeliten“, dem er die Galerie abgekauft hat, nicht preis. Er gibt ein falsches Datum an, 1940, wo er doch zu jenem Zeitpunkt in Portugal festsaß, und schreibt sich selbst im Nachhinein die Rolle des Wohltäters zu, der seinem jüdischen Freund angeblich geholfen habe. Eine inzwischen einsehbare Archivquelle scheint jedoch das für den Kauf der Galerie vereinbarte einvernehmliche „Abkommen“ zwischen André Weil und Fabiani zu bestätigen: Ein Brief von André Weil an Fabiani vom 28. Juli  1941.7 Nach dem Krieg hat Fabiani dieses Dokument zu seiner Verteidigung dem Comité de confiscation des profits illicites vorgelegt. Der Brief erwähnt das „Abkommen“ zwischen den beiden Kunsthändlern, ein durch die politischen Umstände notgedrungenes „Abkommen“.

„Sehr geehrter Herr!

Bezugnehmend auf Ihr heutiges Schreiben zur vorübergehenden Abtretung meiner Galerie an der Adresse 26 Avenue Matignon, die eine den Umständen geschuldete Abtretung ist, bestätige ich unser Abkommen wie vereinbart, und zwar:

Sie haben dem kommissarischen Leiter 357.000 F bezahlt. Falls Sie ein Jahr bleiben, verlieren Sie 100.000 F und ich werde Ihnen dann 257.000 F zurückzahlen müssen, falls Sie zwei Jahre bleiben, verlieren Sie 200.000 F und ich werde Ihnen 157.000 F zurückbezahlen. Bei drei Jahren 300.000 F und ich werde Ihnen 57.000 F zurückbezahlen. Sobald es die Lage erlaubt und nach meinem eigenen Gutdünken, so haben wir vereinbart, verlassen Sie das Geschäftslokal und Sie haben weiterhin das Recht, sich anderswo niederzulassen, um denselben Beruf auszuüben (übrigens wie gegebenenfalls auch ich selbst).

Cannes, André Weil“

Ein zweites, aus dem Archiv desselben Komitees stammendes Dokument bestätigt, dass André Weil seine Galerie 1946 wieder übernommen hat. Auch diesmal soll sich Weil wieder in Form eines mit der Maschine getippten, aber auf den 10. Januar 1946 datierten Briefes mit folgenden Worten an Fabiani gewandt haben:

„Lieber Freund!

Ich bin sehr glücklich und ich weiß es zu schätzen, dass in Bezug auf das Geschäftslokal in der Avenue Matignon, was mich betrifft, alles in Ordnung ist.

Damit Sie die entsprechenden, für Sie passendsten Maßnahmen treffen können, bestätige ich, dass ich voraussichtlich im Laufe des Monats März nach PARIS zurückkommen werde (…)

Übermitteln Sie Madame FABIANI allerbeste Grüße meinerseits und seien Sie meiner Hochachtung versichert,

Unterschrift: André Weil“8

Die Absenderadresse auf diesem Dokument lautet: „The Landon Two East Fifty-Sixth Street NEW YORK“. Liest man diese beiden Dokumente, so stellt sich die Frage, warum Fabiani sie eigenhändig mit „beglaubigte Abschrift“ unterzeichnet hat. Es findet sich keine Spur einer Unterschrift von André Weil im Original. Wurden sie wirklich von André Weil selbst verfasst? Wo befinden sich die Originaldokumente für diese Übergabe der Galerie? Es sei daran erinnert, dass Fabiani diese Dokumente 1946 vorlegt, zum Zeitpunkt seiner Vorladung vor den Untersuchungsrichter.

In der umfangreichen Akte zu den Ermittlungen des Comité de confiscation des profits illicites gibt es einzig und allein zwei kurze, in diesem Fall von André Weil eigenhändig unterschriebene und an Fabiani adressierte Schreiben, die ihren Briefwechsel im Jahr 1941 bestätigen. Eines davon ist auf den 19. Juni 1941 datiert und Weil erkundigt sich darin nach dem Werk „Don Quichotte“, genauer gesagt nach „dem Kaufdatum und der Inventarnummer der Sammlung“. Der Brief endet mit folgenden Worten: „Bis bald hoffe ich. Dein Freund André Weil“. Daraus ist also zu schließen, dass die beiden Kunsthändler sich recht nahestanden und sich, zumindest im Jahr 1941, miteinander abgesprochen hatten.

Jüngste Nachforschungen haben gezeigt, dass auch der Kunsthändler Louis Carré (1897-1977) bereits im September 1940 versucht hatte, die Galerie André Weil zu kaufen.9 Also hat anscheinend Fabiani ihm das Geschäft abspenstig gemacht, was eine starke Rivalität zwischen den beiden Kunsthändlern zur Folge hatte, die einander in den Kriegsjahren ununterbrochen bekämpften.

Der Verkauf des Lagerbestands der Galerie Weil

Martin Fabiani hatte das Geschäftslokal der Galerie Weil, 26 Avenue Matignon, am 16. Dezember 1941 erworben. Was geschah jedoch mit den Gemälden, die dem Galeristen André Weil gehörten? Auch in diesem Fall wurde keinerlei Bestandsverzeichnis des in der Galerie verbliebenen Kulturguts erstellt. Neuesten Angaben des INHA-Archivs zufolge kam ein Teil des Lagerbestands der Galerie am 13. Mai 1942 im Hôtel Drouot unter den Hammer. Das der Auktion entsprechende Plakat erwähnt nicht den Namen des Galeristen, nur dass es sich um eine Versteigerung handelt:

„Israelitisches Eigentum W… beantragt vom kommissarischen Leiter GEMÄLDE ZEICHNUNG von J.-L. Demarne, F. Grenier, J.-B. Huet, J.-B. Leprince, W. Van Mieris, Französische und Venezianische Schule, Rembrandt-Schule […]“1

