Skip to main content
Lien copié
Le lien a été copié dans votre presse-papier

Der Inhaber der renommierten Galerie Kleinberger wird trotz seiner jüdischen Abstammung und der damit verbundenen Gefährdung zu einem der wichtigsten Zulieferer alter Meister für deutsche Händler und Kunden, darunter vor allem Hermann Göring.

Anlaufpunkt für deutsche Kunden

Allen Loebl war ein 1887 in Budapest geborener Kunsthändler, der seit 1905 in Frankreich lebte und im Jahr 1920 die französische Staatsbürgerschaft annahm.1 Nachdem er zuvor als Angestellter der im 1. Arrondissement von Paris gelegenen Galerie seines Onkels Franz Kleinberger gearbeitet hatte, wurde er nach dessen Tod 1937 Eigentümer der Kunsthandlung. Da Loebl Jude war, wurde die Galerie F. Kleinberger 1942 durch Verkauf an Ernest Garin „arisiert“, doch leitete Loebl mithilfe verschiedener Sondergenehmigungen auch im Folgenden weiter die Geschäfte.2 Während der Besatzungszeit war seine Kunsthandlung, deren Schwerpunkt auf dem Handel mit alten Meistern und Kunstgewerbe des 18. Jahrhunderts lag, ein wichtiger Anlaufpunkt für deutsche Käufer. Aus diesem Grund hatte sich Loebl nach der Okkupation vor der Commission nationale interprofessionnelle d’épuration [Nationale berufsübergreifende Säuberungskommission], dem Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für die Enteignung unlauterer Gewinne] und der Cour de Justice du Département de la Seine [Gerichtshof des Departements Seine], die ihm „die Gefährdung der äußeren Sicherheit des Staates“ vorwarf, zu verantworten.3

Mithilfe der Gerichts- bzw. Verfahrensakten lässt sich rekonstruieren, dass Loebl zu Beginn der Okkupation nicht in Paris war, sondern sich mit seiner Frau in Biarritz befand.4 Im Juli 1940 kehrte er nach Paris zurück und öffnete seine Galerie. Bereits vor der Besatzung hatte er Geschäftskontakte zum Beispiel zu Hans Wendland unterhalten, die er nun auffrischte, und er kannte auch Bruno Lohse bereits aus früheren Zeiten.5 Zu den deutschen Kunden, die rasch in seiner Galerie in der Rue de l‘Échelle auftauchten und Werke kauften, zählte Karl Haberstock, für den Loebl als Experte für alte Kunst später Gutachten zum Beispiel zu den Sammlungen Pariollat und Groult (1868-1951) anfertigen sollte.6

„Arisierung” und Sonderbehandlung

Schon bald wurde Loebls Galerie unter kommissarische Verwaltung gestellt und es war eine Auflösung des Unternehmens nach Ablauf des Mietvertrags im März 1942 geplant.1 Unter Édouard Gras als insgesamt viertem provisorischen Verwalter der Kunsthandlung wurde die Liquidierung schließlich abgewendet. Stattdessen erfolgte die im Juni 1942 notariell beurkundete „Arisierung“ der Galerie durch den Verkauf an Ernest Garin, einen ehemaligen Mitarbeiter der Galerie Seligmann, den Loebl schon länger kannte.2 Beide Vertragspartner einigten sich schon im Vorhinein stillschweigend darauf, dass sie nach der Okkupation gemeinsame Besitzer der Kunsthandlung werden sollten und dass Loebl auch während der Besatzung weiterhin die Geschäfte führen konnte. Die deutschen Besatzer billigten Loebls tägliche Präsenz in einem Hinterzimmer der Galerie, da sie nicht auf die Expertise Loebls als erfahrenem Kunsthändler verzichten wollten.

Unter Vermittlung von Wilhelm Jacob Mohnen, einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris, kam es zu einer Vereinbarung zwischen Allen Loebl und dem Kunsthistoriker Bruno Lohse, der sich seit 1941 in Paris aufhielt. Lohse war als Einkäufer für die Kunstsammlung von Hermann Göring tätig und wurde später stellvertretender Direktor der Kunstraub-Organisation ERR (Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg). Vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Gefährdung durch antisemitische Verfolgung schützte Lohse Loebl vor Zugriffen durch den Sicherheitsdienst (SD) und erhielt als Gegenleistung das Vorkaufsrecht für Göring, und zwar für sämtliche Werke, die in der Galerie F. Kleinberger gehandelt wurden. Die Sonderbehandlung Loebls erfolgte dabei mit dem Einverständnis von Göring, der sich lediglich ausbedang, dass die Sache unter der Hand geregelt werde.3

