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Hans Möbius war als Kunstschutzbeauftragter in Paris stationiert. Er nutzte die Möglichkeiten vor Ort, um für die von ihm geleiteteten Sammlungen in Kassel und später in Würzburg umfängliche Erwerbungen vorrangig antiker Kunst zu tätigen.

Der Weg zum Kunstschutzbeauftragten in Paris

Der Archäologe Hans Möbius war von 1928 bis 1942 als Kustos und stellvertretender Direktor bei den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel tätig und ab 1942 bis 1965 Professor an der Universität Würzburg sowie Direktor des zur Universität gehörenden Martin von Wagner-Museums. Zwischen Juli 1941 und Juli 1944 war er als Kunstschutzbeauftragter, mit dem Dienstgrad Oberleutnant, in Paris stationiert.

Möbius hatte in seiner Funktion als Kustos der Antikensammlung bei den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel ab 1928 gesicherte Kontakte zu einigen Pariser Kunsthändlern. So erwarb er für Kassel bis 1931 einige antike Objekte von den Feuardent Frères, Emmanuel Ségrédakis, Jean Mikas und Elias Geladakis. Mikas und Geladakis suchte er auch 1941 auf.1

Eigentlich wollte Möbius, der am 22. Juli 1940 als Hilfsoffizier beim Wehrmacht-Fürsorge-Offizier in Kassel einberufen wurde, 1941 nach Griechenland versetzt werden, da er unter anderem durch seinen insgesamt sechs Jahre dauernden Aufenthalt in Athen in den 1920er Jahren eine besondere Affinität für Land und Leute dort entwickelt hatte und er sich mit seiner Tätigkeit als völlig unter Wert eingesetzt fühlte.2 Wegen seiner hervorragenden Griechisch- sowie guten Italienisch- und Französischkenntnisse wurde er zuerst nur kurz im Kriegsgefangenenlager in Bad Sulza im April und Mai 1941 als Dolmetscher eingesetzt. Seit März 1941 stand fest, dass Möbius nach Paris geschickt würde. Am 16. Juni 1941 erfolgte die Abkommandierung für zwei Wochen in die französische Hauptstadt, zur Beratung über den Kunstschutz in Griechenland.3 Nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Kassel ging es am 7. Juli wieder nach Paris, um für den Kunstschutz im Referat „Archäologie und Vorgeschichte“, der dem Militärbefehlshaber in Frankreich unterstellt war, zu arbeiten. Diese Tätigkeit übte er bis Juli 1944 aus. Seine Griechenlandsehnsucht wurde schnell relativiert, denn Möbius fühlte sich in Paris so wohl, dass er im November 1941 schrieb: „Am liebsten bliebe ich hier bis ans Ende meiner Tage.“4

Ankäufe für Kassel

Als Möbius von seiner ersten Abkommandierung nach Paris erfuhr, unternahm er sofort große Bemühungen, um Geld für Einkäufe für die Staatlichen Kunstsammlungen Kassel zu erhalten. Am 17. März 1941 schrieb Möbius deswegen einen Bericht und erhielt am 4. April vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Genehmigung über 10.000 RM für geplante Ankäufe in Paris. Am 14. Mai erfolgte die Erteilung der Devisenbescheinigung, am 16. Mai wurden 9.990 RM an die Reichskreditkasse Paris überwiesen und Möbius als Zahlungsempfänger angegeben.1 In seinem Schlussbericht über die Tätigkeiten des Referates „Archäologie und Vorgeschichte“ beschrieb Möbius 1944 in blumigen Worten nochmals die Motivation für Museen und deutsche Kunstliebhaber, die Besetzung Frankreichs auszunutzen:

„Von Alters her ist Paris als Welthandelsplatz alter Kunstwerke berühmt und hat sich selbst während des Krieges als ein Markt unerschöpflicher Fülle erwiesen. Während früher Engländer und Amerikaner die Hauptkunden gewesen waren, ergab sich seit der Besetzung auch für Deutschland die Gelegenheit, den Kunstbesitz des Reiches zu mehren.“2

Dass die Kunstschutz-Organisation in Griechenland nicht aufgebaut wurde, kam Möbius bei seinem ersten Paris-Aufenthalt zumindest in einem Punkt gelegen: „So habe ich denn die Zeit dazu verwenden können, bei den Antiquaren herumzulaufen, um Einiges für unsere Museen zu erwerben.“3 Bei seinem zweiten Aufenthalt sollte die Einkaufstour fortgesetzt werden:

„[…] auf 6 Wochen nach Paris zu fahren und hoffe dabei, auch noch Einiges für die Museen zu finden, obwohl ich reichlich spät komme, denn der Ausverkauf ist bereits weit fortgeschritten, besonders das Rheinland konnte ja mit ungeheueren [sic!] Summen auftreten.“4

