ADRION Lucien (DE)
Lucien Adrion ist ein aus dem Elsass stammender Maler, der dem Propagandadienst und Pariser Händlern, wie Paul Pétridès nahestand. Er organisierte Reisen französischer Künstler nach Deutschland, war an verschiedenen Kunstverkäufen beteiligt und diente deutschen Kunden als Führer und Übersetzer in den Kunsthandlungen.
Ein elsässischer Künstler im Dienst der Propagandastaffel
Lucien Adrion, ein elsässischer Maler, der am 25. Mai 1889 in Straßburg geboren wurde, diente während des Ersten Weltkriegs aufgrund seiner elsässischen Herkunft in der deutschen Armee. In der Besatzungszeit wurde er deshalb als Deutscher angesehen. Aus diesem Grund waren sowohl er, als auch seine Familie gezwungen, den damit einhergehenden Verpflichtungen nachzukommen, insbesondere der Wehrpflicht. Im Herbst 1940 wandte er sich an die Propagandastaffel, um die Erlaubnis für die Organisation einer Ausstellung in den Galerieräumen von Odette Pétridès zu erhalten. Er traf dort auf den Leutnant Ehmsen, der selbst Maler war, und durch den er die Erlaubnis erhielt, in Paris zu bleiben. Nach diesem Treffen ging Adrion auf Bitte von Madame Pétridès noch einmal auf Ehmsen zu und erreichte bei diesem die Ausstellung eines Passierscheins für ihren Ehemann Paul Pétridès, der nach der großen Fluchtbewegung aus Paris im Mai und Juni 1940, infolge der Einnahme der Niederlande und Belgien sowie großer Teile Frankreichs durch die deutschen Truppen, in Marseille geblieben war.1
Nach diesem zweiten Treffen näherte sich Adrion der Propagandastaffel an. Worin diese Annäherung genau bestand, ist nicht leicht zu sagen: Es wurde vermutet, dass er eine Stelle in der deutschen Behörde erhielt,2 eventuell sogar ein eigenes Büro im Hotel Crillon.3 Adrion widersprach dem später deutlich und gab an, nur gelegentlich für die Propagandastaffel tätig geworden zu sein.4 Er kam dabei der Verpflichtung nach, deutsche Kunden durch die Pariser Galerien zu führen und ihnen als Dolmetscher zur Verfügung zu stehen, wie er es beispielsweise für Heinrich Hoffmann tat. Während dieser Touren forderte er mehrere Händler dazu auf – zu ihnen gehörten zum Beispiel der Maler Maurice Vaumousse und der Galerist Alfred Daber, der Adrion wegen Drohungen verklagte – Werke aus ihren Vitrinen zu entfernen, die von jüdischen Künstlern stammten oder auf dem Index der deutschen Behörden standen.5
Im Dienst der Propaganda-Abteilung nahm Adrion 1941 an den Reisen französischer Künstler nach Deutschland teil: Eingeladen zu diesen wurden Charles Despiau, Paul Belmondo, Henri Bouchard, Paul Landowski, Maurice de Vlaminck, André Derain, Roland Oudot, Raymond Legueult, André Dunoyer de Segonzac, Kees van Dongen, Othon Friesz und Louis Lejeune. Während Adrion selbst angab, nur als Übersetzer präsent gewesen zu sein, bezeichnete der Maler André Derain ihn als einen der Organisatoren der Veranstaltung.6
Diese unterschiedlichen Aktivitäten für die Besatzer ersparten ihm und seiner Familie nach Deutschland ausgewiesen zu werden.7 Außerdem eröffnete ihm seine Tätigkeit für die Deutschen den Zugang zu unterschiedlichen Privilegien (Passierscheine, Freilassung, etc.), mit denen er anderen half; oftmals Menschen, die ihm unbekannt waren.8
Ein Kunstvermittler
Während der Besatzungszeit war Adrion an verschiedenen Verkäufen von Kunstwerken beteiligt.1 Nach der Befreiung wurde er der Kollaboration mit dem Feind und der Einnahme von unlauteren Gewinnen verdächtigt. Er arbeitete oft mit dem Galeristen Paul Pétridès und kaufte Kunstwerke im Namen des Bildhauers, Sammlers und Kunsthändlers Bernhard Boehmer. Beispielsweise im Fall eines Gemäldes von Van Gogh, das von Pétridès und Adrion für 120.000 F angekauft und an Boehmer für 250.000 F weiterverkauft wurde.2
