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Wilhelm Peter Bruno Lohse, genannt Bruno Lohse,  war ein deutscher Kunsthistoriker, der ab 1941 dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in Paris angehörte. Er war der zentrale Kunstagent Görings, der zahlreiche Tauschgeschäfte mit geraubtem jüdischen Kunstbesitz organisierte, um den Reichsmarschall mit Kunst für dessen Privatsammlung in Carinhall zu versorgen.

Ausbildung und freiwilliger Kriegsdienst

Bruno Lohse wuchs nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin auf. Nach dem Abitur studierte er in Berlin und Frankfurt Sport und Kunstgeschichte. Er schloss das Studium 1933 ab und promovierte drei Jahre später in Frankfurt im Fach Kunstgeschichte. Anschließend arbeitete er im Kunsthandel. 1933 trat er der SS und 1937 der NSDAP bei. Beim Ausbruch des Krieges meldete er sich freiwillig und nahm am Feldzug gegen Polen teil. Nachdem er eine Verwundung auskuriert hatte, wurde er 1940 zum Kunstschutz nach Paris versetzt. Im Zuge dieser Tätigkeit lernte er dort wahrscheinlich Ende 1940 Hermann Göring kennen, der am 15. Dezember 1940 dessen Überstellung in seinen eigenen Wehrmachtsteil, der Luftwaffe, befahl.1 Anschließend wurde Lohse am 22. Januar 1941 zum Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg abkommandiert, um bei der Registrierung der beschlagnahmten jüdischen Kunstwerke zu helfen. Zudem beauftragte Göring ihn damit, auf dem Pariser Kunstmarkt Objekte für seine private Sammlung zu suchen.2

Tauschgeschäfte

Lohses Suche nach Kunstwerken gab den Anlass für Tauschgeschäfte, die der Einsatzstab ab 1941 in Paris mit geraubten jüdischen Kunstwerken vornahm. Lohse hatte im Februar 1941 ein damals noch Tizian zugeschriebenes Gemälde Bildnis eines Rotbärtigen Mannes, 88 x 73 cm (RM 788/Mü. 5892/MNR 266), beim deutsch-französischen Kunsthändler Gustav Rochlitz gefunden, das Göring auch kaufen wollte. Heute wird das Gemälde der Norditalienischen Schule des 16. Jahrhunderts zugeschrieben. Der Reichsmarschall lehnte jedoch den Preis als zu hoch ab. Rochlitz ließ sich nach längeren Verhandlungen schließlich am 3. März 1941 mit mehreren geraubten Werken der klassischen Moderne, die im Deutschen Reich als „entartet“ galten, für den vermeintlichen Tizian bezahlen. Über das Zustandekommen dieses Tauschgeschäfts liegen unterschiedliche Äußerungen vor: Rochlitz behauptete nach dem Krieg, von Lohse dazu gezwungen worden zu sein, die geraubten Bilder als Bezahlung zu akzeptieren.1 Gerhard Utikal, der Leiter des Einsatzstabes, gab nach dem Krieg zu Protokoll, dass die Idee zu diesem Tauschgeschäft dagegen von Rochlitz ausgegangen sei und er dieses auch in einem Brief vorgeschlagen habe.2

Der Tausch mit dem Tizian bildete den Auftakt für weitere 27 Geschäfte dieser Art, in denen der Einsatzstab bis November 1943 mindestens 93 geraubte Gemälde abgab, um für Göring und andere hochgestellte Parteiführer der NSDAP Werke Alter Meister zu erwerben. Für den Reichsmarschall ermittelte dabei Lohse 27 Werke im Pariser Kunstmarkt, von denen Rochlitz zwischen März 1941 und November 1942 zunächst 21 aufkaufte und anschließend für ein Tauschgeschäft zur Verfügung stellte. Der französische Sachverständige Jacques Beltrand schätzte die geraubten Werke im Auftrag des Einsatzstabes auf ihren Wert, bevor sie für einen Tausch bereitgestellt wurden.3 Anschließend gab der Einsatzstab diese Werke an Göring weiter, der damit die Erwerbungen bei Rochlitz bezahlte. Zu den geraubten und so weiterverkauften Objekten gehörten beispielsweise Gemälde von Georges Braque, Pablo Picasso, Camille Pissaro und Henri Matisse. Weitere Tauschgeschäfte fädelte Lohse mit dem deutschen Händler Konsul Adolf Wüster und dem Amsterdamer Händler Jan Dik Jr. (1916-2000) ein. Göring zahlte den entsprechenden, allerdings sehr niedrig angesetzten Gegenwert auf ein eigenes Sperrkonto. Bis zum Ende des Krieges weigerte sich jedoch der Reichsleiter Alfred Rosenberg, der den Einsatzstab gegründet hatte, dieses Geld anzunehmen, so dass es zu keiner abschließenden Bezahlung kam.4

