DROUOT Hôtel (DE)
In dem staatlichen Auktionshaus, das eine Monopolstellung inne hatte, fanden während der deutschen Besatzung zahlreiche Versteigerungen beweglicher Güter statt, darunter auch beschlagnahmter jüdischer Besitz. Dabei arbeiteten ausgewiesene, offizielle Auktionatoren mit anerkannten Experten zusammen.
Staatliches Auktionsmopol
Das Pariser Auktionshaus Hôtel Drouot stellt im internationalen Auktionsmarkt einen Sonderfall dar, denn die Commissaires-Priseurs, die Auktionatoren für mobile Güter, die es betrieben, hatten seit 1801 ein staatliches Auktionsmonopol inne. Sie waren also landesweit die einzigen, die befugt waren, solche Auktionen durchzuführen.1 Im 1852 errichteten, nach seinem Standort in der 9, rue Drouot benannten Hôtel Drouot fanden verschiedenste Auktionen mobiler Güter statt, mehrere Säle waren besonders den Kunstauktionen gewidmet. Deutsche Kunsthändler und Vertreter der Museen kauften hier regelmäßig ein.2 Die Commissaires-Priseurs waren sowohl für freiwillige Auktionen als auch Zwangsversteigerungen mobiler Güter zuständig. Während der Besatzung betraf dies auch beschlagnahmten jüdischen Besitz, verzeichnet als Auktionen von „biens israelites“.3 Unter diesen Auktionen war zum Beispiel auch die Sammlung Alphonse Kann (1870-1848).4 Ein weiteres Beispiel für Enteignungen und Sammlungsauflösungen, die über das Hôtel Drouot abgewickelt wurden, ist die Galerie Bernheim-Jeune.5 Eine Darstellung solcher Auktionen liegt mit Emmanuelle Polacks Buch zum Kunstmarkt während der Besatzung vor.6 Hier soll der Fokus von den einzelnen Auktionen auf die Institution selbst gelenkt werden und ein mehrbändiges Verzeichnis von Auktionen und verkauften Werken der Jahre 1940 bis 1943 als Quelle für die Netzwerke von Auktionatoren und der mit ihnen zusammenarbeitenden Experten, meist Kunsthändler, genutzt werden, um einen Überblick zum Auktionsmarkt während der deutschen Besatzung vorzulegen.
Mit der deutschen Besatzung wurde das Hôtel Drouot im Sommer 1940 geschlossen, durfte dann aber im gleichen Jahr wieder öffnen.7 Durch die Regulierung insbesondere des Finanzmarkts während der deutschen Besatzung bekam das Hôtel Drouot eine große Rolle als Umschlagsplatz von Sachwerten.8
Jüdische Personen wurden während der deutschen Besatzung vom Auktionsmarkt ausgeschlossen, am 17. Juli 1941 wurde ihnen per Aushang verboten, das Haus zu betreten.9 Jüdische Experten und Händler wurden mit Polemiken und Denunziationen überzogen.10 Denunziatoren wiesen auf deren weitere Geschäftstätigkeit nach dem Verbot hin. Der einzige jüdische Auktionator Maurice Rheims (1910-2003) wurde ab Dezember 1941 durch André Deurbergue (1908-1999) vertreten.11
Zur genauen Rolle der zahlreichen Auktionatoren und Experten liegt bislang kaum Forschung vor, zentral ist die Studie von Emmanuelle Polack mit einem detaillierten Überblick über das Thema und die wichtigsten Akteure und Auktionen.12 Kim Oosterlinck hat außerdem auf Basis eines publizierten Verzeichnisses von Kunstauktionen zwischen 1940 und 1943 einen statistischen Überblick über finanzielle Aspekte dieses Markts erarbeitet.13 Im Folgenden soll der besondere Status des Hôtel Drouot herausgestellt, die Quellenlage vorgestellt und das Netzwerk der Auktionatoren und Händler-Experten analysiert werden. Zu einzelnen Akteuren kann auf weitere Repertoire-Texte zu Etienne Ader, Alphonse Bellier und André Schoeller verwiesen werden.
