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14/04/2022 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Der seit 1939 im Pariser Kunsthandel tätige Theo Hermsen wird dort zu einem der wichtigsten Geschäftspartner Hildebrand Gurlitts, nicht zuletzt da er ihm mit seinem Namen als Strohmann für zahlreiche Transaktionen dient. Nach Kriegsende wird Hermsen, post mortem, wegen unlauterer Gewinne verurteilt.

Herkunft

Theodorus Antonius Bernardus Maria (genannt Theo) Hermsen wird am 12. Juni 1905 als viertes Kind des Künstlers, Kunsthändlers und -sammlers Theodorus Antonius Bonifacius (genannt Dorus) Hermsen (1871-1931) in Den Bosch in den Niederlanden geboren.1 Seine Karriere beginnt er als Mitarbeiter der Kunsthandlung seines Vaters, die sich im repräsentativen Johan de Witthuis in Den Haag befindet. Der Schwerpunkt der Galerie liegt auf dem Gebiet der niederländischen und flämischen Altmeister. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1931 wird Theo Geschäftsführer des “Kunsthandel Dorus Hermsen N.V.”, in dem auch sein älterer Bruder Kees (1897-1966) tätig ist. Ihnen gelingt es nicht, die mit der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre einhergehende Insolvenz abzuwenden. 1936 erfolgt die Schließung der Galerie.2 Ohne seinen Bruder führt Theo in der Folgezeit eine Kunsthandlung gleichen Namens, doch mit neuer Adresse (Amaliastraat 16) in Den Haag.

Im Pariser Kunsthandel

Im Frühjahr 1939 meldet sich Theo Hermsen offiziell nach Paris ab, wo er seine kunsthändlerischen Geschäfte zunächst von einer Hoteladresse aus (Hôtel de Jersey) in 3, rue de la Grange-Batelière, im 9. Arrondissement, betreibt, das in unmittelbarer Nähe des Auktionshauses Hôtel Drouot gelegen ist.1 Wohl spätestens 1942 zieht er in die Wohnung seiner französischen Lebensgefährtin Marcelle Wittenberg, geborene Poisson (1907-1944), die in unmittelbarer Nähe lebte (1, rue de la Grange-Batelière).2 Sein Tätigkeitsgebiet lautet nicht mehr “Tableaux anciens”, er bezeichnet sich nun als “critique d’art”.3 Sein früher und unerwarteter Tod Ende 1944 hinterlässt eine bis heute nicht geschlossene Lücke in der Dokumentation seiner regen Tätigkeit im besetzten Paris.4

 

Geschäftspartner während der deutschen Besatzung

Bald nach der deutschen Besetzung Frankreichs sucht Theo Hermsen nach möglichen Kooperationspartnern auf dem französischen Kunstmarkt und schreibt dazu im Oktober 1940 unter anderem den Kunsthändler Karl Haberstock an, mit dem er bereits zuvor geschäftlich zu tun hatte.1 In der Folge baut er sich ein Netzwerk auf, zu dem Hugo Engel, Ward Holzapfel, Arturo Reiss, Maurice Lagrand, der Belgier Joseph Oscar Leegenhoek und dessen Landsmann Raphaël Gérard sowie André Schoeller gehören.2 Wichtigster Geschäftspartner wird Hildebrand Gurlitt, den er bei dessen erster Parisreise im Sommer 1941 durch Hugo Engel kennenlernt.3 Den Auftakt der intensiven Zusammenarbeit bildet vermutlich die Vermittlung von impressionistischen Werken an das Kölner Wallraf-Richartz-Museum im Umfang von einer Million Reichsmark im Herbst 1941.4 Laut Geschäftsbuch Gurlitts verkauft ihm Hermsen in der Folgezeit mehr als 200 Objekte, ohne dass ihre Vorprovenienz aus den wenigen vorliegenden Quellen abgelesen werden kann.5 Hermsen vermittelt dabei nicht nur Werke auf Kommissionsbasis, sondern tritt auch als Zwischenhändler auf. Nachweislich steht er Gurlitt bei komplizierteren Finanztransaktionen zur Seite. So ist Hermsen offenbar ohne größere Schwierigkeiten kurzfristig im Stande auch hohe Summen vorzustrecken. Darüber hinaus übergibt er Kunstwerke zur Ansicht an Gurlitt, die dieser dann an seine deutschen Kunden entweder erfolgreich weiterveräußert oder an Hermsen retourniert, wenn der Absatz nicht gelingt. Diese Vertrauensbasis spiegelt sich auch in den Abrechnungsmodalitäten der beiden Kunsthändler wider, die auf Provisionsbasis und in größeren zeitlichen Abständen erfolgen. Oftmals werden Kunstwerke als Provision verrechnet.6