Alle diese Tauschgeschäfte wurden direkt zwischen Rochlitz, dem Einsatzstab und Göring abgewickelt. Lohse hatte dabei keine Verhandlungsvollmacht, sondern stand nur als Berater zur Verfügung, der die entsprechenden Geschäfte anbahnte.5 Zu den von ihm ermittelten Werken, die der Reichsmarschall so durch Tausch erwarb, zählten beispielsweise Schule von Fontainebleau, Ruhende Venus mit Amor, 101 x 158 cm (RM 1122/Mü 5341/MNR 16) und Roeland Savery, Arche Noah, 82 x 138,5 cm (RM 1217/Mü 6779/MNR 433).

Lohses Netzwerk auf dem Kunstmarkt

Neben den Werken, die Göring durch die Tauschgeschäfte erhielt, versorgte Lohse den Reichsmarschall noch mit weiteren 53 Objekten vom französischen und niederländischen Kunstmarkt. Göring erwarb diese Werke direkt gegen eine Geldzahlung. Zu den auf diese Weise besorgten Gegenständen gehörten beispielsweise Barend van Orley, Bildnis einer jungen Frau, 29,2 x 20,5 cm (RM 1350/Mü 5973) und Pieter Coecke van Aelst Flügelaltar mit Maria und Kind, 43 x 30 cm (RM 1114/Mü 6186/MNR 393). Lohse arbeitete hier hauptsächlich mit den Pariser Kunsthändlern Allen (Ali) und Manon Loebl (Galerie Kleinberger) zusammen. Sie verkauften durch Vermittlung des Kunsthistorikers sechs Werke an Göring. Sieben Objekte veräußerte Rochlitz zudem gegen eine direkte Bezahlung an Göring. Weitere Pariser Geschäftspartner von Lohse waren Pierre Landry und Edouard Leonardi. Der Kunsthistoriker hatte bei seiner Arbeit als Kundschafter für Göring persönliche Bewegungsfreiheit und konnte zivile Kleidung tragen. Von 1941 bis 1944 besaß er ein Büro in dem Gebäude 54, Avenue d‘Iena. Auf besonderen Befehl zog er, als die „Dienststelle Westen“ des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete das Haus für die „Möbel-Aktion“ zur alleinigen Nutzung erhielt, nicht mit den übrigen Mitarbeitern des Pariser Einsatzstabes um, sondern blieb an diesem Ort.1 Angeblich erhielt er hierbei den geheimen Auftrag, die Aktivitäten des Leiters der Dienststelle, Kurt von Behr (1890-1945), zu überwachen.2

Im Zuge seiner Pariser Tätigkeit hatte Lohse auch Kontakt zu anderen deutschen Kunsthändlern. Der Münchnerin Maria Dietrich (1892-1971) verhalf er beispielsweise zum Ankauf zweier Gemälde, welche die Aufkäuferin für Hitlers „Linzer Sammlung“ erwarb. Hierbei handelte es sich um ein Werk von Hans Bocksberger (Heute: Flämisch), Die Erschaffung der Tiere (Linz 3338/Mü 4582/MNR 366) und François Boucher, Die Geburt Christi (Anbetung der Hirten) (Linz 3334/Mü 4847/MNR 823). Der Kunsthistoriker wickelte für Dietrich 1943 auch ein Tauschgeschäft mit dem Einsatzstab ab. Daneben hatte Lohse auch Kontakt zu dem deutschen Händler Hans W. Lange aus Berlin.3

