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Reichsmarschall Hermann Göring war einer der Haupttäter beim deutschen Kunstraub während des Zweiten Weltkrieges.

Karriere als Nationalsozialist

Göring wurde am 12. Januar 1893 in Rosenheim geboren und wuchs als Sohn eines Kolonialbeamten in einer feudalen Umgebung auf. Früh lernte er die bildende Kunst als Mittel der Selbstdarstellung und Repräsentation von Macht kennen. Im Ersten Weltkrieg nahm er als Flieger teil und erhielt für seine Abschüsse hohe Auszeichnungen. Nach 1918 gehörte er in München zu den ersten Gefolgsleuten von Adolf Hitler. Noch vor der sogenannten ‚Machtergreifung‘ erlangte er 1932 das Amt des Reichstagspräsidenten. Im Jahr 1933 übernahm er zusätzlich die Funktion des preußischen Ministerpräsidenten. Weitere Ämter folgten in den nächsten Jahren, wobei die Posten als Reichsminister für Luftfahrt, „Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe“, „Reichsforstmeister“ und „Der Beauftragte für den Vierjahresplan“ am wichtigsten waren.1

Parallel zur Anhäufung von Staatsämtern und den damit verbundenen Einnahmen baute Göring ab 1933 eine eigene Kunstsammlung auf. Der Aufbau dieser Sammlung war oft mit Bauprojekten verbunden, die Göring bis 1939 betrieb. Hier war die Einrichtung und die anschließende zweimalige Erweiterung des „Waldhofes“ Carinhall in der Schorfheide (nördlich von Berlin) sein größtes Projekt. Weitere wichtige Standorte waren der „Reichsjägerhof“ in Rominten (Ostpreußen) und die Burg Veldenstein (Franken). Göring füllte alle seine Standorte mit Kunst. Das Haus in Carinhall blieb dabei jedoch der zentrale Standort, da er hier ein Museum (die „Norddeutsche Galerie“) plante, das nach seinem Tode zur Präsentation seiner Sammlung errichtet werden sollte. Er sammelte vor allen Dingen Werke der französischen, niederländischen und deutschen Malschulen des 15. bis 18. Jahrhunderts, die er für „arisch-nordisch“ hielt.2

Methoden des Kunsterwerbs

Vor dem Zweiten Weltkrieg erwarb Göring Kunst auf dem deutschen Kunstmarkt sowie als Leihgaben der preußischen Museen, die ihm als Ministerpräsidenten unterstanden. Nach 1939 versuchte er zunächst vergeblich, auf beschlagnahmte Kunst aus Polen zuzugreifen. Nach dem Westfeldzug von 1940 gelang es ihm dagegen, Kunst aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich zu erwerben. Aus dem französischen Kunstmarkt erhielt Göring auf unterschiedlichen Wegen fast 270 Werke. Dazu zählten Gemälde, aber auch Tapisserien, Skulpturen und kunsthandwerkliche Gegenstände. Knapp 60 Werke kaufte Göring bei französischen Kunsthändlern direkt ein. Zu seinen bevorzugten Lieferanten gehörten die Händler André Camoin, Allen Loebl, J. O. Leegenhoek und Jean Schmidt.1 Darüber hinaus ließ er sich von deutschen Kunsthändlern mit Werken vom französischen Kunstmarkt beliefern. An erster Stelle stand hier sein Hauptlieferant Walter Andreas Hofer, der seit März 1941 neben seiner Tätigkeit als Händler auch die Funktion eines „Direktor der Kunstsammlungen des Reichsmarschalls“ ausübte. Weitere Zulieferer waren Walter Bornheim (München), Josef Angerer (von der Firma Quantmeyer und Eike, Berlin) sowie Karl Haberstock (ebenfalls aus Berlin).2 Zudem vermittelte der Kunsthistoriker Bruno Lohse, der in der Pariser Niederlassung des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg (ERR) arbeitete, Göring wichtige Erwerbungen.3

Die circa 180 Werke, die auf diese Weise über deutsche Händler zum Reichsmarschall kamen, stammten wiederum von einem breiten Spektrum französischer Zulieferer, die mit Göring nicht direkt in Kontakt standen. Die deutschen Händler bezogen ihren Erwerbungen meistens von wenigen Partnern, mit denen sie eine enge Geschäftsbeziehung pflegten. So erwarb Josef Angerer hauptsächlich von Jacques Bacri und Paul Graupe (1881-1953) Objekte für Göring. Walter Bornheim kaufte bevorzugt bei Edouard Leonardi, Jean Schmidt, in der Galerie Brimo de Laroussilhe und der Firma „Brosseron et Cie.“ ein, während Andreas Hofer besonders viel Kunst von den Firmen Roger Dequoy und Acezat an Göring lieferte. Daneben arbeitete Görings Sammlungsleiter mit vielen anderen Händlern wie Achille Boitel, Hans Wendland und Allen Loebl zusammen, um einzelne Werke für den Reichsmarschall zu vermitteln.4

