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Aktiver Nationalsozialist seit der Machtübernahme von 1933, war Kurt von Behr ein Haupttäter beim Kunstraub des ERR. Seit 1941 kontrollierte er alle „Einsatzstäbe“ in den besetzten Gebieten Frankreichs, Belgien und den Niederlanden, die die Beschlagnahmungen des Kulturguts organisierten.

Militärischer Werdegang und Mitwirken beim ERR

Kurt von Behr entstammte einer mecklenburgischen Adelsfamilie. Er erhielt eine Ausbildung zum Landwirt und nahm als Offizier am Ersten Weltkrieg teil.1 Ende der 1920er Jahre lebte er in Venedig und arbeitete als Dolmetscher. 1929 trat er dem „Stahlhelm“ bei.2 Später arbeitete er wiederholt für den Herzog von Coburg als Adjutant. Der Herzog verlieh ihm in dieser Zeit in seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen Roten Kreuzes den Rang eines Oberstfeldführers. Am 1. Juli 1933 trat von Behr der NSDAP bei. Ab Ende 1934 ist zudem eine Tätigkeit für die Dienststelle des Außenpoltischen Amtes der NSDAP nachweisbar. Diese Dienstelle leitete der Parteiideologe Alfred Rosenberg. Nach mehreren Auslandseinsätzen arbeitete von Behr innerhalb dieser Organisation 1940 für den Leiter des Amt “Westen“, Georg Ebert, als Assistent. Ebert baute im Juli 1940 in Paris im Auftrag von Rosenberg den ERR auf.3 Von Behr war bei dieser Organisation, die Kulturgüter in West- und später auch in Osteuropa raubte, von ihrer Gründung an beteiligt.

Görings Gehilfe

Von Behr bekleidete vom Juli 1940 bis Februar 1941 zunächst das Amt des stellvertretenden Leiters der Hauptarbeitsgruppe “Frankreich“. Zudem leitete er in Personalunion den Sonderstab “Louvre“ des ERR.1 Dieser Zweig des Einsatzstabes beschlagnahmte zunächst in Paris und später in ganz Frankreich Kunstwerke aus jüdischen Sammlungen. Die beschlagnahmten Gegenstände wurden zunächst in ein Lager im Louvre gebracht. Anschließend gelangten sie in das benachbarte Museum Jeu de Paume, wo MitarbeiterInnen des Einsatzstabes sie registrierten und dokumentierten. In dem Museum in den Tuilerien fand am 4. November 1940 auch zum ersten Mal eine Ausstellung mit geraubten Gegenständen statt, unter denen sich Reichsmarschall Hermann Göring Objekte für seine eigene Kunstsammlung aussuchte. Bis zum November 1942 organisierte von Behr noch 22 weitere solcher Ausstellungen, bei denen Göring insgesamt mehr als 800 Gemälde, Skulpturen, Teppiche und kunsthandwerkliche Gegenstände entnahm. Aufgrund dieser Tätigkeit galt von Behr schon früh als ein Erfüllungsgehilfe Görings beim Kunstraub.2

Im Frühjahr 1941 übernahm von Behr neben der Leitung des Sonderstabes „Louvre“ zusätzlich die Kontrolle aller Einsatzstäbe in Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Er übte dieses Amt vermutlich als Leiter der Hauptarbeitsgruppe “Frankreich“ des ERR aus. In dieser Zeit begann von Behr auch damit, Tauschaufträge für Göring auszuführen. Der erste Kunsttausch fand am 3. März 1941 statt. Bei diesen Geschäften setzte der Einsatzstab geraubte Gemälde von Künstlern der Klassischen Moderne ab und erhielt dafür auf dem Kunstmarkt erworbene Werke alter Meister. Die Maler der dabei abgegebenen Werke wie beispielsweise Pablo Picasso, Henri Matisse, Georges Braque und Amadeo Modigliani galten im Deutschen Reich als „entartet“ und wurden deshalb von den Leitern des Einsatzstabes aus ideologischen Gründen abgelehnt.3

