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Als Vereidigter Sachverständiger für den Kunsthandel war Johann Hans Herbst der Haupteinkäufer auf dem französischen Markt für das Wiener Auktionshaus Dorotheum. Neben der Kunsthändlerin Almas-Dietrich war das Dorotheum zweitgrößter Zulieferer von Kunst aus besetzten Gebieten für den Sonderauftrag Linz.

Karriereaufstieg am Wiener Auktionshaus Dorotheum

Hans Herbst, von seinem Vorgesetzten Heribert Katzele1 für seine Erfahrung und Geschicklichkeit bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen gelobt, wurde in den amerikanischen Berichten fälschlicherweise meist als Direktor des Dorotheums2, oft auch als Direktor des Dorotheum-Museums bezeichnet.

Am 17. November 1915 in Klagenfurt, Kärnten geboren, ehrgeizig, aber unpolitisch3, sprachbegabt und in hohem Maße an Kunst interessiert, verfolgte Herbst zäh ein Ziel: den Aufstieg innerhalb des 1707 gegründeten, staatlichen Auktionshauses Dorotheum.4 Seit 1934 arbeitete er sich zunächst im Dorotheum Klagenfurt, ab 1939 im Haupthaus in Wien vom Volontär und Hilfsarbeiter zum Chefexperten5 der neu erstarkten Kunstabteilung hoch, promovierte nebenbei an der Universität Graz im Fach Kunstgeschichte6 und wurde gerichtlich beeideter Sachverständiger für die Gruppe „Kunsthandel“. 1941 heiratete er und wurde noch vor Kriegsende Vater einer Tochter.7 Nur begrenzt für den Kriegsdienst tauglich, diente er zwar kurzzeitig in einer Fernmeldeeinheit,8 wurde aber nach häufiger „Abkommandierung zur Arbeitsleistung“ im Dorotheum bereits am 1. Mai 1942 aus dem Wehrdienst entlassen,9 so dass er sich seinem beruflichen Fortkommen widmen konnte, wenn er auch zwischenzeitlich aus gesundheitlichen Gründen seine Karriere des Öfteren unterbrechen musste.10

Neue „Auslandsgeschäfte“ und Verkäufe an den Sonderauftrag Linz

Trotz seines Gesundheitszustandes war Herbst seit 1942 fast ausschließlich in den besetzten Westgebieten unterwegs, um dort Kunst zu erwerben. Erst- und einmalig agierte das Dorotheum damit unter dem neuen Generaldirektor Anton Jennewein in großem Umfang als Händler und nicht als Kommissionär. Ziel der Aufenthalte war die Akquisition von Gemälden, Möbeln, Tapisserien und Skulpturen für Auktionen des Dorotheums, aber auch für den Sonderauftrag Linz, wobei ein durchschnittlicher Gewinn pro Kunstwerk von 35 Prozent für das Dorotheum generiert wurde. Für diese neue Art der „Auslandsgeschäfte“ hatte das Dorotheum zunächst liquide Kunsthändler als Partner gesucht, sich aber bald darum bemüht, Erwerbungen in den besetzten Gebieten nach Möglichkeit aus eigener Tasche zu finanzieren, um auch am Gewinn den größten Anteil zu haben. Ab Frühjahr 1944 wurden alle Geschäfte in den besetzten Gebieten auf eigenes Risiko des Dorotheums unternommen, inzwischen vertraute man vollkommen der „intuitionsmäßigen Treffsicherheit“ von Herbst.1 Dieser kaufte inzwischen gezielt für den Sonderauftrag Linz, 30 Prozent aller Devisengenehmigungen der Reichsstelle für Papier wurden dem österreichischen Auktionshaus Dorotheum zuerkannt,2 das mit großem Abstand hinter Maria Dietrichs Münchener „Galerie Almas“ und knapp über 300 Werken an zweiter Stelle der professionellen Einlieferer von ausländischer Ware für die Sammlung des Sonderauftrags figurierte.3

