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02/12/2021 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Als deutscher Botschafter in Frankreich von 1940 bis 1944 übte Otto Abetz großen Einfluss auf die Beziehungen zwischen dem französischen Vichy-Regime und NS-Deutschland aus. Die ersten Plünderungen von Kunstwerken im Sommer 1940 gingen auf seine Initiative zurück.

Der unerwartet rasche deutsche Sieg im Juni 1940, das Ausmaß der französischen Niederlage und die Besetzung eines großen Teils des Hexagons durch die Wehrmacht eröffnete ungeahnte Möglichkeiten: Das Ziel, Deutschland als führende Macht in Europa zu etablieren, auch auf kulturellem Gebiet, rückte in greifbare Nähe. Ein Vorwand, um die Plünderung von Kulturgut in Frankreich zu legitimieren, war rasch gefunden. Hatten nicht die Armeen Napoleons bei der Besetzung deutscher Territorien zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Präzedenzfall geschaffen? Und hatte Deutschland nicht aufgrund des Versailler Friedensvertrages, der es vom internationalen Kunstmarkt ausschloss, einen Rückstand aufzuholen?

Unter den deutschen Beauftragten und Dienststellen, die bereits im Juni 1940 in Paris tätig wurden, fand sich der Vertreter des Auswärtigen Amts, Otto Abetz, der sogleich die günstige Gelegenheit erkannte. Als Absolvent der Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe hatte er eine ungewöhnliche Laufbahn. Er war erst 1938 in den diplomatischen Dienst eingetreten, und zwar nach mehreren Jahren „paradiplomatischer“ Aktivität, die der deutsch-französischen Annäherung – unter dem Hakenkreuz – gewidmet war. Dabei hatte er sich zunächst einen Ruf als Frankophiler erworben, Ende Juni 1939 jedoch auch eine Ausweisung aus dem Land zugezogen.1

Bei seiner Rückkehr in die französische Hauptstadt ein Jahr später blieben sein offizieller Status und seine Position vor allem gegenüber der im Aufbau befindlichen Militärverwaltung noch weitgehend unklar. Angesichts dessen schien Abetz bemüht, seine persönliche Effizienz auf politischer Ebene, aber auch im kulturellen Bereich unter Beweis zu stellen, mit dem Ziel, den deutschen Einfluss auf Frankreich dauerhaft zu festigen. Die Überlegenheit des Reichs, die es durchzusetzen galt, lief auch über eine Neudefinition des Kulturgutes beider Länder.

Erste Initiativen

Kaum zehn Tage nachdem er sich in Paris eingerichtet hatte, schlug Abetz in einem Schreiben an seinen Minister Joachim von Ribbentrop vor, das Privateigentums von „am Krieg verantwortlichen Juden“ bzw. der „von Engländern und Juden bestochenen französischen Politiker“ zu enteignen, zugunsten von Flüchtlingen und Kriegsopfern.1

Die Idee kam ihm wohl angesichts der Aktion, die zum selben Zeitpunkt von der Kolonne Künsberg durchgeführt wurde. Nach seinem Leiter benannt, Eberhard Freiherr von Künsberg (1909-1945), spezialisierte sich dieses Sonderkommando des Auswärtigen Amts seit Oktober 1939 in den neubesetzten Gebieten darauf, historische Dokumente und politisch relevantes Aktenmaterial aufzuspüren und zu beschlagnahmen; zunächst in Polen, in Dänemark, in Norwegen, in den Niederlanden und in Belgien. In Frankreich hatte die Kolonne gleich in den ersten Tagen die Diensträume des Ministerpräsidenten, des Senats, der Abgeordnetenkammer, des Außenamts, des Staatsrates und auch der polnischen und tschechischen Vertretung aufgesucht.2

