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02/12/2021 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Nachdem er 1935 seine Berliner Galerie schließen und 1937 aus Deutschland fliehen musste, wurde Arthur Goldschmidt einer der Geschäftsführer der Firma „Paul Graupe & Cie“ in Paris. Bevor er 1941 nach Havanna ging, stand er in Kontakt mit Karl Haberstock und Hans Wendland.

Die Firma J. & S. Goldschmidt (1907-1937)

Mitte des 19. Jh. hatten die beiden Brüder Jacob und Selig Goldschmidt in Frankfurt ein Geschäft eröffnet, um mit antiquarischen Büchern, Judaika und Kunstgegenständen zu handeln. Im Laufe der Jahrzehnte baute das Familienunternehmen „J. & S. Goldschmidt“ sich einen Kundenstamm aus Privatpersonen und Händlern auf, sein Sitz war in einem ansehnlichen Haus an der Kaiserstraße und es hatte 1905, mit Blick auf die Marktentwicklungen in den USA, eine Filiale in New York eröffnet.1 Arthur Goldschmidt, der Enkel eines der beiden Gründer, trat als Berufsanfänger 1907 in das Frankfurter Stammhaus ein und ging dann an die neue, 1921 in Berlin gegründete Zweigstelle an der Victoriastraße, im Tiergarten-Viertel, in dem damals bereits ein ganze Reihe namhafter Galerien ansässig waren.2 Die Firma hatte beste Voraussetzungen, ihren guten Ruf zu konsolidieren und es eröffneten sich ihr neue Perspektiven mit ersten Anzeichen einer einmaligen Gelegenheit. Die Firma „J. & S. Goldschmidt“ hielt nämlich Anteile an dem Konsortium, das gemeinschaftlich außergewöhnliche Stücke aus dem Welfenschatz erworben hatte, die der Herzog von Braunschweig Anfang Oktober 1929 verkauft hatte. Die durch den Börsenkrach in New York am Ende desselben Monats hervorgerufene Wirtschaftskrise vereitelte die geplante Fortsetzung des Geschäfts.

Die Lage wurde noch düsterer, als die judenfeindlichen Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes griffen, die darauf abzielten, Juden vom Wirtschaftsleben auszuschließen. In dieser ungünstigen Lage schloss Arthur Goldschmidt 1935 die Räume an der Victoriastraße und ließ sich gleich in der Nähe nieder, an der Bellevuestraße, als Untermieter eines großen Berliner Auktionshauses, und zwar dem von Paul Graupe, mit dem er von da an noch enger zusammenarbeitete.3 Im Januar 1937 wurde die Leitung der Berliner Zweigstelle Hertha Sohne übertragen, die die Firma bereits gut kannte, da sie zuvor als Sekretärin für diese tätig gewesen war.4 Als die Reichskammer der bildenden Künstler erfuhr, dass Goldschmidt sich in Frankreich niedergelassen hatte, teilte sie ihm im November 1937 mit, dass er dadurch nicht länger die erforderlichen Bedingungen erfülle, um weiterhin als Händler angemeldet zu bleiben, daher sei ihm von nun an jegliche Handelsoperation in Deutschland untersagt und er müsse innerhalb von zwei Monaten die Galerien in Frankfurt und Berlin schließen. Anfang des Jahres 1938 leitete der Rechtsanwalt Reinhard Moral die Schritte für die Löschung aus dem Handelsregister ein. Dies war das Ende des 80 Jahre zuvor in Frankfurt gegründeten Unternehmens „J. & S. Goldschmidt“.

Die Firma Paul Graupe & Cie (1937-1941)

