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Der österreichisch-jüdische Kunsthändler Hugo Engel war in der Zwischenkriegszeit einer der bedeutendsten Im- und Exporteure von Gemälden in Wien. Seit Mitte der zwanziger Jahre war er in Paris ansässig, nahm Bilder in Kommission und belieferte ausschließlich andere Kunsthändler im In- und Ausland. Während der Besatzungszeit arbeitete Engel eng mit den meisten Kunsthändlern zusammen, die für das nationalsozialistische Deutschland Kunst in Frankreich über ihn erwarben.

Kindheit und Karrierebeginn in Österreich

Hugo Engel wurde am 3. August 1883 als vermutlich einziges Kind von Jakob und Therese Engel in Wien geboren. Er war wie seine Eltern jüdischer Konfession, trat aber später zum Protestantismus über. Der Vater, Jakob Engel, war 1857 in Eichgraben beziehungsweise im Nachbarort Ottenheim (heute ein Ortsteil der Marktgemeinde Eichgraben) im Raum St. Pölten, Niederösterreich, zur Welt gekommen und später als Juwelier in der Großen Mohrengasse 20 im zweiten Wiener Gemeindebezirk tätig gewesen. Am 29. Oktober 1882 hatte er in Stampfen, dem Herkunftsort seiner zukünftigen Frau, die am 12. Juli 1855 geborene Therese Schaffer geheiratet, sie starb am 29. Januar 1912 in Hadersdorf, Weidlingauerstraße 132. Gleichzeitig war als Wohnadresse des Ehepaares auch die Große Mohrengasse 14 angegeben.

Hugo Engel hatte nach eigenen Angaben Schulen in Wien und Italien besucht, dann eine Malakademie in Florenz. Nach zwei Jahren in Italien sei er um 1903 nach Österreich zurückgekehrt. Engel leistete während des Ersten Weltkriegs Militärdienst, allerdings nicht bei der kämpfenden Truppe, sondern als Dolmetscher.

Am 26. Mai 1912 heiratete er im Wiener Stadttempel in der Seitenstettengasse Ethel Terry Newmon, die am 31. Januar 1886 in London (Greenwich) zur Welt gekommen war. Sie war britische Staatsbürgerin, nahm aber im Zuge der Heirat die österreichische Staatsangehörigkeit an. Die getaufte Protestantin galt später auch gemäß den Rassegesetzen der Nationalsozialisten als nichtjüdisch. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: die am 11. Oktober 1912 in London geborene Dorothee Maria (Dorothea, Dolly, Dorothy), später verehelichte Feierabend, und den am 19. Juli 1916 in Wien geborenen Herbert (Herbert Terry) Engel, später Herbert Terry-Engell.

1912 meldete Hugo Engel bei der Gewerbebehörde einen „Antiquitätenhandel mit Kunstsachen“ an, zunächst unter der Adresse Wiesingerstraße 3 im ersten Wiener Gemeindebezirk, bald aber in der Zirkusgasse 3 im zweiten Bezirk. Dieser Standort blieb bis zur Liquidierung des Geschäfts 1939 aufrecht, es erfolgten jedoch mehrere An- und Abmeldungen von Gewerben. Ende 1917 legte Engel den zuvor erwähnten Gewerbeschein zurück, wobei er kurz zuvor einen „Handel mit Pretiosen und Uhren“ angemeldet hatte, der bis Ende 1924 bestehen blieb. Am 12. März 1928 meldete Engel neuerlich einen „Handel mit Ölgemälden“ an, dieses Gewerbe bestand bis Mai 1939.1

Internationale Geschäfte

Hugo Engel lebte in den Jahren 1917 bis 1920 in Österreich, dann bis 1927 in England, Frankreich und Österreich, anschließend bis 1938 in Frankreich. In seinem Wiener Geschäft („Pictura“), einem Hoflokal in der Zirkusgasse 3, verkaufte Engel Werke alter und neuer Meister, und zwar ausschließlich an andere Händlerinnen und Händler („Wiederverkäufer“). „Hugo Engel. Tableaux. Wien“, lautete das Logo des Unternehmens.

Der spätere zweite Bezirk, Leopoldstadt, hatte traditionell als Ansiedlungsgebiet von Jüdinnen und Juden eine wichtige Rolle gespielt und wurde deshalb auch die „Mazzesinsel“ genannt. Engels Unternehmen war eine von ganz wenigen Kunst- und Antiquitätenhandlungen, die in der Zwischenkriegszeit ihren Standort in diesem Bezirk hatten. Der weitaus überwiegende Teil der einschlägigen Betriebe war in der Innenstadt ansässig. Obwohl Hugo Engel in den Jahren vor dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland seinen Hauptwohnsitz nicht mehr in Österreich hatte, dürfte er viele Geschäfte über seinen Wiener Betrieb abgewickelt haben. Das bestätigten auch zahlreiche Kunsthandlungen und verschiedene Institutionen im Zusammenhang mit Engels Bemühungen um Entschädigung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie gaben unisono an, dass Engel in der Zwischenkriegszeit einer der bedeutendsten Im- und Exporteure von zum Teil sehr wertvollen Gemälden in Wien gewesen sei und stets über ein umfangreiches Bilderlager verfügt habe, das vielfach auch sehr wertvolle Werke alter Meister umfasste. Solche Zeugnisse stammen etwa vom Bundesdenkmalamt in Wien, dem Landesgremium Wien für den Handel mit Bildern, Antiquitäten und Kunstgegenständen in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft oder von der Österreichische Galerie. Das Wiener Auktionshaus Dorotheum gab an, dass zwischen 1912 und 1938 kontinuierliche Geschäftsbeziehungen zwischen seiner Kunstabteilung und Engels Kunsthandelsfirma bestanden hätten und es wiederholt zum An- und Verkauf von Gemälden gekommen sei. Zu den früheren Geschäftspartnern zählten etwa auch die Galerie Sanct Lucas in Wien, aber auch Galerien und Kunsthandlungen im Ausland wie die Galerie Neupert in Zürich, Arnold A. Chempin in New York, O. Jaeggi in Brüssel, Paul Larsen (Old Masters), die Leger Galleries (Old and Modern Masters) sowie Christie, Manson & Woods Ltd. in London sowie C. E. Fritzes Kungl. Hovbokhandel (Bok- & Konsthandel) in Stockholm.1