Die Adressen der Kunsthändler, die vornehmlich antike Stücke anboten, waren Möbius hinlänglich bekannt. Ansonsten ging er auf Entdeckungsreise oder ließ sich gerne Tipps geben, wie vom Kasseler Gemäldesammler Gottfried Ganßauge (1900-1988):

„Er hat aus seinem Sammeln auch dem Kunstschutz gegenüber kein Geheimnis gemacht und mich z. B. in einem kleinen Geschäft oben am Mont Martre eingeführt5, in dem ich dann verschiedene Bilder, erst für Kassel, dann für Würzburg gekauft habe, die jetzt zurückgegeben wurden.“6

Dass Möbius nicht nur allein bei seinen Einkäufen unterwegs war, bezeugt auch eine für ihn unerfreuliche Episode mit Antonin Juritzky.7 Dieser war mit ihm beim Kunsthändler Arthur Sambon8 und mischte sich beim Erwerb eines antiken Objektes für Kassel ein, indem er den Preis herunterhandelte. Dies war Möbius peinlich. Was ihn aber schließlich dazu veranlasste, den Kontakt mit Juritzky gänzlich abzubrechen, hatte seine Gründe im stark angespannten Verhältnis zwischen Juritzky und Sambon.9 Möbius schien zu Sambon ein besonders vertrauensvolles Verhältnis gepflegt zu haben. Dieser schenkte ihm sogar eine kleine antike Statue. Möbius konnte sich revanchieren, in dem er für Sambons Schwiegertochter einen Passierschein nach Pau organisierte.10

Aufgaben als Kunstschutzbeauftragter

In seiner Funktion beim Kunstschutz hatte Möbius als Mann vor Ort auch die Aufgabe, deutsche Museen und andere Dienststellen bei ihren Erwerbungen, sofern es sich um Ankäufe des Altertums handelte, zu beraten und zu vermitteln (vor allem auch bei auftretenden Problemen), sowie die Ausfuhr, wie er selbst betonte, „unter korrekter Wahrung der deutsch-französischen Vereinbarungen“, zu erleichtern.1 Dieser „Service“ wurde gerne angenommen und da man sich als Kollegen meistens ziemlich gut kannte, von beiden Seiten großzügig ausgelegt. So bat ihn sein Bonner Kollege Ernst Langlotz (1895-1978), den Status als Angehöriger des Besatzungsmilitärs durchaus auch mal einzusetzen: „Capedevieille2 [sic!] eilt nicht, aber wenn Sie einmal ihn in Uniform befragen könnten wäre ich Ihnen herzlich dankbar.“3 An Hans Diepolder (1896-1969), der seit 1937 Leiter der Staatlichen Antikensammlung in München war, schrieb er am 5. Juli 1941, nachdem er versprochen hatte, eine strittige Angelegenheit zwischen München und dem Kunsthändler Mikas in Paris zu klären, „[…] und stehe auch sonst gern für Besorgungen in Paris zur Verfügung.“4 Nicht ohne Stolz berichtete Möbius in diesem Brief seinem Kollegen haarklein, welche antiken Stücke er bei welchen Pariser Kunsthändlern bisher für Kassel erworben hatte.

Eine andere Aufgabe von Möbius war die Liste der aus Deutschland geraubten Kunstwerke, die seinen Fachbereich betrafen, zu bearbeiten. Interessant ist, dass er auch noch im Sommer 1944 die Wichtigkeit dieses Unterfangens betonte: „Von kulturpolitischer Bedeutung ist die Liste der nach Deutschland gehörigen vorgeschichtlichen und antiken Gegenstände in französischem Besitz, deren Rückgabe weiterhin gefordert werden muss.“5 In diesem Kontext wurde Möbius auch für Kasseler Belange eingesetzt. 1942 überprüfte er auf Wunsch seines Kasseler Chefs Kurt Luthmer (1881-1945), ob sich die Blumenbilder, die unter Napoleon aus Kassel geraubt wurden, im Louvre befänden. Dies konnte Möbius auf Grund seiner Nachforschungen verneinen.6

Nach dem Krieg

Im Entnazifizierungsverfahren stellte Möbius von vorneherein klar, dass er bei seiner Arbeit beim Kunstschutz in Frankreich nichts mit den Beschlagnahmungen dort zu tun hatte und betonte gar die Opposition des Kunstschutzes zum ERR.1 Trotzdem wollte er eine Dissertation2, die sich mit dem Kunstschutz in den besetzten Gebieten befasste, verhindern:

„Mit Metternich und Tieschowitz3 bin ich der Ansicht, daß man diese Dinge möglichst ruhen lassen soll, weil dabei unweigerlich auch die für uns beschämenden Vorgänge aus der Besatzungszeit aufgeführt werden müssen, auch wenn wir vom Kunstschutz ein gutes Gewissen haben und nach dem Kriege gerade in Frankreich die schönste Anerkennung gefunden haben.“4