Zwischen März 1941 und November 1943 fanden insgesamt 28 solcher Tauschgeschäfte statt. Dabei setzte der Einsatzstab mindestens 93 Gemälde ab.4 Hauptabnehmer für die geraubten Werke und Lieferant von alten Meistern war der deutsche Kunsthändler Gustav Rochlitz, der sich schon viele Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich niedergelassen hatte. Daneben traten die örtlichen Pariser Kunsthändler Ali (Allen) Loebl, Arthur Pfannstiel, Max Stoecklin und Konsul Adolf Wüster als Geschäftspartner auf. Auch die auswärtigen Aufkäufer Maria Almas-Dietrich (München), Alfred Boedecker (Frankfurt), Jan Dik (Amsterdam) und Alexander von Frey (Zürich) beteiligten sich an diesen Tauschgeschäften. Als leitender Mitarbeiter des Einsatzstabes in Paris unterzeichnete von Behr bis zum November 1942 die meisten der diesen Geschäften zu Grunde liegenden Verträge.5 Bis heute ist der Verbleib von 25 Gemälden unbekannt, die der Einsatzstab bei diesen Tauschgeschäften veräußerte.6

Leitung der „Dienststelle Westen“

Am 25. März 1942 gründete Rosenberg zusätzlich zum ERR die Dienststelle “Westen“ in Paris. Sie war eine Außenstelle seines Ministeriums für die besetzten Ostgebiete und erhielt den Auftrag, im Zuge der sogenannten „Möbel-Aktion“ (auch: „M-Aktion“) in Frankreich den Hausrat von deportierten Jüdinnen und Juden zu beschlagnahmen. Von Behr übernahm im Mai 1942 die Leitung dieser Dienststelle und gab seine Funktion als Leiter der Einsatzstäbe in Westeuropa und des Sonderstabes „Louvre“ auf. Er übernahm stattdessen die Funktion eines „Inspekteur“ des Einsatzstabes, um mit der Organisation verbunden zu bleiben.1

In der folgenden Zeit mischte sich von Behr neben seiner Aktivität für die „M-Aktion“ weiter in die Geschäfte von Rosenbergs Dienststelle im Jeu de Paume ein. Er sorgte weiter dafür, dass Göring in unbegrenztem Maße Gegenstände aus dem beschlagnahmten Kunstbesitz aussuchen konnte. Seine Tätigkeit stieß im zunehmenden Maße auf Widerspruch von Robert Scholz, der als Leiter des Sonderstabes „Bildende Kunst“ seit dem Frühjahr 1942 für alle künstlerischen Belange im Einsatzstab zuständig war. Scholz wollte 1942 die Beschlagnahmungen beenden, während von Behr weiter darauf drängte, diese auszuweiten.2 Erst nach der deutschen Niederlage in Stalingrad entschied sich Rosenberg, in den Machtkampf zwischen den beiden Funktionären einzugreifen. Er ließ durch den Stabsleiter Gerhard Utikal den gesamten Einsatzstab umorganisieren und von Behr zum Rücktritt drängen. Der Adelige schied Ende Januar 1943 endgültig aus dem Einsatzstab aus. Scholz übernahm stattdessen die vollständige Kontrolle der jetzt Arbeitsgruppe “Louvre“ (AGL) genannten Pariser Dienstelle und überwachte nun alle Beschlagnahmungen von Kunstwerken. Im Zuge dieser Tätigkeit unterband er die weitere Abgabe von Kunstwerken an Göring.3

