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02/12/2021 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Der auf den Verkauf von Renaissance-Werken spezialisierte Händler ist dafür bekannt, an der Begutachtung der Sammlung Paul Rosenberg beteiligt gewesen zu sein und im Namen von Achille Boitel Geschäfte getätigt zu haben. Er steht in Kontakt mit Walter Bornheim, Maria Almas-Dietrich, Walter Andreas Hofer und Bruno Lohse, die in Zusammenarbeit mit  Édouard Larcade und Allen Loebl Werke für Hitler suchen.

Ein für seine Umtriebigkeit während der Besatzungszeit bekannter Händler

Der am 21. März 1875 in Lorient geborene Yves Perdoux war Antiquitäten- und Kunsthändler in Paris. Aus erster Ehe hatte er vier Kinder: einen Sohn, Yves, der 1918 als Soldat gefallen war, und drei Töchter. Mit diesen lebte er ab etwa 1935 als Witwer im 16. Pariser Arrondissement, 6 Boulevard Flandrin. Perdoux heiratete 1943 in zweiter Ehe Claire Mertens.1 Die meisten Geschäfte wickelte er von zu Hause aus ab. Seit den 1930er Jahren war er auf dem europäischen Kunstmarkt präsent, spezialisiert auf den Verkauf von Renaissance-Werken. Er arbeitete unter anderem mit Max Jacob Friedländer (1867-1958), dem aus einer jüdischen Bankiers- und Handelsfamilie stammenden Kunsthistoriker, der vor den Nationalsozialisten aus Deutschland hatte fliehen müssen. Friedländer begutachtete für ihn beispielsweise 1935 ein Gemälde aus dem 15. Jh., Saint Jérôme et Sainte Catherine (~ Der heilige Hieronymus und die heilige Katharina), wie er es bereits einige Jahre zuvor für den Kunstsalon Paul Cassirer in Berlin getan hatte.2 Ab 1940 war Perdoux Eigentümer eines Ladenlokals im 8. Arrondissement von Paris, an der Adresse 6 Rue de Téhéran.

Perdoux‘ Schwiegersohn Pierre Henri Guynot, geboren am 15. Oktober 1894, der mit seiner Tochter Marguerite verheiratet war, kaufte am 15. März 1942 im gleichen Arrondissement ein Geschäft für Antiquitäten sowie alte und moderne Gemälde an der Adresse 178 Rue du Faubourg-Saint-Honoré. Vermutlich kam Perdoux für den Geschäftsfond auf, da sich seine finanzielle Situation während der Besatzungszeit den Unterlagen in der Pariser Polizeipräfektur zufolge „spürbar verbessert“ hatte. Deutsche Offiziere besuchten während des Zweiten Weltkriegs sowohl seine Privatwohnung als auch die von Guynot geführte Galerie am Faubourg Saint-Honoré, dennoch wird ihm im Januar 1946 „weder Denunziation noch jegliche Propaganda zugunsten Deutschlands vorgeworfen.“3 Die polizeilichen Ermittlungen der Nachkriegszeit fördern indessen zutage, dass das Geschäftslokal an der Rue de Téhéran ihm sehr wohl von dem später von der Resistance hingerichteten Gestapo-Kollaborateur Achille Boitel (1898-1944) zur Verfügung gestellt worden war, damit er sich um die Kunstgeschäfte des französischen Unternehmers mit Händlern aus Deutschland und der Schweiz - wie Walter Andreas Hofer, Maria Almas-Dietrich, Hans Wendland, Walter Bornheim - kümmern konnte, und zwar in Zusammenarbeit mit in Frankreich ansässigen Händlern wie Édouard Larcade und Allen Loebl. Der Name Perdoux taucht im Übrigen in Schreiben des deutschen Arztes und Diplomaten Carltheo Zeitschel (1893-1945) auf. Adressiert an den deutschen Botschafter Otto Abetz, dem Zeitschel neben anderen als Berater diente, betrafen sie Raub und Begutachtung jüdischer Sammlungen, und zwar diejenigen von Paul Rosenberg (1881-1959) und Baron Édouard de Rothschild (1868-1949).4

