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28/08/2023 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Paul Cailleux war Experte für französische Malerei und Zeichnungen des 18. Jahrhunderts. Er war als Händler und Gutachter tätig. Während seine Familie in der Besatzungszeit von der Deportation bedroht war, schloss er Verkäufe mit deutschen Händlern ab. Unter seinen Kunden befanden sich das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld und das Kunstmuseum Düsseldorf. Er verkaufte auch an Maria Almas-Dietrich, Friedrich Welz, Hildebrand Gurlitt sowie Bruno Lohse und er begutachtete Gemälde im Auftrag der Reichsbank.

Ein Gutachter, dem vorgeworfen wurde, jüdisch zu sein

Paul de Cayeux de Senarpont, Paul Cailleux genannt, wurde am 12. November 1884 geboren. Er wurde Gemäldehändler und eröffnete 1912 seine eigene Galerie. Diese befand sich zunächst in der Rue Laffitte, 1923 zog er in die 136, Rue du Faubourg-Saint-Honoré um.1 Für das Zollamt war er als staatlicher Gutachter tätig und trat für das Zivilgericht des Département Seine als Experte auf. Er war Verwalter und Kassenwart der Fédération des commerçants et industries d’art et de qualité [Vereinigung des Händler, der Kunstproduktion und der Qualitätssicherung] und Administrator des Syndicat des négociants en objets d’art, tableaux et curiosités [Vereinigung der Kunst-, Gemälde- und Kuriositätenhändler].2 In seiner Galerie stellte er eine Sekretärin und einen Lehrling an. Die Stellung des Sekretärs übernahm 1937 sein Sohn Jean. Im Juni 1940 schloss er sein Geschäft.3 Er arbeitete nur noch für Personen, die wussten, dass er noch in Paris war, von da an arbeitete er von zuhause aus.4 Aufgrund gesundheitlicher Probleme beschäftigte er außerdem vom 1. April 1942 bis Juli 1944 seinen Schwiegersohn.5

Die Ehefrau von Paul Cailleux, Judith Serf,war Jüdin. Aus diesem Grund wurden ihre Kinder und Enkel den deutschen Verordnungen zufolge als “jüdisch” betrachtet und fielen unter die nationalsozialistischen Rassengesetze. Cailleux und seine Frau besorgten sich deshalb Familienunterlagen, die ihre „arische“ Abstammung belegten. Aus den Unterlagen der Roberts Commission (auch American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas) geht hervor, dass Judith Serf von Pierre Blanc denunziert wurde,6 einem für den Sicherheitsdienst (SD) tätigen Kunsthändler, der Otto Abetz nahestand.7 Sie wurde am 19. September 1942 verhaftet und dank der Intervention von De Redke,8 Bruno Lohse9 und Walter Bornheim10 am 31. Oktober desselben Jahres wieder freigelassen.11

In der für die Kollaboration eintretenden Zeitschrift La Gerbe wurde gemutmaßt, dass Cailleux ein Tarnname für Cohen sei.12 Paul Cailleux wurde außerdem Opfer einer Diffamierungskampagne, die durch die Veröffentlichungen des Grafen Chastenet de Puységur13 verbreitet wurde. Cailleux reichte gegen diese am 23. Oktober 1944 Klage ein. Am 3. Dezember 1943 wurden Cailleux und seine Frau festgenommen und im Sammellager Drancy interniert.14 Ein weiteres Mal wurden sie durch das Eingreifen Bornheims wieder freigelassen.15

Die Gutachten und Verkäufe

Auf Initiative Dr. Heinrich Wolffs bat Margot Jansson 1941 Cailleux um seine Dienste als Kunstgutachter.1 Während eines Verkaufs zweier Gemälde, die François Boucher zugeschrieben wurden,2 wurde Cailleux außerdem als Experte an der Seite von Jules Féral und Louis Guiraud aktiv, die beide Gutachter für die internationale Handelskammer waren. Ein weiteres Mal trat er neben Henri Verne in Erscheinung, im Zusammenhang mit Gemälden von Boucher, die Édouard Larcade gehören und für die Sammlung von Hans Wendland bestimmt waren. Sie wurden 1942 über die Vermittlung durch Walter Hofer verkauft.3