Die „M-Aktion“

In der folgenden Zeit konzentrierte sich von Behr auf seine Tätigkeit als Leiter der Dienststelle “Westen“ des Ostministeriums bzw. als Leiter der „M-Aktion“. Die Arbeit seines Erfassungskommandos richtete sich nach der bisherigen Vorgehensweise des Einsatzstabes. Die Dienststelle ermittelte, teilweise in Zusammenarbeit mit ortsansässigen Informanten, die Wohnungen von deportierten Jüdinnen und Juden. In der Folge wurde deren Inhalt vom deutschen Sicherheitsdienst (SD) beschlagnahmt. Die Dienstelle “Westen“ ließ anschließend mit Hilfe von französischen Speditionen den so aufgefundenen Hausrat in Zwischenlager bringen.1 In Paris bestanden mehrere solcher Zwischenlager. In ihnen sortierten französische Zwangsarbeiter die angelieferten Möbel und andere Haushaltsgegenstände. Sie trennten Objekte, die versandt werden sollten, von denen, die an Ort und Stelle in Paris verkauft werden sollten. Zudem befanden sich in den Lagern auch Werkstätten für Reparaturen.2 Im Verlauf des Jahres 1942 dehnte die Dienststelle “Westen“ ihre Beschlagnahmungen auch auf Belgien und die Niederlande aus.3

Im Zuge der „M-Aktion“ beschlagnahmten von Behrs MitarbeiterInnen auch Musikinstrumente, Gemälde und kunsthandwerkliche Objekte. Gemälde und Kunsthandwerk stellten sie dem ERR zur Verfügung, der die darunter befindlichen hochwertigen Stücke aussortierte und sie in seine Lager für beschlagnahmte Kunst übernahm.4 Musikinstrumente, hier besonders Klaviere, brachten die Angestellten der Dienststelle in ein besonderes Lager, das wiederum ein Mitarbeiter des Einsatzstabes leitete, der Spezialist für musikalische Fragen war. Der Einsatzstab übernahm von hier aus die Aufgabe, die Instrumente ins Deutsche Reich zu bringen.5

Waren die beschlagnahmten Einrichtungsgegenstände anfangs dafür vorgesehen, als Ausstattungen für Diensträume des Ostministeriums in den besetzten sowjetischen Gebieten zu dienen, so änderte Hitler diese Strategie später: Da die alliierten Luftangriffe auf deutsche Städte im Westen zunahmen, wurden immer mehr deutsche Zivilpersonen Opfer des Luftkrieges und verloren ihr Hab und Gut. Aus diesem Grunde wies der Diktator Ende Oktober 1942 endgültig an, die beschlagnahmten Möbel in Westdeutschland zu verteilen. Die Dienststelle “Westen“ verkaufte so ab November 1942 Hausrat in westdeutschen Städten an die Opfer des Bombenkrieges zu sehr günstigen Preisen.6 Neben den deutschen Opfern des Bombenkrieges gab die Dienstelle auch Möbel an verdiente Parteigänger des Systems und an hochrangig dekorierte Soldaten der Wehrmacht ab. Zusätzlich zu der Räumung von jüdischen Wohnungen dehnte die „M-Aktion“ ihre Erfassung auch auf Umzugscontainer von EmigrantInnen aus, die aufgrund des Krieges in den Häfen von Antwerpen, Rotterdam oder Marseille hängengeblieben waren.7