Arthur Goldschmidt hatte Berlin tatsächlich verlassen und war nach kurzem Aufenthalt in London im Mai 1937 in Paris angekommen. Um seine Geschäftstätigkeit wieder aufnehmen zu können, erwarb er Anteile an der am 8. Juli 1937 gegründeten GmbH „Paul Graupe & Cie“, deren Geschäftsziel im Handel mit Gemälden und Kunstgegenständen bestand.1 Als Firmenkapital wurden 200.000 F angegeben, was 400 Anteilen zu je 500 F entsprach, die unter fünf Geschäftspartnern aufgeteilt waren: Isidor Riemer (220 Anteile), Paul Graupe (80 Anteile), Arthur Goldschmidt (50 Anteile), Alice Reis (25 Anteile) und Käthe Simon (25 Anteile).2 Die eigentliche Leitung des Unternehmens lag in den Händen von drei GeschäftsführerInnen, die im Frühjahr 1938 Paul Graupe, Käthe Simon und Arthur Goldschmidt hießen. Die Geschäftsführenden hatten weitestgehende Vollmachten, um im Namen des Unternehmens handeln zu können und waren somit befugt, eigenständig Geschäfte abzuschließen. Allerdings war vorgesehen, dass es der Unterschrift zweier Geschäftsführender bedurfte, um bindend für das Unternehmen zu zeichnen. Diese Vorsichtsmaßnahme führte Paul Graupe später an, um gewisse von Arthur Goldschmidt getätigte Geschäftsabschlüsse anzufechten.

Die Firma Paul Graupe & Cie konnte noch vor Kriegsbeginn einige Geschäfte abschließen. So erhielt sie eine Reihe von Gemälden und einige Objekte, die ihr der niederländische Sammler Fritz Gutmann als Deponat anvertraute; Arthur Goldschmidt übernahm die Aufgabe, im Laufe des Monats April 1939 deren Transport von Heemstede nach Paris zu organisieren. Zudem schloss er mehrere Verkäufe ab, wie den einer Vorbereitungsstudie von Rubens, La Conversion de saint Paul (Die Bekehrung des Heiligen Paulus), an einen reichen Kunsthistoriker und Sammler aus Wien, Graf Antoine Seilern.3 Er trat darüber hinaus bei bestimmten Auktionen in Erscheinung und erhielt, im Auftrag von Duveen, bei der Pereire-Auktion im Juni 1937 den Zuschlag für zwei von Clodion gefertigte, große weiße Marmorvasen.4

Der Kriegsanfang machte alle Hoffnungen zunichte, erneut ein florierendes Geschäft betreiben zu können. Während Paul Graupe in der Schweiz geblieben war, wo er sich bereits zuvor oft im Sommer länger aufgehalten hatte, befand sich Arthur Goldschmidt in Paris, als die deutschen Truppen in Polen einfielen. Obwohl ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden war,5 war er in Augen der französischen Behörden ein Angehöriger des Feindstaates, so dass er am 13. September 1939 zunächst im Stadion von Colombes und anschließend im Lager von Villebon in der Nähe von Chartres interniert wurde.6 Nachdem er auf den Beschluss der Commission interministérielle permanente de criblage [Ständige interministerielle Prüfungskommission] vom 21. Oktober 1939 wieder freigekommen war, kehrte er nach Paris zurück, wo er eine Mietwohnung an der Esplanade des Invalides, 4 Rue Fabert bezog.7 Bei seiner erneuten Internierung durch die französischen Behörden am 13. März 1940 wurde Goldschmidt bis zum 26. Juli des darauffolgenden Jahres als Zivilkraft beim 143. Infanterie-Regiment verpflichtet.8

Cannes (1940-1941)

Arthur Goldschmidt siedelte nun in den Süden Frankreichs um und ließ sich mit seiner Frau, Anne-Marie Senkel, die er im Frühjahr 1939 in Paris geheiratet hatte, in Cannes nieder.1 Von dort aus hielt er den Kontakt zu einzelnen deutschen Kollegen aufrecht, die sich wie er im Exil befanden, besonders mit Herbert Engel und Alfons Heilbronner in Nizza.2 Im Laufe der Zeit spitzte sich, wie bei so vielen anderen Geflüchteten, seine finanzielle Lage bedrohlich zu;  gleichzeitig wurde ein Weggang aus Frankreich immer dringlicher. Die Firma J. & S. Goldschmidt war aufgelöst, doch er war immer noch einer der drei Geschäftsführer von Paul Graupe & Cie.

