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Der Sonderbeauftragte für den Sammlungsaufbau des von Hitler geplanten „Führermuseums“ in Linz reiste in dieser Funktion drei Mal nach Frankreich, um dort aus den beschlagnahmten Kunstwerken aus jüdischem Besitz auszuwählen und auf dem Kunstmarkt, unterstützt durch Karl Haberstock, Objekte zu erwerben.

Erste Parisreise des Sonderbeauftragten

Der langjährige Direktor der Dresdner Gemäldegalerie Hans Posse wurde im Sommer 1939 von Adolf Hitler persönlich mit dem Aufbau einer Gemäldesammlung für das „Führermuseum Linz“ und der Verteilung beschlagnahmter jüdischer Kunstsammlungen auf die Museen im „angeschlossenen“ Österreich („Ostmark“) beauftragt.1 Als Hitlers Sonderbeauftragter unternahm er in engster Absprache mit dem Diktator zahlreiche Dienstreisen, drei davon ins besetzte Frankreich.2

Die Vorbesprechung der ersten Reise fand mit Hitler am 12. Oktober 1940 in der Berliner Reichskanzlei statt.3 Drei Tage später kam Posse erneut mit dem Führer zusammen, diesmal in München.4 Am 18. Oktober reiste er nach Paris, wo er im Hôtel Ritz an der Place Vendôme logierte.5 Posses erster Paris-Aufenthalt galt schwerpunktmäßig dem sichergestellten jüdischen Kunstbesitz.6 Auf das Fehlen einer zentralen Kontrolle hatte ihn der Direktor des Kunsthistorischen Museums in Wien, Fritz Dworschak, hingewiesen, der als Mitglied des „Komitees für die Wiedererlangung von Kunstwerken, gestohlen von den Franzosen aus Deutschland seit 1794“ im Sommer 1940 in Frankreich gewesen war. In Paris kontaktierte Posse alle in die „Sicherstellung“ jüdischen Kunstbesitzes involvierten deutschen Dienststellen, den Chef der Militärverwaltung, den militärischen Kunstschutz und die Deutsche Botschaft, sah Beschlagnahmedokumente durch und inspizierte das vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) eingerichtete Depot im Louvre.

Da die Forschung über den NS-Kunstraub lange Zeit auf Posse als Ankäufer für das „Führermuseum“ fokussierte, rief es Erstaunen hervor, dass er während seines ersten Paris-Besuchs nur ein einziges Gemälde ankaufte.7 Außer Betracht blieb dabei, dass der Berliner Kunsthändler Karl Haberstock die Erwerbungen für das „Führermuseum“ in Paris durchführte, was mit dessen zentraler Rolle als Lieferant für die Linzer Gemäldegalerie zusammenhing.8 Haberstock führte Posse am 25. Oktober 1940 im Hotelzimmer 25 Gemälde vor, von denen dieser elf als geeignet für das „Führermuseum“ aussuchte, für die der Händler im Anschluss die zeitaufwendigen Ausfuhr- und Transportangelegenheiten durchführte und auf seine Rechnung an die Reichskanzlei für Linz verkaufte.9 Diese Arbeitsteilung dürfte mit Hitler abgesprochen gewesen sein, der Haberstock zu der Vorbesprechung in der Reichskanzlei hinzugezogen hatte.10 Anders als Posse verfügte der Kunsthändler nämlich bereits über ein Sonderkonto bei der Reichskreditkasse in Paris, während Posse ein solches erst im März 1941eingerichtet wurde und Haberstock ihm deshalb das Geld für seinen ersten Ankauf vorstrecken musste.11

Posse verschaffte sich jedoch auch einen ersten Überblick über das Angebot des Pariser Kunsthandels. Adressen hatte er von der Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich erhalten.12 In seinen Reisenotizen finden sich die Adressen von Raphaël Louis Felix Gérard, Jules Féral, Yves Perdoux, Felix Mestrallet, Alexandrovich Popoff, Hugo Engel, Dimitri de Gourko, Simon Meller, Roger Dequoy, Victor Mandl, Georges Terrisse, Alexander von Frey, Friedrich Göttler, Rudolf Holzapfel und Jean Schmidt.

