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05/05/2022 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Mehrere deutsche Kunden, darunter Hermann Göring, Ernst Holzinger und Walter Bornheim, verkehren in der Besatzungszeit in dem auf das 18. Jh. spezialisierten Antiquitätenhandel des Hauses Brosseron, in dessen Lagerbeständen Sammlungen jüdischer Familien aufbewahrt sind, die wie Wildenstein, Kapferer oder Seligmann im Exil leben.

Das Haus Brosseron

Das Haus Brosseron ist nach dem am 13. Januar 1895 in Châteauroux (Departement Indre) geborenen Marcel Brosseron benannt. Am 30. April 1927 gründet der Eigentümer mehrerer Hotels in Le Mans, Tréport und Bagnoles-de-l’Orne1 eine GmbH unter dem Firmennamen „M. Brosseron & Cie“.2 Diese Firma soll „alle Arten von kommerziellen, industriellen oder auf Immobilien spezialisierten Unternehmen gründen, bewirtschaften, neu organisieren“. Am 10. Mai 1927 kauft er für dieses kurz zuvor gegründete Unternehmen einen auf Antiquitäten und antike Möbel ausgerichteten Geschäftsfonds an der Pariser Adresse 132 Boulevard Haussmann auf, den bis dahin Émile Guggenheim und Moïse Lévy geführt hatten.3 Nach 1935 zieht das auf französische Kunst des 18. Jh. spezialisierte Geschäft an die Nummer 45 Avenue Georges V um, wo es auch noch während des Krieges ansässig ist.

Zur Zeit der deutschen Besatzung ist Marcel Brosseron selbst schon betagt und vermutlich kränklich, daher führt anscheinend seine Frau, die am 16. März 1888 in Clion (Departement Indre) geborene Marguerite Audas, die Geschäfte. Dabei unterstützt sie ein Spezialist für Kunstgegenstände namens Georges Marchand (13. August  1888 – 19. August 1960), der aus Algerien stammt und bereits seit 1927 für die Galerie arbeitet. Beim Verhör sagt die Witwe Brosseron aus, dass dieser mit den Deutschen in engerem Kontakt stand als sie selbst. Der Kunstspezialist bestätigt seinerseits: „Es ist gut möglich, dass die Deutschen meinen Namen kannten, weil ich  die Besucher empfing, wenn Frau Brosseron unpässlich war.“4 Aus diesem Grund wurde wohl das Haus Brosseron in dem von den US-amerikanischen Ermittlern verfassten Bericht unter dem Namen „Brosseron-Marchand“ geführt.5

Die Verkäufe

Die seit September des Jahres 1939 geschlossene Galerie wird dann infolge der Erlässe von Vichy Ende Dezember 1940 wieder eröffnet. Da sich ihr Unternehmen in der Nähe des Hotels Georges V [einem der nobelsten Hoteladressen der französischen Hauptstadt] befindet, bekommt das Ehepaar Brosseron bald Besuch von deutschen Kunden, unter ihnen Ernst Holzinger und Walter Bornheim. Zu Beginn des Jahres 1941 wird Hermann Görings Händler an der Adresse 45 Avenue Georges V vorstellig, um sich nach dem Preis eines Wandteppichs aus der Savonnerie-Manufaktur zu erkundigen. Am nächsten Tag, so berichtet Marguerite Brosseron, klopfte Bornheim direkt an der Tür ihrer Privatwohnung:

„Der Käufer, der sich als Herr BORNHEIM vorstellt, klingelte an der Privatwohnung des Herrn BROSSERON am Boulevard Haussmann und war gleich im Flur von der großen Zahl schöner Gemälde, Wandteppiche usw. beeindruckt, die die Wände schmückten. Er erkundigte sich nach der Herkunft dieser Möbel, die wir im Namen mehrerer Israeliten aufbewahrten (Seligmann, Wildenstein, Semame, Morali, André Kahn und insbesondere Sulzbach).“1

Um die Identität der jüdischen Eigentümer dieser Gemälde und Kunstobjekte zu schützen, nannten die Brosserons Namen adeliger Freunde, die nicht die wirklichen Besitzer waren.2 Auf Bornheims Rechnungen stehen also die Namen all dieser verschiedenen, teilweise nicht mehr lebenden Persönlichkeiten, darunter die am 3. Februar 1933 verstorbene Erzherzogin von Uzès oder auch der Prinz Murat. Diese Umstände erklären  die von Bornheim gemachten Angaben bei seinem Verhör durch die US-amerikanischen Ermittler.3

Als Frau Brosseron im Dezember 1945 vom Richter Frapier verhört wird, behauptet sie, jüdisches Eigentum im Wert von mindestens 25.000.000 F bei sich gehabt zu haben, das insbesondere den Familien Wildenstein und  Kapferer gehörte.4 Am 7. Februar 1947 erklärt sie im Übrigen, dass „der Verkaufserlös bestimmten Leuten geholfen habe, in der Besatzungszeit zu überleben“.5 Das Haus Brosseron tätigte allerdings auch Verkaufsgeschäfte mit in aristokratischen Kreisen erworbenen Werken, das betrifft zum Beispiel ein Werk von Philippe de Champaigne, das wahrscheinlich bei der Auktion des Schlosses Sully im Hotel Drouot erworben und dann an Bornheim weiterverkauft wurde.6

In der Besatzungszeit stehen Marguerite Brosseron und Georges Marchand darüber hinaus in Kontakt zu ihrem Kollegen Charles Michel, und zwar für den Verkauf eines Hausaltars zum Preis von 400.000 F. Erst wurde er verkauft, daraufhin als gefälscht erklärt und angeblich dem Besitzer zurückerstattet. Nach 1943 ist der Lagerbestand der Firma Brosseron stark gesunken und der Verkauf nahezu ins Stocken geraten.

Nach dem Krieg wird das Unternehmen Brosseron vom Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für Beschlagnahmung unlauterer Gewinne] gerichtlich belangt, und zwar „wegen Kaufgeschäften mit Deutschen in der Höhe von 1.141.000 F mit im Fachhandel nicht erhältlichen Sammlerobjekten, und wegen unzulässiger Exporte und illegaler Tauschgeschäfte“.7 Ebenso muss sich die Firma auch vor der Commission nationale interprofessionnelle d’épuration [Nationale berufsübergreifende Säuberungskommission]8 und vor dem Gerichtshof des Departement Seine verantworten. Da Marcel Brosseron am 16.  Januar 1946 stirbt,9 wird er dort von seiner Witwe Marguerite vertreten. Der vom Haus Brosseron in der Besatzungszeit erwirtschaftete unlautere Gewinn wird auf 490.370 F geschätzt.

Im Jahre 1947 wird das Unternehmen vom Gerichtshof des Departement Seine freigesprochen, da es dem Anschein nach nicht aktiv um deutsche Kundschaft  geworben habe.10