Nach dem „Anschluss“ Österreichs

Als Hugo Engel am 30. Juli 1938, einige Monate nach dem „Anschluss“ Österreichs, die obligate Vermögensanmeldung ausfüllte, lebte er bereits in Paris und führte als Adresse den 28, Boulevard Malesherbes im 8. Arrondissement an. Seinen eigenen Angaben zufolge hatte er bereits seit 1926 ständig in Paris und vorher in London gewohnt.1

Bis 1938 war Hugo Engel Eigentümer einer Mietwohnvilla in Weidlingau, einem Ortsteil der niederösterreichischen Wienerwaldgemeinde Hadersdorf-Weidlingau, wo wohlhabende Städter Villen erbaut hatten. Nach dem „Anschluss“ wurde der Ort nach „Groß-Wien“ eingegliedert und Teil des neugeschaffenen 14. Bezirks, Penzing. In der Vermögensanmeldung bewertete Hugo Engel die Villa, die früher seinem Vater gehört hatte, mit 25.000 Reichsmark. Als Firmenvermögen führte er sein aus Bildern bestehendes Kommissionslager in der Zirkusgasse an. Den Einkaufspreis der Kunstwerke bezifferte er mit insgesamt 766 britischen Pfund – eine detaillierte Objektliste liegt dem Akt nicht bei.2

Hugo Engel hatte Österreich bereits am 20. März 1938, also gut eine Woche nach dem „Anschluss“, verlassen. Als letzte Wohnadresse vor seiner Flucht war die Lichtenauergasse 5/1/1/12 im zweiten Bezirk angegeben. Im Wiener Adressbuch von 1938 war unter dieser Anschrift die „Kunsthändlersgattin“ Ethel Engel verzeichnet.

Rechtlicher Vertreter des geflüchteten Hugo Engel war 1938 dessen Vater, Jakob Engel, der in Hadersdorf-Weidlingau in der erwähnten Villa lebte. Ihm war schon vorher ein Fruchtgenuss, also das uneingeschränkte Nutzungsrecht für dieses Haus und ein Wohnrecht auf Lebensdauer sowie eine Rentenforderung zugesichert worden. Die Liegenschaft wurde von Marie Baldreich, die bei Jakob Engel als Hausangestellte tätig gewesen war, „arisiert“ – Hugo Engel hatte seinem Vater von Paris aus am 9. November des Jahres die Vertretungsvollmacht für den Verkauf übertragen. Die Vermögensverkehrsstelle, die zentrale „Arisierungsbehörde“ im nationalsozialistischen Wien, genehmigte den Vorvertrag mit Bescheid vom 11. März 1939. Zu diesem Zeitpunkt befand sich auch Jakob Engel bereits im Ausland. Er dürfte zu seinem Sohn nach Frankreich, vermutlich nach Paris, geflüchtet sein. In Wien war er zuletzt unter seiner alten Adresse Große Mohrengasse 14/34 gemeldet gewesen. Jakob Engel überlebte die Shoah nicht: Er wurde am 3. Februar 1944 vom französischen Transitlager Drancy nach Auschwitz deportiert.3

Wie aus der Vermögensanmeldung Hugo Engels hervorgeht, schuldete dieser verschiedenen Kreditoren in Wien und Budapest insgesamt 13.419 Reichsmark, unter anderem dem Wiener Auktionshaus Dorotheum, der Galerie St. Lucas, den Kunsthandlungen Josefine Bayer und Eduard Koranyi sowie den Speditionsfirmen Schenker & Co. und E. Bäuml. Auch bei der Steueradministration für den ersten Bezirk bestanden Rückstände. Dem standen Außenstände (Debitoren) in einem Gesamtvolumen von 4.589 Reichsmark gegenüber. Das Gesamtvermögen Hugo Engels belief sich laut Vermögensanmeldung am 12. November 1938 auf 15.623 Reichsmark. Auf dieser Basis wurde ihm im März 1939 eine „Judenvermögensabgabe“ („Sühneleistung“) – eine diskriminierende Steuer – in der Höhe von 3.000 Reichsmark vorgeschrieben.

Als kommissarischer Verwalter von Engels Kunsthandlung fungierte der im 13. Bezirk wohnhafte Wilhelm Kainz, der bis 1938 als Chefrestaurator in Engels Unternehmen tätig gewesen war. Kainz informierte die Vermögensverkehrsstelle Mitte August 1938 darüber, dass die Liquidierung des Betriebes angestrebt werde, und erbat die Zustimmung dazu. Als Begründung gab er den angeblich unrentablen Geschäftsgang an und dass der Inhaber jüdisch sei, wobei er betonte, dass der Eigentümer, der sich seit dem 19. März außer Landes befinde, selbst die Auflösung seiner Wiener Firma wünsche. Das Unternehmen hatte zuletzt vier „arische“ Angestellte beschäftigt. Kainz hatte sie und das Geschäftslokal bereits per 30. September gekündigt.