Auf Antrag des kommissarischen Leiters André-Louis Mestrallet (1874-1968) wurden 15 Gemälde und Zeichnungen sowie 52 Rahmen aus dem Lagerbestand der Galerie A. Weil im Hôtel Drouot versteigert. Das sogenannte „israelitische Eigentum“ wurde unter der Aufsicht des Auktionators Alphonse Bellier in Begleitung des Gutachters Jules Mathey (1883-1973) liquidiert.2

Der Rechtsanwalt Alphonse Bellier teilte dem Insolvenzverwalter A. Barthélemy per Schreiben vom 25. Juni 1942 schriftlich mit, dass der Verkaufserlös aus dem Lagerbestand der Galerie Weil insgesamt 156.080 F (davon 46.430 F für die leeren Rahmen) betrug.3 Die Akte zu dieser Auktion ist unvollständig. Sie enthält keinerlei genaue Information zu den verkauften Werken. Eine einzige handgeschriebene, schwer entzifferbare und wahrscheinlich für die Anzeige im Anzeigenblatt Gazette de Drouot bestimmte Notiz erwähnt:

„einige wertvolle Gemälde aus dem 18. Jh., darunter Le Berger [~ Der Schafhirt] von J. B. Huet, die J. B. Leprince überlassenen Gemälde von J. L. Demarne, La Danse [~ Der Tanz] und Les Buveurs [~ Die Säufer], La Toilette [~ Die Toilette] und La Favorite [~ Die Favoritin]. Aus der niederländischen Schule stammt ein kostbarer W. van Mieris, Amours pastorales [~ Bukolische Szenen], die venezianische Schule ist mit Le Sacrifice de l’Iphigénie [~ Iphigenies Opfertod] vertreten, ein wunderschönes kleines Gemälde in der Art von Pittoni. Zu erwähnen ist schließlich ein herrliches Pastell, Portrait d’un inconnu [~ Porträt eines Unbekannten] von N.F. Regnault, das in den von Dacier und Ratouis de Limay herausgegebenen Pastels français des XVIIe et XVIIIe siècles [~ Französische Pastellwerke aus dem 17. und 18. Jh.] abgebildet ist.“4

Eine weitere mit dem Bleistift geschriebene Notiz scheint darauf hinzuweisen, dass Martin Fabiani selbst mit einer Gesamtsumme von 7.015 F zu den Käufern zählte.5 Wo befanden sich also die anderen Werke aus dem Besitz von André Weil? Es ist verwunderlich, dass sein Lagerbestand nur aus 15 Werken und 52 Rahmen bestanden haben soll. Aus dem Auktionsprotokoll, den offiziell im Archiv hinterlegten Auktionsergebnissen, geht hervor, dass Fabiani nur „einen vergoldeten Rahmen im Régence-Stil“ zum Preis von 6.100 F erworben haben soll.6

Martin oder Fabiani?

Wie schwierig es ist, Martin Fabianis Verkaufs- und Ankaufstätigkeiten während des Krieges nachzuvollziehen, zeigt sich bei der Durchsicht einer anderen Akte zu einer Auktion im Hôtel Drouot vom 19. März 1942.1 Hier fand eine bedeutende Auktion moderner Gemälde (Aquarelle – Pastelle – Gouachen – Zeichnungen) von Künstlern wie Bonnard, Mary Cassatt, Degas, Delacroix, Derain, Dufy, Foujita, Gauguin, Léger, Lhote, Pascin, Renoir, Toulouse-Lautrec, Vallotton, Vlaminck, Vuillard und anderen unter der Aufsicht des Auktionators Alphonse Bellier, im Beisein des Gutachters André Schoeller, statt.2

Im Laufe der Vorbereitungsarbeiten zu dieser Auktion wies der Auktionator einen potentiellen Verkäufer, der ein Gemälde von Pascin zur Versteigerung anmelden wollte, darauf hin, dass „die modernen Gemälde derzeit zu einem recht anständigen Preis gehandelt werden“.3 In jener Zeit erscheinen Anzeigen in der Frankfurter Zeitung, der Pariser Zeitung und Die Weltkunst, um die deutsche Kundschaft anzulocken.4

Eine Gesamtübersicht der Verkäufer führt Martin Fabiani als jenen an, der am meisten verkauft hat, und zwar mit einer Summe von 593.000 F, er befindet sich aber auch unter den Ankäufern mit einer Summe von 22.000 F. Jeder Verkäufer besaß seine eigene Namenskarteikarte, welche die Künstlernamen, ihre zum Kauf angebotenen Werke sowie die Nummern des Verkaufsprotokolls enthielt. Dabei entdeckt man zum Beispiel, dass Madame Jeanne Fernand Léger bei dieser Auktion als Verkäuferin teilgenommen hat: sie verkaufte einen Delacroix, drei Léger und zwei Toulouse-Lautrec zu einem Preis von 73.700 F. Die Namenskarten der Verkäufer sind alphabetisch geordnet.

Beim Durchsehen der Karteien findet man jedoch unter dem Buchstaben F überhaupt keine Karteikarte auf den Namen „Fabiani“. Man muss bis zum Buchstaben M wie „Martin“ weiterblättern, um den von unserem Kunsthändler verkauften (und gekauften) Werken auf die Spur zu kommen. Sein mit der Maschine getippter Vorname und Familienname stehen zusammengeschrieben, als handle es sich um einen einzigen Familiennamen: „MARTINFABIANI“. Auf der Rückseite der Karteikarte hat er sehr wohl eigenhändig bestätigt, die Summe von 503.815 F (nach Abzug der Kosten) erhalten zu haben. Seine Unterschrift ähnelt dort eher dem Namen „Martin“. Die auf der Karteikarte angegebene Adresse lautet Paris, 5 Avenue Montaigne, wogegen eine Rechnung des Transportunternehmens „H. Gerfaud“ angibt, dass 32 Gemälde von Monsieur Fabiani, 26 Avenue Matignon, also von seiner Galerie (und der ehemaligen Galerie Weil) abgeholt und im Büro des Auktionators Bellier abgeliefert wurden.