Zum Zeitpunkt von Abetz‘ Schreiben nach Berlin durchsuchte die Kolonne gerade den Sitz der sozialistischen Partei, sowie die Privatwohnsitze ehemaliger Minister und Abgeordneter wie Yvon Delbos, Léon Blum, Georges Mandel und Edouard Daladier.3 Die Aufmerksamkeit war damit auf ihr privates Eigentum gelenkt. Hitler, von Ribbentrop mit der Frage belangt, verfügte wenige Tage später tatsächlich, dass „auch die in privatem, vornehmlich jüdischem Besitz befindlichen Kunst- und Altertumswerte vor Verschleppung bzw. gegen Verbergung einstweilen (…) sichergestellt werden“. Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, unterrichtete den Militärbefehlshaber von Paris diesbezüglich, wobei er hinzufügte, dass „keine Enteignung, wohl aber [eine] Überführung in unseren Gewahrsam stattfinden [soll], als Pfand für die Friedensverhandlungen“.4 Die Formulierung war zweideutig genug, um sie in die eine oder auch in die andere Richtung zu interpretieren. Für Abetz eine Bestätigung zur Fortführung seiner begonnenen Anstrengungen, beruhigte sie die militärischen Dienststellen dahingehend, dass die damit verbundenen Vorgänge zumindest mit einer bestimmten Auslegung des Völkerrechts übereinstimmten.

Bereits am 25. Juni hatte Abetz für diesen Auftrag die Bereitstellung von Exekutivkräften angefordert und auch erhalten, und zwar eine Einheit der Geheimen Feldpolizei. Konkret ging es um die Beschlagnahme von Kunstwerken, die vor dem deutschen Einmarsch aus staatlichen und städtischen Museen evakuiert und nun in Paris und Versailles ausfindig gemacht worden waren. Mit Unterstützung von aus Deutschland angereisten Kunstexperten wurden in der Folge auch „alle wichtigen Kunstwerke“ der großen französischen Museen aufgefunden, die verpackt in 6000 Kisten in vierzehn Schlösser „in südliche Provinzen verbracht worden waren“. Ein Schreiben der Münchner Gobelin Manufaktur, die einen Experten zur Verfügung gestellt hatte, führte weiter aus: „Mit den Direktoren der französischen staatlichen und städtischen Museen wurden anschließend die Depots in den Schlössern des besetzten Gebietes geprüft und die Rücktransporte organisiert“.5

Bezüglich des privaten Kunsteigentums wurde dem Leiter der Geheimen Feldpolizeigruppe, die mit Abetz zusammenarbeitete, am 2. Juli eine Liste mit Adressen jüdischer Kunsthändler übergeben. Den Ausführungen des Gesandten zufolge sollten die wertvollsten Werke in die Botschaft überführt werden. Die Aktion müsse „möglichst schnell und schlagartig“ durchgeführt werden, „tunlichst bei Nacht bzw. in den späten Abendstunden oder frühen Morgenstunden“, „und zwar in getarnter Form derart, dass die Personen, die die Sicherstellung durchführen sollten sowie der Ort, an den die Gegenstände verbracht würden, für Außenstehende nicht feststellbar seien“.

Die Vorgaben klangen wenig beruhigend. Die Leiter der deutschen Polizeidienststellen in Paris fanden sich nur wenige Stunden später zu einer Besprechung zusammen und verwarfen „übereinstimmend“ den Plan, der „sowohl im Hinblick auf das Ansehen der Wehrmacht als auch wegen technischer Schwierigkeiten nicht durchführbar sei“.6 Ein an das Devisenschutzkommando gerichtetes ähnliches Ersuchen der Botschaft wurde ebenfalls abgewiesen. Abetz bemühte sich daraufhin um einen Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht, der am 4. Juli tatsächlich bei der Militärverwaltung in Paris einging und die Unterstützung des Abetz‘schen Vorhabens anordnete. Die geplante Aktion begann damit am 6. Juli um 8 Uhr morgens. Zwei Tage später wurde sie auf Befehl der militärischen Dienststellen in Paris plötzlich abgebrochen.