Im Juni 1939 wurde Kainz seiner Funktion als kommissarischer Verwalter enthoben. Hugo Engels Wiener Kunsthandlung gehörte schließlich zu jenen rund 60 Kunst- und Antiquitätenhandlungen in jüdischem Besitz, die der Abwickler Otto Faltis, ein Versicherungsfachmann, im Auftrag der Vermögensverkehrsstelle liquidierte.4 Am 15. April 1939 veranlasste Faltis die Annullierung von Engels Gewerbeschein. Nach Abrechnung letzter Verbindlichkeiten und der Veräußerung der Kommissionsware erzielte Faltis einen Abwicklungsüberschuss in der Höhe von lediglich 29,90 Reichsmark, den er auf das Konto L 90 der Vermögensverkehrsstelle überwies.5

Ausfuhranträge von Kunstwerken und Vermögensentzug

Die Ausfuhr von Kulturgut musste – vor und auch nach dem „Anschluss“ – auf Basis des österreichischen Ausfuhrverbotsgesetzes von 1918 beziehungsweise des Denkmalschutzgesetzes von 1923 durch die Denkmalbehörde bewilligt werden. Hugo Engel brachte zwischen Januar und Mitte November 1938 – wie vermutlich auch schon in den Jahren zuvor – zahlreiche Ausfuhranträge ein. Meist handelte es sich um Gemälde, aber es fanden sich etwa auch einige Buddhafiguren und diverse andere Gegenstände unter dem Exportgut. Empfänger waren Privatpersonen ebenso wie Firmen, unter anderem Kunsthandlungen (Galerie Kitzinger in Luzern; Galerie Neupert in Zürich; Léon Seyffers in Brüssel) sowie Speditionen (Nordisk Express Company, Stockholm; J. H. Basch oder Schenker & Co. in Prag; Baumeler in Luzern; Knauer in Berlin). Engel exportierte in dieser Zeit in unterschiedliche Länder (Ungarn, Tschechoslowakei, Schweden, die Schweiz, Großbritannien und Belgien). Mehrfach schien er selbst als Adressat auf („Hugo Engel, Paris“). Auch die einzige Sendung im Folgejahr – im Mai 1939 – ging an ihn selbst.1

Aufgrund einer Verfügung der Geheimen Staatspolizei Wien vom 29. Oktober 1941 wurde das Vermögen von Hugo und Ethel Terry Engel sowie deren Kindern zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt und die Ausbürgerung des Ehepaares anschließend im Reichsanzeiger angekündigt.2 Für die Einziehung der verfallenen Vermögenswerte war das Finanzamt Moabit-West in Berlin zuständig. Die Gestapo bestellte den Rechtsanwalt Dr. Ernst Geutebrück mit Vollmacht vom 30. Oktober 1941 zum Vermögensverwalter für Hugo Engel. Schließlich wurde dessen Vermögen gemäß der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 als dem Deutschen Reich verfallen erklärt. Es gelang Geutebrück mit Ausnahme eines kleinen Betrages nicht, Engels Außenstände einzutreiben. Am 23. Mai 1942 stellte er in einem Schreiben an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg fest, dass „Jakob Israel Engel“ – Hugo Engels Vater – „unbekannten Aufenthaltes“ und den deutschen Behörden nicht bekannt sei, ob der Besagte noch lebe.

Kunsthändleraktivität in Frankreich

Französische Quellen berichten, dass Engel bereits seit 1904 über einen Wohnsitz in Paris verfügte.1 Er soll zu diesem Zeitpunkt als Angestellter in der französischen Hauptstadt gearbeitet haben, wobei unklar bleibt, für wen er dort tätig war. Für die Zeit ab 1928 finden wir jedoch Angaben, wonach Engel in der 61, Rue d’Hauteville im 10. Arrondissement als Kunsthändler gearbeitet hat. Am 25. Juli 1938, also einige Monate nach dem „Anschluss“ Österreichs, eröffnete er schließlich in Paris seine eigene Kunsthandlung „Hugo Engel (France)“.

Wie auch im Fall seines Wiener Betriebes, scheint es sich dabei um keine Galerie im klassischen Sinne gehandelt zu haben. Zwar lag die Kunsthandlung mit ihrem Standort am 28, Boulevard Malesherbes im 8. Arrondissement in Laufweite der berühmten Galerienstraße Rue La Boétie, doch befanden sich die Geschäftsräumlichkeiten in einer Fünfzimmerwohnung im dritten Stock, in der ein Raum als Ausstellungssaal und die restlichen Zimmer als Büros beziehungsweise Lager dienten.2 Laufkundschaft, wie sie ein Geschäft im Erdgeschoss erreicht hätte, wird es hier wohl nur selten gegeben haben. Es ist daher anzunehmen, dass Engel, wie in Wien, vor allem mit ihm bekannten Sammlern und Kunsthändlern Geschäfte machte. Er nahm Kunstwerke in Kommission und widmete sich dem Import und Export vor allem von Gemälden und kunstgewerblichen Gegenständen. Eine Spezialisierung auf eine bestimmte Epoche scheint nicht bestanden zu haben. Eine Liste der Lagerbestände von 1943 führt Werke unter anderem von Jacopo del Sellaio, Peter Lely und Pierre Paul Prud’hon an, die, breit gestreut, aus der Zeit vom 15. bis zum 19. Jahrhundert stammen.3

Hugo Engel beschäftigte in seiner Galerie einen Lagerarbeiter, als weitere Angestellte wurden für das Jahr 1943 Etienne Bisson und dessen Frau angegeben. Etienne Bisson war jedoch seit der Gründung der Kunsthandlung im Juli 1938 eingetragener Teilhaber der Firma.4 Die Rolle Bissons, der im Gegensatz zu Hugo Engel nicht jüdischer Herkunft war, gewann angesichts der zunehmenden Bedrohung Frankreichs durch das nationalsozialistische Deutschland an Bedeutung. Besaß Bisson anfangs nur zwei von 50 Anteilen von „Hugo Engel (France)“, so übernahm er nach Beginn der Besatzung, am 20. September 1940, weitere 25 Anteile von Engel, der ihm seine Rolle als Geschäftsführer übergab. Ab dem 1. Januar 1941 besaßen Bisson 35, Engel zehn und, als neu hinzugekommener Teilhaber, Roger Desjacques fünf Anteile. Am 10. Mai 1941 übergab Hugo Engel schließlich auch seine letzten Anteile an Bisson. Ab dem 15. Mai 1944 trug die Galerie den Namen „Galerie E. Bisson“.5