Beschlagnahmung und Begutachtung jüdischer Sammlungen

Perdoux ist dafür bekannt, dass er aufgrund seiner Beziehungen zu Melchior Antoine Edmée Prévost de Lestang und Paul Arthur Jurschewitz an der Beschlagnahmung und Begutachtung der „Sammlung aus Bordeaux“ beteiligt war, die Paul Rosenberg gehörte.1 Angesprochen vom Kölner Kunsthändler Hermann Abels (1892-1956), der moderne Gemälde anzukaufen suchte, versprach Prévost de Lestang, seiner eigenen Aussage zufolge, ihm Aufnahmen von der Sammlung des ins New Yorker Exil gegangenen jüdischen Händlers zu besorgen. Da er Jurschewitz seit 1934 kannte, bat Prévost de Lestang ihn, als Dolmetscher für den deutschen Offizier „Dr. Zeitschel“, der den Händler Abels vertrat, nach Bordeaux zu kommen. Bei dem Besuch im Château de Floirac im September 1940 wurde die gesamte Sammlung Rosenberg vor Ort beschlagnahmt, wobei ein Teil der Kisten bereits vor der Ankunft der Deutschen geöffnet worden war. Sie wurden dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg und der Deutschen Botschaft übermittelt. Einige Monate später, im April 1941, wurde der Inhalt eines Tresors bei der Banque nationale pour le commerce et l’industrie [Nationalbank für Handel und Industrie] in Libourne, in dem Rosenberg ebenfalls Gemälde untergebracht hatte, auch noch beschlagnahmt.

Aus den Archivquellen geht unterdessen hervor, dass Perdoux nicht den Anstoß gab, das Versteck der Sammlung Paul Rosenberg preiszugeben, wofür allein Prévost de Lestang verantwortlich war, und dass er nicht an der Verschickung aus Bordeaux beteiligt war. Karl Epting, Beauftragter für kulturelle Angelegenheiten an der deutschen Botschaft, bestätigte, dass Prévost de Lestang aus eigenem Antrieb in sein Büro in der Botschaft Rue de Lille [gekommen war,] um ihm mitzuteilen, dass er wisse, wo sich eine französische Gemäldesammlung befinde, bei der es sich um die Sammlung Rosenberg handeln müsse […] Er antwortete ihm, dass er seinen Vorschlag dem Botschafter Abetz unterbreiten werde. Dieser entschied sich dazu, das Angebot anzunehmen. Als Belohnung wurden 3.000 RM, also 60.000 F gefordert, auf die im Falle eines Verkaufs oder einer wie auch immer gearteten Vermarktung der Gemälde ein nicht festgelegter prozentualer Anteil aufgeschlagen werden sollte.2

Prévost de Lestangs sagte aus, dass er Epting nicht in der Botschaft, sondern vor der Abfahrt nach Bordeaux gemeinsam mit Jurschewitz, Abels und Zeitschel in einem Café am Quai d’Orsay getroffen habe. Epting zufolge war Abels damals tatsächlich vom Außenministerium damit beauftragt, in Paris unter anderem für das gerade in Renovierung befindliche Bülowsche Palais in Berlin Kunstwerke anzukaufen.3 Perdoux‘ Rolle war also nach den durchgeführten Beschlagnahmungen darauf beschränkt, Prévost de Lestang zum Hôtel de Monaco an der Adresse 57 Rue Saint-Dominique im 7. Arrondissement in Paris zu begleiten, wo die beschlagnahmte Sammlung zwischengelagert worden war. Der Stadtpalast aus dem 18. Jh., Sitz der polnischen Botschaft, war seit 1940 vom deutschen Institut besetzt, der deutschen Kulturpropagandabehörde, die im Dienste der deutschen Botschaft arbeitete und ebenfalls von Karl Epting geleitet wurde. Der Offizier Zeitschel hatte erneut Kontakt zu Prévost de Lestang aufgenommen, der erklärte:

„Ich habe Abels nie wiedergesehen, aber ein paar Monate nach unserer Reise nach Bordeaux rief mich der deutsche Offizier an, der uns begleitet hatte, ich möge in seinem Büro vorbeikommen. Er bat mich, Rosenbergs Gemälde zu taxieren. Ich dachte nicht, dass ich ablehnen sollte, fand mich aber selbst nicht ausreichend qualifiziert, um moderne Gemälde zu begutachten, und bat daher Yves Perdoux, mir zu helfen.“4

Als sie zwei oder drei Räume unter anderem mit surrealistischen Gemälden und Zeichnungen aus dem 18. Jh. gesehen hatten, erklärte Perdoux, der in den Exponaten die Sammlung des Barons Rothschild erkannt hatte, sofort, er habe keinerlei Kompetenz für die modernen Gemälde: „Ich verabschiedete mich also und teilte de Lestang mit, dass es sich um gestohlene Gemälde handelte“, wobei er laut Prévost de Lestang in Bezug auf die Sammlung Paul Rosenberg hinzufügte, dass hier ein Wert von mindestens 3 Millionen F vorläge. Dies bestätigte Zeitschel die Taxierung durch andere Händler.5 Die Sammlung aus Bordeaux wurde „von Doktor Welz, dem Mitarbeiter von Professor Ernst“ auf einen Wert von 3.415.000 F geschätzt.6 Kurz nach der Beschlagnahmung der Sammlung Rosenberg erhielt Jurschewitz von Epting 65.000 F. Der Zwischenhändler und Dolmetscher erklärte, diesen Betrag für den Verkauf eines Gemäldes an Letzteren und keinesfalls als „Judasgroschen“ erhalten zu haben, mit dem er für den Verrat des Standorts der jüdischen Sammlung belohnt worden wäre, wie die Ermittlungen nach dem Krieg besagten. Unter dem Versprechen, eine weitere jüdische Sammlung durch Perdoux aufzudecken, und um die zugesagte Bezahlung zu erhalten, erwirkte Prévost de Lestang, für seine Dienste und die seines „Vertrauensmanns“ Perdoux in Gemälden bezahlt zu werden. Ausgewählt wurden hierfür zwei Gemälde von Pissarro, Paysage d’hiver (~ Winterlandschaft) und Jardin des Tuileries (~ Tuileriengarten) sowie ein Renoir, Jeune femme en plein air (~ Junge Frau im Freien), wie aus einer Notiz an den Botschafter Abetz vom 27. November 1940 hervorgeht.7 Perdoux und Prévost de Lestang sagten aus, sie hätten diese Werke letztlich nicht angenommen.

So lässt sich festhalten: Prévost de Lestang hat zwar tatsächlich dem Botschafter Abetz den Standort der Sammlung Rosenberg in der Nähe von Bordeaux verraten und die Vertreter der Botschaft mit dem Zwischenhändler Jurschewitz zum Château Floirac geführt, und auch Perdoux‘ Rolle bei der Begutachtung der Werke ist eindeutig erwiesen, doch bei der Plünderung blieb er unbestreitbar eher im Hintergrund. 

Perdoux‘ Geschäfte

Seinen Aussagen beim Verhör vor dem Cour de justice de la Seine [Gerichtshof des Departement Seine] zufolge lernte Perdoux Boitel Anfang des Zweiten Weltkriegs kennen:

„Anschließend schlug er mit vor, gemeinsam Geschäfte mit Gemälden zu machen, denn er wusste, dass ich über gute Beziehungen in diesem Bereich verfügte. Ich brauchte ein wenig Geld und willigte ein. Boitel stellte mir ein Büro in seinem Ladenlokal, 6 Rue Téhéran, zur Verfügung.“1