Die Angebote des Kunsthandels genügten Posses qualitativen Ansprüchen meist jedoch nicht bzw. waren ihm zu teuer. So suchte er über Mittelmänner Kontakt zu Privatsammlern, etwa zu den Erben des Kunstsammlers Adolphe Schloss, von denen er eine Forderung von 40 Millionen Francs für die Gesamtsammlung erhielt.13 Da sich diese an einem unbekannten Ort im unbesetzten Frankreich befand, wurde Haberstock angesetzt, sie aufzufinden, was jedoch nicht gelang. Erst nach Posses Tod gerieten Teile der Kollektion durch Zwangsverkauf in den Besitz Hitlers.14

Am 16. November 1940 erstattete Posse Hitler in München Rapport.15 Seine Empfehlungen, erstens den „Führervorbehalt“ auf die von deutschen Truppen besetzten Gebiete zu erweitern16, zweitens Ankäufe im „unbesetzten Gebiet Frankreich“ durchzuführen und drittens sieben beschlagnahmte Gemälde, welche zur Ausstattung der Deutschen Botschaft verwendet wurden, für das „Führermuseum“ zu übernehmen,17 wurden umgesetzt. Hitler ließ die für den Kunstraub zuständigen Dienststellen anweisen, Posse als „Beauftragte[n] des Führers für die Vorbereitung der Entscheidungen über die Verwendung der Kunstwerke“ in Kenntnis zu setzen.18

Zweite Parisreise

Die zweite Frankreich-Reise, vom 9. bis 20. Februar 1941, führte Posse über Paris ins unbesetzte Gebiet, nämlich nach Nizza, und wieder über Paris zurück.1 Vermutlich besichtigte er in Südfrankreich die Kunstwerke, die Haberstock im Februar 1941 über Arthur Goldschmidt aus dem Besitz von Paul Graupe & Cie ankaufte.2 Wieder hatte Haberstock die Erwerbungen vorbereitet, wieder dürfte Posse seine Ankaufsentscheidung vor den Originalen getroffen haben, wieder führte der Kunsthändler danach den Ankauf durch. Ähnlich verhielt es sich mit Neuerwerbungen von Maria Almas-Dietrich, welche diese Posse anschließend in Paris präsentierte: Nur zwei bestimmte er „für die Zwecke des Führers“.3 Insgesamt verbuchte er in seinem Reisetagebuch etwa 15 Bilder als Ausbeute dieser Frankreich-Reise.4

Dritte und letzte Parisreise

Die Vorbesprechung der dritten und letzten Reise, vom 7. bis 14. November 1941, fand am 22. Oktober 1941 im Führerhauptquartier statt. Wieder reiste Posse gemeinsam mit Haberstock nach Paris, beide bezogen benachbarte Zimmer im Hotel Ritz.1 Ganz oben auf seiner Agenda stand der Ankauf der Theatersammlung des britischen Theaterreformers Edward Gordon Craig, an deren Erwerb Hitler als Theaterfreund höchst interessiert war und die Posse mit seinem Mittelsmann Bruno Conrad in St. Germain-en-Laye besichtigte.2 Kontakte zu Kurt von Behr und Bruno Lohse vom „Sonderstab Bildende Kunst“ des ERR legen zudem nahe, dass Posse auch das inzwischen eingerichtete Raubkunstdepot im Jeu de Paume besuchte.

Zudem traf Posse den Auktionator des Hôtel Drouot, Henri Baudoin, zur Vorbesichtigung der auf der kommenden Auktion angebotenen Kunstwerke, die wiederum Karl Haberstock am 20. November 1941 in seinem Auftrag erwerben sollte.3 In der Kunsthandlung Roger Dequoy suchte er aus der kurz zuvor unter Mitwirkung von Haberstock ‚arisierten‘ Sammlung Georges Wildenstein Gemälde aus und verhandelte die Preise. Auch diese Ankäufe wurden von Haberstock durchgeführt. Zwischenzeitlich war für Posse ein Sonderkonto bei der Reichskreditkasse in Paris eingerichtet worden, über das er drei Gemälde per Direktzahlung erwarb.4 Gleichwohl führte er in seinem Reisetagebuch 18 Gemälde als Erwerbungen an.5 Vermutlich hatte es Kritik an Haberstocks großem Profit gegeben, jedenfalls verkaufte dieser nun einige Kunstwerke zum Selbstkostenpreis an die Reichskanzlei.6

Ab Frühjahr 1942 litt Posse unter den Folgen einer Krebserkrankung, sodass ihm das Reisen ab Frühsommer 1942 nicht mehr möglich war. Mit Hilfe seines großen Mitarbeiterstabes aus der Dresdener Gemäldegalerie gelang es ihm jedoch, seine Aktivitäten bis kurz vor seinem Tod am 7. Dezember 1942 fortzusetzen. Während der monatelangen Behandlungen in einer Wilmersdorfer Klinik intensivierten sich die Kontakte zu Karl Haberstock noch, der weiterhin im Auftrag Posses Ankäufe auf dem französischen Kunstmarkt durchführte. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Magdalena Haberstock, die den Informationsfluss zwischen Posse und ihrem sich häufig in Frankreich aufhaltenden Mann bis zuletzt aufrechterhielt.7