Obwohl die Kunsthandlung nach dem Ausscheiden Engels als Teilhaber als „arisiert“ hätte gelten müssen, setzte das von der französischen Regierung etablierte Commissariat général aux questions juives die Einsetzung verschiedener Administrateurs provisoires, also Zwangsverwalter jüdischen Eigentums, für das Unternehmen fort. Auch Etienne Bisson soll zeitweise Administrateur provisoire der Galerie gewesen sein.6 Ab 27. April 1943 wurde Jacques Grandperrin zum kommissarischen Verwalter bestellt. Der Bericht, den Grandperrin kurze Zeit später über die Kunsthandlung vorlegte, verweist auf Differenzen auf deutscher und französischer Seite bei der Einschätzung, ob Hugo Engel Jude sei.7 Das Commissariat général aux questions juives sah Engel als Juden an, da „l’individu était toujours dans des relations d‘affaires juives et que, la majorité, sinon la totalité de ses fournisseurs était juive. En conséquence, le nommé HUGO ENGEL doit être considéré comme juif.“8 Grandperrin selbst stufte Engel nicht als Juden ein und rechtfertigte dies damit, dass der Kunsthändler bei den deutschen Besatzern nicht als Jude gelte.9 Am 16. Juli 1942 wies Hans Möbius als Vertreter des Militärbefehlshabers darauf hin, dass bis dahin durch das Reichssippenamt in Berlin keinerlei jüdische Abstammung für Engel nachgewiesen worden sei. Auch vom Tragen des Judensterns wurde der Kunsthändler, der fast die gesamte Besatzungszeit in Paris verbrachte und nicht untertauchte, am 30. Juni 1942 durch den Militärbefehlshaber befreit.

Zusammenarbeit der Engels (Vater und Sohn) mit deutschen Kunsthändlern während der Besatzungszeit

Der Grund für die Ausnahmebehandlung von Hugo Engel, der de facto jüdischer Herkunft war, dass die deutschen Besatzer auf seine Hilfe bei der Beschaffung bedeutender Kunstwerke, die von Frankreich nach Deutschland transportiert werden sollten, nicht verzichten wollten.1 Bereits 1941 wurde dem Kunsthändler Karl Haberstock vom Militärbefehlshaber in Frankreich erlaubt, mit Engel zusammenzuarbeiten.2 Haberstock war im Auftrag von Hans Posse, Hitlers Sonderbeauftragtem für das in Linz geplante aber nie realisierte „Führermuseum“, in Frankreich tätig, wo er ein engmaschiges Netz von Agenten unterhielt, die Werke für ihn beschaffen sollten. Unter diesen – vielfach jüdischen – Agenten war Hugo Engel in Paris der für Haberstock wichtigste.3 In den Geschäftsbüchern Haberstocks taucht Engels Name häufig auf: Allein im Dezember 1940 kaufte Haberstock bei Engel zwölf Gemälde vor allem deutscher und niederländischer Meister.4

Hugo Engels Engagement für Haberstock ging jedoch weit über den Verkauf von Kunstobjekten, die meist zügig nach Deutschland weiterverkauft wurden, hinaus. In Paris wurde Engels Galerie von Haberstock als eine Art logistische „Außenstelle“ genutzt, die in Engels Namen mit Speditionen in Kontakt stand und Kunsttransporte organisierte, für ihn Waren annahm, Reisekosten abrechnete und Trinkgelder auslegte.5 Rechnungen wurden dabei vom damaligen offiziellen Geschäftsführer der Galerie, also Etienne Bisson, unterschrieben. In Wirklichkeit liefen die Geschäfte jedoch über Engel selbst, der sich während der Besatzungszeit nie aus der Galerie zurückzog – Bisson war lediglich, wie es ein Dokument aus der Nachkriegszeit beschreibt, „gérant de façade“, also ein Strohmann.6

Im Zusammenhang mit Haberstock ist auch Hugo Engels Sohn Herbert zu erwähnen, der wie sein Vater im Kunsthandel tätig war. Auch er war vor den Nationalsozialisten nach Frankreich geflohen, hielt sich jedoch in den folgenden Jahren größtenteils nicht in Paris, sondern im bis 1943 im unbesetzten Süden Frankreichs auf. Sein Wohnsitz war der 70, Boulevard François Grosso in Nizza.7 Von dort aus arbeitete er ebenso wie sein Vater für Haberstock und verschaffte diesem Werke, die später nach Deutschland weiterverkauft werden sollten. In dieser Funktion stand er unter anderem mit den ebenfalls im Süden ansässigen, als Agenten von Haberstock tätigen Simon Meller, Arthur Goldschmidt und dem in Briefen „Antoine“ genannten August Liebmann Mayer in Kontakt. Die Werke, die Herbert Engel Haberstock anbot, stammten bisweilen von Sammlern, die wie er selbst im Verlauf des Zweiten Weltkriegs nach Südfrankreich geflüchtet waren und nun ihre Kunstwerke verkauften, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.8 Darüber hinaus forderte Haberstock Herbert Engel auf, insbesondere nach Kunstobjekten aus französischen Sammlungen, die aus jüdischem Besitz stammten und deshalb von der französischen Regierung liquidiert worden waren, Ausschau zu halten.9

Hugo Engel und sein Sohn Herbert waren während der Besatzungszeit zeitweise „wegen einer alten Familiendifferenz“10 zerstritten und brachen ihre geschäftlichen Beziehungen ab. Mit Haberstock blieben jedoch beide weiterhin in Kontakt. Genau wie Herbert Engel in Nizza handelte auch Hugo Engel in Paris mit Werken aus dem Eigentum jüdischer Flüchtlinge, wie sich durch die Untersuchungen zu den mittlerweile restituierten Kunstobjekten aus dem Bestand der MNR (Musées nationaux récupération) gezeigt hat. Dabei handelt es sich um Werke aus der Kollektion des österreichischen Großindustriellen und Sammlers Richard Neumann (1879-1961), der mit seiner Frau Alice nach dem „Anschluss“ nach Paris emigriert war und dort Teile seiner umfangreichen Sammlung verkauft hatte.11 Auch wird Hugo Engels Name noch in Zusammenhang mit knapp zehn weiteren MNR-Werken genannt.12