In den Berichten der American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas (auch Roberts Commission) taucht Cailleux als Verkäufer von Gemälden mittelmäßiger Qualität des 18. Jahrhunderts an die Deutschen auf. Er wird in diesen Berichten als Kollaborateur dargestellt.4 In den sogenannten Schenker Reports erscheint er als Verkäufer an die deutschen Museen.5

Einer seiner wichtigsten Kunden war vermutlich das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld: Der Bericht der Roberts Commission stellt mehrere Verkäufe fest.6 Am 3. März 1941 kaufte das Museum Die junge Frau in Blau [Jeune Femme en bleu] von Pierre Bernard für 35.000 F,7 das Porträt von Monsieur Abel-François Poisson de Vandières, Marquis de Marigny, directeur général des Bâtiments du Roi (1727-1781) von Jean-François de Troy für 200.000 F,8 sowie die Femme allaitant [stillende Frau] von Jean-Laurent Mosnier für 60.000 F.9 Es gibt Nachweise für einen weiteren Verkauf, der am 28. März 1941 durchgeführt wurde: Das Museum erwarb ein Porträt von Madame de la Marinière von Alexis-Simon Belle für 250.000 F, eine Pastellzeichnung mit der Darstellung einer jungen Frau von Antoine Coypel für 250.000 F, ein Familienporträt von Marguerite Gérard für 120.000 F und ein Männerporträt von Heinsius für 60.000 F.10 Zu einem anderen Zeitpunkt verkaufte Cailleux dem Museum ein Porträt von Madame de La Sablonnière et sa fille von Alexis-Simon Belle für 12.500 RM11 und Nina chantant la romance [Nina, die Romanze singend] nach Henri-Nicolas van Gorp (diese wurde damals für Femme à la mandoline [Frau mit Mandoline] von Louis-Léopold Boilly gehalten) für 300.000 F.12 Am 5. November 1942 verkaufte er zwei Gemälde an Friedrich Muthmann, der auch Erwerbungen für das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld tätigte.13 Es handelte sich bei den beiden Werken eventuell um ein Portrait von Voltaire für den Preis von 7.500 F und das Bild Quatre personnages dont une femme chantant dans un parc [Vier Figuren im Park, darunter eine singende Frau] das Marguerite Gérard zugeschrieben wird.

Eine weitere wichtige deutsche Kundin Cailleux‘ war Maria Almas-Dietrich.14 Nach den Unterlagen des Central Collecting Point in München kaufte sie bei Cailleux ein Gemälde Bouchers und eines von Christoph Amberger, die für Hitler bestimmt waren.15 Unter den Werken, die nach dem Krieg nach Frankreich restituiert wurden, wurden drei als Verkäufe von Cailleux an Dietrich identifiziert. Sie sollten im Linzer Museum gezeigt werden: Christus und die Ehebrecherin von Giandomenico Tiepolo wurde am 20. Mai 1941 verkauft. Das Portrait de l’artiste tenant un crayon à la main [Porträt des Künstlers, einen Stift haltend] von Johann Ernst Heinsius und Le Grand Pont ou Le Torrent [Die große Brücke oder Der Bach] von Hubert Robert wurden für 100.000 F und 350.000 F am 4. Juli 1941 verkauft.16

Das Museum von Düsseldorf erwarb am 10. Juli 1941 von der Galerie Cailleux die Paysage montagneux, les gorges d’Ollioules [Bergige Landschaft, Schluchten von Ollioules] von Hubert Robert für 300.000 F und ein Werk von Charles-Joseph Natoire, Porträt von Louis-Anne de Bourbon Condé, Mademoiselle de Charolais für 1 Million F am 25. August 1943.17 Am 7. April 1942 verkaufte Cailleux die Femme en source [Frau als Quellnymphe] von Nicolas de Largillierre für 50.000 F an Adolf Wüster. Dieser verkaufte sie am 4. Juli 1942 an das Museum in Düsseldorf weiter. Wüster kaufte Cailleux außerdem für mehr als 1 Million F ein Selbstporträt mit Palette von François-André Vincent ab, das für die Sammlung von Joachim von Ribbentrop bestimmt war.18

