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Dank seiner guten Vernetzung auf dem französischen Kunstmarkt und seines Kontaktes zu Görings Agent Walter Andreas Hofer konnte Wendland in großem Maße NS-Raubkunst in die Schweiz einführen und von dort auf dem internationalen Markt veräußern.

„König des Pariser Kunstmarktes“

Hans Wendland wurde am 28. Dezember 1880 in Neuruppin geboren und war seit 1911 als Kunsthändler und Experte überwiegend auf dem französischen und schweizerischen Kunstmarkt tätig. Er war zu keinem Zeitpunkt im Besitz einer eigenen Kunsthandlung und tätigte seine Unternehmungen stets über renommierte Kunsthandlungen und Intermediäre in Frankreich, Deutschland und der Schweiz, wo er zwischen 1939 und 1946 mit seiner Familie wohnte. Bedingt durch seinen wirtschaftlichen Aufschwung in den 1920er Jahren konnte er eine beachtliche Kunstsammlung aufbauen. Diese nutzte Wendland in den Kriegsjahren, um daraus gelegentlich Objekte zu veräußern sowie für Tauschgeschäfte mit Hofer für die Erweiterung der Kunstsammlung von Hermann Göring.1 Wendland war bereits vor dem Ersten Weltkrieg und erneut zwischen 1933 und 1939 in Paris wohnhaft und verfügte aus dieser Zeit über ein weitverzweigtes Netzwerk auf dem französischen Kunstmarkt.

So konnte er, der seit langem eine internationale Reputation des bedeutenden Connaisseurs genoss, in den Kriegsjahren zu einem inoffiziellen „König des Pariser Kunstmarktes“ avancieren.2 Wendland handelte überwiegend mit französischen, niederländischen und italienischen Werken der Renaissance und des Barocks sowie mit Gobelins und antiken Möbeln. Während der deutschen Besatzungszeit und infolge von Tauschaktionen mit Hofer im Auftrag von Hermann Göring aus dem Bestand des ERR im Jeu de Paume, verfügte er ab 1941 zunehmend über Werke der Klassischen Moderne, die er unter Umgehung der zollrechtlichen Einfuhrbestimmungen in die Schweiz brachte und dort über die Galerie Fischer in Luzern an eine internationale Käuferschaft veräußerte.3

Zwischen Frankreich und der Schweiz

Der seit 1939 in der Schweiz wohnhafte deutsche Kunsthändler reiste während der deutschen Besatzung für den Erwerb und Verkauf von Kunstwerken kontinuierlich in die besetzten und unbesetzten Gebiete Frankreichs. Seine erste Reise erfolgte im Jahre 1941, um seine sequestrierten Besitztümer, die von den französischen Behörden beschlagnahmt und von den deutschen Behörden nach der Okkupation Frankreichs freigegeben wurden, auszulösen und in die Schweiz zu importieren.1 In den Jahren 1941 und 1942 unternahm Wendland insgesamt sechs Reisen nach Paris, sowie eine weitere im Jahr 1943. Dabei residierte er stets im Hôtel Ritz an der Place Vendôme, dem Hauptquartier der deutschen Okkupationsbehörden.2 Die Kriegsjahre können als Höhepunkte seiner Tätigkeit als Kunsthändler und Experte bezeichnet werden.

Durch seine exklusive Stellung auf dem französischen Kunstmarkt und durch sein weitverzweigtes Netzwerk avancierte er zu einem Berater für zahlreiche Kunsthändler, die über Zwischenhändler Geschäfte mit der deutschen Käuferschicht und der NS–Führungsriege abschlossen. Für die Vermittlung der Kunstwerke über sein Netzwerk wurde er auf Kommissionsbasis entlohnt oder erhielt Besitzanteile an etlichen Kunstwerken. Bislang kann die Anzahl der Kunstgegenstände, die Wendland während seiner Aufenthalte in Frankreich vermittelte und erworben hatte und schließlich in die Schweiz einführte, nicht in Gänze nachgewiesen werden. Wendlands Aktivitäten auf dem französischen Kunstmarkt und sein weitverzweigtes Netzwerk waren maßgebend für die Verschiebung von NS–Raubkunst und für die Etablierung eines Absatzmarktes der in Frankreich beschlagnahmten Kunstwerke über das Deutsche Reich in die Schweiz.3

Netzwerk

Die Auswertung der Briefkorrespondenzen und Überwachungsprotokolle der Schweizer und amerikanischen Behörden ergab, dass Wendland bei seinen Unternehmungen auf ein Netzwerk von annähernd 100 Kunsthändlern, Intermediären und Privatpersonen zurückgreifen konnte.1 Von Wendlands Unternehmungen profitierten neben der Kunstsammlung von Göring ebenso zahlreiche staatliche Museen, wie unter anderem die Alte Pinakothek in München.2 Neben den Transaktionen mit den kollaborierenden Kunsthändlern und Intermediären tätigte Wendland zudem etliche Geschäfte mit privaten Sammlern außerhalb des NS–Zirkels. Er stand weder mit der NS-Führungsriege noch mit offiziellen Vertretern des NS-Regimes in direkter Verbindung und handelte stets über renommierte Kunsthandlungen und Händler.3 Unter den bedeutendsten Kontaktpersonen von Wendland auf dem französischen Kunstmarkt sind namentlich Gustav Rochlitz, Roger Dequoy, Zacharie Birtschansky, Allen Loebl, Achille Boitel, Yves Perdoux, Victor Mandl und Martin Fabiani zu nennen. Diese Kunsthändler waren seine Verbindungsleute zu Karl Haberstock, Bruno Lohse und Maria Almas-Dietrich und dienten ihm als Bezugsquelle von NS–Raubkunst in Frankreich.4