Die Karteikarte von „MARTINFABIANI“ führt 32 verkaufte Werke an: Werke von Mary Cassatt (3), von Forain (6), von Gauguin (1), von Guys (1), von Renoir (2, darunter ein Werk, das Fabiani selbst wieder zurückkauft), von Roussel (4), von Degas (1), von Guillaumin (1), von Luce (3), von Monticelli (1), von Redon (2), von Valtat (5) und von Vlaminck (2). Anhand des eigenen Auktionskatalog-Exemplars des Auktionators Alphonse Bellier, der Anmerkungen zu den Verkäufern, Ankäufern und Preisen gemacht hatte, war es möglich, die Verkaufsergebnisse zu vergleichen.5 Die Namen der Verkäufer wurden, wahrscheinlich vor der Auktion, links vom jeweiligen Werk sorgfältig mit Tinte geschrieben, wogegen die Namen der Ankäufer in der Hitze des Gefechts schnell mit dem Bleistift hingekritzelt wurden, wobei jedes verkaufte Werk abgehakt und der jeweilige Preis notiert wurde. Nirgends ist der Name „Fabiani“ als Verkäufer zu sehen. Eine Zeichnung von Mary Cassatt „Mère et enfant“ [~ Mutter und Kind] wurde von „Martin“ zum Preis von 2.600 F an „Ballot“ verkauft. Eine Zeichnung von Gauguin, „Tahitienne, nue, couchée“ [~ Liegender Akt] verkaufte „Martin“ zum Preis von 9.000 F an „Tobler“. Eine Zeichnung von Renoir, „Femme assise“ [~ Sitzende Frau], verkaufte „Martin“ und „Fabiani“ kaufte sie zum Preis von 22.000 F, obwohl es sich sehr wohl um ein und denselben Verkäufer/Ankäufer handelte. Noch verwirrender ist die Tatsache, dass eine weitere Zeichnung von Renoir, „Nu endormi“ [~ Schlafender Akt], von „Martin“ verkauft und von „Martin“ oder „Martier“– der Name ist kaum zu entziffern – zum Preis von 40.500 F gekauft wird. Weiters ist zu lesen, dass ein gewisser „ Martin“ ein Gemälde von Modigliani, „Tête de femme“ [~ Frauenkopf], zum Preis von 48.160 F erwirbt. War es also Fabiani? Oder ein anderer „ Monsieur Martin“?

Die Tatsache, dass eine so zuverlässige Quelle wie ein mit Anmerkungen des Auktionators versehenes Exemplar des Auktionskatalogs in Bezug auf die Provenienz und der nachverfolgten Spur in die Irre führen kann, stiftet Verwirrung. Eine letzte Nachprüfung bestätigt die Hypothese: Hinter „Martin“ versteckte sich Fabiani. Das Auktionsprotokoll, die offiziell im Archiv hinterlegten Verkaufszahlen der Versteigerungen,  erwähnen unter den Verkäufern sehr wohl einen „Monsieur Fabiani 5 Avenue Montaigne“, dieser findet sich jedoch an keiner einzigen anderen Stelle in dieser Kartei. Als Verkäufer, insbesondere im Fall der von Fabiani zurückgekauften Zeichnung Renoirs, ist nur „Martin“ angegeben, genau wie bei Modiglianis Gemälde sowie anderen Werken.6

Sollte man nunmehr unter dem Namen „Martin“ suchen, um zu herauszufinden, welche Werke der Kunsthändler Fabiani in seinem Besitz hatte? Der Trick mit der Unterschrift ist kein Ausnahmefall. Beim Durchsehen von Tausenden Seiten Archivunterlagen zu Fabianis Tätigkeit stellt man fest, dass der Kunsthändler sehr geschickt und durchtrieben vorging und so unterschrieb, dass der, je nach Bedarf, entweder als „Martin“ oder als „Fabiani“ identifiziert werden konnte.7

Gutachter bei Drouot

Seit Martin Fabiani die Galerie Weil übernommen hatte, spielte er auf dem Pariser Kunstmarkt eine immer bedeutendere Rolle. Er profilierte sich im Hôtel Drouot und wechselte dort seine Stellung. War er zuerst, in versteckter Form oder auch nicht, Verkäufer/Käufer, so schaffte er es, sich neben den dortigen Leitfiguren ins Rampenlicht zu stellen und wurde schließlich Gutachter an der Seite von André Schoeller (1879-1955).1

Bei der am 5. Juni 1942 im Hôtel Drouot stattfindenden Auktion ist Martin Fabiani auf einer Fotografie neben dem angesehenen Gutachter Schoeller zu sehen, der regelmäßig mit Maître Bellier zusammenarbeitete. Fabiani beobachtet gespannt den Raum, während Bellier mit seinem Hammer zu einem aus dem Publikum kommenden Angebot zeigt. Drei Gemälde sind dabei zu erkennen, die auf einen entscheidenden Augenblick bei dieser wichtigen Auktion für moderne Kunst verweisen. Vorne auf dem Podest steht eine Landschaft von Monet, Les falaises de Varengeville, 1882 [~ Felslandschaft in Varengeville, 1882], wohingegen zwei andere Gemälde erst später an die Reihe kommen: eine Rue à Sannois [~ Straße in Sannois] von Maurice Utrillo und eine Paysage méditerranéen [~ Mittelmeerlandschaft] des Nabi-Malers Ker-Xavier Roussel.2

