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17/11/2021 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Der Direktor der Aachener Museen Felix Kuetgens war seit Beginn der Besatzungszeit als Kunstschutzbeauftrager in Paris tätig. Eine seiner Aufgaben war die Kontrolle des französischen Kunstmarkts, weshalb er sich in einem ambivalenten Verhältnis zwischen dem Schutz französischer Kunstwerke und seiner Tätigkeit als Ansprechpartner für die Direktoren deutscher Museen befand, die in Paris Kunstankäufe tätigten, um ihre Sammlungen zu erweitern.

Kunstschutzbeauftragter in Paris

Felix Kuetgens studierte Kunstgeschichte bei Paul Clemen in Bonn und bei Adolph Goldschmidt in Berlin. Ab 1920 war er zunächst als Direktorialassistent am Aachener Suermondt-Museum tätig. Bereits 1923 wurde er zum Direktor der städtischen Museen berufen, die er bis 1955 leitete, wobei das Couven-Museum erst ab 1925 unter seiner Ägide eingerichtet wurde.

Von August 1940 bis Oktober 1943 war der Aachener Museumsdirektor als Oberkriegsverwaltungsrat beim Pariser Kunstschutz eingesetzt.1 Die günstigen Bedingungen des Pariser Kunstmarktes nutzte er, um während seiner Präsenz vor Ort für die ihm unterstellten Museen eine Reihe von Gemälden, Skulpturen und kunstgewerblichen Gegenständen zu erwerben.2

Kuetgens’ recht umfangreiche Ankäufe stehen im Konflikt zu seinen Aufgaben als Oberkriegsverwaltungsrat und Kunstschutzvertreter in Frankreich, denn in dieser Funktion war er dafür verantwortlich, die „Abwanderung“ national bedeutenden Kulturgutes zu verhindern. Er und seine Mitarbeiter hatten darüber zu entscheiden, ob ein in Frankreich erworbenes Werk als „national besonders wertvoll“ einzustufen wäre und daher „von der Ausfuhr ausgeschlossen“ werden sollte.3 War dies ihrer Beurteilung nach nicht der Fall, erteilten sie ihre, für das offizielle Ausfuhrprozedere erforderliche Zustimmung.

Diese „Kontrolle des deutschen Kunsthandels in Frankreich und namentlich in Paris“ war laut Kuetgens eine der zentralen Aufgaben seines Referats, neben dem Schutz kriegsgefährdeter „denkmalwerte[r] Bauten“, der „Sicherung des […] von den Museen und Privatsammlungen geborgenen Kunstbesitzes“ sowie der Umlagerung der Kunst-Depots von der Küstenzone ins Landesinnere.4 Die Regulierung der ständig zunehmenden Einreisegesuche und Antragstellungen wurde immer schwieriger, wie Kuetgens in einer nach Kriegsende verfassten Erklärung vermerkt.5 Darin schildert er den üblichen administrativen Ablauf von Erwerbungen, Einreiseformalitäten über die Beantragung von Ausfuhrgenehmigungen bis hin zum Bezahlvorgang durch die Clearingbank. So wird deutlich, dass Kuetgens und seine Mitarbeiter,6 da sie in alle offiziellen Kunsttransfers von Frankreich nach Deutschland eingebunden waren, tiefen Einblick in den französischen Kunstmarkt und das Tun der einzelnen Akteure hatten. Kuetgens führt Namen verschiedener Museumsdirektoren und Händler an, die mit dem Kunstschutz in Kontakt standen, weil sie regelmäßig Objekte in Frankreich erwarben. Er nennt aber auch solche, die nicht den offiziellen Weg gingen und die Prüfung durch den Kunstschutz vermieden.

Es seien, so Kuetgens, „in erster Linie die Leiter rheinischer Museen [gewesen], deren Gebäude oder Sammlungsbestände beschädigt oder zerstört waren, die Ankäufe in Paris tätigten: Dr. Förster und Dr. May für das Wallraf-Richartz-Museum in Köln, Dr. Muthmann für das städtische Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld, Dr. Hupp für die städtischen Kunstmuseen in Düsseldorf, Dr. Dirksen für die städtischen Museen in Elberfeld und Barmen, Dr. Köhn für das Folkwang-Museum in Essen […].“7