In Konkurrenz zu Hitlers „Sonderauftrag Linz“

Göring befand sich bei seinen Erwerbungen in permanenter Konkurrenz mit Adolf Hitler, der für sein Projekt des Museums in Linz (Donau) ebenfalls auf dem Pariser Kunstmarkt nach Objekten für die im Aufbau befindliche Sammlung Ausschau halten ließ. Göring wurde seinerseits durch seinen Agenten Bruno Lohse über die Aktivitäten von Hitlers Beauftragten Hans Posse informiert und versuchte aktiv, diesen aus seinen Geschäften herauszuhalten.1 Im Gegensatz zu Hitler war Göring zwischen Ende 1940 und Ende 1943 alle zwei bis drei Monate in Paris und besuchte die dortigen Händler oft persönlich in ihren Geschäften.2 Er trat auch in Kontakt mit dem Schweizer Unternehmer Emil Georg Bührle, übernahm von diesem vorübergehend zwei Gemälde von Auguste Renoir – Weiblicher Halbakt (RM 1242) und Landschaft am Ufer der Seine (RM 1368) – und gefiel sich so in der Rolle des handelnden Privatsammlers.3

Im Gegensatz zu Hitler besaß Göring jedoch strukturelle Nachteile, um als ebenbürtiger Konkurrent bei dem Aufbau eines Museums auftreten zu können: So verfügte er, trotz seiner Ämterfülle und den damit verbundenen Einnahmen, über geringere Geldmittel als der Diktator. Zudem verstand es Hitler als Leiter der Regierung, sich mit dem sogenannten „Führervorbehalt“ den ersten Zugriff auf Kunstsammlungen zu sichern, die Verfolgten im Reich und in den besetzten Gebieten entzogen worden waren.4 Göring reagierte auf diesen Nachteil mit einer Mehrfachstrategie: Zum einen suchte er gezielt die Zusammenarbeit mit Organisationen für Beschlagnahmungen auf dem Gebiet der Kunst. Zum anderen versuchte er, seine Sammlung mit Tauschgeschäften zu vermehren. Darüber hinaus ließ er sich aus seinem politischen Gefolge mit Kunst beschenken, um so weitere Gegenstände für sein geplantes Museum zu erhalten.

In Frankreich arbeitete Göring mit dem ERR zusammen, den Hitler 1940 mit der Beschlagnahmung von jüdischem Kunstbesitz beauftragt hatte. Göring ging hier gemeinsam mit Rosenberg vor, indem er seine Luftwaffe zur Verfügung stellte, um die geraubten Werke ins Deutsche Reich zu bringen. Zudem lieferte das „Devisenschutzkommando“, das ihm in seiner Funktion als „Beauftragter des Vierjahresplans“ unterstand, in seinem Auftrag beschlagnahmte Kunst an den Einsatzstab.5 Als Ausgleich für seine Hilfe beanspruchte er die freie Auswahl aus den Beschlagnahmungen. Die Ansprüche Hitlers aufgrund des „Führervorbehaltes“ galt er durch eine kleine, aber sehr hochkarätige Auswahl von beschlagnahmten Werken ab, die er Anfang 1941 nach München bringen ließ.6 Hierzu gehörte beispielsweise das Gemälde Der Astronom von Jan Vermeer van Delft aus der Pariser Rothschild-Sammlung (R 1/Linz 1479/Mü 2609/1). Im Zuge dieser Zusammenarbeit mit dem Einsatzstab erhielt Göring zwischen 1941 und 1943 rund 800 Gemälde, Skulpturen und kunsthandwerkliche Gegenstände, die er bei zahlreichen Besuchen am Pariser Standort des Einsatzstabes, im Jeu de Paume, persönlich auswählte.7

Die Tauschgeschäfte

Wichtiger für Görings Agieren auf dem französischen Kunstmarkt waren jedoch die Tauschgeschäfte, die er zusammen mit dem ERR in Paris abwickelte. Göring erwarb dabei gegen Verrechnung beschlagnahmte Werke französischer Impressionisten und Expressionisten, die im Deutschen Reich aus ideologischen Gründen unwillkommen waren und als „entartet“ galten. Diese geraubten Werke tauschte er dann gegen Gemälde Alter Meister ein, die in seine Sammlung passten. In Paris setzte er bei insgesamt 16 Tauschgeschäften 74 Gemälde der Klassischen Moderne auf diesem Wege ab. Sein Geschäftspartner bei diesen Transaktionen war der deutsch-französische Händler Gustav Rochlitz, der die so eingetauschten geraubten Werke zum größten Teil auf dem Pariser Kunstmarkt weiterverkaufte. Görings Agent Lohse hatte zuvor die Werke ausgesucht, die Rochlitz im Austausch lieferte.1 Daneben ließ Göring für einen Tausch vorgesehene Werke der modernen Kunst aus Frankreich auch nach Berlin bringen, um sie hier den Schweizer Händlern Theodor Fischer (1878-1957) und Hans Wendland für weitere Tauschgeschäfte zur Verfügung zu stellen.2 Alte Meister, die Göring im Zuge dieser Geschäfte erwarb, stammten in einigen Fällen wiederum ursprünglich vom Pariser Kunstmarkt und waren zuvor von Allen Loebl verkauft worden – so beispielsweise das Gemälde Brustbild eines 42-jährigen Mannes mit Rosenkranz von Lucas Cranach dem Älteren, 51 x 36 cm (RM 855/Mü 5922), sowie das Gemälde Der Johanniterkomtur Gregorius Beit von Hans Baldung, 57 x 43 cm (RM 630/Mü 5875).