Auch Walter Andreas Hofer setzte sich für Loebl gegenüber Göring ein und diskutierte im März 1944 die Situation des jüdischen Kunsthändlers mit Helmut Knochen (1910-2003), der als Oberbefehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes im besetzten Frankreich die Deportation von Juden organisierte. Hierbei betonte Hofer die Wichtigkeit von Loebl beim Einkauf von Kunstwerken in Paris: „Loebl hat für Linz und andere deutsche Museen, für den Herrn Reichsmarschall und andere deutsche Dienste wichtige Kunstobjekte erworben. Er ist der kompetenteste Pariser Kunsthändler und er ist von großer Wichtigkeit für die zukünftigen Ankäufe von Kunstobjekten.”4 Göring hatte auch Hofer gegenüber keine Einwände gegen die Nutzung von Loebls Diensten.

Zwangsvereinbarung

Mit der Vereinbarung zwischen Lohse und Loebl ging einher, dass Loebl Lohse stetig neue Werke anzubieten hatte. Nach eigenen Angaben von Loebl übte Lohse dabei großen Druck auf ihn aus und schreckte nicht davor zurück, Allen Loebls Bruder Emmanuel, genannt Manon, verhaften und für drei Monate im Lager Drancy festhalten zu lassen.1 Es war nicht das erste Mal, dass Manon in dem Sammellager nördlich von Paris, das als Durchgangslager für Juden und andere Gefangene in die osteuropäischen Vernichtungslager, vor allem nach Auschwitz-Birkenau, diente, inhaftiert war. Nach Aussage von Allen Loebl war sein Bruder bereits zuvor einmal auf Initiative von Lohse nach Drancy gebracht worden, wo man ihn 24 Stunden festhielt. Wie beim zweiten Mal wurde er auch damals mit Hilfe von Lohse wieder befreit.2

Damit Lohse von Loebls Netzwerken profitieren konnte, führte der Galerist den Deutschen in seine Kreise ein und verschaffte ihm neue Kontakte zu Händlern, aber auch Sammlern. Zu den Kunsthändlern, mit denen Loebl Lohse bekannt machte, zählten Victor Mandl, Yves Perdoux und Hugo Engel.3 Wohl über Wendland stand Loebl außerdem mit dem in zahlreiche Kunstgeschäfte mit Vertretern des Dritten Reichs verwickelten Achille Boitel in Kontakt4 – um nur einige der zahlreichen Kontakte zu nennen, die Loebl im Laufe seiner knapp vierzigjährigen Tätigkeit als Kunsthändler in Paris etabliert hatte und auf die er in der Besatzungszeit zurückgriff, um Lohse und Göring, aber auch andere deutsche Käufer wie Haberstock, Hofer, Maria Almas-Dietrich und Hildebrand Gurlitt beliefern zu können.

Lohse sorgte dafür, dass Loebl alle drei Monate eine Bescheinigung ausgestellt wurde, die ihn vom Tragen des Judensterns befreite.5 Nach Aussage von Loebl war diese Genehmigung direkt an die im November 1942 durch Lohse erzwungene Abgabe seiner umfangreichen, aus ca. 3 600 Bänden bestehenden Kunstbibliothek gebunden.6 Die Bibliothek, die viele wertvolle Auktionskataloge aus dem 18. und 19. Jahrhundert sowie eine Fotothek mit Abbildungen von Werken, die in der Kunsthandlung F. Kleinberger verkauft worden waren, umfasste, hatte das Interesse Görings geweckt, und er besichtigte sie wahrscheinlich sogar zusammen mit Lohse in Loebls Galerie.7 Lohse inventarisierte den Bibliotheksbestand und diktierte Loebl am 4. November 1942 ein Schreiben, mit dem Loebl erklärte, dass er Lohse die Bibliothek zum Abtransport in ein deutsches Kunstinstitut zur Verfügung stelle.8 Intern bot Lohse die Bibliothek Göring als Geschenk an, das dieser jedoch nicht annehmen wollte. Stattdessen schlug Göring Lohse vor, die Abgabe der Bibliothek als Tausch zu organisieren: Ein Tauschvertrag wurde aufgesetzt, der regelte, dass Hofer als Repräsentant von Göring Loebl im Austausch gegen seine Bibliothek ein Gemälde übergab. Dabei handelte es sich um das Werk Straße von Maurice Utrillo, dessen Wert sehr viel niedriger als der der Bibliothek war. Das Gemälde stammte aus den Beständen des ERR und war aus der jüdischen Sammlung Georges Bernheim geraubt worden.9