Aktivitäten und Kontakte in Paris

1943 fand der erste Aufenthalt des Dorotheumsexperten in der französischen Hauptstadt Paris statt. Begleitet wurde Herbst auf allen seinen Reisen von seiner Ehefrau, die ihn nicht nur administrativ unterstützen, sondern ihm auch aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme als Hilfskraft dienen sollte.1 Kontakte hatte Herbst in Paris wohl zunächst zu Bekannten aus Holland und Belgien2 sowie zum militärischen Kunstschutz. Obwohl der niederländische Kunsthändler Theo Hermsen, der im Februar 1939 nach Paris in die Rue de la Grange-Batelière gezogen und dort bereits Ende 1944 jung verstorben war, als sein wichtigster Kontaktmann und Verkäufer gilt, handelte er doch besonders im Jahr 1943 mit einer Vielzahl anderer Personen.

Eine der interessantesten Verbindungen hegte er zu dem belgischen Restaurator J. O. Leegenhoek, der erst 1942 nach Paris gezogen war und dort eine Kunsthandlung auf dem Boulevard Raspail nahe dem Friedhof Montparnasse führte.3 Leegenhoek wiederum war eng mit Hermsen und seinem belgischen Landsmann Maurice Lagrand verbunden, als dessen Partner er in Belgien bezeichnet wurde. So war bei manchen Bildern, wie dem Werk Das Paradies von Hieronymus Bosch, auch unklar, ob Herbst es in Paris nun von Leegenhoek oder Hermsen erwarb.4 Herbst selbst blieb mit Lagrand, den er ebenfalls bereits von seinen Einkaufsreisen im besetzten Belgien kannte,5 und Leegenhoek auch nach der NS-Zeit eng verbunden. Bis in die 1970er Jahre kassierte er zweiprozentige Provisionen auf das Meistbot für jede Einlieferung der beiden Händler im Dorotheum.6 So ist es nicht verwunderlich, dass Herbst im „Bericht“ über seine Aktivitäten in den besetzten Ländern aus dem Jahr 1946 aussagte, es sei ihm persönlich vor allem darum gegangen, überall „Freunde und einen guten Namen für die Zeit nach dem Krieg zu schaffen.“7 Als weitere Vermittler für Kunstwerke traten Clarisse Claude Anet8, die Galerie Voltaire9, Marc Bayle10, Henri Leroux11 oder Gaillard12, aber auch Personen aus der näheren Umgebung von Paris, wie J. Allais13, Robert Cadelineau14, Longy15 und selbst G. Olivier aus Rouen16 auf.

Die Konsignationsnummern des Dorotheums

Ankäufe dieser Händler wurden im Dorotheum unter der Einlieferungsnummer 216.264 inventarisiert. Die ersten drei Ziffern (216) markieren hier das Jahr 1943, unter der folgenden Nummer (264) wurden die Objekte zusammengefasst, das einzelne Werk bekam eine Teilpost, z.B. 216.264/1. Im Auktionsbetrieb wurden üblicherweise fortlaufende Nummern für jeden einzelnenKunden vergeben. Nachdem es sich bei den „Auslandseinkäufen“ aber um Sondergeschäfte des Dorotheums handelte, wurden hier offenbar bestimmte Konsignationsnummern für die einzelnen Länder bereitgestellt. Möbel, die im Sommer 1943 in Paris erworben wurden, trugen die Konsignation 216.265, während Holzobjekte die Nummer 216.190 erhielten. Freudig berichtete Generaldirektor Jennewein im Februar 1944, dass die im Sommer 1943 erworbenen Werke fast alle abgekauft seien und Dr. Hans Herbst kürzlich in Dresden mit Hermann Voss Geschäfte im Ausmaß von zwei Millionen RM abgeschlossen habe.1 Im Jahr 1944 scheint Herbst exklusiv mit Theo Hermsen in Geschäftsverbindung gestanden zu haben, denn Ware mit den beiden bekannten Einbringungsnummern 217.518 (März bis Mai) und 217.840 (Juli) lässt sich ausschließlich auf den niederländischen Händler zurückführen.