Mehrstimmige Verantwortlichkeiten

Nur wenige Stunden nach dieser neuen Blockade stellte Ribbentrop der Botschaft die Kolonne Künsberg zur Verfügung. Sie hatte mittlerweile die von mehreren französischen Ministerien improvisierten Archivdepots in der Region von Tours, Poitiers und Bordeaux durchsucht und verfügte damit über nützliche Erfahrungen. Die Plünderungsaktion wurde wieder aufgenommen, und in den drei folgenden Wochen füllte die Kolonne die Räume des Nebengebäudes der Botschaft, das als Lager beschlagnahmt worden war, mit wertvollem Kulturgut an.

Der Sammeleifer der „Diplomaten“ beunruhigte die Militärverwaltung weiterhin. Am 15. Juli wurde über eine „Verordnung über die Erhaltung von Kunstschätzen im besetzten Gebiet Frankreichs“ jede „Entfernung oder Veränderung beweglicher Kunstwerke“ oder ihr Verkauf ohne schriftliche Genehmigung des Militärbefehlshabers untersagt. Mobile Gegenstände, deren Wert über 10.000 Francs lag, mussten gemeldet werden. Zwei Wochen später wurde innerhalb der Militärverwaltung in Paris ein „Beauftragter für Kunstschutz“ ernannt, der Kunsthistoriker Franz Graf Wolff-Metternich.1 Er sah seine Aufgabe weniger in der Überwachung etwaiger französischer Bemühungen, Kunstwerke der deutschen Kontrolle zu entziehen, sondern vielmehr im „Kampf gegen Übergriffe deutscher Dienststellen“ und gegen die Enteignung französischen Kulturguts, ob öffentlich oder privat. Er wurde damit zum wichtigsten Kontrahenten der Plünderungen, die unter der Verantwortung von Abetz durchgeführt wurden.2

Allerdings machten sich nun auch andere hochrangige Persönlichkeiten aus dem Reich in der Angelegenheit bemerkbar. So zunächst der Chefideologe der NSDAP, Alfred Rosenberg, dessen Einsatzstab gerade die Bibliotheken und Archive in Frankreich durchkämmte, um die Bibliothek seiner „Hohen Schule“, welche die künftige NS-Elite ausbilden sollte, mit Studienobjekten auszustatten. Und am 13. August wurde dem Propagandaminister Joseph Goebbels die „zentrale Leitung“ der „Erfassung“ von Kunstwerken „und geschichtlich bedeutsamer Gegenstände“ übertragen, die „im Laufe der Zeiten ohne unseren Willen“ in den Besitz der „heutigen Kriegsgegner gelangt“ waren. Abetz weigerte sich zunächst, diese Frage der Rückführung dem Propagandaministerium zu überlassen und macht dabei geltend, dass die in früheren Kriegen aus Deutschland nach Frankreich verbrachten Kunstschätze unter Beteiligung seiner Stelle bereits „listenmäßig festgestellt“ seien. Auch im Auswärtigen Amt in Berlin hielten die Rechtsexperten dagegen, dass die Rückführung von Kunstwerken im Rahmen des Friedensvertrages geregelt werden müsse, der in der Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes liege.3 Um in Zusammenarbeit mit der Botschaft die davon betroffenen ehemals deutschen Kunstobjekte in Listen aufzunehmen, die auch über ihren Verbleib Auskunft gaben, war Ende Juli im Auftrag des Reichserziehungsministeriums unter der Leitung von Otto Kümmel, Generaldirektor der Staatlichen Museen in Berlin, eine eigene Kommission gebildet worden. Sie ging nun in den Zuständigkeitsbereich von Goebbels über.4

Noch im Juli 1940 machten sich erste Lastwagen mit Kunstwerken auf den Weg nach Berlin. In Erwartung seiner geplanten Ernennung zum Botschafter bereitete sich Abetz auf Gespräche mit Ribbentrop und auch mit Hitler vor und ließ dazu eine Auswahl der 15 „größte[n] und schönste[n] Teppiche für [den] Transport nach Berlin“ vorbereiten. Die Initiative schien die gewünschte Wirkung nicht zu verfehlen. Am 3. August legte Ribbentrop in einem Schreiben an das OKW die Aufgaben und Vorrechte des neuen Botschafters dar, wobei er seine unabhängige Stellung gegenüber der Militärverwaltung besonders unterstrich. Unter seinen Aufgaben fanden sich auch die „Sicherstellung und Erfassung des öffentlichen Kunstbesitzes, ferner des privaten und vor allem jüdischen Kunstbesitzes auf Grund besonderer hierzu erteilter Weisungen“.5