Im Mittelpunkt dieser Auktion rund um Importants tableaux modernes [~ Bedeutende moderne Gemälde] stand die Sammlung von Jacques Canonne, dem Sohn des Apothekers Henri-Edmond Canonne (1867-1961), der zu Beginn des 20. Jh. mit der Einführung der Valda-Hustenbonbons reich geworden war. Sein Sohn erbte einen Teil der Sammlung, in erster Linie Gemälde französischer Impressionisten. Die Kopie eines Schreibens von Maître Bellier gibt Aufschluss über Fabianis neue Stellung als Gutachter an der Seite Schoellers. Er schrieb an den Präsidenten der (Auktionatoren-) Kammer, weil er offensichtlich unangenehm überrascht war, dass Fabiani nun im Hôtel Drouot ein- und ausging:

„[…] Andererseits verlangt der Verkäufer dieser Auktion als Gutachter neben Herrn Schoeller eine Person namens Fabiani, Gutachter bei den Douannes [sic] françaises [Französische Zollbehörden], wohnhaft in Paris, 26 Avenue Matignon; er war bisher im Hôtel Drouot noch nicht tätig. Ich wäre Ihnen ebenfalls sehr dankbar, wenn Sie bei der Kammer seine Zulassung als Gutachter für diese Auktion beantragen könnten.“3

Es war also Herr Canonne, der Verkäufer höchstpersönlich, der Fabiani im Hôtel Drouot „durchsetzte“. Letzterer schildert diesen Vorfall in seinem Buch, wobei er nachdrücklich auf die Risiken verweist, die er eingegangen sei, um den Sammler zu überzeugen. Er habe ihm angekündigt, dass seine Sammlung mehr als acht Millionen Franc wert sei, was weit höher war als der von den beiden anderen Auktionatoren angegebene Preis. Und Fabiani fabuliert, wenn er die Auktion auf eigene Art und Weise beschreibt:

„Am Tag der Auktion im Hôtel Drouot setzte ich mich an den Tisch der Gutachter, von dem aus ich meinen „Auftraggeber“ in Begleitung seiner ganzen Familie in der ersten Reihe sehen konnte… Ich hielt mich nicht an die Gepflogenheiten, denn jedes Gemälde kündigte ich folgendermaßen an: „Wir verkaufen ein Gemälde von X… Es gibt einen Interessenten, der bietet soundsoviel… Der Interessent, das war ich. Die ersten Versteigerungsgebote mussten also obligatorisch über meinem Gebot liegen […]. Der Verkauf ging zügig voran, die fünfundzwanzig Gemälde waren bald unter den Hammer gekommen und die achtbare Summe von 22 Millionen erzielt. Später habe ich erfahren, dass die beiden Auktionatoren das Los auf sechs Millionen geschätzt hatten. Sie waren unheimlich sauer… Was mich betrifft, so habe ich einen Monet, einen Matisse und einen Renoir erworben.“4

Die Zahlenangaben sind höchst übertrieben, da sich der Gesamtbetrag für die  31 verkauften Gemälde aus der Sammlung Canonne laut der Auktionsakte des Büros Bellier und dessen mit Anmerkungen versehenem Auktionskatalog auf 7.828.600 F belief.5 Martin Fabiani kassierte ein Gutachterhonorar in Höhe von 117.420 F, genauso viel wie André Schoeller und Étienne Ader.6 Aus einem anderen Dokument geht hervor, dass er bei dieser Auktion vermutlich Pierre Bonnards Gemälde Les Oliviers (oder Paysage aux oliviers) [~ Die Olivenbäume bzw. Landschaft mit Olivenbäumen] gekauft hat.7

An Deutsche verkaufte Gemälde

Seit Ende des Jahres 1940 war der Kunsthändler Fabiani im ehemaligen Geschäftslokal der Galerie André Weil, 26 Avenue Matignon, tätig. Um seinem Einzug Nachdruck zu verleihen, bat er den Maler Utrillo um ein Gemälde mit seiner Galerie, auf dem sein Name in großen Lettern auf der Wand stehen sollte.1

Fabianis Geschäftstätigkeit hat in den Kriegsjahren stark zugenommen. Allerdings ist kein einziger Ausstellungskatalog aus dieser Galerie bekannt. Höchstwahrscheinlich diente ihm die Galerie als Fassade, um seine Geschäfte, insbesondere Verkäufe an die Besatzer, weitertreiben zu können und dabei möglichst wenig Spuren seiner Transaktionen zu hinterlassen. Der Umfang dieser Verkaufsabschlüsse ist schwer messbar, die Ermittlungen nach dem Krieg erwähnen allerdings einige besondere Transaktionen und weisen auf die Schwere des Vergehens hin. So kann man in einer aus Informationen der Section financière de la Cour de justice [Finanzabteilung des Gerichtshofs] hervorgehenden Mitteilung lesen:

„Herr Fabiani wird […] infolge des vom Untersuchungsrichter Frapier verkündeten Bescheids vom 2. Juli 1945 wegen Gefährdung der Staatssicherheit angeklagt (Art. 75). Es handelt sich um Verkaufs- und Ankaufstätigkeiten mit Gemälden im Handel mit den Deutschen (unter den Gemälden befinden sich solche, die angeblich von deutschen Agenten gestohlen wurden oder aus israelitischen Sammlungen stammen).