Im Mittelpunkt der Anklage stand unter anderem der Verkauf eines Werks von Rembrandt, Die Mutter [La mère]. Als der Besitzer des Gemäldes, Maurice Escoffier, es 1941 an Bernhard Boehmer verkaufte, wirkte Adrion bei der Transaktion als Vermittler. Nachdem Adrion den Kunsthändler Georges Maratier bei der Propagandastaffel unter nicht geklärten Umständen traf (Adrion sagte aus, dass Maratier von sich aus das Werk Rembrandts anbot während Maratier daran festhielt, dass es Adrion war, der sich als Käufer anbot),3 wurde das Bild von Adrion für Boehmer über Pétridès gekauft.4 Adrion vermittelt auch in einem zweiten Verkauf eines Rembrandts, Der Vater [Le père]. Er kauft dieses einer Mademoiselle Beauperthuis ab, wieder im Namen Boehmers. Bei dieser Transaktion trat Pétridès als Bürge für Boehmer auf, da Adrion die Mittel fehlten, um die Kosten des Erwerbs auszulegen. Obwohl Pétridès bei diesem Geschäft nur eine kleine Rolle spielte, erhielt auch er eine Kommission, was die Zusammenarbeit der beiden Männer bei der Vermittlung unterstreicht.5 Pétridès stellte Adrion in der Galerie D’Atri vor, wo dieser zwei weitere Bilder im Namen von Boehmer erwarb.6 Die Zusammenarbeit von Pétridès und Adrion endete, als Boehmer es im Juni 1942 versäumte, den Kauf einer Bronze, den Pétridès für ihn durchgeführt hatte, zu bezahlen.7 Pétridès hob sehr hervor, dass er nach dem Bruch mit Adrion keinerlei Geschäfte mehr mit Deutschen tätigte, womit er andeutete, dass er sich nur unter dem durch Adrion auf ihn ausgeübten Druck an Geschäftsbeziehungen mit Deutschen beteiligte.8
Das letzte Geschäft, das Adrion belastete, war der Verkauf von vier Tapisserien aus Beauvais9 durch Nicolas Matzneff an Hildebrand Gurlitt. Adrion kannte Matzneff nicht und sollte Gurlitt als Übersetzer dienen. In Begleitung von Marcel Victor Blondel von der Banque Canadienne Nationale, einem Bankangestellten, der für die Entgegennahme von Geschäftsschecks verantwortlich war, begab sich Adrion zur Banque de l’Union. Er zahlte dort eine umstrittene Summe ein: Während Blondel angab, dass es sich um 33 Millionen F gehandelt habe, was von Adrion bestätigt wurde,10 gab Matzneff nur die Summe von 12.875.000 F an.11 Adrion wurde daraufhin mit weiteren Aufträgen betraut.
Er gab an, in diesem Rahmen eine bei Rudier erworbene Plastik im Wert von 350.000 F, eine Kamera und einen Projektor im Wert von 25.000 F gekauft zu haben. Außerdem zahlte er für den Transport nach Deutschland 50.000 F an Hans Lange und 125.000 F an einen gewissen Etzard. Er behielt dementsprechend eine Provision von 225.000 F für sich selbst ein.12
Die gerichtlichen und steuerlichen Verfahren der Nachkriegszeit
Nach dem Krieg wurden verschiedene Untersuchungen gegen Adrion angestrengt. Ein Haftbefehl vom 30. April 1945 wegen Gefährdung der inneren Staatssicherheit war der Grund für seine Inhaftierung im Gefängnis von Fresnes, während er auf die Entscheidung des Gerichts wartete. Der Ermittlungsrichter sah seine Inhaftierung als für die Wahrheitsfindung notwendig an. Nach 15 Monaten Haft wurde Adrion vor allem aus gesundheitlichen Gründen am 20. Juli 1946 freigelassen.1
Das Comité national d’épuration des artistes peintres, dessinateurs, sculpteurs et graveurs [Nationale Säuberungskommission für Maler, Zeichner, Bildhauer und Kupferstecher] sanktionierte ihn mit zwei Jahren vollständigem Ausstellungsverbots. Es war ihm darüber hinaus untersagt, Werke zu verkaufen oder mit der Tagespresse oder Zeitschriften zusammenzuarbeiten.2 Parallel dazu wurde er durch die Erste Instanz des Zivilgerichts des Département Seine zu vier Monaten Haft verurteilt.3 Das Comité de confiscation des profits illicites des Département Seine beschloss die Nachforderung von 790.720 F und legte ein Bußgeld von 400.000 F fest.4 Im Juni 1953, kurz bevor Adrion am 9. August 1953 starb, beschloss das Comité, die Gesamtforderung zu reduzieren.5
Basisdaten
Personne / personne