In seiner Stellung deutlich gestärkt kehrte Abetz also in die französische Hauptstadt zurück. Er beauftragte die Kolonne Künsberg bald darauf mit dem Abtransport von 1 500 Kunstwerken aus dem Louvre, die im Schloss Chambord gelagert wurden; auch der Tisch, auf dem der Versailler Vertrag unterzeichnet worden war, sollte mitkommen. Vermutlich über Indiskretionen aus der Kolonne bekam die Militärverwaltung jedoch Wind von diesem geplanten Unternehmen, mit der Folge, dass der Militärbefehlshaber eine strenge Überwachung der Depots anordnete. Die Botschaft schlug nun vor, die Werke zumindest in den Jeu de Paume zu überführen, wo sie besser vor Beschädigung geschützt wären – und gleichzeitig die Möglichkeit bestünde, sie auf ehemalige Kriegsbeutestücke zu untersuchen, die nach Deutschland rückgeführt werden sollten. Sie behielt sich außerdem die Möglichkeit vor, einige Werke, die nicht in diese Kategorie fielen, aufgrund ihres außergewöhnlichen Wertes ebenfalls nach Deutschland zu verbringen.6

Von der Rue de Lille in den Jeu de Paume

In der zweiten Augusthälfte 1940 forcierte indessen die Kolonne Künsberg die Beschlagnahme von privaten Kunstsammlungen. Eine beträchtliche Zahl von Privatwohnsitzen wurde unter Mithilfe von Einheiten der Feldpolizei durchsucht. Im Haus des ehemaligen Ministers Georges Mandel etwa wurden vierzehn Gemälde entwendet und in die Botschaft verschleppt.1 Die Lager in der Rue de Lille füllten sich innerhalb kurzer Zeit mit Werken, die aus den Sammlungen der Familien Jean Seligmann, Georges Wildenstein, Alphonse Kahn, Paul Rosenberg, Léonce Bernheim, Maurice und Robert de Rothschild, James Armand, Maurice Dreyfus oder Raymond Lazard stammten.2 Die Aktion wurde allerdings von Personal durchgeführt, das sich nur als wenig qualifiziert erwies, um die Objekte beim Transport vor Beschädigung zu bewahren oder auch genaue Angaben über die Herkunft oder die rechtmäßigen Eigentümer der Werke aufzunehmen.

Zu den durchsuchten Häusern gehörte das Palais Rothschild in der Rue du Faubourg Saint-Honoré (heute das Gebäude der US-Botschaft). Die Kolonne stieß hier auf Objekte außergewöhnlichen Wertes, Kunstmöbel, Zeichnungen und eine besonders kostbare Glassammlung. Abetz schöpfte aus dem Bestand, um seine Botschaft auszustatten. Dabei zögerte er nicht, bei Bedarf Veränderungen an den Objekten vorzunehmen, wenn es ihm tunlich erschien. So etwa im Fall des historischen Schreibtisches, der 1750 von einem berühmten Ebenisten hergestellt und im darauffolgenden Jahrhundert von der französischen Regierung dem Fürsten Klemens von Metternich geschenkt worden war. Baron Edmond de Rothschild hatte das Möbelstück vor dem Ersten Weltkrieg von den Erben erworben. In Standardwerken über Kunstmobiliar abgebildet, war der Schreibtisch von herausragender Bedeutung. Abetz ließ nun den Aufsatz des Schreibtisches entfernen, um auf der gegenüberliegenden Seite sitzen zu können, und minderte damit auf beträchtliche Weise seinen Verkaufswert. Der vom Auswärtigen Amt hinzugezogene Experte, der nach peinlichen Artikeln in der internationalen Presse 1942 befragt wurde, bestätigte die Minderung auf ein Viertel des ursprünglichen Werte; das berühmte Möbelstück wirke „in seiner gegenwärtigen Aufstellung als Torso“.3