Neben dem Verkauf von Hausrat vor Ort in Paris organisierte von Behr auch den Verkauf von Kunstwerken durch die „M-Aktion“. Dabei handelte es sich zunächst um Objekte, die aus den Räumungen der Wohnungen stammten und für einen Transport nach Deutschland nicht in Frage kamen. Hierzu zählten vor allen Dingen Werke der sogenannten „Entarteten Kunst“.8 Darüber hinaus gab es Objekte, welche der Einsatzstab aus den Beschlagnahmungen von Wohnungen übernommen und registriert hatte, aber nach eingehender Untersuchung nicht länger behalten wollte. Zudem deuten die Eintragungen in den Erfassungskarten des ERR darauf hin, dass die „M-Aktion“ auch Werke zur Verwertung erhielt, die direkt aus den Kunst-Beschlagnahmungen von Rosenbergs MitarbeiterInnen stammten. Für insgesamt mehr als 380 Gemälde und Grafiken empfahl laut den erhaltenen Karteikarten die AGL einen solchen Verkauf durch die „M-Aktion“. Dazu gehörte beispielsweise Marc Chagalls Aquarell Blick in ein Dorf, im Vordergrund Bauer hinter einem blauen Hahn herlaufend, 48,5 x 40,5 cm (MA-B 793), Raoul Dufys Lithografie Drei Segelschiffe und drei Dampfer auf dem Meer, 38 x 46,7 cm (MA-B 791), und das Pastell-Gemälde Frauen und Reiter am Strand von Max Liebermann, 12 x 19 cm (MA-B 700). Bei weiteren über 100 Objekten, deren Verbleib ebenfalls bis heute unbekannt ist, sprachen sich die Angehörigen des Einsatzstabes für eine Abgabe durch ein Tauschgeschäft aus.9 Zu den so zum Tausch vorgesehenen Objekten zählte beispielsweise das Gemälde Frau mit rotem Kleid auf einem Stuhle sitzend mit Mann im Hintergrund von Vincent van Gogh, 34 x 24 cm, aus der Sammlung Léonce Bernheim/Brissac. Diese Gegenstände wurden nach dem Krieg nicht mehr aufgefunden. Es ist bis heute unbekannt, wie viele solcher Verkaufs- und Tauschgeschäfte von Behr tatsächlich durchführte. Bekannt ist, dass er 1943 für seine Dienststelle Kunstwerke aus Beschlagnahmungen im Pariser Hôtel Drouot versteigern ließ.10 Es lässt sich zudem ein größerer Verkauf der „M-Aktion“ für das Jahr 1944 in den Niederlanden nachweisen.11

Ende und Bilanz der „M-Aktion“

Im Frühjahr 1944 dehnte von Behr die Beschlagnahmungen im Zuge der „M-Aktion“ auch auf Südfrankreich aus. Die Dienstelle “Westen“ arbeitete hier mit den Angehörigen des Einsatzstabes zusammen, die ihr Augenmerk bei den Durchsuchungen besonders auf Kunstwerke und Bücher richteten.1 Die Arbeit der Dienststelle hörte nach der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie auf. Rosenberg gab von Behr am 14. Juli den Auftrag, alle zu diesem Zeitpunkt noch in Frankreich befindlichen Güter ins Deutsche Reich abzutransportieren. Am 31. Juli beendete von Behr offiziell alle Tätigkeiten der Dienststelle “Westen“. Zwischen Mai 1942 und Ende Juli 1944 hatten seine MitarbeiterInnen bereits mehr als 69.000 Wohnungen in Frankreich durchsucht. Am 30. August 1944 endeten auch die entsprechenden Tätigkeiten in Belgien und den Niederlanden. Von Behr ließ sich am 13. September 1944 im ehemaligen Kloster Banz (Bad Staffelstein), das der Einsatzstab als Depot nutzte, nieder. Auf dem Weg dorthin vernichtete er alle Unterlagen der „M-Aktion“. Restbestände an Möbeln und Hausrat ließ er zuvor noch in Paris an das Rote Kreuz übergeben.2

Am 15. Januar 1945 legte von Behr Rosenberg seinen Abschlussbericht über die „M-Aktion“ vor. Die Dienststelle “Westen” hatte insgesamt 71.619 jüdische Wohnungen in den besetzten westeuropäischen Ländern durchsucht und Hausrat im Volumen von über 29.436 Eisenbahnwaggons ins Deutsche Reich gebracht. Dies entsprach einer Menge von 735 Zügen mit jeweils 40 Waggons. Daneben erbeutete seine Dienststelle Devisen in Höhe von elf Millionen Reichsmark.3 Bis zum Kriegsende harrten von Behr mit seiner Ehefrau in Banz aus, wo sie sich kurz nach dem Eintreffen der US-Truppen beide das Leben nahmen.4