Arbeitsgruppe Louvre

Neben der Tätigkeit für Göring arbeitete Lohse von 1941 an auch im Sonderstab (später: Arbeitsgruppe) „Louvre“ des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg mit. Zu seinen Aufgaben gehörte hier die Registrierung und Katalogisierung der geraubten jüdischen Kunstwerke, bevor diese ins Deutsche Reich gebracht wurden. Seine fachliche Kompetenz führte dazu, dass Lohse im Herbst 1942 zusammen mit dem Kunsthistoriker Walter Borchers die wissenschaftliche Leitung der Arbeitsgruppe „Louvre“ übernahm. Robert Scholz ernannte sie zu seinen Stellvertretern in Paris. Dienstrechtlicher Leiter im Jeu de Paume wurde Hermann von Ingram (1903-1995). Nach Auseinandersetzungen mit Borchers übernahm Lohse im Herbst 1943 die alleinige wissenschaftliche Leitung der Einheit. Obwohl er Mitarbeiter der Rauborganisation war, trat er jedoch bei dieser nie in ein Angestelltenverhältnis ein. Er blieb bis zum Kriegsende Angehöriger der Luftwaffe.1 Darüber hinaus erhielt er ab 1943 die Aufgabe, beschlagnahmte Kunstwerke zu begutachten, die im Zuge der „Möbel-Aktion“ an den Einsatzstab in Paris geliefert wurden. Lohse entschied hierbei, welche Gegenstände der Einsatzstab übernahm und welche Objekte an die „Möbel-Aktion“ zurückgeschickt wurden, weil sie nur minderwertigen künstlerischen Wert besaßen.2

Nachdem im Januar 1943 die Leitung des Einsatzstabes entschieden hatte, die Zusammenarbeit mit Hermann Göring zu verringern und diesem keine beschlagnahmte Kunst aus Frankreich mehr zur Verfügung zu stellen, musste Lohse die Aufgabe übernehmen, den Reichsmarschall über diesen Vorgang zu unterrichten.3 Göring gab daraufhin die Anweisung, auf anderen Wegen nach Kunst für ihn zu suchen.

Lohses Rolle bei der Konfiszierung der Sammlung Schloss

Zu den Bemühungen Lohses, nun vermehrt Kunst für den Reichsmarschall zu kaufen, gehörte auch der Zwangsverkauf der französischen Sammlung Adolph Schloss.1 Die jüdischen Besitzer der Sammlung hatten die 333 Gemälde zumeist flämischer und niederländischer Meister 1940 in den zunächst unbesetzten Teil Frankreichs gebracht. Nachdem im November 1942 die deutsche Wehrmacht auch diesen Teil des Landes besetzt hatte, spürte von Behr die Sammlung im Schloss Chambon auf und bot sie über Lohse Göring zum Kauf an. Anschließend versuchte am 13. April 1943 eine französische Bande, die mit der deutschen Gestapo zusammenarbeitete, die Gemälde nach Paris zu bringen. Die französische Polizei verhinderte jedoch diese Aktion. Die französische Vichy-Regierung, die mit dem Deutschen Reich kollaborierte, übernahm schließlich die gesamte Sammlung. Nach längeren Verhandlungen einigten sich die deutsche Botschaft in Paris und die französische Regierung darauf, die Gemälde in die Hauptstadt zu bringen. In Paris entnahmen die Mitarbeiter des Louvre zunächst 49 Bilder aus der Sammlung. Die Besitzer der Sammlung wurden zum Verkauf genötigt. Die restlichen Bilder stellte Lohse am 2. November 1943 in den Räumen des Jeu de Paume auf. Göring verzichtete darauf, Teile der Sammlung zu erwerben, weil ihm angeblich das Geld für den geforderten Kaufpreis von 50 Millionen F fehlte. Daraufhin wählte Hitlers Beauftragter Erhard Göpel insgesamt 262 Gemälde für die „Linzer Sammlung“ aus. Einige Bilder erhielt der Kunsthändler Jean François Lefranc als Belohnung für seine Auskünfte über das Versteck der Sammlung. Weitere Gemälde wurden an einen Händler verkauft. Der Einsatzstab musste die für Hitler reservierte Auswahl katalogisieren.2 Teile der Sammlung gingen 1945 in München bei der Plünderung des „Führerbaues“ verloren und fehlen bis heute.

Indizien weisen darauf hin, dass Lohse 1943 auch an der Beschlagnahmung der Sammlungen Fritz Gutmann (1886-1944) und August Liebmann Mayer (1885-1944) beteiligt war.3 Zudem gibt es Berichte von Zeitzeugen, die vermuten lassen, dass der Kunsthistoriker die Zeit in Paris nutzte, um für sich selbst Kunstwerke zu erwerben. So tauchten 1949 vier Werke in Bayern auf, die er dort bei Kriegsende versteckt hatte. Diese Werke wiesen damals jedoch keine Verbindung zu einem verfolgungsbedingten Entzug von Eigentum auf.4