Bei den MNR-Werken, in deren Verkaufsgeschichte Hugo Engels Name auftaucht, handelt es sich meist um Kunstobjekte aus Geschäften mit Haberstock. Eines davon, das Gemälde Spielende Kinder am Strand von Otto von Thoren, verkaufte Engel an die mit Hitler befreundete Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich. Die Genreszene des österreichischen Malers war nicht das einzige Werk, das Engel an sie veräußerte. So gingen im Mai 1943 zwei Dresdener Stadtansichten von Engel über Almas-Dietrich in das Schloss Posen im „Reichsgau“ Wartheland; bereits zuvor, im Februar 1942, hatte Engel Almas-Dietrich mit Druckgrafik sowie einer Landschaft des deutschen Malers des 19. Jahrhunderts August Podesta versorgt, die die Münchner Kunsthändlerin später an Hitlers Vertrauten Martin Bormann weiterverkaufte.13

Nur wenige Geschäftskontakte scheinen zwischen Hugo Engel und Theo Hermsen, einem aus den Niederlanden nach Paris übersiedelten Kunsthändler, bestanden zu haben. Dennoch war es aller Wahrscheinlichkeit nach Engel, der Hermsen dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, der während des Krieges auch für das „Führermuseum“ in Frankreich Kunst kaufte, vorstellte.14 Gurlitt und Hermsen wurden im Anschluss enge Geschäftspartner. Engel und Gurlitt kannten sich spätestens seit Mai 1942, als Gurlitt von Engel Zeichnungen von Winterhalter, Achenbach, Gavarni und Lenbach erwarb.15

Die Verbindungen, die Hugo Engel zu Hans Posse unterhielt, scheinen sich vor allem aus der Zusammenarbeit von Engel und Haberstock ergeben zu haben. In den Reisetagebüchern, die der Sonderbeauftrage über seine Ankäufe für das in Linz geplante Museum führte, taucht Engels Name mehrmals auf.16 Offenbar besichtigte Posse bei seinen Parisaufenthalten Werke in Engels Galerie, stellte noch vor Ort Listen gewünschter Erwerbungen für das „Führermuseum“ zusammen und ließ die Ankäufe im Anschluss über Haberstock abwickeln. Ein Beispiel für die solcherart organisierte Zusammenarbeit der drei Kunstakteure ist das MNR 702 Cour de ferme avec une chèvre des holländischen Malers Egbert van der Poel aus dem 17. Jahrhundert17, das bei seinem Verkauf durch Engel Hirtenszene hieß und sich heute im Musée d’art et d’histoire Saint-Léger in Soissons befindet.18


Flucht in die Schweiz

Im Februar 1944 verließ Hugo Engel Paris und ging in die Schweiz, wohin sein Sohn bereits im Jahr zuvor geflüchtet war.1

Denn der prekäre Schutz, den Hugo Engel im deutschbesetzten Frankreich lange Zeit genossen hatte, scheint im letzten Kriegsjahr brüchig geworden zu sein. Im April 1944 überquerte er mit Hilfe eines „Passeurs“, also eines bezahlten Fluchthelfers“, illegal die Schweizer Grenze, um der Deportation in ein nationalsozialistisches Vernichtungslager zu entgehen. Die Fluchtroute führte von Paris über die französischen Orte Aix-les-Bains und Annemasse im Département Haute-Savoie, Region Auvergne-Rhône-Alpes, in die Gegend von Genf. Engel wurde von der Grenzpolizei aufgegriffen und zunächst in das Flüchtlingslager Chamilles und danach für wenige Tage in das militärische Auffanglager Champel eingewiesen, es folgte ein mehrwöchiger Aufenthalt im Genfer Kantonsspital. Eine ärztliche Untersuchung ergab, dass Hugo Engel aufgrund seines Alters und seines schlechten Gesundheitszustands nicht arbeitslagertauglich sei. Er durfte deshalb als „Privatinternierter“ in die Wohnung seiner Tochter Dorothy und seines Schwiegersohns, des Profibobfahrers und Bobkonstrukteurs sowie Hauptmanns der Schweizer Armee Fritz Feierabend2, in der Stampfenbachstraße in Zürich ziehen und sich zeitweilig auch an Feierabends Zweitwohnsitz in der Gemeinde Engelberg in den Schweizer Alpen aufhalten. Engel unterstand aber weiterhin der Kontrolle des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements. Am 14. Juni 1944 erhielt er einen Flüchtlingsausweis mit einem Jahr Gültigkeit. Er war zu diesem Zeitpunkt staatenlos.

Hugo Engel verfügte über Geldmittel und Wertgegenstände (hauptsächlich Schmuck), die er bei seiner Flucht aus Frankreich mit sich geführt hatte. Er musste sie aufgrund der für Flüchtlinge geltenden Vorschriften der Schweizerischen Volksbank als Treuhandstelle zur Verwahrung übergeben und durfte nur mit behördlicher Bewilligung über einzelne Beträge beziehungsweise Objekte verfügen.

Kurzfristig bestand gegen Hugo Engel der Verdacht, er habe in Frankreich vom Vater eines Verfolgten 783.000 Francs entgegengenommen und versprochen, als Gegenleistung den Betroffenen aus einem deutschen Konzentrationslager zu befreien, dieses Versprechen aber naturgemäß nicht einhalten können und das Geld für seine eigene Flucht verwendet. Die Beschuldigungen wurden aber bald als unbegründet zurückgenommen.

Am 11. September 1945, verließ Hugo Engel die Schweiz, um nach Frankreich zurückzukehren, wo er nach eigenen Angaben mit seiner raschen Einbürgerung rechnen konnte3.

In Paris bezogen er und seine Frau Ethel wieder ihre alte Wohnung, ein Einzimmerappartement am 22, Boulevard Malesherbes nahe der Galerie. Ab 1946 war Hugo Engel erneut offizieller Geschäftsführer der von ihm gegründeten Kunsthandlung, die im Juni 1946 an den 72, Boulevard de Courcelles im 17. Arrondissement, in eine Wohnung im Erdgeschoss, verlegt wurde.4 Einige der Räume bewohnte Etienne Bisson, der genau wie vor der Besatzungszeit als Angestellter der Kunsthandlung arbeitete, deren Name wieder in „Hugo Engel (France)“ geändert wurde.