Der Händler erhielt Provision auf die für Boitel erstellten Gutachten, der auf diesem Gebiet nicht kompetent war: „Unsere Absprache lautete wie folgt: im Ankaufsfall stellte Boitel das Geld zur Verfügung und ich erhielt bei Zustandekommen des Geschäfts einen Anteil am Gewinn.“2 Diese Zusammenarbeit im Jahr 1942 dauerte drei oder vier Monate, bevor die beiden Herren, weil sie „so unterschiedlich veranlagt“ waren, und wegen einer Meinungsverschiedenheit zu einem Wandteppichverkauf, getrennter Wege gingen.3 Der Unternehmer zeigte ihm zudem ein Gemälde der flämischen Renaissancemalerin Catharina Van Hemessen (1528-1588), das er auf Perdoux‘ Rat hin für 60.000 F oder 125.000 F, je nach Verhör, erwarb, wofür Perdoux im Gegenzug eine Provision von 6.000 F einstrich. Boitel erwarb darüber hinaus bei Rotgé ein Gemälde von Jacob Jordaens (1593-1678) für 25.000 F, von M. L. Audrand zwei großformatige Landschaftsbilder von Hubert Robert für 150.000 F, was einer Provision von 20.000 F entsprach, in Lyon einen kleinen Renaissance-Wandteppich für 200.000 F, der dann - mit einer Provision von 12.500 F für Perdoux - für 220.000 F an die Galerie Fischer in der Schweiz weiterverkauft wurde. In Mâcon kaufte Boitel zwei Diptychen, die er ohne Perdoux eine Provision zu überweisen weiterverkaufte, da er, wie er sagte, keinen Gewinn dabei gemacht habe. Acht bis zehn Gemälde wurden beim Duc de Lorges für 200.000 F gekauft. Perdoux zufolge wurde nur eines dieser Gemälde, das Adriaen van Ostade (1610-1685) zugeschrieben war, im Mai 1941 an Maria Almas-Dietrich verkauft. Dank der „von Boitel oder einem Freund der Polizeipräfektur“ besorgten Passierscheine konnte er durch Frankreich reisen, insbesondere nach Lyon zum Antiquitätenhändler Charles Meyer in der Rue Gasparin, nach Mâcon, auf Anraten des Antiquitätenhändlers Tardigonin (sic) [Tardy-Gonin], nach Monte-Carlo, wo Herr Mory ihm dienliche Hinweise auf diverse Geschäfte lieferte, und nach Marseille.4 Boitel stand in regelmäßigem Kontakt mit Hans Wendland, der offenbar nach und nach Perdoux in der Rolle des Beraters und Gutachters für den Industrieunternehmer abgelöst hat: „Er saß täglich bei Boitel am Tisch, der große Stücke auf ihn hielt und immer seltener meine Ratschläge einholte.“ Perdoux kannte Wendland im Übrigen nach eigener Aussage seit 1908, nach Wendlands Aussage seit 1925. Er schrieb ihm entweder nach Lugano oder nach Luzern, was ihm 1940 seinen Besuch in Paris einbrachte: „Ich meine, mich erinnern zu können, ihm kurz nach diesem Besuch einen kleinen Goya für etwa 20.000 F verkauft zu haben.“ Perdoux‘ Aussage zufolge kam Wendland in den folgenden zwei Jahren mehrfach zu ihm nach Hause. Er erwarb ein Greuze zugeschriebenes Mädchenporträt, ein kleines auf Holz gemaltes Porträt aus dem späten 16. Jh., was zusammen mit dem Goya zugeschriebenen Mädchenporträt eine Gesamtsumme von rund 200.000 F ergab. Das Greuze-Bild stammte Perdoux zufolge aus seiner eigenen Privatsammlung. Wendland sagte aus, Perdoux habe ihm zudem zwei Tapisserien aus dem 16. Jh. vermittelt, die bei Raphaël Gérard, Avenue de Messine, zum Verkauf standen und die er nach seinem Ankauf mit einer Reihe anderer Gemälde an Walter Hofer weiterverkaufte.5 Etliche dieser Gemälde wurden auch an Maria Almas-Dietrich geliefert, mit der Perdoux direkt korrespondierte und der er im Auftrag Boitels regelmäßig deutsche Briefe zukommen ließ. Bereits am 29. Januar 1941 schrieb er: „Ich muss Sie unbedingt sprechen und zwar, vor [sic] Sie mit Irgend Jemande [sic] in jeder Weise.