Es sei darauf hingewiesen, dass zahlreiche Gemälde dabei ohne Ausfuhrgenehmigung nach Deutschland geschickt worden sind […]. Es ist schwierig, die anstehenden strafrechtlichen Folgen dieser Angelegenheit einzuschätzen, da die Ermittlungen eben erst begonnen haben. Allerdings ist schon absehbar, dass Herr Fabiani von der Chambre Civique [Zivilkammer] verurteilt werden könnte (Verlust der Bürgerrechte), und noch schärfer vor dem Gerichtshof (Landesverrat) […]. Abgesehen von diesen rein strafrechtlichen Verfolgungen wird Herr Fabiani auch vom Finanzamt belangt, denn das Comité de confiscation des profits illicites hat seinen Fall übernommen.“2

Einer genaueren Mitteilung aus der Akte von Richter Frapier zufolge soll Fabiani deutschen Staatsangehörigen 46 Gemälde für eine Summe von 7.746.150 F verkauft haben.3 Gekauft haben soll er „ein Gemälde bei der Deutschen Botschaft (ein zum Schaden der Sammlung [Paul] Rosenberg gestohlenes Gemälde)“. Er soll „von Deutschen aus der Sammlung Weill [sic] gestohlene Gemälde“ gekauft haben und „in seiner Galerie ein ebenfalls aus der Sammlung [Paul] Rosenberg gestohlenes Gemälde von Matisse, La jeune fille à jupe rose [~ Mädchen mit rosarotem Rock]“ besitzen. Am 13. März 1944 soll er „ein großes Gemälde (Robert Hubert & Boucher) […] ohne Ausfuhrgenehmigung“ in den Führerbau nach München geschickt haben, und ohne Ausfuhrgenehmigung auch die nachstehend genannten Gemälde:

„an Dietrich Marie, Lumière du Monde [~ Geburt Christi] für 3.000.000 

an Gurlitt, Intérieur ruines romaines [~ Im Inneren römischer Ruinen] (trotz Einspruch seitens des Louvre)

[an] Grosshening [sic], Marchands chassés du Temple [~ Die Vertreibung aus dem Tempel]

[an das] Folkwang Museum Essen, Vieux port de Rouen [~ Alter Hafen von Rouen] von Corot 450.000 F, Paysage [~ Landschaft] von Corot 1.500.000 F, Paysage von Sisley 2.000 Frs, [eine weitere] Paysage von Sisley [Preis] unbekannt,

[an die] Kunsthalle Krefeld Peinture [~ Malerei] (Courbet) 1.500.000 F, Fleurs [~ Blumen] (Delacroix) 2.200.000 F, La lettre [~ Der Brief] (Gérard) 160.000 F, Nu de femme [~ Frauenakt] (Maillol) 25.000 F; Paysage (Moreau) 100.000 F, [ein weiterer] Nu de femme (Maillol) 30.000 F, Jeune fille [~ Mädchen] (Renoir) 300.000 F.“4

In derselben Mitteilung wird eine weitere Angelegenheit erwähnt, eine „fragwürdige Transaktion“:

„Fabiani und Dequoy sollen Goyas Portrait d’homme [~ Porträt eines Mannes] zum Preis von 50.000 F gekauft haben, dessen Echtheit in Zweifel gezogen wurde, nachdem sie es für sechs Millionen in Luxemburg zum Verkauf angeboten haben,  und letzten Endes zeigte sich ein deutscher Käufer interessiert, dem das Gemälde für 5.200.000 F verkauft wurde.“5

Infolge dieses ersten, einige Monate nach Kriegsende von den Ermittlern vorgelegten Befundes wurde die Akte mit zahlreichen Einzelheiten ergänzt und die von der Art Looting Investigation Unit (ALIU) – die vom US-amerikanischen Geheimdienst geschaffene Gruppe, um von den Nationalsozialisten geraubte Kunstwerke ausfindig zu machen – durchgeführten Ermittlungen wurden mit den Ermittlungen auf französischer Seite verglichen. Sie alle konnten Martin Fabiani als einen eng in die Transaktionen mit den deutschen Besatzern verstrickten Kunsthändler identifizieren.6 Insbesondere hat er mit Roger Dequoy (1893-1953), dem Leiter der Galerie Wildenstein zusammengearbeitet, nachdem Letzterer in die USA ausgewandert war. In die oben genannte Affäre rund um Goyas Portrait d’homme wurde seither von verschiedenen Forschenden Licht gebracht.7 Es handelte sich um ein Gemälde aus der Sammlung Jaffé, die in Nizza im Juli 1943 zwangsversteigert und zuerst einmal von einem von Roger Dequoy, Jean-Paul Dutey (1897-1954) und René Laniel (1900-1964) gebildeten Händlerkonsortium erworben wurde. Dutey bat den zu diesem Zeitpunkt nach Nizza geflüchteten deutsch-jüdischen Gutachter August Liebmann Mayer um eine Schätzung des Gemäldes.8 Anschließend ging das Gemälde in den Besitz von Raphaël Gérard (1886-1963) über, den US-amerikanischen Archiven zufolge war aber Fabiani gleichfalls in diese lukrative Angelegenheit verwickelt.9 Raphaël Gérard gelang es in der Folge, das Gemälde für eine Summe von 5.200.000 F an den Direktor der Galerie Gerstenberger, den deutschen Kunsthändler Wilhelm Grosshennig (1893-1983) zu verkaufen, der es an den Sonderauftrag Linz weiterverkauft haben soll.

Jüngsten Forschungen zufolge soll Fabiani dem Kunsthändler Ignacy Rosner (1889-1944) fünf moderne Gemälde abgekauft haben, die jener von Gustav Rochlitz dank seiner Tauschgeschäfte mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) erworben hatte.10 Der Referent der französischen Nationalmuseen Michel Martin erwähnte eine weitere, teilweise misslungene Transaktion, die Fabianis Tätigkeiten bezeugte. Er beschreibt es folgendermaßen:

„Am 26. Januar 1944 wurden 52 moderne, aus jüdischen Sammlungen kommende Gemälde bei dem Betreffenden sowie bei einem sogenannten Herrn Dequoy abgeliefert. Im Gegenzug dazu übergaben diese Personen den Deutschen ein Hubert, Robert und Boucher zugeschriebenes Gemälde aus dem 18. Jh. sowie sechs kleine Werke zu einem Gesamtwert von zwei Millionen. Dieser Wert lag weit unter dem der getauschten Gemälde, da Verhandlungen um eine Summe von zwanzig Millionen im Gange waren. Dieser Betrag sollte zwischen Fabiani, Dequoy und einem deutschen Zivilisten namens Lohse aufgeteilt werden.