Geschäfte mit Görings Agent und Handel mit Raubkunst

Durch seine Beteiligung an den während des Zweiten Weltkrieges auf dem französischen Kunstmarkt etablierten Zusammenschlüssen kollaborierender Händler, konnte Wendland zahlreiche Geschäfte mit Walter Andreas Hofer für die Kunstsammlung von Hermann Göring tätigen und die konfiszierten Werke aus Frankreich über das Deutsche Reich unter dem Radar der Schweizer Behörden in das Gebiet der Schweiz verschieben.1 Die komplexe Struktur dieser Zusammenschlüsse auf dem französischen Kunstmarkt ermöglichten den involvierten Händlern einen beachtlichen Grad an Handlungsfreiräumen und die Möglichkeit der Verschleierung ihrer Geschäftspraktiken.2 Sein bedeutendster Kontakt außerhalb der informellen Zusammenschlüsse war Rochlitz, der in Frankreich Kunstwerke an Göring verkaufte und über gute Beziehungen zu Lohse und den Mitarbeitern des ERR verfügte.3

Nachweislich war Wendland indirekt an insgesamt sieben Tauschaktionen aus dem Bestand des ERR im Jeu de Paume beteiligt.4 In der Rolle des Zwischenhändlers und Beraters erhielt er bei den Tauschaktionen etliche konfiszierte Werke, die er unter Umgehung der Zollbestimmungen illegal in die Schweiz einführte und dort gewinnbringend über die traditionsreiche Galerie Fischer in Luzern an eine internationale Käuferschaft veräußerte. Neben den Geschäftsbeziehungen zu den kollaborierenden Kunsthändlern pflegte er ebenso freundschaftliche und geschäftliche Verbindungen zu zahlreichen jüdischen Kunsthändlern, wie unter anderem Alfred Weinberger und Paul Graupe, die in Folge der zunehmenden Repressalien der Nationalsozialisten in die Vereinigten Staaten emigrierten. Als wichtigster Kontakt und Berater von Hofer in Frankreich vermittelte Wendland unter Mithilfe der informellen Zusammenschlüsse zwischen 1941 und 1944 Gemälde und Mobiliar in Höhe von 12 bis 13 Millionen F an die Kunstsammlung des Reichsmarschalls.5 So riet er Hofer etwa, das Werk Der tote Fuchs von Courbet für zwei Millionen F zu erwerben. Bei seiner Vermittlungstätigkeit beschränkte sich Wendland nicht allein auf Gemälde, sondern war ebenso Experte für Gobelins und antikes Mobiliar und verkaufte 1943 über Hofer den flämischen Gobelin Die Jagd des Heiligen Isidor aus dem 16. Jahrhundert für 2,5 Millionen F an den Reichsmarschall Göring.6

Durch die Einfuhr der in Frankreich erworbenen Werke in die Schweiz ermöglichte Wendland insbesondere dem Galeristen Theodor Fischer, mit dem er seit 1920 eine enge berufliche Beziehung pflegte, Zugang zu dem französischen Kunstmarkt unter deutscher Besatzung und etablierte somit einen Absatzmarkt von NS-Raubkunst aus Frankreich in die neutrale Schweiz. Dort entstand infolgedessen parallel zum offiziellen Schweizer Kunstmarkt ein profitstarker Markt für Moderne Kunst. Wissentlich war er an der Verschiebung und dem Verkauf von 61 der insgesamt 71 in Frankreich konfiszierten Kulturgüter beteiligt, die im Rahmen der Raubgutprozesse vor dem Schweizer Gericht verhandelt wurden.7

Nach dem Krieg

Am 25. Juli 1946 wurde Wendland in Rom von den amerikanischen Besatzungstruppen verhaftet und nach diversen Internierungslagern in Deutschland im September 1947 in das französische Cherche-Midi-Gefängnis überstellt.1 Er wurde der „Komplizenschaft in Bezug auf Kriegsverbrechen“ angeklagt und im Februar 1950 aufgrund mangelnder Beweise vor dem französischen Militärgericht freigesprochen.2 Geschäftliche Aktivitäten nach seiner Freilassung im Februar 1950 und der Verbleib seiner vor Kriegsende in der Schweiz versteckten Vermögenswerte sind bislang nicht bekannt. In der Nachkriegszeit reiste der Kunsthändler wiederholt mit einem Touristenvisum nach Brasilien, um seine dort lebende Familie zu besuchen.3 Wendland blieb bis zu seinem Tod im Jahre 1972 wohnhaft in der Rue Berlioz in Paris.