Am 9. Oktober 1940 verkaufte Cailleux eine Serie von vier Wandteppichen des 16. Jahrhunderts, das Wirken des Herkules darstellend, für 425.000 F an Friedrich Welz. Diese waren für die Landesgalerie in Salzburg bestimmt.19 Er verkaufte außerdem über Theodor Hermsen an Hildebrandt Gurlitt,20 an Gustav Rochlitz, Hermann Kundt und über Heinrich Wolff an die Reichsbank.21 Ein Zeuge gibt den amerikanischen Behörden gegenüber an, dass Cailleux zu mehreren Gelegenheiten Bruno Lohse Kunstwerke für Hermann Göring angeboten habe, um das freundschaftliche Verhältnis zu pflegen. In den Vernehmungen Lohses gibt dieser an, dass die von Cailleux verlangten Preise unerschwinglich gewesen seien, da dieser die Verkäufe nicht abschließen wollte.22 Es ist entsprechend zu keinem Verkaufsabschluß zwischen den beiden Männern gekommen.23 Zu Cailleuxs Netzwerk während der Besatzungszeit gehörten außerdem das Haus Jansen, Serge Mons, Ernest Garin, Margot Jansson und Jean Cassagne.24

Die „Arisierung“ jüdischen Eigentums

Aufgrund seiner Stellung als Vorstand des Syndicat des négociants en objets d’art, tableaux et curiosités wurde Cailleux vom 1941 eingerichteten Commissariat général aux questions juives [Generalkommissariat für „Judenfragen“] zu den ihm bekannten Kunsthändlern befragt. Das Generalkommissariat wollte sich der Netzwerke Cailleux bedienen und ihn als Administrator instrumentalisieren, um Kunsthandlungen für moderne Kunst aufzulösen1 und Zwangsverwalter für beschlagnahmte „israelitische Unternehmen“ [„maisons israelites“] einzusetzen. Cailleux versammelte etwa dreißig seiner Kollegen und bat sie, die Verwaltung der Kunsthandlungen jüdischer Besitzer zu übernehmen.2 Obwohl er sich somit direkt an der „Arisierung“ der Geschäfte beteiligte, verteidigte er dies damit, dass es durch die Kontrolle der eingesetzten Verwalter möglich gewesen sei, den Besitz dieser Geschäfte zu sichern.3 Im Februar 1942 wurde er von Kurt von Behr vorgeladen, dem Leiter des Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR), später der Dienststelle Westen, der für die Beschlagnahmungen der jüdischen Besitztümer verantwortlich war. Als Vorstand des Syndicat forderte von Behr Cailleux auf, mit seinen Kollegen eine Liste der jüdischen Besitztümer aufzustellen.4

Dies hatte von Behr bereits von André Schoeller gefordert, dem Vorstand des Syndicats des éditeurs d’art et négociants en tableaux modernes [Vereinigung der Kunstverlage und Kunsthändler moderner Kunst]. Schoeller hatte dies abgelehnt.5 Er erklärte, dass er die Forderung nach Absprache mit Paul Véroudart, dem Präsidenten des Comité d’organisation des antiquaires [Interessenvertretung der Antiquitätenhändler], mit dem Argument umgangen habe, dass seine Gewerkschaft in der Branche keine Exklusivität repräsentiere. Er verwies von Behr auf das Comité d’organisation des antiquaires.6

Die Vorladung vor das Comité de confiscation

Das Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für die Einziehung unlauterer Gewinne] lud Cailleux wegen Gutachtertätigkeiten für Malereien im Auftrag der Reichsbank und Gemäldeverkäufe an das Museum in Düsseldorf vor. Das Komitee beschloss die Nachforderung von 833.000 F und verurteilte ihn zu einem Bußgeld von 1 Million F.1

Bei seiner Verteidigung brachte Cailleux die jüdische Herkunft seiner Frau vor. Er habe außerdem verschiedene Personen während der Besatzungszeit beherbergt und beschützt, beispielsweise André Serf2 und Hauptmann Rheims.3 Er verschickte außerdem in etwa 50 Kisten besonders wertvolle Objekte, die er somit in die Obhut von Freunden gab.4

Cailleux starb im Jahre 1964. Sein Sohn Jean übernahm die Galerie Cailleux, die bis ins Jahr 2000 weiter bestand. Die Dokumentation der Galerie wird im Institut national d’Histoire de l’Art (INHA) aufbewahrt. Die Verkäufe sind darin alphabetisch nach Namen der Künstler geordnet.