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Joachim von Ribbentrop war von 1938 bis 1945 Reichsaußenminister des Deutschen Reiches. Seit Beginn der Besatzungszeit ließ Ribbentrop über Otto Abetz, den deutschen Botschafter in Paris, Kunst aus jüdischen Sammlungen in Frankreich beschlagnahmen. Er selbst profitierte davon für seine eigene Kunstsammlung, für die er auch Werke über französische KunsthändlerInnen und Mittelsmänner in Paris erwarb.

Die Rolle des Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop im Machtgeflecht des NS-Staates ist bereits vielfach beleuchtet worden.1 Zu seinen Sammelaktivitäten im besetzten Frankreich, welche auch die Bereicherung an beschlagnahmtem jüdischen Kunstbesitz einschlossen, liegt allerdings bisher keine Publikation vor.

Werdegang

Am 30. April 1893 in Wesel am Rhein geboren, war Joachim von Ribbentrop nach Ende des Ersten Weltkrieges im Import- und Exportgeschäft mit Wein und Spirituosen tätig. 1920 heiratete er Annelies Henkell, Tochter des Sektfabrikanten Otto Henkell. Die gemeinsame Villa in Berlin-Dahlem wurde in den 1920er Jahren zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt, allerdings war sein politisches Engagement bis Anfang der 1930er Jahre gering. 1932 trat er in die NSDAP ein, 1933 in die SS. Ab 1934 war er außenpolitischer Berater Hitlers und verfügte seit Juni 1935 als „Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter des Deutschen Reiches“ über eine eigene Dienststelle. 1936 wurde er als Botschafter nach London gesandt, am 4. Februar 1938 folgte schließlich seine Ernennung zum Reichsaußenminister.1

Mit Beginn der Besatzung Frankreichs wurde Otto Abetz, der seit 1935 als Frankreichreferent in der Dienststelle Ribbentrop eingesetzt war, von diesem als neuer „Repräsentant des Reiches“2 nach Paris entsandt. Aufgrund der militärischen Besatzungsstruktur war Abetz als „Bevollmächtigter des Auswärtigen Amtes“ zunächst dem Militärbefehlshaber in Frankreich zugeordnet,3 stand jedoch im direkten Weisungsverhältnis zu Ribbentrop. Erst am 3. August 1940 wurde er von Hitler zum Deutschen Botschafter ernannt.4

Die Beschlagnahmepolitik der Deutschen Botschaft in Paris

Von Beginn an sollte Abetz kulturpolitischen und -propagandistischen Einfluss nehmen, politische Beratung leisten und die Kommunikation mit der Vichy-Regierung sichern.1 Im „Befehl [des] Führers“ heißt es:

„seitens [des] Reichsaußenministers beauftragt […], französische Kunstschätze aus staatlichem und städtischem Besitz Pariser und Provinzmuseen in militärisch besetzten Gebieten sicherstellen zu lassen. Ferner Auftrag, Erfassung und Sicherstellung jüdischen Kunstbesitzes in besetzten Gebieten durchzuführen. Wertvollste Werke [sind in] Deutsche Botschaft Paris [zu] überführen“.2


Während sich der Kunstschutz des Militärbefehlshabers dem Zugriff auf staatliche französische Kunstsammlungen entgegenstellte,3 konnte die Deutsche Botschaft mit Unterstützung der Geheimen Feldpolizei, später auf Anweisung Ribbentrops auch mithilfe des „Sonderkommandos Künsberg“4 das Eberhard von Künsberg leitete, ab Sommer 1940 zahlreiche jüdische Kunsthandlungen und private Sammlungen aufsuchen und Kunstgegenstände beschlagnahmen.5 Die Objekte wurden in die Räume der Deutschen Botschaft in der Rue de Lille verbracht und inventarisiert.6 Ribbentrop sagte nach Kriegsende gegenüber den Alliierten aus, Hitler habe den Auftrag gegeben, den Kunstbestand des Auswärtigen Amtes zu erweitern, um die Objekte auf sämtliche Botschaften und Gesandtschaften zu verteilen.7