Nach dem Krieg: Restitutionsforderungen und Anklagen

Nach dem Ende des Krieges wurde eins der Bücher aus der Bibliothek von Allen Loebl durch seinen Bruder Manon im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München gefunden. Allen Loebl bemühte sich im Folgenden um Entschädigungszahlungen für seinen gesamten Bibliotheksbestand und reichte in Deutschland eine Klage gemäß dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRÜG) ein.1 Wertvolle Hilfe in dem Verfahren, das in der Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 130 000 DM am 7. Februar 1962 an Loebl endete, leistete ihm dabei Bruno Lohse. Der Kunsthistoriker konnte zum einen den Transport der Bibliothek nach Deutschland bezeugen, zum anderen genaue Angaben zu den Büchern der Sammlung machen. Da Lohse während des Kriegs die Inventarisierung der Bibliothek inklusive Fotothek vorgenommen hatte, schlug Loebl ihn als Gutachter für die Fotosammlung vor. Als dieser wurde er später sogar zugelassen, obwohl er kein vereidigter Sachverständiger war.2

Dem BRÜG-Verfahren in Deutschland waren verschiedene Verfahren in Frankreich vorausgegangen. Die Commission nationale interprofessionnelle d’épuration und der Cour de Justice du Département de la Seine stellten aufgrund der Tatsache, dass Loebl sich als Jude während der Besatzung in einer Zwangslage befand, am 8. Juli 1947 bzw. 20. Mai 1946 ihre Untersuchungen ein.3 Auch in dem Verfahren wegen unlauterer Gewinne („profits illictes“) sprach man sich dagegen aus, Loebl zu einer Strafe zu verurteilen. Davon unabhängig wurde Loebl am 4. März 1949 von dem Comité zur Zahlung einer Pfändung („confiscation“) in Höhe von 1 022 600 F verpflichtet.4 Loebl legte sofort nach Verkündigung der Pfändungssumme Einspruch ein. Durch den Verweis darauf, dass aufgrund der extrem niedrigen Preise, welche die Deutschen an den Kunsthändler zahlten, überhaupt von keinerlei Bereicherung die Rede sein könne, erreichte er am 15. Juni 1950 eine Senkung der Summe auf 650 600 F.5

Für Loebl, der vor dem Zweiten Weltkrieg Rennpferde, alte Automobile sowie verschiedene Immobilien besaß und Schenkungen unter anderem an das Musée du Louvre machte, bedeutete die Zeit der Besatzung einen tiefen finanziellen Einschnitt: „Loebl war viel reicher vor dem Krieg.”6 Um 1950 wurden mehrere Werke, die in Frankreich als MNR-Werke inventarisiert waren, an die Galerie von Loebl restituiert.7 Hierunter befanden sich zum Beispiel das MNR 346, Die Krönung der Jungfrau von Jörg Breu dem Älteren und MNR 313, Der Mönch in Ekstase eines unbekannten italienischen Malers, der im 18. Jahrhundert tätig war. Beide Werke wurden im Jahr 1952 an Loebls Kunsthandlung zurückgegeben. Andere MNR-Werke, die in der Galerie F. Kleinberger gehandelt wurden, zählen noch heute zum MNR-Bestand. Im Jahr 1962 versuchte Loebl, eines dieser Werke zurückzuerlangen,8 wobei es wohl nicht zuletzt finanzielle Schwierigkeiten waren, die ihn zu diesem Schritt bewogen. Bei dem Werk handelt es sich um das MNR 354, das heißt um ein früher Cranach, heute dem Meister der Gregorsmesse zugeschriebenes Porträt aus dem 16. Jahrhundert.9 Loebls Argument für eine Restitution bestand aus der Behauptung, dass das während der Besatzung über ihn gehandelte Bildnis einer Dame, die eine rote Nelke hält, nie bezahlt wurde.10 Stellungnahmen von Wendland, Hofer und Lohse zu dem Gemälde, das noch heute zum Bestand der MNR zählt, liegen den Akten bei und sprechen sich teils für, teils gegen Loebls Restitutionsgesuch aus. Sie zeigen auf ein Neues, dass selbst lange Zeit nach der Besatzung viele der Verbindungen, die während des Krieges wichtig waren, auch später noch erhalten blieben.