Nach dem Krieg gab Hugo Engel an, die Galerien, die er vor der Besatzungszeit in London und Brüssel besessen hatte, verloren zu haben. Seine dort gelagerten Kunstwerke waren konfisziert und die Räumlichkeiten zum Teil zerbombt worden.5 Briefe von Engel an Hildebrand Gurlitt, die im Zuge des Schwabinger Kunstfunds6 auftauchten, belegen, dass Engel 1946 nach England und Belgien reiste, um dort geschäftliche Angelegenheiten zu regeln, die wahrscheinlich mit den beiden Galerien in Verbindung standen.7 Vier Jahre später widmete sich das Comité nationale interprofessionnelle d’épuration (CNIE) dem Fall Hugo Engel. Michel Martin, dessen Gutachten für viele Kunsthändler in diesem Verfahren ausschlaggebend war, gab an, dass sich Engel gegenwärtig in der Schweiz aufhalte und seine dortige Adresse unbekannt sei. Er empfahl ein „classement avec réserves“, da Engels Galerie an Deutsche verkauft habe, man jedoch über zu wenig Informationen verfüge, um sich ein genaues Urteil zu bilden.8

Sehr viel umfangreicher als Hugo Engels Untersuchung durch das Comité nationale interprofessionnelle d’épuration fiel das seit 1947 gegen den Kunsthändler geführte Verfahren des IXe Comité de confiscation des profits illicites de la Seine aus.9 Am 10. Februar 1949 beschloss das Comité, von Hugo Engel illegal erzielte Gewinne durch Geschäfte mit Deutschen in der Höhe von 822 080 Frs zu konfiszieren und den Kunsthändler darüber hinaus zu einer Strafzahlung von 2 400 000 Frs zu verurteilen.10 Die Höhe der Strafe wurde damit begründet, dass Engel Steuern hinterzogen habe und der Verkauf von Kunstwerken an Deutsche nicht unter Zwang geschehen sei. Gerade letzteres Argument überrascht, da Engel Jude war und in seinen Schilderungen der Besatzungszeit darauf hinwies, dass ihn die Franzosen schon zu Beginn des Krieges im Lager Audierne interniert hatten und ihn die Deutschen später eine Zeitlang im Militärgefängnis Cherche-Midi festhielten und mit seiner Deportation drohten, er sich also in akuter Gefahr befunden habe.11 Für das Comité war jedoch entscheidender, dass mehrere Briefe von Hugo Engels Sohn erhalten geblieben waren, in denen sich Herbert Engel im Namen seines Vaters an Karl Haberstock wandte und um gemeinsame Geschäfte bat. Nach Meinung des Comités hatte Hugo Engel somit den Kontakt zu Deutschen aktiv gesucht und auf freiwilliger Basis gehandelt.

Hugo Engel versuchte mehrmals, gegen das Strafmaß anzugehen und eine Minderung der zu zahlenden Summe zu erreichen. Die Ablehnung der Strafminderung erfolgte unter anderem mit der Begründung, dass Engel private Verkäufer unter Druck gesetzt habe, ihre Werke an Deutsche zu verkaufen. Als Beispiel diente dem Comité der Verkauf von zwei Gemälden durch Carlo Levi-Broglio an Haberstock: Levi-Broglio sagte nach dem Krieg aus, dem Verkauf nicht freiwillig zugestimmt zu haben. Bei einem der Werke handelt es sich um das MNR 268, Die Jungfrau, das Kind, der Heilige Sebastian und die Heilige Ursula von Marco Basaiti.12 Aus heutiger Sicht erscheint die Einschätzung des Comités insofern problematisch, als Levi-Broglio während der Besatzungszeit selbst am Handel mit Kunstwerken mit den Deutschen beteiligt gewesen war, seinen Aussagen also mit Vorsicht zu begegnen sind.

Ein immer wieder in der Diskussion um die Minderung der Strafsumme von Hugo Engel auftauchender Punkt war eine Zahlung von 500 000 Frs, die der Kunsthändler 1942 über seinen Kollegen Roger Dequoy, den er aus England kannte, erhalten hatte.13 Engel selbst gab an, das Geld über Dequoy von der Galerie Wildenstein bekommen zu haben, und zwar dafür, dass er Teile der jüdischen Sammlung Wildenstein vor dem Zugriff der Deutschen geschützt habe. Tatsächlich war Engel im April 1941 vom kommissarischen Verwalter der Galerie Wildenstein, Édouard Gras, mit dem Abtransport von Kunstwerken der Sammlung aus einem Auslagerungsort im Schloss Sourches in den Pariser Sitz der Galerie Wildenstein beauftragt worden.14 Hierbei arbeitete er mit Gerhard von Pöllnitz zusammen. Bereits das Comité nationale interprofessionnelle d’épuration stellte in Frage, ob die Summe von 500 000 Frs dabei wirklich von Wildenstein oder nicht vielmehr von Karl Haberstock gestammt habe.15 Wahrscheinlich hatte es schon früh Absprachen zwischen Haberstock und Georges Wildenstein gegeben, aus denen die „Arisierung“ der Galerie durch einen Verkauf an Dequoy resultierte, um die Sammlung Wildenstein vor der Konfiszierung durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg zu schützen. Haberstock profitierte hierbei allem Anschein nach durch ein Vorverkaufsrecht auf Werke der Sammlung und entlohnte Hugo Engel mit den 500 000 Frs für Reisekosten und Spesen. 

Im Juni 1950 wurde die Kunsthandlung von Hugo Engel in Paris aufgelöst, da zu wenig Gewinn gemacht wurde. Kurze Zeit darauf starb Etienne Bisson. 1956 half der mittlerweile nach England übergesiedelte Herbert Engel seinem Vater, die noch ausstehenden Strafzahlungen an das Comité nationale interprofessionnelle d’épuration zu tilgen.