Am 29. August kündigte der Botschafter seinem Ministerium in Berlin die Zusendung von Listen an, mit detaillierten Informationen über die Gemälde, Wandteppiche, Skulpturen und andere kunsthandwerkliche Objekte, die unter der Leitung der Botschaft aus französischem Museumsbesitz oder jüdischem Kunstbesitz „sichergestellt“ bzw. „beschlagnahmt“ worden waren. Von den wichtigsten Objekten wurden Fotos mitgeschickt. Ungefähr zum selben Zeitpunkt wurde überraschend die Arbeit der Künsberg Kolonne für beendet erklärt. Die Einheit wurde aus Paris abberufen; einige Mitglieder wurden der Botschaft noch kurze Zeit überlassen, um die laufende Aktion zu Ende zu führen. Vor seiner Abreise beschwerte sich Künsberg in einem Schreiben an seine Vorgesetzten im Auswärtigen Amt noch nachdrücklich über die Militärverwaltung, vor allem Wolff-Metternich, und über die großen Hindernisse, die der Botschaft bei der Ausführung der Aktion von dieser Seite in den Weg gelegt worden waren.4

Was Abetz anlangt, so musste auch er sich nach und nach aus dem Bereich zurückziehen. Die Plünderungen passten immer weniger zu einem Diplomaten, der sich bald zum wichtigsten Gesprächspartner der französischen Regierung in Vichy gerierte. Von September 1940 an übernahm der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg sukzessive die Suche nach jüdischem Kunstbesitz. Ein Großteil der Kunstschätze, die sich bereits in den Lagern der Botschaft befanden, wurden in den Jeu de Paume überstellt.5

Ribbentrop wählte dessen ungeachtet eine Anzahl von Werke aus, die ihm nach Berlin geliefert und entweder in die Ausstattung seines Ministeriums übernommen wurde oder seinem persönlichen Bedarf zugute kam. Im Rahmen der Vorbereitungen des Treffens zwischen Hitler und Pétain in Montoire etwa ließ ein enger Mitarbeiter des Ministers, welcher Hitler auf der Reise begleitete, Abetz wissen, dass „auf der Rückreise im Sonderzug sehr viel Platz“ sei, und ersuchte darum, „sofort die entsprechenden Verpackungsmaßnahmen einzuleiten“.6 Ribbentrop beabsichtigte auch, die detaillierten Listen der von der Botschaft geplünderten Kunstschätze Hitler vorzulegen. Vermutlich in Zusammenhang mit der neu aufzubauenden Sammlung des „Führermuseums“ in Linz, denn der Diktator schickte in der Folge den damit betrauten Kunsthistoriker und Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, Hans Posse, nach Paris.7

Andere Werke blieben in der Botschaft in Paris. Dazu gehörten eine Zeichnung von Renoir, ein Pastell von Pissarro, Werke von Moreau le jeune, von Fragonard und Degas, sowie mehrere Brüsseler Tapisserien aus dem 18. Jahrhundert. Einer 1961 erstellten Liste zufolge blieben ungefähr hundert Kunstobjekte in den Räumlichkeiten der Botschaft, 25 Gemälde fanden Eingang in das Ministerium in Berlin;8 die Zahlen scheinen jedoch etwas niedrig angesetzt. Im Frühling 1942 widmete Radio Moskau den in den Bestand der Pariser Botschaft eingegliederten Kunstschätzen sogar eine eigene Sendung, um auf die wertvollen Objekte aufmerksam zu machen, die der Sammlung des Louvre entwendet worden waren. Dies war offenbar ohne Wissen des Auswärtigen Amtes geschehen; es hatte in der Folge Schwierigkeiten, auf seine wiederholt formulierte Nachfrage präzise Angaben zu bekommen.9