Unterstützung bei Ankäufen rheinischer Museen

Aus den erhaltenen Ankaufskorrespondenzen einiger der genannten Museen geht deutlich hervor, dass Kuetgens für seine rheinischen Kollegen direkter, persönlicher Ansprechpartner bei allen die Einreise- und Ausfuhrformalitäten betreffenden Belangen war.1 Zudem war er an der Organisation von Sammeltransporten für rheinische und andere Museen beteiligt, mit denen auch Objekte nach Aachen gebracht wurden.2

Bei diesen Transaktionen stand er in engem Kontakt mit dem in Paris ansässigen Kunsthändler Adolf Wüster, der für viele deutsche Museen entlang des Rheins der wichtigste Verbindungsmann zum französischen Markt und den französischen Händlern war und ihnen ebenfalls bei den administrativen Hürden unterstützend zur Hand ging. So waren Kuetgens – manchmal auch seine Mitarbeiter – und Wüster, zum Teil in gegenseitiger Ergänzung, die Stützpfeiler für die Ankaufsaktivitäten vorrangig rheinischer Museen in Frankreich.3 Kuetgens erwarb zudem auch selbst direkt von Wüster Werke für das Aachener Suermondt-Museum.

Für den rheinischen Kulturdezernenten Hans-Joachim Apffelstaedt, der für das Rheinische Landesmuseum Bonn zusammen mit dessen Gemäldekustos Franz Rademacher in Frankreich Kunst kaufte, war Kuetgens nicht nur Ansprechpartner für formale Fragen, sondern er unterstützte ihn darüber hinaus bei seiner Mission, nach Frankreich „verschlepptes“ rheinisches Kulturgut aufzuspüren, das im Rahmen der Friedensverhandlungen zurückgefordert werden sollte.4 Der Kunstschutz war mit der „Vorbereitung der Rückführung des Deutschland geraubten Kulturgutes“ betraut und Kuetgens verzeichnete dessen „listenmäßige Erfassung“ in einem Bericht vom Juni 1943 unter „[b]isherige Tätigkeit und Ergebnisse“.5 Die Leitung des Gremiums zur Erfassung deutschen Kulturgutes in den besetzten westlichen Gebieten hatte der Generaldirektor der Staatlichen Museen in Berlin, Otto Kümmel, inne, der aus diesem Grunde mit dem Kunstschutz in Kontakt stand.6 Im Herbst 1940 weilte er in Frankreich. In einem dort verfassten Antwortschreiben auf einen heute nicht mehr erhaltenen Brief von Kuetgens bedankt sich Kümmel für den Hinweis auf ein vermeintliches Werk von der Hand Matthias Grünewalds und merkt anschließend an, „was die ‚sichergestellten‘ jüdischen Sammlungen angeht, so glaube [er] doch, dass die deutschen Museen vorläufig noch eine weitere Klärung der mit dieser Sicherstellung verfolgten Absichten abwarten müssen.“7 Die Vermutung drängt sich auf, dass Kuetgens in seinem nicht erhaltenen Brief die Möglichkeiten angesprochen hatte, die sich aus den Beschlagnahmungen jüdischen Kunstbesitzes für die Museen ergäben.

Verhältnis zu französischen Dienststellen

Sicher ist aber, dass die von Kuetgens in seiner oben genannten Erklärung gemachte Behauptung, „[i]m Allgemeinen [sei] zwischen deutschen Museumsdirektoren und Kunsthändlern einerseits und dem deutschen Kunstschutz und den französischen Dienststellen andererseits reibungslos gearbeitet“1 worden, relativiert werden muss. Denn als von französischer Seite mehr Mitspracherecht bei der Ausfuhrkontrolle von Kunstwerken eingefordert wurde, trat Kuetgens dem entschieden entgegen. In einer Stellungnahme des Oberkriegsverwaltungsrats (OKVR) bezüglich des von der französischen Regierung am 23. Juni 1941 erlassenen Gesetzes zur Regulierung der Ausfuhr von Kunstgegenständen, erklärt er, dass die Erhebung der darin „vorgesehenen 5%igen Abgabe bei der Ausfuhr von Kunstgegenständen unzulässig“ sei. Weiter heißt es: „Für die Ausfuhr von Kunstgegenständen nach Deutschland ist zwar eine französische Ausfuhrgenehmigung erforderlich, sie muss aber nach dem der französischen Regierung gegenüber gemachten Vorbehalt stets bedingungslos erteilt werden.“2 Auch das „Einschleusen“3 seiner Kollegen bei strenger werdenden Einreisebedingungen, zeigt, dass Kuetgens seine militärische Position nutzte, um deutsche Kunstankäufe zu erleichtern. So stehen auch der in seinem Bericht behaupteten Drosselung der Einreisen „zahlreiche Einkaufsreisen in die unbes.[etzte] Zone“ gegenüber, die „infolge lebhafter Kauftätigkeit deutscher- wie französischerseits“ befürwortet wurden, wie es im Lagebericht der Militärverwaltung aus dem Zeitraum von Juni bis September 1942 heißt.4

