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18/11/2021 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

In der von Georges Terrisse geführten Galerie Cambacérès verkehren KundInnen aus Deutschland und Österreich, während er gleichzeitig als Gutachter die Plünderung von Sammlungen verhindert.

Schutz und Fortbestand der Sammlungen

Der am 16. Dezember  1885 geborene Georges Terrisse ist Gutachter und Kunsthändler. Als Maler spezialisiert er sich, als er in München unter der Leitung von Petenhoffen arbeitet, auf die Restaurierung sowie die Reproduktion von Gemälden alter und moderner Meister. Seit 1933 hat er eine Adoptivtochter namens Yvonne Paulette Marguerite Clert-Terrisse, die aus der Ehe von René Louis und Louise Samson hervorgegangen und am 12. Juli 1911 oder 1912 geboren ist. Mit ihr lebt er im Jahr 1942 im 17. Pariser Arrondissement 73 Rue Legendre. Sie arbeitet ebenfalls als Gutachterin für Kunstobjekte.1

Zur Zeit der deutschen Besatzung führt Terrisse in der Hausnummer 30 derselben Straße die Galerie Cambacérès, die auch über einen Zugang von der 15 Rue La Boétie aus verfügt. Dieses Geschäft gehört seiner Ex-Frau, geb. Lejeune, mit der er seit dem 20. März  1919 verheiratet gewesen war.2 Wegen Krankheit setzt ihn Letztere ab 10. September 1940 als Geschäftsführer der Galerie ein. Zwischen 1923 und 1939 ist er als Gemäldegutachter beim Tribunal de la Seine [Gerichtshof Seine] eingetragen, verliert diese Zulassung jedoch, nachdem Fehleinschätzungen ruchbar geworden waren, auf deren Grundlage die betroffenen Eigentümer ihre Vermögenswerte weitaus höher als gerechtfertigt hatten versichern lassen können.3

Mit anderen zusammen bereitet er eine Ausstellung über Greuze vor, die am 11. Juni 1943 eröffnet. Ausgerichtet wird sie von Louis Hautecœur (1884-1973), Generalsekretär der Kunstbehörde Beaux-Arts, Louis Hourticq (1875-1944) und Dr. Victor Simon.4 Terrisses Anteil an dieser Arbeit ist als sporadisch zu betrachten, so dass ihm keinerlei Verantwortung zukommt.5 Er teilt seine Meinung über die ausgestellten Gemälde mit und steuert selbst drei Leihgaben aus dem Besitz seiner Tochter bei. Er ist überdies Mitglied der 1942 innerhalb der Association des collectionneurs français d’œuvres d’art [⁓ Verein der französischen KunstsammlerInnen] entstandenen „Groupe Autonome de la Résistance des Arts“ [⁓ Autonome Widerstandsgruppe der Künste], deren sieben Gründungsmitglieder Louis Hourticq, Victor Simon, Maurice Delfieu, Dr. Villard, Pierre Cataliotti, Marguerite Oster und Marie-Rose Cataliotti waren. Ziel dieser Gruppe war es, hochwertige Gemälde und Kunstobjekte aus dem Besitz französischer SammlerInnen an sicherer Stelle unterzubringen und den öffentlichen Verkauf von Kunstwerken zu überwachen.6

Zwischen dem 7. Januar 1942 und dem 29. September 1944 werden in diesem Zusammenhang 16 Werke, deren Wert auf 18 bis 20 Millionen F geschätzt wird, in Terrisses Obhut gegeben, um sie vor den deutschen Besatzern zu retten. Die Werke stammen aus dem Besitz von Edmond Dreyfus, Clairette Hirsch, Pierre und Jean Cataliotti, Maurice Delfieu, Marguerite Oster und Victor Simon.7 Er unterstützt auch mehrere Einzelpersonen, die bestätigen, dass er ihnen während der Besatzungszeit teils moralische, teils materielle Hilfe geboten oder ihre Besitztümer verborgen gehalten hatte.8

Verkäufe an deutsche und österreichische KundInnen

Dennoch tätigt Terrisse Ankäufe bei verschiedenen Verkaufsveranstaltungen des Comité ouvrier de secours immédiat [COSI, Arbeiterkomitee für Soforthilfe], einer Organisation, die Bombenopfern beim Einrichten ihrer Wohnungen hilft oder sie entschädigt, insbesondere mit Gegenständen aus den mit Wohnungsräumungen bei Juden gefüllten Lagern; den Überschuss lässt sie versteigern. Zwischen Januar und April 1943 taucht Terrisses Name in mindestens fünf Verkaufsregistern auf, mit insgesamt mehr als zehn erworbenen Objekten, die einem Gesamtpreis von 20.000 F bis 30.000 F entsprechen.1 An Walter Andreas Hofer verkauft er am 6. Januar 1941 einen Bon Samaritain [⁓ Guter Samariter] für 1.000 RM2. Im November 1941 verkauft er L’Arrestation du Christ avec saint Pierre et Malchus [⁓ Gefangennahme Christi mit Petrus und Malchus] für 220.000 F (11.000 RM) an Hans Posse, und Karl Haberstock übernimmt den Versand dieses Gemäldes.3

Walter Bornheim, Friedrich Welz, Ernst Holzinger, Alexander Spengler, Alexander von Frey und Walter Weber besuchen unabhängig voneinander gleichfalls seine Galerie.4 Die Verkaufszahlen an deutsche KundInnen und die Verkaufspreise bleiben jedoch äußerst gering. Dem Bericht von Michel Martin für die Commission nationale interprofessionnelle d’épuration [Nationale berufsübergreifende Säuberungskommission] zufolge, „vegetierte die Galerie Terrisse dahin mangels nötigem Kapital, um sich an großen Machenschaften zu beteiligen, und sie scheint sich sogar aktuell in einer schwierigen Situation zu befinden“.5

Terrisse wird am 21. Mai 1947 beim Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für Beschlagnahmung unlauterer Gewinne] wegen „an den Feind verkaufter Gemälde“ vorgeladen.6 Da der Betrag mit einer Gesamtsumme von nur 93.800 F7 zwar eine Konfiszierung, jedoch kein gerichtliches Verfahren nach sich zieht, überreicht das Komitee die Unterlagen der Administration des Contributions directes [⁓ Steueramt], damit es die in der Besatzungszeit erzielten Gewinne auf einfachem Weg besteuere.8 Georges Terrisse wird wegen seiner Parteimitgliedschaft im Rassemblement national populaire [rechtsextreme französische Partei unter dem Vichy-Regime] auch vor die Chambre civique de la Cour de justice [Disziplinarkammer des Gerichtshofs] geladen, jedoch freigesprochen.9 Auch die Commission nationale interprofessionnelle d’épuration befasst sich mit seinem Fall, macht aber bei der Anhörung am 28. Juli 1947 den Vorschlag, angesichts seiner zahlreichen, in der Besatzungszeit erwiesenen Hilfestellungen seinen Kollegen gegenüber die Untersuchung einzustellen.10