Im Juli 1950 ließ sich Hugo Engel in Wien neuerlich einen Gewerbeschein, lautend auf den Handel mit Ölgemälden, ausstellen. Standort war nun die Reisnerstraße 12 im dritten Wiener Gemeindebezirk. Das Gewerbe blieb bis Anfang 1956 aufrecht.16 Inwieweit tatsächlich eine Geschäftstätigkeit stattgefunden hat, ließ sich bislang nicht eruieren.

Hugo Engel machte bei den deutschen Wiedergutmachungsbehörden 1959 einen Rückerstattungsanspruch gemäß dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRÜG) von 1957 wegen des Verlusts von etwa 170 Bildern aus seinem Wiener Betrieb geltend und gab dabei Folgendes an: Zum Zeitpunkt seiner Flucht aus dem nationalsozialistischen Österreich sei in seinem Geschäft in der Zirkusgasse 3 noch ein Lager mit etwa 200 Bildern vorhanden gewesen. Rund 170 Bilder seien auf Veranlassung der Reichskulturkammer beschlagnahmt, nach Deutschland verbracht und von dort aus zur Beschaffung von Valuten für den NS-Staat gemeinsam mit den Waren aus 16 anderen Kunst- und Antiquitätenhandlungen jüdischer Eigentümer nach Schweden verkauft worden. All diese Bilder seien davor in seinen Lagerräumen gesammelt und deponiert worden.17 Bezüglich seiner Bilder konnte sich Engel allerdings nur noch an wenige Werke im Detail erinnern und auch zu diesen nur ungenaue Beschreibungen liefern. Unter anderem ging es um ein Gemälde von Teniers – Schenke mit mehreren Figuren und einem Hund im Vordergrund – sowie die Skizze eines Apostels auf Leinwand, den ein Experte des Kunsthistorischen Museum in Wien als echten Van Dyck beurteilt habe, des Weiteren um das Porträt einer jungen Dame von Lampi und zwei Bilder von Magnasco, Landschaften mit Figuren.18

Engels ehemalige Sekretärin und Buchhalterin, Hermine Langer, bestätigte, dass bei Engels Flucht noch 200 bis 220 Bilder am Lager gewesen seien. Ein kleiner Teil davon sei an Kunden und in Auktionen des Dorotheums verkauft worden, um die laufenden Geschäftskosten zu decken. Als sie per 30. September 1938 gekündigt wurde, seien noch etwa 170 Bilder vorhanden gewesen, diese dann ihres Wissens nach Schweden verkauft wurden. Diese Angaben bestätigte weitgehend deckungsgleich auch der ehemalige Chefrestaurator und spätere kommissarische Verwalter von Engels Geschäfts, Wilhelm Kainz.19

Kainz gab 1967 an, dass er, nachdem Engel 1938 zunächst in die Schweiz ausgereist sei, diesem die noch vorhandenen wertvolleren Bilder, etwa zwei Landschaften van Goyens, in die Schweiz nachgeschickt habe und ihm Engel den Erhalt bestätigt habe. Die bei der Übernahme durch den Abwickler Faltis noch vorhanden gewesenen Bilder bezeichnete Kainz als „Ramschware“.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Entschädigung gemäß dem BRÜG (§ 5) war der Nachweis, dass die fraglichen Objekte in natura in das Gebiet der späteren BRD gelangt waren. Faltis gab in einer schriftlichen Erklärung vom 28. Dezember 1967 an, dass ihm als Wirtschaftsprüfer nur die Restabwicklung einschließlich der behördlichen Abmeldungen und Abführung der Restgelder aufgetragen worden sei. Auch das Laconia Institut Dr. Georg Przyborski in Wien, das als Kontrollstelle für die Abwicklung jüdischer Unternehmen fungiert hatte, konnte oder wollte keiner weiteren sachdienlichen Angaben machen. Dem Schlussbericht von Faltis aus dem Jahr 1940 war in Bezug auf die Abwicklung der Bilderhandlung Hugo Engel zu entnehmen, dass der überwiegende Teil des aus Bildern bestehenden Warenlagers tatsächlich im Auftrag der Vermögensverkehrsstelle im Rahmen einer Pauschalveräußerung nach Schweden verkauft worden sei. Dabei sei auch die Überlegung maßgeblich gewesen, dass zwar durch eine Versteigerung im Inland möglicherweise ein höherer Betrag erzielt worden wäre, ein großer Teil des vorhandenen Trödels in Wien aber voraussichtlich keine Abnahme gefunden hätte, während schwedische Käufer das gesamte Warenlager in „Bausch und Bogen“ erwarben. Das österreichische Bundesministerium für Finanzen bestätigte im Juni 1968, dass die Identität der schwedischen Erwerber den vorhandenen Unterlagen nicht zu entnehmen sei. Die Waren von Engel waren im Rahmen des „zweiten Schwedenverkaufs“ exportiert worden.

Die deutsche Wiedergutmachungsbehörde erkannte an, dass die Bilder vom Deutschen Reich aus diskriminierenden Gründen entzogen worden waren und der sogenannte Schwedenverkauf nur Bilder aus jüdischen Geschäften betroffen habe und von einem staatlichen Kommissar durchgeführt worden sei. Dennoch stellte sie fest, dass der Rückerstattungsanspruch an der Bestimmung von § 5 BRÜG scheitere. Da die Entziehung in Wien, also außerhalb des Geltungsbereichs der Rückerstattungsgesetze, stattgefunden habe und die beanspruchten Vermögensgegenstände nach der Entziehung nicht an einen feststellbaren Ort auf dem Gebiet der heutigen BRD gelangt waren, seien die Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Rückerstattungsgesetzgebung beruhe auf dem Territorialitätsprinzip. Auch Engels Argument, die Bilder hätten beim Transport von Wien nach Schweden das Bundesgebiet durchlaufen, ändere daran nichts. Ein „Gelangen“ im Sinne des § 5 liege nur dann vor, wenn die entzogenen Gegenstände zumindest vorübergehend auf dem Bundesgebiet verlieben seien, was nicht zutreffe. Vielmehr sei anzunehmen, dass sie von Wien aus unmittelbar nach Schweden gelangt seien und den Geltungsbereich allenfalls passiert hätten. Der bloße Transit stelle kein „Gelangen“ dar, „das Passieren von Vermögensgegenständen durch den Geltungsbereich des Rückerstattungsgesetzes im Transitverkehr zu einem außerhalb dieses Bereichs gelegenen Ort genügt nicht, den Voraussetzungen des § 5 BRÜG“.20