Als der Einsatzstab Anfang 1943 aufgrund von politischen Vorbehalten infolge der deutschen Niederlage von Stalingrad es ablehnte, Göring weiter Werke aus Beschlagnahmungen zur Verfügung zu stellen, änderte der Reichsmarschall seine Strategie. Er versuchte nun, mit staatlichen französischen Institutionen Kunst zu tauschen. Auf diese Weise erhielt er 1944 die Statue La Belle Allemande/Stehende heilige Maria Magdalena von Gregor Erhard (Mü 6666) aus dem Louvre. Diesen Tausch wickelte er mit Hilfe des deutschen Kunsthistorikers Hermann Bunjes ab. Der Versuch, das Basler Antependium (aus dem Museé de Cluny) durch einen weiteren Tausch zu erhalten, scheiterte jedoch am Widerstand der französischen Museumsverwaltung.3

Eine weitere wichtige Strategie von Göring beim Aufbau seiner Sammlung war es, sich mit Kunst beschenken zu lassen. Funktionäre des „Dritten Reiches“ wie die Gauleiter Josef Grohé (1902-1987), Erich Koch (1896-1986) und Josef Terboven (1898-1945), die politische Unterstützung suchten, und Wirtschaftsführer, die geschäftliche Vorteile erhofften wie beispielsweise Philipp Fürchtegott Reemtsma (1893-1959) und Friedrich Flick (1883-1972), beschenkten den Reichsmarschall zu dessen Geburtstag oder zu Weihnachten mit Kunstwerken. Rund 30 dieser Geschenke, die Göring zwischen 1940 und 1945 erhielt, stammten aus dem französischen Kunsthandel. Sie waren zuvor von Görings Hauptlieferanten Hofer, Bornheim und Angerer dort wiederum von ihren französischen Geschäftspartnern Bacri, Leonardi, und Loebl erworben und anschließend auf dem deutschen Kunstmarkt angeboten worden. Zu diesen Geschenken gehörten beispielsweise Isaak van Ostades Blinder mit Hund und Nicolas de Troys (heute: Jean Raoux) Bildnis einer Dame.4

Der Verbleib von Görings Kunstwerken nach dem Krieg

Die alliierten Streitkräfte verhafteten Göring am Ende des Krieges und stellten ihn im Herbst 1945 in Nürnberg wegen Kriegsverbrechen vor Gericht. Ein Jahr später wurde er hier zum Tode verurteilt. Am 15. Oktober 1946 beging er zwei Stunden vor der Hinrichtung Selbstmord.

Bereits im Mai 1945 stellten alliierte Kunstfahnder die meisten Kunstwerke, die Göring aus Frankreich erhalten hatte, in Bayern sicher und ließen sie später wieder nach Frankreich bringen. Bei der Plünderung von Görings Eigentum durch alliierte Soldaten und deutsche Anwohner gingen jedoch im Mai 1945 rund 55 Werke französischer Herkunft in Berchtesgaden verloren.1 Geraubte Werke, die Göring für Tauschgeschäfte eingesetzt hatte, konnten die Alliierten im französischen, deutschen und italienischen Kunsthandel aufspüren und den rechtmäßigen Eigentümern zurückgeben. Bis heute fehlen allerdings noch 25 Werke aus diesen Geschäften, die spurlos verschollen sind.2 Die in Frankreich gekauften Werke erhielten die Händler nur dann zurück, wenn sie nachweisen konnten, dass sie sich unter Druck und Zwang von ihrem Eigentum hatten trennen müssen. Da dies nur in wenigen Fällen der Fall war, übernahm anschließend der französische Staat die Treuhänderschaft für gut 85 von Göring direkt oder indirekt in Frankreich gekaufte Gegenstände und klassifizierte sie mit dem juristischen Sonderstatus „Musées Nationaux Récupération“.3 Ein Teil dieser Gegenstände wird heute in französischen Museen gezeigt. So befindet sich im Pariser Louvre ein Saal, in dem heute Tapisserien aus dem ehemaligen Besitz von Göring hängen, die dieser in Frankreich gekauft hatte.4