WALDTHAUSEN Paul von (DE)
Paul von Waldthausen, geboren am 25. Januar 1897 in Essen, war ein deutscher Unternehmer, Maler, Fotograf und Innenarchitekt, der ab dem 2. November 1940 und offiziell bis zum 31. Dezember 1943 als Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter (Dolmetscher) und leitender Architekt des Botschaftsgebäudes an die deutsche Botschaft in Paris entsandt wurde.
Werdegang
Als Sohn und Miterbe einer bedeutenden Essener Industriellenfamilie war von Waldthausen finanziell gut gestellt und gesellschaftlich gut vernetzt. Dem abgebrochenen Studium der Architektur im Jahr 1921 folgte in München das Selbststudium der Malerei, gefolgt von zahlreichen Auslandsreisen, unter anderem auch nach Paris und Südfrankreich, sowie im Jahr 1937 die Übersiedlung nach Berlin. Hier übernahm er ein Einrichtungshaus in der Stülerstraße 3, im sogenannten Botschaftsviertel am Tiergarten, und führte als Innenarchitekt wichtige offizielle Aufträge aus, wie etwa die Innengestaltung und Einrichtung des deutschen Generalskonsulats in Algier. Auch die Übernahme der Innenausstattung des Ritterguts Jäckelsbruch, das Adolf Hitler samt Ausstattung 1940 Arno Breker zum 40. Geburtstag geschenkt hatte, lässt eine frühe Nähe zu den wichtigen Persönlichkeiten der Zeit vermuten.1
Innenarchitekt der deutschen Botschaft in Paris
Im Botschaftsgebäude, dem Palais Beauharnais, war er während der Besatzungszeit als Innenarchitekt u.a. verantwortlich für die Renovierungsarbeiten und stand in engem Austausch mit Otto Abetz (1903-1958) sowie mit dem Gesandten Rudolf August Emil Otto Schleier (1899-1959). Schleier, zunächst Generalkonsul, vertrat als Gesandter den Botschafter während dessen Abwesenheiten.1 Von Waldthausen war ab November 1940 die Kontaktperson an der Botschaft für den Kunstagenten und Experten Adolf Wüster, der seit Oktober 1940 als Kunsthändler Ankäufe von Kunstwerken für den Reichsminister des Auswärtigen, Joachim von Ribbentrop, in Paris tätigte. Laut „Card File on Art-Looting Subjects“ vermittelte Unterstaatssekretär Martin Luther (1895-1945) vom Auswärtigen Amt den Kontakt zwischen von Waldthausen und Wüster, der ihm bei Wüsters Ankunft in Paris im November 1940 vorgestellt wurde, um „WUESTER bei der Beschaffung von französischen Gemälden des 19. Jahrhunderts für von RIBBENTROP zu unterstützen“.2 Wüster soll ab 1942 dann als Kunstberater („Art Advisor“) von Waldthausen bei der Innenausstattung Deutscher Botschaften assistiert haben.3 In den Akten des Auswärtigen Amts befindet sich ein inhaltlich nicht präzisierter Dienstvertrag von Wüster vom 16. Juli 1942, wonach er aus dem Fonds „Bau und Einrichtung des Auswärtigen Amts“ bezahlt wurde. In Wüsters Ernennung zum Konsul durch Adolf Hitler am 13. August 1943 wird dessen Stelle als die eines „Wissenschaftlichen Hilfsarbeiter[s]“ angegeben.4 Die enge Zusammenarbeit von Waldthausen und Wüster geht aus verschiedenen Dokumenten hervor, ohne dass die jeweiligen Verantwortlichkeiten genau zugewiesen werden können. So war von Waldthausen in den Ankauf von Teppichen involviert, die von Wüster, „conseiller artistique du ministre des Affaires étrangères du Reich“ [„künstlerischer Berater des Reichsaußenministers“]5 in Paris für die Ausstattung des Büros von von Ribbentrop in der Wilhelmstraße 64 in Berlin angekauft wurden.6 In seiner Befragung vom 21. Juni 1946 durch die „Mission for restitution to France“ (siehe seine „Declaration of property removed from an area occupied by German Force”, n° 02566) gab von Waldthausen an, dass es sich um zehn bis zwölf Teppiche („Aubusson of 18th century“) gehandelt habe, die für das Berliner Außenministerium angekauft wurden.7 Angaben zu den Umständen und zum Ort des Ankaufs wurden nicht mitgeteilt, jedoch identifizierte von Waldthausen am 29. März 1949 für die Commission de récupération artistique [Kommission für die Wiedererlangung von Kunstwerken] Teppiche aus dieser Gruppe und präzisierte, diese in der Botschaft für den Versand [an das Berliner Außenministerium] eingepackt zu haben.8 Von Waldthausen gab für 1942 zusätzlich die Einrichtung eines offiziellen Appartements für den Gesandten Rudolf Schleier an, der die Möbel später dann mit nach Berlin genommen habe. Seine genaue Rolle bei den Ankäufen auf dem französischen Kunstmarkt bleibt auch beim Ankauf von acht bis zehn kleinen Möbelstücken des 18. Jahrhunderts („About 8 – 10 small furnitures of the 18th century“) unklar, die, so von Waldthausen in seiner Vernehmung vom 21. Juni 1946, für die Architekturschule Albert Speers in Paris gekauft und an den Generalbauinspektor [Speer] geschickt wurden.9