Da Doktor Scholz dieses Tauschgeschäft suspekt fand, stornierte er es und die Gemälde wurden am 11. und 18. Februar 1944 in den Jeu de Paume zurückgebracht.

Am 13. März 1944 schickte Fabiani ohne Ausfuhrgenehmigung ein großformatiges Gemälde von Robert, Hubert und Boucher in den Führerbau nach München.“11

Der nun seit 1942 an der Adresse 71 Avenue des Champs-Élysées ansässige Kunsthändler Martin Fabiani hat sich in den Jahren der deutschen Besatzung enorm bereichert. Er führte ein Leben in Saus und Braus, kaufte 1942 einen Rennstall, hatte in seiner Wohnung vier Hausangestellte und soll zwei oder drei Automobile besessen haben.12 Einem am 28. August 1947 in Monaco verfassten, streng vertraulichen Bericht zufolge war er ein regelmäßiger Kunde des Spielkasinos der Stadt und hatte sich in den Kriegsjahren beim Spiel mit 3.550.000 F bereichert. Im Jahre 1945 sollte er dann eine noch höhere Summe verlieren, daraufhin aber erneut sechs Millionen Franc gewinnen.13

Picasso und Matisse

Fabiani war geschickt und durchtrieben, um für seine deutsche Kundschaft Gemälde Alter Meister zu erwerben. Er selbst dagegen stand den modernen Künstlern nahe. Im August 1941 wurde er der neue Kunsthändler von Henri Matisse, nachdem Paul Rosenberg in die USA ausgewandert war.1 Deshalb kümmerte sich Fabiani darum, während des Krieges Matisse‘ Werke zu verkaufen. Er verkaufte auch von Matisse illustrierte Bücher, wie etwa Dessins, thèmes et variations [~ Zeichnungen, Themen und Variationen] aus dem Jahr 1943, eine Prachtausgabe mit einer Auflage von 950 Exemplaren und einem Vorwort von Aragon.2

Wie aus dem Bericht des Fichier central aus dem Jahr 1952 hervorgeht, hatte Fabiani angeblich „zahlreiche kunstgewerbliche Angestellte für seine Kunstbücher und machte mehreren Künstlern gegenüber einen Alleinvertretungsanspruch geltend, insbesondere im Fall von Rouault und Henri Matisse, und er arbeitete mit Derain zusammen, […] aber auch mit Dunoyer de Segonzac, Maurice Denis, Picasso, Maillol usw…“3 1947 erwähnt Inspektor Faure in seiner Untersuchung, dass Fabiani offenbar beim Nachlass Vollard umfangreiches Druckmaterial sowie Papier übernommen hatte und wundert sich, dass bei all dem „nicht die geringste Rechnung ausgestellt worden sei“.4 Von seinen Beziehungen zu den zeitgenössischen Künstlern zeugen einige Zeichnungen sowie von Picasso und Matisse gemalte Porträts von Martin Fabiani aus dem Jahr 1943.

Die Ermittlungen nach dem Krieg – Der Wind hat sich gedreht

Sobald Frankreich befreit war, mehrten sich die Berichte zum Fall Fabiani. Die Ermittler waren ihm schon seit langem auf der Spur. Der Wind hatte gedreht und Fabiani profitierte von seinen guten Kontakten zu den neuen Machthabern, um einer gerichtlichen Verfolgung zu entgehen.

Am 7. Dezember 1944 fliegt er mit einem Dienstreiseauftrag des neuen Ministers der Kolonien beim Gouvernement provisoire de la République française [GRPF, Provisorische Regierung der Französischen Republik] nach Korsika. Zweck der Mission: „Informationen einholen über Propaganda und über einen eventuellen Wehrdienst in den Kolonien“.1 Unterzeichnet ist das Dokument von Paul Giacobbi, Widerstandskämpfer und Abgesandter des General de Gaulle auf Korsika, wo er die Forces françaises libres [Netzwerk der Widerstandskämpfer] gründete. Nachdem er zur Todesstrafe verurteilt worden war, gelang ihm die Flucht, er ging in den Untergrund und kämpfte bei der Befreiung der Insel mit. Im November 1944 wurde er zum Ministre des Colonies [Kolonienminister] ernannt, er war aber auch Mitglied des Haute Cour de justice [Oberster Gerichtshof] und bis 1941 Bürgermeister seiner Geburtsstadt Venaco, die Stadt, aus der auch Fabiani stammte.2

Fabianis Wohnung wurde seit Ende des Jahres 1944 überwacht. Am 13. Februar  1945 beklagt er sich bei der Polizei, dass ihn Personen aufsuchten, die Auskünfte über ihn einholen wollten und dass er Telefonanrufe und Drohbriefe erhalten hätte. Es war der Nachrichtendienst, der ihn überwachte.3

Am 2. Juli 1945 fasst Untersuchungsrichter Frapier den Beschluss, ihn wegen Gefährdung der Staatssicherheit anzuklagen.4 Dieses Mal sollte er dem Gericht nicht entkommen, doch er flieht ein weiteres Mal und steigt am 19. Juli 1945 in ein Flugzeug nach London. Die Ermittler begreifen nicht, wie das passieren konnte und geraten in Panik. Nachrichten schießen zwischen den verschiedenen Behörden hin und her: „Herr Fabiani, Antiquitätenhändler in Paris, soll trotz Anklage wegen Gefährdung der Staatssicherheit einen Reisepass und das notwendige Visum erhalten haben, um sich nach London zu begeben“.5

