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Der Kunsthändler Ernest Garin übernimmt offiziell die Galerie Kleinberger von deren jüdischem Inhaber Allan Loebl, der aber im Hintergrund die Hauptgeschäfte mit vielen deutschen Kunden, vor allem den Kunstagenten Görings, weiterführt.

Beginn der Besatzung

Der aus Lyon stammende Kunsthändler Ernest Garin leitete vor dem Zweiten Weltkrieg die im 19. Jahrhundert gegründete Kunsthandlung „Au vieux Paris“ in der 4 Rue de la Paix im 2. Arrondissement von Paris.1 Das auf Antiquitäten und Goldschmiedearbeiten spezialisierte Geschäft lag nicht weit von der Place Vendôme entfernt, wo sich die Galerie Seligmann befand, für die Garin zu Beginn der Besatzungszeit arbeitete. Im März oder April 1941 wurde Garin zusammen mit Jean Seligmann (1903-1941) von den deutschen Besatzern verhaftet. Garin wurde vorgeworfen, in der „Zone libre“ im Süden von Frankreich im Namen von Seligmann ein Telegramm in die Vereinigten Staaten verschickt zu haben. Seligmann, der Informationen an seinen Bruder Armand Seligmann, der mit der Résistance in Verbindung stand, weitergeleitet hatte, wurde im Dezember 1941 von den Deutschen als Geisel auf dem Mont-Valérien erschossen. Ernest Garin wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

„Arisierung” der Galerie Kleinberger

Über Seligmann hatte Garin den jüdischen Kunsthändler Allen Loebl kennengelernt. Laut eigenen Angaben von Garin war es Loebl, der dem „arischen“ Garin nach Beginn der Besatzung vorschlug, die von Loebl geführte Galerie Kleinberger in der 9 Rue de l‘Échelle nahe dem Musée du Louvre von ihm zu erwerben.1 Der Verkauf der alteingesessenen, auf alte Meister spezialisierten Kunsthandlung fand im Mai 1942 statt. Von vornherein hatten Garin und Loebl untereinander ausgemacht, dass nach dem Krieg die Eigentumsverhältnisse wieder geändert werden und beide gemeinsam Inhaber der Kunsthandlung werden sollten. Während der Besatzungszeit führte Garin die Geschäfte der Kunsthandlung, die ihren Namen vorübergehend in „Galerie E. Garin“ änderte, nur auf dem Papier. In Wirklichkeit wurde die Galerie weiterhin von Loebl, der jeden Tag in der Kunsthandlung erschien, geleitet, während „Herr Garin als Strohmann und Fassade für die Firma Kleinberger dienen musste”.2

Darüber, wie es zu dem näheren Kontakt zwischen der Kunsthandlung und Görings Einkäufer Bruno Lohse kam, gibt es widersprüchliche Angaben. Eine Version besagt, dass Garin und Loebl den Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Paris Wilhelm Jakob Mohnen bei einem Besuch in der Galerie darum baten, ihnen jemanden zu vermitteln, der Loebl vor antijüdischen Repressalien schützen konnte.3 Mohnen habe sie dann an Lohse verwiesen. Lohse stimmte zu, Loebl zu schützen, verlangte im Gegenzug jedoch, dass Loebl ihm Kunstwerke für die Sammlung von Göring organisiere. In die Geschäfte, die sich aus dieser Abmachung ergaben, war Garin unter anderem dadurch beteiligt, dass er Rechnungen unterschrieb, da deutsche Kunden es bevorzugten, dass diese „mit einem Namen unterschrieben waren, der einen arischeren Klang hatte, als der des eigentlichen Verkäufers, Herrn Loebl.“4

Verkaufspraxis

Diese Praxis hielt Lohse jedoch nicht davon ab, auch Loebl zum Unterschreiben von Rechnungen zu zwingen, wobei es sich bei einigen von ihnen um fiktive Verkaufsbescheinigungen gehandelt haben soll.1 Eines der Werke, für das Loebl Lohse nach Angaben von Garin eine falsche Rechnung ausstellte, war ein Gemälde von Vinkehoo [Vinckboons?].2 Garin behauptete, Lohse habe das Werk mit in die Galerie gebracht und weder er noch Loebl hätten es gekannt oder gewusst, wem es gehört. Loebl dagegen gab für dasselbe Werk an, es stamme höchstwahrscheinlich aus der Privatsammlung von Garin, der es an Lohse verkaufte und den Gewinn für sich behielt.3 Die Schilderung wird später von Garin bestätigt, wobei als Preis für den Verkauf des Gemäldes die Summe von 85 000 F genannt wird – und Garin durch den Verweis, dass das Werk aus seinem privaten Besitz stamme, gleichzeitig seine frühere Aussage widerruft.4