Allein im Juli 1944 verkaufte dieser dabei mindestens 83 Gemälde an Dr. Herbst.2

Werke aus beschlagnahmtem jüdischen Besitz

Woher aber kam die Ware und war die Quelle so einwandfrei wie Herbst nach dem Krieg immer behauptete? Während Ersteres nur in wenigen Einzelfällen zu klären ist, nachdem offenbar einiger Aufwand betrieben wurde, um die Provenienzen zu verschleiern, kann man Letzteres rundweg verneinen. Inzwischen weiß man, dass Eigentum französischer Juden während der Besatzung oft mehrmals den Besitzer wechselte. So sicherte sich der österreichische Kunstexperte, ebenfalls über Hermsen, ein Werk von Ruysdael, Schiffe in Seenot, welches bereits im Jahr 1942 vom Devisenschutzkommando aus einem Banktresor in Paris entfernt worden war. Eigentümer des Tresors war der Kunsthändler Adolf Weinberger, Profiteur der Beschlagnahme zunächst unter anderem Hans Wendland, an den das Gemälde weitergereicht wurde. Wie es schließlich zu Hermsen kam, ist unbekannt, es wurde jedenfalls unter der Nummer 217.840/38 nach Wien verbracht, von Voss erworben und landete schließlich unter der Nummer 33838A im CCP München, von wo aus es bereits 1947 an Frankreich restituiert wurde.1 Dass dies kein Einzelfall ist, zeigt auch der um 1520 entstandene Flügelaltar von Joachim Patinier, der aus der Sammlung des als „Jude“ verfolgten Hamburgers Henry Bromberg stammt. Dieser wurde Bromberg entzogen und gelangte ebenfalls über Wendland und Allen Loebl2 zu Hermsen, der es im Juni 1944 an Herbst weitergab. Unter der Dorotheumsnummer 217.518/5 wurde es nach Wien gebracht und von Voss erworben. Nach Bergung und Sicherstellung durch die Amerikaner ging es 1949 zurück nach Frankreich (MNR 386), wo es bis zu seiner Restitution im Jahr 2018 in verschiedenen Museen auf seinen rechtmäßigen Eigentümer wartete.3

Eine Vielzahl von Objekten, die Herbst auf seinen Reisen nach Paris für völlig überzogene Preise erworben hatte,4 warten aber heute noch in französischen Museen als MNR-Depot auf die Identifikation ihres ursprünglichen Eigentümers. Für 1.400.000 F erwarb der Dorotheumsexperte ein Portrait der Marquise de Poynanne von Nattier bei Hermsen als Teilpost 37, das er nur drei Wochen nach dem Ankauf, am 29. Juli 1944, an den Sonderauftrag Linz für 250.000 RM weiterverkaufte. Auch dieses Gemälde kam über Aussee und München (Mü Nr. 4814) 1949 zurück nach Paris und befindet sich derzeit als Inventarnummer MNR 66 im Musée du Louvre.5 Dennoch stand bei Ankäufen in Paris die Kunst französischer Schulen nicht im Fokus, die Niederländer spielten mit deutlichem Abstand vor den französischen und deutschen Künstlern die größte Rolle.

Schnelle Transporte von Paris nach Wien

Um die erworbene Ware möglichst schnell nach Wien zu bringen, wurden die Gemälde statt in Güterwaggons im Schlafwagen mitgenommen, während die Rahmen als Reisegepäck im gleichen Zug mitreisten.1 Daher dauerte es nur zwei bis drei Wochen, bis die Akquisitionen aus Paris die österreichische Hauptstadt erreichten. Als durch die Zunahme des Bombenkriegs 1944 der Kunstmarkt in Deutschland immer mehr litt, wurde Wien zu einem noch attraktiveren Pflaster für Kunsthändler und Agenten: verhältnismäßig nah und deutschsprachig, dem „Altreich“ freudig unterworfen und vor allem mit der Reichsmark als Währung.2 Die Kunstabteilung des Dorotheums, deren Leiter Heribert Katzele ein langjähriger persönlicher Freund von Voss war, erhielt daher Anfang 1944 den offiziellen Auftrag, quasi exklusiv für den Sonderauftrag in den besetzen Gebieten Kunst zu akquirieren.