So fasste die Zivilkammer 149 (Wiedergutmachungskammer) des Landgerichts Berlin in der Rückerstattungssache des inzwischen verstorbenen Hugo Engel (Antragsteller Dorothy Feierabend und Herbert Terry-Engel) gegen das Deutsche Reich nach mündlicher Verhandlung am 5. Dezember 1968 den Beschluss, den Rückerstattungsanspruch abzuweisen.21

Hugo Engels Liegenschaft im niederösterreichischen Weidlingau (heute ein Teil des 14. Wiener Gemeindebezirks) wurde gemäß dem Ersten Rückstellungsgesetz mit 30. April 1948 an Hugo Engel zurückgegeben.22 Eine Restitution seines Geschäfts war nicht mehr möglich, da dieses liquidiert worden war und somit nicht mehr bestand.

Engel hatte auch eine private Sammlung alter Musikinstrumente besessen und hatte schon vor dem „Anschluss“ in geschäftlicher Verbindung zu den Brüdern Rück in Nürnberg gestanden, denen er – offenbar schon vor 1938 – den wertvolleren Teil dieser Sammlung verkauft hatte. Den restlichen Teil – 17 Instrumente – veräußerte der kommissarische Verwalter, Wilhelm Kainz, Ende 1938 zu dem sehr geringen Preis von insgesamt 300 Reichsmark an die Brüder Rück. Die Sammlung Rück war um 1880 von dem Volksschullehrer und begeisterten Musiker Wilhelm Rück (1849 – 1912) gegründet worden. Dessen Söhne, der Lehrer und Pianist Hans Rück (1876 – 1940) und der promovierte Chemiker Ulrich Rück (1882 – 1962), setzten die Sammeltätigkeit, basierend auf dem vom Vater geerbten Bestand, ab 1929 fort. Die finanzielle Basis bildete das 1892 gegründete „Pianohaus Wilhelm Rück“ in der Nürnberger Tafelfeldstraße 22–24. 1962 erwarb das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg die Sammlung Rück, eine der größten privaten Musikinstrumentensammlungen in Deutschland.23

Das Schicksal vom Sohn Herbert Engel

Herbert Engel war bereits ein Jahr vor seinem Vater, am 25. März 1943, ebenfalls illegal mit einem „Passeur“ in die Schweiz geflüchtet. Auch der damals erst 26-Jährige durfte wegen seiner angeschlagenen Gesundheit – er hatte an Tuberkulose gelitten – als Privatinternierter zu seiner Schwester und seinem Schwager nach Zürich ziehen. In verschiedenen polizeilichen Befragungen machte er Angaben zu seiner Biographie und über seine Zeit in Frankreich – allerdings ohne seine Verstrickungen mit Händlern wie Haberstock zu erwähnen. Seine Kindheit und Jugend hatte er in Wien und London verbracht. 1927 war er von Wien wieder nach London gezogen, um dort ein Studium – eine Ausbildung zum Kunstexperten mit der Spezialisierung auf Bilder alter Meister – zu absolvieren. Im März 1937 war er nach Paris übersiedelt, wo er von August des Jahres bis Ende 1938 bei der französischen Niederlassung der Kaufhauskette R. H. Macy & Cie. in 28, rue Louis-le-Grand ein Praktikum als „commis-acheteur“ in der Kunstabteilung absolvierte, anschließend war er bis Mai 1939 in einem Antiquitätengeschäft in Cannes beschäftigt.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurde Herbert Engel als „Ex-Autrichien“ anerkannt und am 4. September 1939 gemeinsam mit anderen Männern aus Deutschland und Österreich im Lager Meslay-du-Maine im Département Mayenne interniert. Er meldete sich freiwillig zur Fremdenlegion, wurde jedoch wegen konstitutioneller Schwäche abgewiesen. In der Folge wurde er zwar als „prestataire“ für die Tätigkeit in einem Arbeitsbataillon unter Militärkontrolle zugelassen, aber nicht einberufen. Nach der Niederlage Frankreichs im Juni 1940 setzte er sich nach Nizza in die unbesetzte Zone ab, wo er bis Anfang März 1943 lebte. Nachdem er einer Polizeirazzia in seiner Wohnung entgangen war, versteckte er sich eigene Monate bei Bekannten, ehe er in die Schweiz flüchtete. Er sei, so Engel, auch denunziert worden, weil seine Mutter früher britische Staatsangehörige gewesen sei. 

Gegenüber den Schweizer Behörden gab Herbert Engel an, noch die Einrichtung seiner Wohnung sowie eine Privatsammlung alter Bilder in seiner Wohnung in Nizza, 70, Boulevard François Grosso, zu besitzen. Engel hatte nach NS-Gesetzen als „Mischling ersten Grades“ gegolten, gab aber an, auch wegen seiner politischen Gesinnung denunziert worden zu sein.

Im Oktober 1944 suchte Herbert Engel um Repatriierung nach Frankreich an. Er verließ die Schweiz am 5. März 1945, später lebte er in England.1

Im Oktober 1956 erhielt Herbert Engel die britische Staatsbürgerschaft. Im selben Jahr änderte er seinen Namen von Herbert Terry Engel (Terry war bis dahin sein zweiter Vorname gewesen) auf Herbert Terry-Engell. Er war inzwischen verheiratet und Vater von zwei Kindern.2