Hinweise darauf, dass Garin über eine Privatsammlung verfügte, aus der er Werke verkaufte, finden sich auch an anderer Stelle. Ein Beispiel hierfür ist das heute als MNR 301 inventarisierte Ölgemälde von Giovanni Paolo Pannini, Ruinen eines Tempels (mit Statue des Marc Aurel, das für die Sammlung des Führermuseums in Linz angekauft wurde und aus der Privatsammlung von Garin stammen soll.5 Letztendlich ist den Angaben, dass Garin Werke aus seinem eigenen Besitz verkaufte, vor dem Hintergrund fiktiver Rechnungen, für die gegebenenfalls ein ebenso fiktiver Vorbesitzer gefunden werden musste, wahrscheinlich mit Vorsicht zu begegnen.6 Auch die widersprüchlichen, teils von Garin selbst widerrufenen Aussagen zur Herkunft von Werken, wie in dem oben beschriebenen Fall des wohl von Vinckboons stammenden Gemäldes, lassen Angaben zu Garins Privatsammlung wenig vertrauenswürdig erscheinen.

Zwar erschien Loebl jeden Tag in der an Garin verkauften Kunsthandlung in der Rue de l’Échelle, doch hatte er laut eigenen Angaben nicht das Recht, sich in den Verkaufsräumen zu zeigen.7 Stattdessen kümmerte er sich von einem Hinterzimmer der Galerie aus um die laufenden Geschäfte. Garin nahm Außentermine wahr und regelte zum Beispiel den Ankauf zweier Werke aus dem Besitz von Hélène Baste, der in den Räumlichkeiten des Kunsthändlers Pierre d’Atri in der 23 Rue la Boétie stattfand, ohne dass d’Atri am Verkauf beteiligt war.8 Lohse soll sich beide Werke, darunter ein deutsches Gemälde auf Kupfer aus dem 18. Jahrhundert, später angeeignet haben, wobei er nur eines zahlte und das andere als Kommission einbehielt.9 Im Februar 1943 war Garin für Karl Haberstock zudem als Bote tätig. Im Namen des Kunsthändlers überbrachte er einen Geldbetrag, der aus der Differenz zwischen dem auf der Rechnung notierten und dem wirklich gezahlten Betrag für zwei Gemälde von Bronzino, die Haberstock aus der Sammlung von Charles Michel erworben hatte, resultierte.10 Haberstock war häufiger Kunde in Garins Galerie, auch wenn Garin sich später lediglich daran erinnerte, dass die Kunsthandlung „an Lohse und an Hofer und ein wenig an Gurlitt” verkauft habe.11 Garin gab selbst zu, dass in der Buchhaltung der Galerie Verkäufe an Deutsche nur zum Teil verzeichnet wurden und man zu vielen Geschäften keine Belege erstellt habe, so dass Transaktionen im Nachhinein nicht nachvollziehbar sind und viele Verkäufe im Dunkeln bleiben.12

Nach Ende der Besatzung

Wie während der Okkupation vereinbart, wurden Garin und Loebl nach der Kapitulation der Deutschen gemeinsame Inhaber der Galerie in der Rue de l’Échelle, die wieder in Galerie F. Kleinberger umbenannt wurde.1 Von den amerikanischen Behörden, die den Kunstraub in Frankreich untersuchten, wurde die Rolle, die Garin während der Besatzungszeit in der Galerie spielte, nach dem Krieg als unbedeutend eingestuft: „Garin persönlich spielte eine relativ geringe Rolle im Geschäft der Firma während der Besatzung.”2 Im Oktober 1945 wurde er genau wie Loebl vor dem Cour de justice du département de la Seine der „Gefährdung der äußeren Sicherheit des Staates“ angeklagt und am 20. Mai 1946 freigesprochen.3 Später nahm sich die Commission nationale interprofessionnelle d’épuration [Nationale berufsübergreifende Säuberungsmission] des Falls von Garin an. Auch diese sprach ihn frei und berücksichtigte dabei, dass Bruno Lohse Druck auf Garin ausgeübt habe, da Garin aufgrund der Haftstrafe von drei Monaten für seine Zusammenarbeit mit Jean Seligmann von den deutschen Besatzungstruppen mit besonderer Härte bestraft worden wäre.4 In einem Verfahren wegen unrechtmäßig durch Geschäfte mit Deutschen während der Besatzung erzielter profits illicites [unlauterer Gewinne] beschränkten sich die Behörden auf die Anklage von Allen Loebl, für den Garin „wenn man so will –‚der Schutzschirm‘ vor den Augen der deutschen Behörden“5 war.