Kriegsende, Verhaftung und Verschleierung seiner Tätigkeit

Im März 1944 wurde Lohse wieder zur Wehrmacht zurück befohlen und gab seine Tätigkeit beim Einsatzstab auf. Er war jetzt nur noch für Göring aktiv. Am 19. August 1944 kehrte er nach Berlin zurück, wurde aber aufgrund einer Erkrankung nicht zur Front geschickt. Im Februar 1945 ließ er sich in ein Lazarett in Füssen (Bayern) versetzen, um hier in der Nähe des Kunstdepots des Einsatzstabes im Schloss Neuschwanstein arbeiten zu können. Von hier aus überführte er zusammen mit dem Kunsthistoriker Günther Schiedlaudsky, der das Depot im Schloss Neuschwanstein leitete, die wissenschaftliche Kartei und andere wichtige Unterlagen über die Beschlagnahmungen des Einsatzstabes von Kogl (Österreich) nach Bayern. Auf diese Weise wollten die beiden Wissenschaftler sicherstellen, dass die Dokumente über den Kunstraub nicht in die Hände der von Osten vorrückenden Sowjets fielen. Nach der Besetzung Füssens übergab Lohse am 2. Mai 1945 die Unterlagen den alliierten Kunstschutzoffizieren. Zwei Tage später wurde er zusammen mit Schiedlaudsky in Haft genommen.1

Aufgrund seiner Tätigkeit für Göring und der Beteiligung an den Tauschgeschäften des Einsatzstabes geriet Lohse schnell in den Fokus der alliierten Kunstschutzoffiziere, die in dem Kunsthistoriker einen Haupttäter des deutschen Kunstraubes vermuteten. Lohse vermochte es aber nachzuweisen, dass er mehrfach versucht hatte, den Einsatzstab zu verlassen, um zur Front zurück- zukehren, und sich daher, so argumentierte er, gegen seinen Willen an dem System des Kunstraubes beteiligen musste. Zudem gelang es ihm, sein frühes Engagement für Hermann Göring zu verschleiern.2 Die alliierten Ermittler konnten Lohse keine Beteiligung an einer Beschlagnahmung nachweisen.3 Darüber hinaus versicherte der Kunsthistoriker, dass er sich nie persönlich bereichert hatte und in seiner Pariser Zeit einigen Juden geholfen hatte, vor der nationalsozialistischen Verfolgung zu entkommen. Zu den Personen, denen er so half, gehörten nach seinen Angaben die Händler Allen und Manon Loebl, Hugo Engel und der deutsche Kunsthistoriker Max Friedländer. Auch sein ehemaliger Kollege Borchers bestätigte nun, dass Lohse ihn nach defätistischen Äußerungen vor der Gestapo bewahrt hatte.4 Lohse selbst musste sich während des Krieges auch vor deutschen Behörden wegen seiner Unterstützung von Juden und Freundlichkeit gegenüber den Franzosen einem Disziplinarverfahren stellen, das er jedoch überstand. Da Zeitzeugen seine Angaben bestätigten, verzichteten die amerikanischen Behörden auf eine weitere Anklage und lieferten Lohse 1948 den französischen Behörden aus.5 Ein anschließendes Verfahren vor einem französischen Militärgericht endete 1950 für ihn und andere deutsche Kunsthändler mit einem Freispruch.6

Lohse ließ sich nach seiner Freilassung in München nieder, arbeitete als „Kunstberater“ und lebte vom An- und Verkauf von Bildern, ohne jedoch ein Ladengeschäft zu besitzen. Er unterhielt ein enges Netzwerk zu Händlern, mit denen er schon während des Krieges in Verbindung gestanden hatte.7 Seine Tätigkeiten während und nach dem Krieg gerieten nach seinem Tod ans Licht der Öffentlichkeit. Es stellte sich heraus, dass in der Schweiz und Liechtenstein mehrere Bilder in Schließfächern lagerten, die Teil seines Besitzes waren. Aus diesen Depots verkaufte er zwischen 1983 und 2004 einige Objekte. Weitere Nachforschungen ergaben, dass zwei von den Gemälden, die in der Schweiz lagerten, aus einer enteigneten jüdischen Sammlung stammten. Dabei handelte es sich um das Werk von Camille Pissarro, Le Quai Malaquaise et l‘Institut, und von Jan Meerhout Ansicht einer Stadt.8 Die Züricher und Münchener Staatsanwaltschaften begannen daraufhin zu ermitteln. Die bisherige Untersuchung der 30 Gemälde, die der Kunsthändler in Deutschland und der Schweiz hinterlassen hatte, ergab, dass möglicherweise noch ein weiteres von ihnen aus einer Sammlung stammte, die einst der ERR beschlagnahmt hatte.9