Erwerbungen für Aachen

Zu den Ankäufen, die Felix Kuetgens während seiner Zeit beim Kunstschutz in Paris für die Museen der Stadt Aachen – also Suermondt-, Couven- und Heimatmuseum – tätigte, sind zwei Fassungen einer recht detaillierten Auflistung überliefert. Diese fertigte er, nach eigener Aussage, „nach bestem Wissen und Gewissen aus dem Gedächtnis“ an, allerdings erst nach Kriegsende. Die erste ist mit dem Datum 9. August 1945 versehen und entstand vor seiner Verhaftung „als ehemaliger OKVR“,1 die zweite unterzeichnete er am 30. Juni 1946, etwa sechs Wochen nach seiner Entlassung. Entgegen der Überschrift „Verzeichnis der in Paris 1940 – 1944 für die Museen der Stadt Aachen angekauften Kunstwerke“ finden sich darin nur Erwerbungen aus den Jahren 1940 bis 1943. Insgesamt kaufte Kuetgens 75 Stücke für die Aachener Museen: 28 Gemälde, 15 Skulpturen und (32 bzw. 28) Stücke unter der Rubrik Kunstgewerbe für ein Gesamtvolumen von etwa 70.000 RM.2

Auf Basis der „London Declaration“ von 1943, welche alle in den besetzten Gebieten getätigten Ankäufe von Deutschen für nichtig erklärte, verlangte Frankreich nach dem Krieg von allen deutschen Museen die Rückgabe ihrer Erwerbungen.3 Kuetgens versuchte dies für die Aachener Museen zu verhindern. Noch 1950 schreibt er in einem Brief an Otto Förster, den ehemaligen und ab 1957 auch neuerlichen Direktor des Kölner Wallraf-Richartz-Museums:

„[…] die erzwungene, entschädigungslose Ablieferung der Ankäufe, die wir für unsere Museen in Paris tätigten, ist unser gemeinsames Leid. Die Aachener Erwerbungen sind bereits nahezu ausnahmslos von Schloß Dyck abgeholt und nach Paris zurückgebracht worden. […] Ich habe darüber und über die gesamten Erwerbungen rheinischer Museen in Paris, die doch in erster Linie als Ersatz für die den Museumssammlungen erwachsenen Kriegsschäden gedacht waren, Herrn Jaujard, dem ehemaligen Generaldirektor des Louvre, heutigem directeur général des arts et des lettres, geschrieben und ihn an alles erinnert, was der deutsche Kunstschutz für die Erhaltung der französischen Sammlungen getan hat. Aber abgesehen von der unumwundenen Anerkennung dieser Tatsache habe ich nichts erreicht.“4

Die rege Ankaufsaktivität der meisten Museen, die er von Amtswegen, aber im Falle seiner rheinischen Kollegen wohl auch aufgrund persönlicher Bekanntschaften, sehr engagiert unterstützte, begann schon geraume Zeit vor dem Einsetzen der ersten Bombardierungen, auch wenn sie sich anschließend fortsetzen. So kann das Kriterium des Ersatzes für Kriegsschäden nur bedingt beansprucht werden. Für Kuetgens’ Ankäufe in den ersten Jahren in Paris gilt es sicher nicht, waren doch die Museen der Stadt Aachen erst in den späteren Kriegsjahren von Zerstörungen betroffen. Zudem hatten Suermondt- und Heimatmuseum nur geringere Schäden zu verzeichnen, beim Couven-Museum, dessen Bestände offenbar auch nur teilweise ausgelagert wurden, waren sie tatsächlich massiv.5

In jedem Fall lässt das Festhalten an der Rechtfertigung der Pariser Erwerbungen als Ausgleich für die Beschädigung oder Zerstörung von Museumsbauten bzw. -beständen keinerlei Unrechtsbewusstsein dafür erkennen, dass in enormen Ausmaße Kunstwerke zollfrei aus dem okkupierten Nachbarland ausgeführt wurden.