“6 Sich selbst als ergebenster Diener bezeichnend führte Perdoux am 20. März 1941 aus: „Ich bemuehe sich viel um Ihnen erst klassige Bilder zu verschaffen [...] Uberhaupt bedauere ich sehr dass Sie nicht oefters nach Paris kommen koennen, da waehrend Ihrer Abwesenhait zwei gute Geschaete zu beschliessen waren.“7 Neben dem am 21. Mai auf 120.000 F geschätzten Gemälde von van Ostade aus der Sammlung des Duc de Lorges, das Perdoux 6.000 F Provision einbrachte, reservierte er im Januar 1941 der im Dienste Hitlers arbeitenden Händlerin ein Jan van Scorel zugeschriebenes Gemälde, Portrait d‘homme (~ Porträt eines Mannes), das auf 375.000 F8 geschätzt wurde, und am 8. März 1941 das Cranach zugeschriebene Diptychon Adam und Eva. Er begutachtete am 5. Juli 1941 ein Portrait de fillette (~ Mädchenporträt) von Greuze für eine Provision in Höhe von 75.000 F und verkaufte am 16. Juli 1942 für seinen Schwiegersohn eine Federzeichnung aus dem 16. Jh. für 5.000 F.9 Bornheim, der im Grand Hôtel in Paris abgestiegen war, lernte Perdoux ebenfalls durch Vermittlung Boitels kennen. Er kaufte in Boitels Auftrag von Perdoux am 26. Juni 1941 eine Vue de Venise (~ Ansicht von Venedig) von Guardi, eine Carlovaris zugeschriebene Raumausstattung, ein von Verstraeten signiertes Seestück und zwei Ansichten von Venedig von Bellotto, für insgesamt 230.000 F, dann am 30. Juni 1941 eine Tänzerin von Greuze, am 2. Juli eine französische Tapisserie für 475.000 F und am 8. Juli 1941 eine Averkamp zugeschriebene Eislaufszene für 220.000 F, die zuvor für 180.000 F erworben worden war.10 Für Almas-Dietrich arbeitete Perdroux eng mit Édouard Larcade zusammen, der mit dem Ziel, für sie zwei Säulenstatuen aus dem 12. Jh. zu erwerben, nach Nizza fuhr. Am 29. Januar 1941 erläuterte er: „Der Herr Larcade will überhaupt nichts mehr verkaufen sonst Ihnen.“11  Durch seine Vermittlung wurden zudem zwei François Boucher nachempfundene Werke mit der Darstellung eines Liebespaars angekauft und von Perdoux Almas-Dietrich angeboten, die sie jedoch ablehnte. Beide wurden später durch Hofers Vermittlung an Göring verkauft.12 Neben Larcade unterhielt Perdoux auch geschäftliche Beziehungen zu Allen Loebl, dem jüdischen Eigentümer der Galerie Kleinberger, der das unter dem Galerienamen Ernest Garin „arisierte“ Geschäft weiterhin führte. Von Loebl versuchte Perdoux beispielsweise im März 1941 das Diptychon Adam et Ève (Adam und Eva) für Almas-Dietrich zu erwerben.13 Die Verhandlungen mit Almas-Dietrich – mit unbekanntem Ausgang – zogen sich über mehrere Wochen hin und es ergingen mehrere Kaufgebote für das Diptychon, wozu Perdoux am 29. April 1941 erklärte:

„Herr Loebl hat von der [sic] Bonner Museum Bescheid erhalten und es bestehen Schwierigkeiten mit dem Geld und man verlangt weitere drei Wochen Frist für das Diptychon Adam und Eva. Ich werde das Bild also wieder in Händen halten und zwar zum Preis von 250.000 F und wenn Sie darauf reflektieren, müssen Sie spätestens bis zum 15. Mai das Geld hier verfügbar haben.“14

In den für das Hitlermuseum in Linz ausgewählten Werken von Almas-Dietrich wird ein Michel Coxie zugeschriebenes Gemälde mit dem Titel Adam et Ève (Adam und Eva) aufgeführt, ohne Ankaufsort und -datum.15 Eine im September 1941 von Roger Dequoy für Almas-Dietrich ausgestellte Rechnung benennt hingegen „zwei Tafeln, die Adam und Eva darstellen. Vormals aus der Sammlung der Comtesse de Behague, Verkauf Pelletier in Paris“, damals der Gérard David-Schule zugeschrieben.16 Durch die Vermittlung Karl Haberstocks gelangen zwei von Roger Dequoy stammende Holztafeln, Adam und Ève, zugeschrieben zunächst Jacob van Utrecht und dann der Lucas Cranach-Schule, nach Deutschland, wofür Haberstock im Januar 1942 dem Museum in Linz 32.500 RM in Rechnung stellt.17 Loebl führte zudem mehrere deutsche Kunden zu Perdroux‘ Schwiegersohn, Henri Guynot, an die Adresse 178 Rue du Faubourg-Saint-Honoré. Zu ihnen gehörte Bruno Lohse, dem Perdoux zwei Gemälde verkaufte, eines davon war das Brueghel zugeschriebene Bild Diane et Callisto (Diana und Kallisto), das andere L’Arrestation du Christ (Die Verhaftung Christi), das dem Meister des Beyghem-Altars zugeschrieben wurde. Beide kamen in Görings Sammlung nach Carinhall.18 Lohse setzte unterdessen wenig Vertrauen in die Kompetenz des Antiquitätenhändlers und misstraute dessen Entdeckungen auf dem französischen Kunstmarkt außerhalb von Paris.19 Nachdem er mit Loebl bei seinem Schwiegersohn gewesen war, vertraute Perdoux Walter Hofer ein Bild mit der Darstellung von „Diogenes mit seiner Laterne“ an, das er bei einem Antiquitätenhändler in der Rue des Saints-Pères gekauft hatte. Der Händler fügte im weiteren Verlauf seines Verhörs hinzu: „Rochlitz hat mich mehrfach aufgesucht, aber ich habe ihm weder etwas abgekauft noch etwas verkauft. Hofer ist ein Mal mit Loebl bei mir gewesen, sie haben nichts bei mir gekauft.“

Schließlich fuhr Perdoux noch nach Nizza für die im Hôtel Savoy stattfindende Auktion der Sammlung des jüdischgläubigen englischen Bankiers John Jaffé, die nach dessen Tod durch das Commissariat général aux questions juives [Generalkommissariat für Judenfragen] beschlagnahmt und am 12. und 13. Juli 1943 versteigert wurde.20 Dort erwarb Perdoux zum Spottpreis ein Gemälde von Constable, La vallée de la Stour (~ Das Stour-Tal), und zwar mit Hilfe des Auktionators Maître Joseph Terris, der die vorgestellten Werke absichtlich zu niedrig taxiert hatte. Das Bild wurde umgehend an Felix Mockers, einen Händler aus Nizza, und dann an Pierre Garsonnin weiterverkauft.21 Im Jahr 1946 befand sich das Gemälde in der Schweiz, wo die Genfer Galerie Moos mit dem Sammler René Junod aus Neuenburg einen neuen Käufer fand, der nichts über die Herkunft des Bildes wusste. Das von seiner Witwe Madeleine 1986 dem Musée des Beaux-Arts in La Chaux-de-fonds vermachte Gemälde wurde 2018 restituiert.22 Daraus ergibt sich, dass die regelmäßigen, zahlreichen Geschäfte, die Perdoux entweder als Zwischenhändler oder als Gutachter für Boitel oder aber in eigener Sache mit Almas-Dietrich, Wendland, Bornheim oder Lohse tätigte, ihn als allseits bekannten Kollaborateur auf dem Kunstmarkt der Besatzungszeit ausweisen, zumal der Händler am Ankauf geraubter Gemälde aus Zwangsverkäufen außerhalb von Paris beteiligt war.

Ermittlungen und Verurteilungen nach dem Krieg

Aufgrund der zahlreichen Kollaborationstaten zwischen Perdoux, Boitel, Loebl und Wendland sprechen die von der Roberts Commission unternommenen Ermittlungen von einem „informellen Kartell“, in dem Boitel die Rolle des Geldgebers zukam, Wendland und Loebl für den Kontakt zu Göring und Lohse auf dem Pariser Kunstmarkt zuständig waren,  während Perdoux sich um den Kunstmarkt außerhalb der französischen Hauptstadt gekümmert haben soll.1 Weil er Gemälde an Almas-Dietrich verkaufte und in regelmäßigem Kontakt zu Händlern wie Hofer stand, wurde Perdoux des Weiteren verdächtigt, ein Agent für Göring, Ribbentrop und Bruschwiller gewesen zu sein.2 Seine Beziehungen zu Boitel brachten ihm den Ruf eines „inbrünstigen Nazis“ ein.3 Aus all diesen Gründen stand Perdoux auf der Liste der Händler, denen geschäftliche Kollaboration nachgewiesen werden konnte.4