Die von den Diplomaten in Paris wie in Berlin angelegte „Reserve“ schien auch nicht mit dem Einsatzstab abgesprochen und sorgte noch im Juli 1941 für beträchtliche Spannungen: Auf sein Ersuchen wurden mehrere verpackte Kisten, die für den Abtransport nach Berlin vorbereitet worden waren, von der Feldpolizei konfisziert, nicht ohne dabei einen auch für Außenstehende deutlich vernehmbaren Eklat zu verursachen.10 Eine Anzahl Kunstwerke schließlich, die der sogenannten „entarteten Kunst“ zugeordnet wurde, blieb ebenfalls in den Lagern der Botschaft, um als Tauschobjekte gegen Werke zu dienen, die als wertvoller eingeschätzt wurden. Darunter befanden sich immerhin vierzehn Gemälde von Braque, sieben von Picasso, vier von Léger, die meist unter sehr ungünstigen Verhältnissen gelagert wurden.11

In den Wochen und Monaten vor dem deutschen Rückzug von Sommer 1944 organisierte Abetz den Abtransport eines Teils der Kunstwerke, die sich in den Räumlichkeiten seiner Dienststelle befanden. Ab September 1944 wurden sie im Schloss von Sigmaringen untergebracht. Die Sammlung wurde im Frühling 1945 zur Belastung, nachdem die Alliierten mehrmals vor dem Besitz geplünderter Kunstschätze gewarnt hatten. Ungefähr dreißig Kisten wurden deshalb aus dem Bestand ausgewählt und der Besitzerin eines kleinen Restaurants in Wildenstein, in der Nähe von Sigmaringen, übergeben. In einem beigefügten Schreiben ersuchte Abetz, die Kisten bei der Ankunft alliierter Truppen den französischen Behörden zu übergeben.12 Ein zweiter Teil dieses geraubten Kulturgutes aus der Botschaft wurde dem Direktor des Museums von Sigmaringen übergeben. Ein Inspektor der französischen Polizei, Richard Ezac – mit ursprünglichem Namen Joachim R. Eisack, er stammte aus München und war 1933 nach Frankreich geflüchtet -, der an der Verhaftung des ehemaligen Botschafters im Oktober 1945 im Schwarzwald teilnahm, konnte sie dort im Frühling 1946 ausfindig machen.13 Im Juli 1949 wurde Otto Abetz vom Militärtribunal Paris zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit, gefolgt von zwanzig Jahren Aufenthaltsverbot verurteilt, unter anderem auch aufgrund der Mittäterschaft an der Plünderung jüdischen Privateigentums.14 1954 wurde er begnadigt und aus dem Gefängnis entlassen, vier Jahre später kam er bei einem Autounfall ums Leben.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Otto Abetz im Sommer 1940 die Initiative zur Plünderung von Kunstschätzen in Frankreich ergriff und sie damit in Gang setzte. Die Dynamik, die sich daraus entwickelte, zeigt – wie im Übrigen auch der Widerstand, der sich in diesem Zusammenhang unverzüglich innerhalb der Militärverwaltung gegen ein als organisierter Raub interpretiertes Unternehmen formierte -, dass man sich weder in Paris noch in Berlin auf die Frage des Umgangs mit französischen öffentlichen und privaten Kunstschätzen, die plötzlich zugänglich wurden, vorbereitet hatte. Im Gegensatz dazu war die systematische Plünderung der Ministerien und öffentlichen Archive bestens vorausgeplant und die Vorgangsweise seit Kriegsbeginn erprobt.

Die Entwendung bzw. der Raub von Kunstobjekten wurden in den Wochen und Monaten nach den von Abetz gesetzten Initiativen systematisch weitergeführt. Mehrere Protagonisten der NSDAP – Alfred Rosenberg, Joseph Goebbels, Hermann Göring – übernahmen die Führung und konnten sich leichter gegen die Vorbehalte, die innerhalb der Militärverwaltung dominierten, durchsetzen. Als letztes Zeichen für die missglückte Strategie des Schutzes öffentlichen und privaten Kunsteigentums kann wohl die Abberufung von Graf Wolff-Metternich im Sommer 1942 gelten.