Anhang

Auszug aus: Felix Kuetgens, „Kunstschutz in Frankreich“, 5. August 1945:6

„Eine besonders schwierige Aufgabe des Kunstschutzes war ferner die Kontrolle des deutschen Kunsthandels in Frankreich und namentlich in Paris. Die Anträge auf Einreiseerlaubnis, die durch deutsche Museumsdirektoren und Kunsthändler den Passierscheinstellen eingaben, mussten dem Kunstschutz zur Stellungnahme vorgelegt werden. Die Genehmigung wurde von der Beurteilung der Persönlichkeit und dem Grad des vertretenen öffentlichen Interesses abhängig gemacht. Die so erzielte Drosselung der Einreisen wurde im Lauf der Besatzungszeit zunehmend verschärft, denn es war nicht erwünscht, dass durch umfangreiche Kunstankäufe das deutsche Konto bei der Clearingbank, das durch lebens- und kriegswichtige Ankäufe ohnehin schon stark überbelastet war, noch weiter belastet würde. Nach Eintreffen in Paris erfolgte Meldung beim Kunstschutz und Aussprache über die beabsichtigten Ankäufe. Jedes gekaufte Kunstwerk musste im Original oder in Fotografie vorgelegt werden; wenn es sich nach Auffassung des Kunstschutzes nicht um ein national besonders wertvolles und daher von der Ausfuhr ausgeschlossenes Kunstwerk handelte, wurde mit der Formel: ‚Gegen den Ankauf und die Ausfuhr vorstehenden Kunstwerkes bestehen seitens des Militärbefehlshabers keine Bedenken‘ die Genehmigung erteilt. Dann musste das betreffende Kunstwerk oder seine Fotografie den zuständigen französischen Stellen zur Erteilung der Ausfuhrlizenz vorgelegt werden. Erst wenn diese erteilt war, durfte die Clearingbank die Rechnung des Verkäufers begleichen. Leider haben einige Einkäufer, die in hohem Auftrage nach Paris kamen, diese einengenden Bestimmungen der deutschen und französischen Dienststellen umgangen und - da sie entgegen allen Vorschriften bares Geld in Menge mitbrachten oder durch die deutsche Botschaft in Paris erhielten – Kunstwerke von hohem Wert im Kunsthandel oder vom Privatbesitzer ohne Rechnung gekauft und auf illegale Weise mit nach Deutschland genommen. Es gelang ihnen dieses umso leichter, als viele französische Verkäufer sich weigerten, Rechnungen auszustellen und über die Clearingbank die Bezahlung zu erhalten. Im Allgemeinen aber wurde zwischen deutschen Museumsdirektoren und Kunsthändlern einerseits und dem deutschen Kunstschutz und den französischen Dienststellen andererseits reibungslos gearbeitet. Seit Frühjahr 1944 wurden Einreisegenehmigungen für Kunstankäufe nicht mehr erteilt.

Es waren in ersten Linie die Leiter rheinischer Museen, deren Gebäude oder Sammlungsbestände beschädigt oder zerstört waren, die Ankäufe in Paris tätigten: Dr. Förster und Dr. May für das Wallraf-Richartz-Museum in Köln, Dr. Muthmann für das Städt. Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld, Dr. Hupp für die städtischen Kunstmuseen in Düsseldorf, Dr. Dirksen für die städtischen Museen in Elberfeld und Barmen, Dr. Köhn für das Folkwang-Museum in Essen, Dr. Mannowsky für das Historische Museum in Frankfurt, Dr. Martin für die Museen in Karlsruhe und Strassburg, der Unterzeichnete für das Suermondt-Museum in Aachen, ferner Dr. Kohlhausen für das Germanische National-Museum in Nürnberg, Dr. Appel für das Tapeten-Museum in Kassel, Dr. Möbius für das Akademische Museum in Würzburg, Dr. Posse (nach dessen Tod Prof. Voss) für die Galerie in Dresden, verschiedene Herren für die Museen in Wien, Linz, Berlin, Hamburg. Deutsche Kunsthändler, die den Kunstschutz häufig in Anspruch nahmen, waren: Dr. Gurlitt – Dresden, Gustav Rochlitz – Paris, Haberstock – Berlin, Dr. Herbst – Wien, Dr. Wendland – Zürich, Grote-Hasenbalg – Berlin, Loevenich – Köln, Lind-Pleintner – Berlin, Juritzky – Wien, Müller-Pflug – Heidelberg. Hofer – Berlin dagegen umging stets den Kunstschutz.“