Offenbar hatte Ribbentrop diese Verfügung auch in der NS-Führung vermittelt, denn Hermann Göring teilte später mit: „daß auch noch andere Stellen sich hier auf Vollmachten des Führers berufen, so vor allen Dingen der Reichsaußenminister, der schon vor mehreren Monaten ein Rundschreiben an alle Stellen schickte, in denen er […] die Sicherstellung der Kulturgüter als ihm übertragen mitteilte.“8 Dennoch wurde die Botschaft im September 1940 aufgefordert, einen Großteil der Objekte an den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) abzugeben und auch die Durchführung weiterer Beschlagnahmen wurde untersagt.9 Es gelang Joachim von Ribbentrop jedoch, einige Objekte, darunter Teile des Besitzes von Paul Rosenberg und Maurice de Rothschild, in den Sammlungsbestand zu überführen, über den er als Reichsaußenminister verfügte.10


Laut Hector Feliciano war die Abgabe der Beschlagnahmehoheit der Botschaft an den ERR eine Art Wendepunkt in der „Sammlungspolitik“ des Auswärtigen Amtes. Abetz und Ribbentrop hätten „systematische Zukäufe“11 von Kunstwerken als den Weg erkannt, bedeutende Sammlungen aufzubauen, dass „sich ihre Begehrlichkeiten nur durch systematische Zukäufe befriedigen ließen“.

Aus diesem Grund sei angestrebt worden, ein Team von Experten aufzubauen, die sich einzig dem Erwerb von Kunst auf dem französischen Markt widmeten. Nach dem aktuellen Stand der Forschung lässt sich jedoch feststellen, dass schließlich eine sehr geringe Anzahl von Werken direkt für die Sammlung der Pariser Botschaft angekauft wurde.12


Im Fall Ribbentrop muss betont werden, dass eine klare Differenzierung zwischen seiner Privatsammlung, deren Aufbau in erster Linie der Entscheidungsbefugnis seiner Frau Annelies von Ribbentrop unterlag, der Sammlung des Reichsaußenministers und den Beständen des Auswärtigen Amtes, über die er als Reichsaußenminister auch verfügen konnte, nicht immer möglich ist. Da die Bestände des Auswärtigen Amtes unter anderem für eine spätere Verteilung auf die Botschaften vorgesehen waren,13 erscheint es sinnvoll, die von Ribbentrop für seine Diensträume ausgewählten Werke getrennt davon zu betrachten. Aus den Quellen geht jedoch nicht immer klar hervor, was der Ankaufszweck oder der Anlass einer Ankaufsreise war. Außerdem lagerten Werke, die in Frankreich für das Auswärtige Amt (AA) erworben wurden, in der Dienstwohnung Ribbentrops in Berlin,14 wo sich auch Teile seiner Privatsammlung befanden — die Sammlungsbestände überschnitten sich also auch räumlich.15

Kunstankäufe in Frankreich für Ribbentrops Privatsammlung

In seiner Kaufaktivität profitierte Ribbentrop von der Besatzung Frankreichs und den veränderten Kunstmarktbedingungen. Im August 1940 hatte bereits der Kölner Kunsthändler Hermann Abels Werkangebote für Ribbentrop gemacht, die jedoch abgelehnt wurden.1 Über Abels kam möglicherweise auch der Kontakt zu Adolf Wüster zustande,2 der in der Folgezeit als Einkäufer für die Sammlung Ribbentrops aktiv wurde und gleichzeitig für das Auswärtige Amt im allgemeinen als Kunstexperte arbeitete und als Konsul an der Deutschen Botschaft verpflichtet war.3 Da keine umfassenden Ankaufsunterlagen vorliegen, lässt sich die genaue Anzahl der in Frankreich erworbenen Kunstwerke zum aktuellen Zeitpunkt nicht genau feststellen.

Das Sammlungsbestreben Joachim von Ribbentrops ist zwar im Kontext des machthierarchischen Repräsentationsbedürfnisses „nationalsozialistischer Herrschaftspraxis“4 zu sehen, allerdings ist der Umfang seiner Sammeltätigkeit mit derjenigen Hitlers für das geplante Führermuseum in Linz wie auch derjenigen Görings für seine Privatsammlung in Carinhall nicht vergleichbar. Die Untersuchungen der Alliierten liefern exemplarische Auskunft über die Genese der Sammlung Ribbentrops auf dem französischen Kunstmarkt. Darunter fallen Werke mit der Provenienz der beschlagnahmten Sammlungen von Maurice und Robert de Rothschild und von Paul Rosenberg. Die Alliierten identifizierten Kontakte zu französischen Händlern wie Martin Fabiani, Raphaël Gérard, Paul Cailleux, Georges Renand (1879-1968) und Erwerbungen im Hôtel Drouot.5