Quellen
Die spezielle Form dieser Institution bedingt eine besondere Quellenlage hinsichtlich der Geschäftsunterlagen, Auktionsprotokolle und Kataloge. Es gab eine stets feste Anzahl von Auktionatoren, sowie eine Geschäftsfolge. Die hiermit verbundenen Nominierungsprozesse sind in den Archives Nationales archiviert.1 Sonstige Geschäftsunterlagen wie Auktionsprotokolle, Listen von Auktionen und einzelne Kataloge finden sich in den Archives de Paris,2 sowie vereinzelt im derzeit für die Forschung geschlossenen Archiv des heutigen Drouot. Die handschriftlichen Unterlagen der Auktionsverzeichnisse und Auktionsprotokolle sind nicht im Detail erschlossen, sondern gebündelt archiviert. Auktionskataloge sind ein wichtiger Zugang, da sie in vielen Bibliotheken systematisch erschlossen und digitalisiert sind.3
Die umfangreiche, aber auch lückenhafte Überlieferung bedingt die Notwendigkeit des Kreuzens von Quellen. So werden auf den Katalogen die Auktionatoren und Experten genannt, die Auktionatoren organisierten die Versteigerungen in der Regel zusammen mit einem Kunsthändler, der als „expert“, als „Experte“, hinzugezogen wurde. Es ist zu beachten, dass sich zu einigen Auktionen keine Kataloge überliefert haben. Der Name der Person, zugunsten der die Auktion durchgeführt wird, ist oft nicht im Katalog zu finden, sondern lediglich (mit Adresse) im Auktionsprotokoll vermerkt. Angaben zu Preisen und Käufern finden sich ebenfalls in den Auktionsprotokollen. Die Auktionsprotokolle sind in vielen Fällen in den Archives de Paris (Archives Départementales de la Seine) archiviert, jedoch wurde dies erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verpflichtend. Werke über 100.000 F mussten während der deutschen Besatzung mit genauer Angabe des Käufers an den deutschen Kunstschutz gemeldet werden.4 Weitere Spuren des Auktionsmarkts findet sich außerdem in den beantragten Ausfuhrgenehmigungen.5
Netzwerke/Drehscheibe
Im Folgenden soll aufgrund eines Verzeichnisses von 501 Auktionen zwischen Herbst 1940 und Sommer 1943 das Netzwerk von Auktionatoren und Händler-Experten beschrieben werden, die während der deutschen Besatzung tätig waren. Sowohl die im INHA archivierten und digitalisierten Auktionskataloge als auch die dreibändige Publikation zu Kunstauktionen, Les ventes de tableaux, aquarelles, gouaches, dessins, miniatures à l'Hôtel Drouot, vermitteln einen Eindruck dieses Netzwerks während der Jahre der Besatzung.1 Hier soll nun letztgenannte Quelle („Les ventes…“) für einen Überblick über die Akteure des Kunstmarkts seit Wiedereröffnung des Hôtel Drouot im Herbst 1940 bis 1943 genutzt werden.2 Aus den drei Bänden ergibt sich ein Datensatz von 501 Auktionen von Gemälden und Arbeiten auf Papier, sowie ein Untersuchungszeitraum von Oktober 1940 bis Juli 1943. Zum Vergleich: die Sammlung an Auktionskatalogen von Jacques Doucet (1853-1929) im INHA umfasst für den gleichen Zeitraum ca. 1400 Kataloge unterschiedlicher Kunstgattungen. Im erstellten Datensatz zeigt sich, dass circa 50 Auktionatoren mit ca. 40 Experten im Untersuchungszeitraum kooperierten. In vielen Fällen (ca. 25 Prozent) wurde jedoch kein Experte überliefert, in wenigen Einzelfällen kein Auktionator.
Die auftretenden Auktionatoren sind: Etienne Ader, Georges Albinet, Fernand Maurice Georges Albinet, René Audap, Denis Baudoin, Henri Baudoin, Alphonse Bellier, André Benoist, Jean-Paul Bezançon, Robert Bignon, Michel Bivort, René Henri Gaston Boisgirard, Hippolyte Bondu, Jean Briens, René Camuzat, Marcel Charpentier, André Collin, André Couturier, Philippe Couturier, Yves Henri Couturier, Morel d'Arleaux, Roger Morel d'Arleux, Jean de Cagny, Louis de Cagny, Edmond Champetier de Ribes, Philippe Delorme, André Deurbergue, Jean Dubourg, Edouard Giard, Roger Glandaz, Pierre Gronier, Henri Hons-Olivier, Robert Jeanneau, Robert Jeanneau, Bernard Jozon, Yves Ledoux-Lebard, Antoine Lenoircy, Maurice Michaud, Paul Pescheteau, Edmond Petit, Georges Pilias, Marcel Prud'homme, Etienne Pruvost, Maurice Quoniam, Maurice Rheims, René Tabourdeau, Jacques Tilorier, Félix Jean Baptiste Varin, Marcel Walter, Roger Victor Walther.
Die am häufigsten auftretenden Auktionatoren dieser Zeit waren: Ader, D. Baudoin, H. Baudoin, Bellier, Bignon, Bezançon, Glandaz, de Ribes. 22 Auktionen im Datensatz wurden im Duo von Auktionatoren durchgeführt, zwei im Trio.
Die vertretenen Experten sind: André Portier, René Claude Catroux, A. Terrisse, Albert Bourdariat, Alfred Page, André Filsjean, André Portier, André Schoeller, Bernard Dillée, Bonnefoy, E. Haro, E. Martin, François Max-Kann, Gaston Dernis, Georges Préau, Georges Terrisse, Gérard de Fommervault, H.-D. Fromanger, J. de Beaumont, Jacques Mathey, Jean Cailac, Jean Thesmar, Joseph Logé, Joseph Subert, L. Cassier, Louis Jacquenet, Louis-Henri Prost, Lucien Charraud, M. Haro, M. Tournet, Maurice Rousseau, P. Damidot, Paul Antonini, Paul Brame, Paul Prolongeau, Paul Proute, René Berthéol, R. Rousseau, René Berthéol, René Claude Catroux, V. Cailac, H.-D. Fromanger, Joseph Subert, R. Haro, A. Terrisse, Joseph Logé, Jean Cailac, J. Lacoste, Jean Cailac, P. Damidot, André Filsjean, J. Lacoste.
Die am häufigsten auftretenden Experten waren Schoeller, Dillée, Catroux, Logé, Prolongeau, Maurice Rousseau, Caillac, Préau, Georges Terrisse, Max-Kann, Thesmar, Damidot.
Es gab besonders oft auftretende Duos von Auktionator und Experte, wie Ader und Schoeller, oder Ader und Dillée, sowie Bellier und Mathey. Außerdem traten einige Experten oft zusammen auf, wie etwa Catroux und Max-Kann, oder Damidot und Lacoste.