Acht Gemälde hatte er nach Cannes kommen lassen können und einige Gegenstände waren noch an der Place Vendôme, der größte Teil des Geschäftsbestands war allerdings in einem Pariser Möbellager untergebracht, wo sich insbesondere die ihm von Fritz Gutmann als Deponate anvertrauten Werke befanden. Der deutsche Händler Karl Haberstock interessierte sich ausnehmend für das Schicksal dieser Sammlung. Anfang 1941 suchte er Gutmann auf, der damals zu emigrieren versuchte, und überredete ihn dazu, einige Werke zu veräußern, von denen manche zu denen gehörten, die 1939 nach Paris transportiert worden waren.3 Im Februar 1941 traf Haberstock Goldschmidt in Cannes, der dafür sorgte, dass ihm die entsprechenden Bilder aus dem Möbellager übergeben wurden.4 Haberstock hatte Goldschmidt zwar vorrangig treffen wollen, um in den Besitz der Gemälde aus dem Gutmann-Besitz zu gelangen, doch sie erörterten zudem auch die Möglichkeit, weitere Werke zu erwerben, die sich in der Firma Paul Graupe & Cie befanden. Arthur Goldschmidt, der Geld brauchte, um seinen Weggang aus Frankreich zu finanzieren, willigte ein, ihm vier holländische und flämische Bilder aus dem 17. Jh. zu überlassen.5

Im Übrigen blieb Goldschmidt in Kontakt mit Hans Wendland, einem in der Schweiz ansässigen deutschen Händler, der seit etwa zehn Jahren geschäftliche Beziehungen zu Graupe unterhielt und mit diesem gemeinsam Kunstwerke besaß. Wendland, der sich während der Besatzungszeit mehrfach in Frankreich aufhielt, kam im Frühjahr 1941 nach Cannes. Dort traf er Goldschmidt, der ihm zwei Gemälde – eines von van Dyck und das andere von  Altdorfer – übergab.6 Wendland überwies ihm daraufhin die geringe Summe von 5.000 CHF,7 die dennoch einen wertvollen Beitrag zur Finanzierung der geplanten Abreise dargestellt haben muss.

Paul Graupe, der erst im Nachhinein über diese Übergabe ins Bild gesetzt wurde, zeigte sich erbost, da er selbst im März 1941 in den USA angekommen war und sich diese Bilder nach New York hatte schicken oder zumindest in US-Dollar hatte bezahlen lassen wollen, was Wendland nicht tat.8

Havanna, 1941-1945

Vermutlich war Arthur Goldschmidt unter anderem dank dieser Geschäftsabschlüsse erst in der Lage, die erforderlichen Mittel für seine Abreise aufzubringen. Da es ihm nicht gelang, ein Einreisevisum für die USA zu erhalten, musste er sich wie viele andere mit einem anderen Ziel begnügen. Bei seiner Abreise aus Cannes machte er zunächst Zwischenstation in Bilbao, wo er im britischen Konsulat vier der aus Paris erhaltenen Gemälde deponierte und alles in die Wege leitete, um sie Paul Graupe zu schicken.1 Anschließend reiste er nach Vigo, um sich dort nach Havanna einzuschiffen. Dort kam er nach einer ausnehmend anstrengenden Überfahrt an Bord der Navemar am 3. September 1941 an. Arthur Goldschmidt blieb, als nach einiger Zeit alle Hoffnung auf ein Visum für die USA zunichte war, schließlich bis zum Ende des Krieges in Havanna.2 Wie viele andere auch scheint er dort bisweilen in prekären Verhältnissen gelebt zu haben.

Die Nachkriegszeit in Paris

Nach dem Krieg hielt sich Arthur Goldschmidt zunächst eine Zeit lang in New York und dann in London auf. Schließlich kehrte er nach Paris zurück, wo er seine von nun an selbständige Geschäftstätigkeit allmählich wieder aufnahm.1 Er betätigte sich hauptsächlich als Zwischenhändler, nahm an Auktionen teil, unterhielt Beziehungen zu Händlern wie Seligmann oder Duveen, und suchte dabei geduldig und vertraulich nach für seine regelmäßigen Kunden interessanten  Angeboten. Zu diesen Kunden gehörte nicht zuletzt der seit 1939 in London ansässige Graf Antoine Seilern. Mehrfach besorgte ihm Arthur Goldschmidt Zeichnungen alter und moderner Meister und fädelte 1959, 20 Jahre nach dem er ihm Die Bekehrung des Heiligen Paulus von Rubens verkauft hatte, den Kauf zweier bedeutender Gemälde für ihn ein, von denen eines, Die Verkündigung des Todes Marias, Rubens und das andere, Die heilige Familie, Pittoni zugeschrieben wurde. Diese Werke befinden sich heute im Londoner Courtauld Institute. Arthur Goldschmidt starb 1960 in der Schweiz.2