Offiziell reiste Fabiani in die englische Hauptstadt, um dort eine Ausstellung „über französische Buchillustration unter der Schirmherrschaft des British Council und des Ministre des Affaires Étrangères [Außenminister]“ auszurichten. Am 12. September 1945 empört er sich im Rahmen eines Verhörs über die gegen ihn vorgebrachten  Behauptungen:

„[…] ich pflege äußerst herzliche und konstante Beziehungen zum englischen Kulturminister, zu den Konservatoren der englischen Museen und zu den größten Kunstsammlern Großbritanniens […] Ich verfüge über Dankschreiben des Konservators der National Gallery, des British Council, der Royal Air Force und eines Gesandten des englischen Königshofs, der im Auftrag von Prinzessin Elisabeth eines meiner Bücher kaufen möchte.“6

Die interne Ermittlung zeigte dann, dass Fabiani „Missionsbeauftragter des Herrn Kolonienministers“ gewesen war und am 13. Juli 1945 den Reisepass und das dazugehörige Visum für die Hin- und Rückreise zwischen Paris und London erhalten haben soll.7 Auch dieses Mal hatte Herr Giacobbi ihm persönlich einen Sonderauftrag erteilt.

Verhaftung und Einstellung des Verfahrens

Nichtsdestotrotz wurde Fabiani am 19. September 1945 von der Finanzkommissionsabteilung der Polizeipräfektur verhaftet und von Untersuchungsrichter Robert Levy in Erster Instanz am Gerichtshof des Departement Seine wegen Hehlerei angeklagt.1 Am nächsten Tag wurde er in dem bekannten Gefängnis Prison de la Santé eingesperrt und am 9. November desselben Jahren freigelassen.2

Der Hehlerei-Affäre hatte mit einer Klage des Kunstsammlers Pierre Wertheimer (1888-1965) zu tun, die dieser gegen Fabiani und den Kunsthändler Jacques Ehrlich (1893- ?) eingereicht hatte. Pierre Wertheimers Sohn soll vor seiner Flucht in die USA Ehrlich Gemälde (zwei Pissarro, zwei Renoir, zwei Rousseau) anvertraut haben.3 Jacques Ehrlich hat angeblich behauptet, diese Gemälde mit dem Versprechen erhalten zu haben, im Bedarfsfall frei darüber verfügen zu können, da er selbst Jude war, und so hätte er die beiden Gemälde von Rousseau an Fabiani verkauft. Letzterer habe eines der beiden Gemälde mit Picasso gegen eines seiner Gemälde getauscht. Fabianis Rechtsanwalt René Floriot verteidigte ihn mit der Behauptung, dass sein Kunde nicht hatte wissen können, wer diese unlautere Transaktion in Gang gesetzt hatte.4 Am 14. August 1946 wurde das Verfahren zugunsten des Kunsthändlers eingestellt.5

Fabiani wurde zudem angeklagt wegen „Gefährdung der Staatssicherheit, zur gleichen Zeit wie Gérard Raphaël (Belgier), Rosner Ignacy, Rochlitz Gustave, Dequoy und Dutey Jean-Paul. Das von Untersuchungsrichter Frapier vom Cour de Justice [Gerichtshof des Departement Seine] geleitete Verfahren […] wurde am 8. November 1946 auf Beschluss eingestellt […], ohne dass das Thema Landesverrat nochmals zur Sprache gekommen wäre.“6 Zu seiner Verteidigung brachte Fabiani diverse Elemente vor, die seine deutschenfeindliche Tätigkeit während des Krieges unter Beweis stellten. Angeblich hat er während der deutschen Besatzungszeit die illegalen Veröffentlichungen der Verlage Les Éditions de minuit, Les Lettres françaises und der Widerstandsbewegung Le Front national finanziert. Er legte den Ermittlern Empfehlungsschreiben von Jacques Debu-Bridel und Georges Adam vor, die bestätigten, dass er an Les Lettres françaises Spenden überwiesen und Georges Adam Unterschlupf gewährt hatte. Roger Dequoy dankte ihm dafür, Gemälde aus der Sammlung Wildenstein versteckt zu haben. Fabiani soll geholfen haben, die Sammlung Deutsch de la Meurthe zu verstecken, Philippe de Guisbourg (sic) [Guinsbourg] dankte ihm dafür, jüdisches Eigentum gerettet zu haben und Giorgini dafür, italienische Fayencen versteckt und ihm nach seiner Verhaftung durch die Gestapo geholfen zu haben.7

Die Steuerfahndung

Zwei umfangreiche Gerichtsverfahren wurden Ende des Jahres 1946 eingestellt, dem Comité de confiscation des profits illicites allerdings konnte der Kunsthändler nicht entkommen. Die Steuerfahndung verwies auf die Diskrepanz zwischen seinen Einkommenssteuererklärungen und der Undurchsichtigkeit seiner Transaktionen. Dem Bericht vom 27. September 1945 zufolge soll er zwischen 1936 und 1938 keinerlei Einkommen angegeben und sich selbst als „Journalist“ bezeichnet haben.1 Im Jahr 1938 beliefen sich seine Einnahmen oder sein Einkommen auf 30.000 F und 1939 auf 40.000 F. Für die Zeit danach hält das Comité fest, dass „Fabianis Steuermoral stark zu wünschen übrig lasse“.2 Inspektor Faure beschrieb detailgetreu die verschiedenen Steuerfahndungen in Bezug auf den Gemäldehandel, die Kunstverlage, die Immobilien, den Pferderennstall und die Bankkonten und kam zu dem Schluss: „Aufgrund der soeben analysierten, zahllos wiederholten Unterlassungen und Fehler muss die gesamte Buchhaltung zurückgewiesen werden, da sie jeder Beweiskraft entbehrt.“3