Als Kunstagent des „Sonderauftrages des Führers“ mit Brief und Siegel, konnte Herbst daraufhin alle Privilegien dieser Stellung in Anspruch nehmen, darunter den bevorzugten Transport ebenso wie die unbürokratische Abwicklung der Devisengenehmigungen in ausreichendem Maße und rasche Ausfuhrgenehmigungen. Für die Bewilligung der Devisen hatte das Dorotheum nun aber die „Auflage, dass alle im Ausland eingekauften Gegenstände nur an die öffentliche Hand abgegeben werden dürfen.3 […] Es komme somit bei der Verwertung […]  in den wenigsten Fällen eine Versteigerung, sondern vielmehr überwiegend nur ein freihändiger Verkauf in Frage.“4 Voss hatte daher in Wien die erste Wahl; Objekte, die von ihm abgelehnt wurden, gingen anschließend im direkten Verkauf an verschiedene Museen, NS-Granden, bevorzugte Kunsthändler und einige wenige Privatpersonen.5 Nach 1945 war es bei diesen Werken oft unmöglich, ihren Aufenthaltsort festzustellen. Zwei beim Händler Longy aus Neuilly am 16. März 1943 erworbene Werke, die Willem van Mieris zugeschriebene Dame mit Papagei bzw. Dame am Fenster (216.264/21) und die Hendrik van Balen zugeschriebene Landschaft mit Figuren (216.261/20) wurden von Voss für den Sonderauftrag abgelehnt, aber für die Wiesbadener Galerie bestimmt. Laut Unterlagen sollten sie als „Geschenk“ des Dorotheums in das Landesmuseum eingehen, was aber wohl kaum den Tatsachen entsprach.6 In Deutschland wurde der Mieris 1944 an den Kunsthändler Josef Hanstein (1885-1968) in Köln und das Werk von Balen im gleichen Jahr an den ebenfalls in Köln ansässigen Händler Hermann Abels weitergegeben, so dass die amerikanischen Kunstschutzoffiziere in Wiesbaden weder diese noch andere sich vermeintlich dort befindende Werke vorfanden.

Die Ankäufe für den Sonderauftrag selbst waren so umfangreich, dass ihnen ein eigener Lagerraum in den Kellern des Dorotheums zur Verfügung gestellt wurde. Von hier gingen die Objekte per Sammeltransport in den Münchner Führerbau bzw. ab Sommer 1944 direkt in das Salzbergwerk in Altaussee.7 Erst im Winter 1944 fand die Tätigkeit für das geplante Kunstmuseum des Führers in Linz ein Ende, als kaum mehr Gelder für Kunstankäufe zur Verfügung standen.8 Bis dahin soll das Dorotheum laut amerikanischen Berichten über 15 Millionen F9 für Kunstwerke aus Frankreich ausgegeben haben.10 Die vielgerühmte Spürnase von Herbst war dabei so erfolgreich, dass 1946 nur neun Werke, die er in Frankreich erworben hatte, noch als Restposten im Dorotheum lagerten.11

Nach dem Krieg

Nach 1945 wurde von Herbst betont, dass die Werke in den Jahren 1943/1944 ohne Ausübung irgendwelcher Zwangsmaßnahmen und ohne Zuhilfenahme der Deutschen Dienststellen in Frankreich gekauft und in französischen Francs – welche im Clearingwege überwiesen und durch den Crédit Lyonnais, Paris ausbezahlt wurden – zum 20- bis 30-fachen „Friedenspreis“ erworben worden seien. Auch habe er alle seine Einkäufe in den besetzten Gebieten nur für das Dorotheum getätigt, dem Sonderauftrag sei lediglich ein erstes Wahlrecht zugestanden worden. Zudem habe er keinerlei Kontakte zu den Besatzern in Paris unterhalten, sondern ausschließlich mit dem Kunstschutz in Verbindung gestanden und sich geweigert mit beschlagnahmtem jüdischen Gut zu handeln.1 Noch in den 1970er Jahren erklärte er:

„(…) Ich schäme mich überhaupt nicht für meine Tätigkeiten während des Krieges, denn ich konnte vielen helfen, die – abgeschnitten von Ihren Einnahmen im Ausland –, gezwungen waren, zu verkaufen und die gerne mit einem Österreicher verhandelten, der selbst aus einem besetzten Land kam und nicht für seine eigene Tasche, sondern für öffentliche Einrichtungen einkaufte und somit ihre Situation bestens verstand.”2