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Die Münchner Kunsthändlerin Maria Almas Dietrich war eine der aktivsten EinkäuferInnen auf dem französischen Kunstmarkt während der Besatzungszeit. Sie hatte persönlichen Kontakt zu Adolf Hitler und profitierte während der Kriegsjahre von einem umfangreichen Netzwerk von Händlern und Agenten und reiste selbst mehrfach nach Paris.

Kunsthändlerin in München mit Kontakt zu Hitler

Maria Dietrich war eine seit 1918 aktive Kunst- und Antiquitätenhändlerin und Inhaberin der Münchner Galerie Almas. Der Name Almas geht zurück auf ihren türkischstämmigen Ehemann Ali Almas, den sie im Jahr der Geschäftsgründung 1921 heiratete. Mit der Eheschließung wurde Maria Dietrich türkische Staatsbürgerin und konvertierte zum jüdischen Glauben. Sie trat jedoch 1933 aus der Israelischen Kultusgemeinde aus. 1937 ließ sie sich scheiden und bemühte sich um ihre Wiedereinbürgerung, die ihr 1940 gestattet wurde.1 Ihre unehelich geborene Tochter Mimi Dietrich (1910-2010, verheiratete tho Rahde) unterstützte ihre Mutter ab circa 1930 im Geschäft. Dietrich war nicht Mitglied der NSDAP, förderte jedoch finanziell die SS und die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV).2 Über ihre Bekanntschaft mit dem Führer-Fotografen Heinrich Hoffmann bekam sie direkten Zugang zu Hitler, für den sie seit 1935 Kunstverkäufe tätigte.3

Netzwerke während der Okkupation in Paris

Wenig deutet darauf hin, dass Maria Dietrich bereits vor der Okkupation in Paris tätig war.1 Doch bereits im Herbst des Jahres 1940 erreichten Angebote diverser KunsthändlerInnen aus Paris die Galerie Almas in München.2 Die erste Reise von Maria Dietrich folgte im Dezember 1940. Sie ist u. a. durch Belege der ersten Transaktion am 17. Dezember 1940 dokumentiert.3 Die folgenden Jahre 1941 und 1942 können als Höhepunkte ihrer Tätigkeit in Paris bezeichnet werden, da mindestens elf Reisen allein in diesen beiden Jahren erfolgten. Die erhaltenen Devisenunterlagen bezeugen, dass Maria Dietrich zwischen Ende 1940 und Anfang 1944 mindestens 15 Mal nach Paris reiste.4

Bislang ging man davon aus, dass Maria Dietrich während ihrer Aufenthalte in Frankreich 320 Kunstgegenstände erwarb. Diese Zahl muss jedoch nach oben korrigiert werden. Anhand der Rechnungen ist nachweisbar, dass Dietrich rund 450 Objekte in Paris kaufte. Dabei handelte es sich um deutsche, französische, italienische und niederländische Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Skulpturen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, aber auch um Asiatika, ethnografische Objekte, Musikinstrumente, Möbel und Porzellan. Die Auswertung der überlieferten Rechnungen, Quittungen und Listen ergab, dass sie an diese Objekte durch etwa 200 Transaktionen mit mehr als 100 HändlerInnen, VermittlerInnen und Privatpersonen gelangte.5 Etwa 110 der in Frankreich erworbenen Kunstwerke wurden anschließend an den „Sonderauftrag Linz“ geliefert, was etwa zehn Prozent des Gesamtumfangs der von Dietrich an Linz veräußerten Werke entspricht.

Von Maria Dietrichs Einkäufen in Paris profitierten unter anderem auch das Landesmuseum Bonn, das Ledermuseum in Offenbach, die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und die Musikinstrumentensammlung in München sowie die Sammlung des NSDAP-Fotografen Heinrich Hoffmann. Verkäufe an Personen außerhalb des NS-Zirkels lassen sich aufgrund fehlender Geschäftsbücher der Galerie Almas nicht nachweisen.

Kontakte in Frankreich

Unter jenen 100 Kontaktpersonen fanden sich klassische Händler (wie Gustav Rochlitz), Privatbesitzer (wie Alexandre Vatchnadzé, Paul Jurschewitz, Victor Mandl, Alexandra Birtschansky, Roger Dequoy), für die Eigentümer tätige Agenten (wie Alexandre Bagenoff/Paul Jurschewitz, Roger Dequoy) und Vermittler (wie Thérèse Vatchnadzé, Paul Jurschewitz, Alexandra Birtschansky). Eine eindeutige Kategorisierung ist in den seltensten Fällen möglich, so dass die hier vorgenommene Einordnung als grobe Einteilung der Tätigkeit(en) der jeweiligen Person für Maria Dietrich verstanden werden sollte, wobei mehrere, überschneidende Funktionen möglich sind.

