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Unter Hermann Voss, der seit 1943 von Hitler als Sonderbeauftragter unter anderem für das Linzer Museumsprojekt eingesetzt ist, steigen Umfang und Kosten der hierfür getätigten Kunstankäufe unaufhörlich. Sein wichtigster Agent, vor allem auf dem französischen Kunstmarkt, ist Hildebrand Gurlitt.

„Sonderbeauftragter für Linz“

Hermann Voss (1884-1969), der Direktor der Gemäldegalerie des Nassauischen Landesmuseums in Wiesbaden (heute Museum Wiesbaden), wurde im März 1943 in der Nachfolge des verstorbenen Hans Posse zum Direktor der Dresdner Gemäldegalerie und verbunden damit auch zum Sonderbeauftragten Hitlers ernannt.1 Er übernahm damit beide Funktionen seines Vorgängers, nämlich den „weiteren Ausbau des Neuen Kunstmuseums in Linz (Donau)“, also Hitlers persönliches Museumsprojekt, und die „Vorbereitung von Entscheidungen [Hitlers] über die Verwendung von Kunstsammlungen und Kunstwerken“, also die Anwendung des „Führervorbehaltes“ auf alle durch die Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstsammlungen.2

Voss war ein eminenter Kenner der italienischen Malerei der Renaissance und des Barock sowie der sogenannten „Donauschule“, also der Malerei des Donauraums um 1500, sowie der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts. Von 1922 bis 1933 war er Kustos und stellvertretender Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin gewesen; seine Karriere in der Hauptstadt kam mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten zum Stillstand, so dass er 1935 die Leitung der unbedeutenden Kunstsammlung der Gemäldegalerie des Nassauischen Landesmuseums in Wiesbaden übernahm, die unter seinem Niveau lag. In der Offerte Hitlers sah er seine letzte Chance auf eine leitende Funktion an einer der besten Gemäldegalerien Deutschlands.3

Da seine Berufung nach der Wende des Zweiten Weltkrieges im Winter 1942/1943 erfolgte, hatte Voss, anders als Posse, bei seinen Aktivitäten für den „Sonderauftrag Linz“ stets das Ende des „Dritten Reiches“ im Kalkül. Die Raubkunst-Agenden überließ er seinem Assistenten Gottfried Reimer und gab sich selbst den absichtlich unspezifischen Titel „Sonderbeauftragter für Linz“, der einerseits den Führerbegriff vermeidet und andererseits suggeriert, nicht für alle Raubkunstbestände des NS-Staates und die Durchführung des „Führervorbehaltes“ zuständig zu sein.

Eigenmächtiges Vorgehen

Das Verhältnis zwischen Voss und Hitler erfuhr bald eine Störung durch den Umstand, dass der Louvre den Erstzugriff auf die 1943 im unbesetzten Frankreich beschlagnahmte Sammlung Adolphe Schloss erhalten hatte.1 Das verstieß gegen das im „Führervorbehalt“ geforderte Erstzugriffsrecht Hitlers. Posse hatte immer sehr strikt und konsequent auf die Einhaltung des „Führervorbehaltes“ bestanden.2 Hitlers Enttäuschung, in Voss keinen „neuen Posse“ gefunden zu haben, und sein allgemeiner Rückzug ins Führerhauptquartier am Ende des Krieges führten zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen ihm und Voss. Direkte Kontakt waren selten, am Schluss brach der Kontakt weitgehend ab.

Das hatte zur Folge, dass Voss zunehmend selbstständig, geradezu selbstherrlich agierte. Hitler hatte ihm bei seiner Beauftragung am 16. Februar 1943 ausführlich seine Intentionen bezüglich des weiteren Ausbaus der Linzer Gemäldegalerie erläutert, nämlich die Betonung auf deutsche Malerei des 19. Jahrhunderts zu legen.3 Voss hätte sich demnach vom Pariser Kunstmarkt zurückziehen können. Er führte auch, anders als Posse, keine Dienstreise nach Frankreich durch, ließ aber Posses Sonderkonto in Paris auf seinen Namen übertragen und setzte den Kunsthändler Hildebrand Gurlitt als seinen wichtigsten Ankaufsagenten ein, der die finanzielle Abwicklung der Geschäfte zum Teil direkt über das Sonderkonto vornahm. Bis Oktober 1944 vermittelte Gurlitt mindestens 300 Kunstwerke aus Frankreich an den Sonderauftrag Linz.4

Voss legte ein Schwergewicht seiner Ankaufstätigkeit auf Grafik, nicht zuletzt, weil das Angebot an museumsgeeigneten Gemälden weitgehend erschöpft war.5 Da die Sammlung für das „Führermuseum“ einen hervorragenden Bestand an französischen Barockgemälden aus beschlagnahmtem Wiener und Pariser Rothschild-Besitz umfasste, erwarb Gurlitt für Voss zahlreiche französische Zeichnungen des 17. und 18. Jahrhunderts.6

Kaufrausch

Obwohl sich Voss nach und nach zurückzog – 1944 verbrachte er zwölf Wochen in Kur –, nahmen seine Ausgaben ständig zu. Das Angebot auf dem Pariser Kunstmarkt explodierte nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 geradezu.1 Noch am 28. Juni 1944 kaufte Gurlitt in Paris auf Rechnung des Sonderbeauftragten Kunstwerke im Wert von über drei Millionen RM an.2 Dieser auf den ersten Blick absurde Kaufrausch diente dazu, die Unabkömmlichkeit der zahlreichen Mitarbeiter des „Sonderauftrags Linz“ zu belegen, um so ihren Kriegseinsatz zu verhindern bzw. hinauszuzögern.3

Die in Dresden befindlichen Bestände des Grafischen Kabinetts des „Führermuseums“ wurden ab Juli 1942 in Schloss von Weesenstein kriegsbedingt ausgelagert.4 Dort übergab Voss, der von der sowjetischen Besatzungsmacht auf seinem Dresdner Direktorenposten belassen worden war, diese am 19. Juni 1945 an die Sowjetarmee.5

Kriegsende und Folgezeit

Im Juli 1945 flüchtete Voss in den Westen, nach Wiesbaden, wo er noch den Direktorenposten des Wiesbadener Museums innehatte. Dort wurde er von der amerikanischen Militärverwaltung verhaftet und vom 15. August bis 15. September 1945 von Offizieren der Art Looting Investigation Unit (ALIU) verhört.1 Dabei gab er zu Protokoll, keine Raubkunst in die Sammlung des „Führermuseums“ aufgenommen zu haben. Auch während seines Entnazifizierungsverfahrens gelang es ihm, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem er seine Funktion als Leiter des Sonderauftrags Linz unterschlug.2 Zwar hatte der an der Pensionierungsgrenze stehende Voss nach dem Krieg keine Stellung im öffentlichen Dienst mehr inne, konnte aber ein erfolgreiches und angesehenes Forscherleben unbehelligt weiterführen.3