Er setzte fort:

„[…] die von Herrn Fabiani vorgelegten Buchhaltungsunterlagen haben mit seiner eigentlichen Tätigkeit zwischen dem 1-9-1939 und dem 31-3-1945 nicht das Geringste zu tun […] Es ist äußerst schwierig, den Umfang und die Summen der Tätigkeiten in diesem Zeitraum direkt einzuschätzen. Es handelt sich im vorliegenden Fall um Handelsgeschäfte, bei denen die Transaktionen leicht verschleiert werden können und die reell gehandhabten Preise unkontrollierbar sind.

Es wurden Nachforschungen bei den drei wichtigsten, auf den Gemäldeverkauf spezialisierten Auktionatoren durchgeführt. Diese ergaben, dass Fabiani einen hohen Anteil seiner auf dem Wege der Versteigerungen erworben Ankäufe in seiner Buchhaltung nicht verzeichnet hat. Die Verkaufsgeschäfte mit den deutschen Besatzungsbehörden, die unsere Abteilung nachvollziehen konnte, belaufen sich auf 9.755.000 F. Die in der Buchhaltung verzeichnete Gesamtsumme ist nicht höher als 6.990.000 F. Fest steht, dass keine dieser beiden Zahlen auch nur annähernd der Wirklichkeit entspricht.“4

Der Inspektor schlug in seinem Bericht vor, dass das Comité de confiscation des profits illicites Fabiani zu einer Konfiszierung in der Höhe von 34.101.601 F und zu einer Geldstrafe von 136 Millionen Franc verurteilt. Als zusätzliche vorsorgliche Maßnahme beantragte er die generelle Zwangsverwaltung seines Vermögens.5 Am 19. Oktober 1945 bestätigte das Comité diesen Beschluss, woraufhin Fabiani Berufung einlegte, der am 16. November 1945 stattgegeben wurde.6 Maître Floriot, der gleichfalls Rechtsanwalt des ehemaligen deutschen Botschafters Otto Abetz war, versuchte, seinen Mandanten mit dem Vorwand zu retten, dass  dieser wegen seiner damaligen Haft im Prison de la Santé zu seiner Verteidigung nichts hätte vorbringen können. Er behauptete, dass von den Konkurrenten, die Fabiani um sein florierendes Geschäft beneideten, eine „übertriebene Pressekampagne in die Wege geleitet“ worden sei.7 Und um die Unschuld seines Mandanten zu beweisen, führte er die Einstellung der beiden anderen laufenden Verfahren an. Fabiani schreibt am 20. November 1946 wie folgt an den Präsidenten des 3. Comité de confiscation des profits illicites:

„Zu jenem Zeitpunkt waren tatsächlich zwei Gerichtsverfahren anhängig. Nun wurden aber diese beiden Verfahren gerade zu meinen Gunsten entschieden. Es wurde festgehalten, dass ich nicht aktiv um deutsche Kundschaft geworben habe, dass meine Verkaufsgeschäfte keine besonders hohe Summe erreicht haben und dass es unbestreitbar ist, dass ich israelitischen Kunsthändlern und -sammlern wertvolle Hilfe geboten habe, indem ich von den Deutschen gesuchte Kunstwerke versteckte.“8

Er beantragte daraufhin eine Revision der zu konfiszierenden Gewinnbeträge und eine Aufhebung der Geldstrafe „angesichts der Tatsache, dass der mit Deutschen erzielte Umsatz relativ gering ist […]“.

In seiner Sitzung vom 4. September 1947 hat das Comité de confiscation des profits illicites, nachdem es „diverse und gerechtfertigte Beobachtungen“ zur Kenntnis genommen hatte, die Konfiszierungssumme auf 7.316.000 F und die Geldstrafe auf 3.658.000 F gesenkt.9 Der oben genannte Bericht des Inspektors Faure vom 11. Mai 1947, der nachdrücklich auf die unregelmäßig geführte Buchhaltung des Kunsthändlers hinwies, war offensichtlich nicht berücksichtigt worden. Fabiani sollte gegen diesen Beschluss nicht Berufung einlegen.10

Der Bericht des Fichier central aus dem Jahr 1952 macht folgende Mitteilung:

„Das 3. Comité de confiscation des profits illicites des Departement Seine, das den Fall Fabiani untersucht hat, verurteilte ihn zu einer Geldstrafe in der Höhe von 3.658.000 F und zu einer Konfiszierung von 7.316.000 F. Von einer Begleichung dieser beiden Beträge ist keine Spur zu finden.“11

Am 30. Mai 1949 begab sich Fabiani in die National Gallery of Canada in Ottowa, um seinen Erbteil an den Kunstwerken des Nachlasses von Ambroise Vollard an sich zu nehmen. Kanada hatte ihm ein kurzes Aufenthaltsvisum genehmigt: „Innerhalb weniger Stunden wurden in dünnes Papier eingehüllte Kunstwerke von einem Wert von mehreren Hunderttausend Dollar ausgepackt. […] Fabiani brachte seine Schätze in ein Taxi und reiste mit einer Zwischenlandung in Montreal noch am selben Tag nach Europa.“12

Er setzte somit seine Tätigkeit als Kunsthändler fort und kümmerte sich um seine Rennpferde. Wie er selbst im Vorwort seiner Autobiografie schreibt: „Ich hatte das Glück… Glück zu haben.“13 Martin Fabiani starb am 11. Juni 1989 in der Pariser Vorstadt Neuilly-sur-Seine.14