Zweifelsohne muss man im Lichte der verschiedenen Archivbestände in diesem Fall von einem stillschweigenden, inoffiziellen Zusammenschluss der unterschiedlichen Händler ausgehen, da Perdoux Wendland und Loebl bereits vor dem Krieg kannte. Es gab jedoch keine Absprache oder schriftliche Vereinbarung, und die Gruppe war weit davon entfernt, so durchorganisiert gewesen zu sein, wie es die US-amerikanischen Archive und die aktuelle Sekundärliteratur nahelegen. Wendland erläuterte dies in seinen Verhören: „Ich hatte mit Perdoux, Boitel und Loebel keinen Verband für den Ankauf von Kunstwerken gegründet. Von dieser angeblichen Gruppe habe ich zum ersten Mal bei meiner Verhaftung in Italien gehört.“5 Ebenso scheint er, wenngleich die geschäftliche Kollaboration mit Perdoux unbestritten ist, weder militärisch oder politisch bewusst kollaboriert zu haben wie Boitel, der von der Résistance umgebracht wurde, weshalb Perdoux nicht als direkter „Agent“ der nationalsozialistischen Befehlshaber gelten kann.

Bei der Befreiung Frankreichs wurde gegen Perdoux vor dem Tribunal des Cour de justice du département de la Seine [Gerichtshof des Departement Seine] ein strafrechtlicher Prozess wegen „Gefährdung der Staatssicherheit“ angestrengt. Am 1. Juli 1948 wurde er zu einer Geldstrafe von 60.000 F und zur Aberkennung seiner bürgerlichen Ehre („dégradation nationale“) verurteilt.6 Vermutlich aufgrund seines fortgeschrittenen Alters von 72 Jahren und seiner Gesundheitsprobleme entging Perdoux jedoch jeglicher Gefängnisstrafe. Seine Beteiligung an dem Verrat der Sammlung Paul Rosenberg wurde ausgeschlossen, im Fall Prévost de Lestangs aber anerkannt. Anschließend wurde die Akte dem 1er Comité de confiscation des profits illicites de la Seine [Erstes Komitee für die Beschlagnahmung unlauterer Gewinne des Departement Seine] übergeben, das ihn am 20. Juli 1948 vorlud. Zur Last gelegt wurden ihm dabei die illegal „mit dem Feind getätigten“ Geschäfte.7

Die nach Deutschland exportierten Waren wurden zumeist unter Missachtung der Zollbestimmungen ausgeführt und diese Verkäufe tauchten nicht in Perdoux‘ Büchern auf, der eigenen Aussagen zufolge bereits seit Jahren nicht mehr Buch über seine Geschäfte führte. Die Schätzsumme seiner nicht deklarierten Provisionen und Gewinne betrug 574.000 F, die nun konfisziert werden mussten.8 Gegen ihn verwendet wurden einzig die Verkäufe und Provisionen aus den Geschäften mit Wendland, Almas-Dietrich und Bornheim, während anerkannt wurde, dass er keine Zahlung in natura, also in Form von Gemälden, für die Begutachtung der Sammlung Paul Rosenberg erhalten hat. Im August 1949 wurde Perdoux zudem zu einer „Steuer“-Strafe von 500.000 F verurteilt.9

Am 11. April 1951 hatte Perdoux von der geforderten Gesamtsumme von 1.074.000 F auf die zu konfiszierenden Gewinne einen Betrag von 574.000 F sowie 300.000 F Strafe  bezahlt und beantragte aufgrund seiner Zahlungsschwierigkeiten eine Erlassung des Restbetrags, die ihm nicht gewährt wurde.10 Er starb am 18. März 1952 in seiner Pariser Wohnung.11