Joachim von Ribbentrop wird als eine der NS-Größen genannt, „die für die moderne französische Malerei ein Auge hatten und sie sogar sammelten“.6 Zu seinen Sammelpräferenzen formulierte er gegenüber den Alliierten nach Ende des Krieges selbst:

„Hitler war ja sehr rigoros gerade auf diesem Gebiet und ich habe ihm da nicht ganz folgen koennen. Wir waren in unserem Hause immer ziemlich kunstliebend, besonders meine Frau, und wir haben schon in den [1920er] Jahren in Paris alle moeglichen Bilder gekauft, die, glaube ich, von Hitler sehr stark abgelehnt worden waeren. […] Ich habe ihn [Derain] sehr gern, wie auch die ganzen sonstigen modernen Franzosen mir sehr gefallen.“7

So umfasste seine Sammlung Werke von Claude Monet, Édouard Manet, Gustave Courbet, Jean-Baptiste Camille Corot, Jean-Auguste-Dominique Ingres und Nicolas François Octave Tassaert,8 aber auch Werke von Franz Xaver Winterhalter, Hans Thoma, Wilhelm Trübner, Ferdinand Georg Waldmüller, Johann Heinrich Tischbein, Canaletto, François Boucher, Jean-Honoré Fragonard, Antoine Watteau, Théodore Géricault,9 außerdem eine große Zahl Teppiche und Tapisserien.10

Beschlagnahmte Kunst

Doch Joachim von Ribbentrop versuchte nicht nur durch Ankäufe Werke für seine Sammlung zu gewinnen. Neben den Kunstwerken aus den Sammlungen Rothschilds sollten noch weitere Objekte aus offenkundigen Beschlagnahmungen Eingang seine Sammlung finden. So führte Adolf Wüster zwei Tauschaktionen mit dem ERR durch. Die Werke – eine Straßenszene von Maurice Utrillo, die Darstellung eines Löwen mit Schlange von Eugène Delacroix und eine Waldlandschaft Courbets –, die vom ERR aus den Sammlungen Paul Rosenbergs und Robert Bings beschlagnahmt worden waren, erhielt Wüster im Tausch gegen eine Tapisserie, ein Werk nach Art Aelbert Cuyps sowie ein Landschaftsbild mit Felsenkapelle von Joos de Momper.1 Die genaue Herkunft der von Wüster eingelieferten Werke ist ungeklärt. Bruno Lohse sagte gegenüber den Alliierten aus, der Schweizer Kunsthändler Hans Wendland habe das Werk nach Art Cuyps sowie die Tapisserie an Adolf Wüster verkauft,2 was Wendland selbst bestätigte.3
Ribbentrop wollte auch Bouchers Susanna im Bade aus dem Bestand des Louvre für seine Sammlung,4 weshalb Adolf Wüster im Frühjahr 1942 erstmalig versuchte, einen Bestand von Gemälden aus ehemals jüdischem Besitz, die als „entartet“ eingestuft und von der Botschaft als Tauschmittel einbehalten worden waren, gegen ein Werk des 18. Jahrhunderts einzutauschen, das dem Louvre als Gegenwert vorgeschlagen werden sollte.5 Der Tausch scheiterte letztendlich. Die beschlagnahmten Werke „entarteter“ Kunst wurden zu einem noch unbekannten Zeitpunkt schließlich von Wüster auf dem Kunstmarkt verkauft.6

Nach dem Krieg

Nach Kriegsende wurde von den Alliierten ein Bestand von etwa 50 Kunstwerken aus der Sammlung Ribbentrops geborgen. Adolf Wüster war durch seine Aussagen gegenüber den Alliierten an der Rekonstruktion ihrer Provenienzen und der Restitution der Werke beteiligt, der Innenarchitekt der Pariser Botschaft Paul von Waldthausen lieferte ebenfalls Informationen und half bei der Identifizierung einiger Tapisserien und Gobelins, die das Ehepaar Ribbentrop erworben hatte.1

Am 14. Juni 1945 wurde Joachim von Ribbentrop von britischen Soldaten in Hamburg verhaftet. Er wurde bei den Nürnberger Prozessen als Hauptkriegsverbrecher angeklagt. In eingeschränktem Maße wurde er dabei auch zu seinen Aktivitäten als Sammler und zu seinem Verhältnis zur Kunst befragt, stellte sich selbst allerdings als verhältnismäßig bescheidenen Sammler und Liebhaber der modernen Kunst dar.2 Joachim von Ribbentrop wurde am 1. Oktober 1946 zum Tod verurteilt, das Urteil wurde am 16. Oktober 1946 vollstreckt.