Einen Höhepunkt erreicht ihre Zusammenarbeit, als Gurlitt im Frühjahr 1943 zum wichtigsten Agenten von Hermann Voss für den Sonderauftrag Linz wird. Mit einem Brief vom 18. Juni 1943 bekräftigt Hermsen die Zusammenarbeit.7 Wie für Gurlitt weitet sich das Geschäft auch für Hermsen deutlich aus. Dies dokumentiert die Vielzahl der von ihm beantragten Exportgenehmigungen für den Sonderauftrag. Bis Sommer 1944 arbeitet er dabei mit Voss, Gurlitt und auch mit Hans Herbst vom Wiener Dorotheum intensiv zusammen.8 Noch am 3. August 1944 eröffnet Hermsen bei der Bank Worms & Cie ein Konto wohl zur Abwicklung der kunsthändlerischen Geschäfte und zahlt vier Tage später 433.000 Francs ein. Am 7. September 1944 löst er dieses Konto wieder auf.9

Anklage und Verurteilung post mortem

Am 2. Dezember 1944 verstirbt Theo Hermsen im Alter von 39 Jahren nach kurzer Krankheit in einem Krankenhaus in Paris. Im Jahr 1948, also vier Jahre nach seinem Tod, verhandelt das Komitee für die Einziehung unlauterer Gewinne (comité de confiscation des profits illicites) über die unrechtmäßigen Gewinne, die Hermsen während der Besatzung erwirtschaftet hatte. Die Untersuchung ergibt, dass in Frankreich keine Erben ermittelt werden konnten und auch kein Nachlassverwalter ausfindig zu machen war. Wegen “Handel mit Deutschen” verordnet man post mortem die Konfiszierung von rund 1,7 Millionen Francs, die 10 Prozent der 17.122.260 Francs entsprachen, die Hermsen allein für das Jahr 1944 vom “Office des changes” gutgeschrieben worden waren und verurteilt ihn darüber hinaus zu einer Geldstrafe von 3 Millionen Francs. Im Bericht mit dem Bezugsvermerk 2757 heißt es, dass Hermsen sehr umfängliche Geschäfte durchgeführt habe, sei es im Auftrag deutscher Museen oder direkt für Privatpersonen. Nach Angaben der Concierge soll er in der Wohnung gelegentlich Gemälde restauriert und diese dann an Deutsche verkauft haben1. Angesichts des frühen Todes von Hermsen und der  Tatsache, dass seine Lebensgefährtin Marcelle Wittenberg deportiert und am 15. August 1944 im Konzentrationslager ermordet wurde, spricht sich das Komitee schließlich für eine Geldeinziehung aus.2 Die Zahlungsforderung von 4.712.226 Francs wird 1955 vom “Comité de confiscation des profits illicites” für uneinbringlich erklärt.3

Die Geschäftsbücher Gurlitts wie die hohe Zahl der von Hermsen beantragten Exportgenehmigungen weisen Theo Hermsen insgesamt als einen nicht unbedeutenden Kunsthändler auf dem französischen Kunstmarkt aus. Zentrale Fragen zu seiner Tätigkeit bleiben trotzdem bislang unbeantwortet. Weder lassen sich die Herkunft der von Hermsen vermittelten Werke fassen, noch ist die Herkunft der Gelder geklärt, die er kurzfristig zur Verfügung stellen konnte, noch sind seine Kontakte zu französischen und deutschen Behörden entschlüsselt, die ihn in hohem Maße befähigten, die Ausfuhrgenehmigungen einzuholen.