Neben Abetz und Wüster wurde auch von Waldthausen nach dem Krieg von Rose Valland zum Verbleib zahlreicher aus Privatsammlungen stammender moderner Gemälde „[…] de Renoir, de Monet, Sisley, Pissaro“ vernommen, wie sie in ihrem Brief vom 18. Januar 1950 an das Office des Biens et Intérêts Privés, Service de la Récupération Artistique et Culturelle [Amt für private Vermögenswerte und Ersatzansprüche, Abteilung für künstlerische und kulturelle Wiederherstellung] schrieb.10 Valland vermutete eine Zusammengruppierung dieser Gemälde, die auch in der Besatzungszeit hohe Preise erzielten, „für denselben Bestimmungsort – wahrscheinlich einen Verkauf“11 durch die Deutschen. Erste Untersuchungen in der Schweiz „zeigten die Aktivitäten der Galerien wie die der Galerie Fischer; diese Aktivitäten wurden vor allem auf Grundlage von Tauschgeschäften getätigt, und die Mehrzahl der getauschten Gemälde waren uns bekannt und wurden wiederbeschafft“.12 Eine Durchsicht der Kataloge der in Berlin „sur ordre du Reich“ [im Auftrag des Reichs] während des Krieges durchgeführten Versteigerungen ergab dagegen keine signifikanten Ergebnisse, weshalb sie vermutete, dass es in der deutschen Botschaft in Paris selbst in den Monaten Juli, August und Oktober 1940 Versteigerungen der aus den geplünderten Privatsammlungen stammenden Gemälde gegeben habe, bevor die Sammlungen ins Jeu de Paume überführt wurden. Weder Abetz und Wüster noch von Waldthausen [„Waldhausen“] bestätigen ihr diese Versteigerungen.13 Von Waldthausen wird in den im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts aufbewahrten Aktenbeständen der ab August 1940 auf Weisung Hitlers durchgeführten „Sicherstellung jüdischen Kunstbesitzes“ nicht namentlich genannt. Angesichts seiner Verantwortung für die gesamte Innendekoration bis Ende 1943 ist es eher unwahrscheinlich, dass er nicht an der Auswahl der von Abetz von den Sendungen ins Jeu de Paume zurückgehaltenen 74 Kunstgegenständen aus jüdischem Besitz beteiligt war. Es handelt sich unter anderem um den Schreibtisch von Jacques Caffieri aus der Sammlung Edmond de Rothschild sowie Tapisserien, Gemälde und Graphiken, die der Dekoration des Büros von Abetz sowie der Repräsentationsräume im Palais Beauharnais dienten.14 Einige dieser Kunstwerke wurden noch kurz vor Kriegsende nach Deutschland verschickt.15
Für seine private Tätigkeit als Innenarchitekt gibt von Waldthausen an, auch „während der Besatzungszeit von 1941 bis 1943 weitere Utensilien [Kleidung und Möbel] [...] dank Clearing [des bilateralen Verrechnungssystems]“ gekauft zu haben; die komplette Zerstörung seines Geschäfts in 1943 mit dem Verlust aller Geschäftspapiere würden ihm keine genauen Angaben zu den An- und Verkäufen erlauben.16
Nach dem Krieg
Obwohl von Waldthausens Anstellung an der Botschaft offiziell am 31. Dezember 1943 endete, betreute er nach der Räumung von Paris ab August 1944 bis Juni 1945 das Botschaftsgebäude. Bis 1946 war er in Frankreich als deutscher Gefangener interniert. Nach seiner Entlassung ging von Waldthausen zurück nach Deutschland in seine Parkvilla in Gersfeld/Rhön, wo er sich ab 1946 u.a. für persönliche Ankäufe in Paris verantworten musste. Neben dem Verbleib diverser Einrichtungsgegenstände, die er nach eigenen Angaben von seinem Gehalt für seine Dienstwohnung in der Botschaft gekauft und von dort nach Gersfeld überführt hatte, erhielt von Waldthausen 1948 eine Restitutionsaufforderung der „French Mission for Restitution to the French“ für einen während der Besatzung 1942/1943 angekauften gerahmten Kupferstich im Wert von 500 F. Diesen restituierte er am 25. August 1948.1 Auch hatte von Waldthausen den französischen Archives Nationales in seiner Zeit in Paris im März 1941 Dokumente aus den Jahren 1528 bis 1619 geschenkt.2 Von Waldthausen, der am 26. Juni 1965 in Gersfeld verstarb, war nach dem Krieg hauptsächlich als Fotograf und Maler tätig. 1963 bot er dem Auswärtigen Amt seine Dienste bei der Herrichtung des Palais Beauharnais als Botschafterresidenz an, ohne dass sein Angebot jedoch angenommen wurde.3
Basisdaten
Personne / personne