Sein Hauptkritikpunkt in einem Gutachten zu der Arbeit von Margot Günther-Hornig war dann aber, dass die ihm am liebsten unerwähnten Vorgänge gerade nicht stark genug herausgearbeitet wurden:

„[Dass] diese ahnungslose Studentin trotz meiner Warnung dieses heiße Eisen angefasst hat und dann auf die Darstellungen des Botschafters Abetz in seinen Büchern und auf die mündlichen Erklärungen der früher bei Rosenberg tätigen Kunsthistoriker hereingefallen ist. Auf diese Weise ist ein völlig verkehrtes Bild von der Tätigkeit dieser beiden Stellen entstanden.“5

Im Spruchkammerverfahren6 wurde Möbius zuerst in die Kategorie „Mitläufer“ eingestuft. Dies wollte er nicht auf sich beruhen lassen und legte deshalb Widerspruch ein. Dabei ließ er sich vor allem von jüdischen Bekannten schriftliche Zeugenaussagen geben, um eine weiße Weste zu erhalten. Hugo Engel7 beispielsweise sagte aus, dass er von Möbius Papiere ausgestellt bekam, mit denen er und seine Frau sich kurz vor der bevorstehenden Deportation noch in die Schweiz absetzen konnten. Wesentlich weiter gingen die Kalebdjian Frères, die behaupteten, Möbius habe gegen die Nazimethoden der Mitarbeiter von Rosenberg und Göring angekämpft. Wie weit dies ging, bleibt unkommentiert. Es ist auf jeden Fall sehr gut möglich, dass sich Möbius im Beisein anderer sehr kritisch über diese Personen und deren Methoden geäußert hatte. Die Kalebdjians haben auch ausgesagt, dass Felix Kuetgens8 und Möbius die Familie Kalebdjian vor dem Konzentrationslager bewahrt hätten. Die Zeugenaussagen haben ihr Übriges getan, denn Möbius wurde entlastet und galt nicht mehr als Mitläufer.

Vor allem zu den Pariser Kunsthändlern, die auf antike Stücke spezialisiert waren, schien Möbius ein sehr gutes, bisweilen gar herzliches Verhältnis gehabt zu haben. Dabei kamen ihm bei manchen Händlern seine sehr guten Griechischkenntnisse zugute.9 Als Ernst Langlotz Möbius im Frühjahr 1950 berichtete, dass er nach Paris fahren werde, hatte Möbius noch eine Bitte an ihn: „Grüssen Sie jedenfalls die guten Kalebdjians, Mikas, Hindamian usw. und sagen Sie ihnen, ich hoffe, sie Ende August begrüssen zu können.“10 Es ist sicher, dass Möbius im August/September 1950 für vier Wochen in Paris war und in dieser Zeit auch einen mehrtätigen Abstecher in das Seine-Tal unternahm.11 Was genau er in dieser Zeit gemacht hat, ist bisher nicht bekannt. Ziemlich sicher hat er aber einige der ihm aus der Besatzungszeit bekannten Kunsthändler wieder aufgesucht. Dabei ging es in den Gesprächen mit ihnen auch um die Restitutionspflicht der Frankreicherwerbungen, die Möbius nicht einsehen wollte: „Mehrere Pariser Händler, bei denen ich gekauft hatte, und die ich nach dem Kriege besuchte, sagten mir, daß sie ihre ehemaligen Waren nicht zurück haben wollten, weil sie ja seiner Zeit regulär verkauft worden wären.“12 In verschiedenen Briefen machte er seinem Unmut über die Restitutionen, der seines Erachtens völlig legal gekauften Objekte, Luft. Allerdings schwieg er sich über die Objekte aus, die eigentlich auch an Frankreich hätten zurückgegeben werden müssen und die aus verschiedenen Gründen in Kassel und Würzburg verblieben. Dies geht auch klar aus einem Schreiben von Möbius an Adolf Greifenhagen (1905-1989), einem der Nachfolger als Kustos der Kasseler Antikensammlung, vom 8. November 1957 hervor.13 In Bezug auf das Satyrköpfchen14 schrieb er:

„Es würde mich interessieren, was Sie über das Köpfchen herausbekommen haben, aber ich fände es doch sehr bedenklich, wenn Sie es jetzt schon veröffentlichen wollten. Es gehört ja zu denjenigen Dingen, die nach den noch geltenden Bestimmungen an Frankreich hätten abgeliefert werden müssen, und in Paris wissen viele Leute, dass ich damals für die Kasseler Museen gekauft habe. Aus dem gleichen Grunde habe ich Herrn Buschor gebeten, von der Würzburger Replik der Medusa Rondanini zu schweigen oder wenigstens kein Bild zu bringen. Diese Fragen sollten erst im Friedensvertrag endgültig geregelt werden.“