Besonders auffällig ist, dass sich in dem zu betrachtenden Netzwerk mehrere aus Russland bzw. der Sowjetunion stammende Personen befinden, wie die Ehepaare Vatchnadzé und Birtschansky sowie Paul Jurschewitz. Zu den Kunsthändlern, auf die Dietrich vermeintlich Druck ausübte, da sie als jüdisch galten, können Victor Mandl, Etienne Donath und Zacharie Birtschansky gezählt werden, die entsprechende Begebenheiten in der Nachkriegszeit zu ihrer eigenen vor dem Comité de confiscation des profits illicites [Komitee zur Beschlagnahmung unlauterer Gewinne] Entlastung aussagten.1

Der mit Abstand wichtigste Kunsthändler für Maria Dietrich war Gustav Rochlitz: Zwischen 1940 und 1942 führten Rochlitz und Dietrich mindestens 13 Transaktionen miteinander durch, in die wenigstens 60 Objekte involviert waren.

Handel mit französischer Raubkunst

Die Verwicklung Dietrichs in den Handel mit französischer Raubkunst ist in einigen Fällen bekannt. Am 28. Oktober 1942 schloss sie mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) einen Tauschvertrag ab: Der ERR tauschte das Ölgemälde Hafen von Honfleur im Regen von Camille Pissarro mit einem Wert von 200.000 F gegen zwei als französisch bezeichnete Tafeln mit den Titeln Geißelung Christi und Gefangennahme Christi vom Anfang des 16. Jahrhunderts (dort Anton Woensam, genannt Worms, zugeschrieben) ein1. Eventuell handelte es sich hierbei um Werke von Barthel Bruyn, die Dietrich am 19. September 1941 bei Gustav Rochlitz erstanden hatte. Die Restitution des Gemäldes von Pissarro an die Familie Max Heilbronn konnte bereits 1946 erfolgen.2

Aus der beschlagnahmten Sammlung Schloss erwarb Maria Dietrich Davidsz de Heem Fleurs et fruits und Willem Corneliusz Duyster Chevalier et dame lisant une lettre.3 An den „Sonderauftrag Linz“ lieferte sie zudem einige Werke, die als NS-verfolgungsbedingt entzogen gelten: Joos van Cleves bzw. Jan van Scorels Männliches Bildnis in schwarzem Mantel mit Pelzkragen (ehem. Sammlung Martin Bromberg, 2016 an die Erben restituiert) und Gobelinentwürfe von David Teniers II d. J.  (ehem. Sammlung John Jaffé, 2005 an die Erben restituiert).4

Wenn die Werke nicht direkt aus dem Eigentum der jeweiligen VerkäuferInnen stammten, ist die Herkunft bisher nur in wenigen Fällen ermittelt worden. Daher kann nicht seriös geschätzt werden, wie hoch der Anteil an NS-verfolgungsbedingt entzogenen, in Frankreich durch Maria Dietrich zwischen 1940 und 1944 erworbenen Kunstwerken tatsächlich ist. Es lässt sich allerdings feststellen, dass sich bislang unter den in Deutschland, Österreich und den Niederlanden erworbenen Kunstwerken verhältnismäßig mehr Raubkunst identifizieren ließ.

Enge Kontakte von Maria Dietrich zur Deutschen Botschaft oder der Militärverwaltung in Paris sind nicht nachweisbar. Der Kunstschutz war, gemäß seines Auftrages, in ihre Devisenangelegenheiten sowie in die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen eingebunden.5

Nach dem Krieg

Nach der letzten Parisreise im Frühjahr 1944 und der Zerstörung der Kunsthandlung im April 1944 kamen die Geschäfte Anfang 1945 kurzfristig zum Erliegen. Im Anschluss daran/Später wurden diese sukzessive von Marias Tochter Mimi Dietrich (nun verheiratete tho Rahde) übernommen, die ab 1951 (bis zur Schließung 1992) auch Inhaberin der Kunsthandlung war.1

Die Behauptung von Maria Dietrich und Mimi tho Rahde in der Nachkriegszeit, alle in Frankreich erworbenen Bilder wären verkauft worden, stimmt nicht. Einige der nicht verkauften Kunstwerke waren durch die Galerie Almas ausgelagert worden. Nach Kriegsende erhielten die Frauen sogar Kunstgegenstände ausgehändigt, die offensichtlich aus Frankreich stammten.2 Geschäftliche Kontakte nach Frankreich sind für die Zeit nach 1945 bisher nicht nachgewiesen.

Unter den Vertretern des deutschen Kunsthandels in Paris während der Okkupation, war – neben Kunsthändlern wie Karl Haberstock und Hildebrand Gurlitt – wohl niemand so aktiv wie Maria Dietrich. Innerhalb kürzester Zeit baute sie in Paris ein riesiges Netzwerk auf, das sie mit (teilweise wohl stark überteuerten)3 Kunstgegenständen unterschiedlichster Qualität versorgte.