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04/05/2022 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Der italienische Antiquitätenhändler Paul Aguilar hatte zusammen mit seiner Geschäftspartnerin und Lebensgefährtin Marthe-Adrienne Lemonnier von 1938 bis Juni 1943 ein Geschäft in Cannes. In der Besatzungszeit verkaufte er Bruno Lohse ein Gemälde für Görings Sammlung in Carinhall.

Unlautere Geschäfte mit Kunstwerken an der Côte d’Azur

In der Besatzungszeit beauftragte Reichsmarschall Hermann Göring das damalige Mitglied des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg (ERR) Bruno Lohse damit, Kunstobjekte ausfindig zu machen, um seine Privatsammlung zu vergrößern. In der Folge sollte Lohse dann regelmäßig mit dem auf Alte Meister spezialisierten Kunsthändler Gustav Rochlitz zusammenarbeiten, weil Göring für diese Kategorie eine ganz besondere Vorliebe hegte. Lohse erwies sich als Mittelsmann und kluger Verhandler, wobei er je nach Bedarf Tauschgeschäfte mit modernen, zur sogenannten „entarteten Kunst“ zählenden und aus jüdischen Privatsammlungen entwendeten Gemälden organisierte, um die begehrten Malereien zu erwerben. Lohse arbeitete auch mit dem Antiquitätenhändler Allen Loebl zusammen, der sein Geschäft an der Adresse 9 Rue de l’Echelle im ersten Pariser Arrondissement hatte.1

Ihre Geschäfte wickelten sie zwar für gewöhnlich auf dem Pariser Kunstmarkt ab, sie begaben sich aber manchmal auch in die unbesetzte Zone, in erster Linie an die Côte d’Azur. In Nizza hatte sich nämlich ein wahrhafter Umschlagplatz für Kunstwerke entwickelt, an dem sich Eugen Bruschwiller beteiligte. Letzterer wurde ab dem Jahr 1943 zu einem der wichtigsten Kunstbeauftragten im Rahmen des „Sonderauftrag Linz“.2 An diesen unlauteren Geschäften mit Kunstwerken beteiligten sich neben ihm auch der Händler Rudolf Holzapfel-Ward, ein sogenannter „Monsieur Thierry“ sowie seine Gattin unter ihrem Mädchennamen, also „Madame Soyer“. Der nach dem Krieg erstellte Bericht der Services de récupération artistique [Französische Behörden für die Wiedererlangung von Kunstbesitz] erläutert, dass „im Mittelpunkt dieser Geschäfte von den deutschen Besatzern gestohlene und von der Gestapo zu Spottpreisen gehandelte Vermögenswerte“ standen. Dabei wird zugleich das Paar Aguilar-Lemonnier als einer der wichtigsten Ankäufer genannt.3

Ein Gemäldeverkauf für Görings Sammlung

Der am 24. Februar 1895 in Wien geborene Paul Aguilar1 hatte die italienische Staatsangehörigkeit und führte zusammen mit seiner am 21. Mai 1879 in Étretat geborenen Lebensgefährtin Marthe-Adrienne Lemonnier2 ab 1938 und bis Juni 1943 ein Antiquitätengeschäft in Cannes, an der Nummer 109 Rue d’Antibes. Zuvor wohnte das Paar in Paris.3
Im Januar 1943 sollen sich Allen Loebl, Bruno Lohse und Gustav Rochlitz  in Aguilar-Lemonniers Geschäft begeben haben. Den nach dem Krieg von der Kriminalpolizei durchgeführten Verhören Aguilars zufolge soll Loebl — der angeblich als Einziger seine Identität preisgegeben haben soll4 — ihn gefragt haben, ob er vom Verkauf eines holländischen Gemäldes wüsste. Aguilar erklärte: „Ich hatte nichts bei der Hand, gab ihnen aber zu verstehen, dass ich einen Kontakt hatte, der ihm weiterhelfen könnte“.5

Es handelte sich um „Étienne Levy“, einen an der Adresse 178 Rue du Faubourg Saint-Honoré im achten Pariser Arrondissement niedergelassenen jüdischen Antiquitätenhändler. Dieser gab an, dass er in der Besatzungszeit in Marseille gewohnt habe, da er infolge der antisemitischen Maßnahmen nach seiner Demobilisierung nicht in seine Pariser Wohnung habe zurückkehren können. Zwei Tage nach dem Besuch von Loebl, Lohse und Rochlitz soll Levy Aguilar ein Stillleben des holländischen Malers Willem Claeszoon Heda6 übergeben haben, der es seinerseits den drei Männern im Hotel in Nizza, wo sie wohnten, gezeigt haben soll.7 Lohse kaufte das Gemälde für Görings Sammlung in Carinhall am 12. Januar 1943 zum Preis von 330.000  F.8

Beschuldigungen wegen „Handel mit dem Feind“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Aguilar von der Commission nationale interprofessionnelle d’épuration [Nationale berufsübergreifende Säuberungskommission] beschuldigt, „Handel mit dem Feind“ betrieben zu haben. Zwei Motive werden genannt: es wird ihm vorgeworfen, mit dem Kunsthistoriker Josef Mühlmann und Bruno Lohse zusammengearbeitet und für Letzteren am 12. Januar 1943 ein Stillleben von Heda erworben zu haben.1 Die nach dem Krieg durchgeführten Ermittlungen zeigen tatsächlich, dass die Antiquitätenhandlung Aguilar-Lemonnier mit Lohse, Mühlmann und möglicherweise auch mit Bruschwiller Geschäfte getätigt hat.2

Aus den zwischen der Commission de Récupération Artistique [Kommission für die Wiedererlangung von Kunstbesitz] und der Direction Générale des Études et Recherches [DGER, französischer Geheimdienst nach dem Zweiten Weltkrieg] ausgetauschten Informationen geht auch hervor, dass Aguilar sehr wahrscheinlich mit den Besatzern zusammengearbeitet hatte. In einem Schreiben vom 17. Juli 1945 heißt es:

„Der Vorsitzende der Commission de Récupération Artistique hat die Ehre, dem Kommandanten der Stadt Orange informationshalber die Kopie eines Schreibens des Konservators des Museums in Antibes zu überreichen, das sich auf ein Gemälde aus dem Besitz von Frau Romain, wohnhaft an der Adresse 45 Rue de la République in Antibes, bezieht, das durch Vermittlung eines in Cannes ansässigen Kunsthändlers namens Aguilar wahrscheinlich nach Deutschland verschickt worden ist. Über das unlautere Geschäft der in Cannes, 109 Rue d’Antibes, ansässigen Firma Aguilar-Lemonnier wurden Sie bereits im vergangenen Februar in Kenntnis gesetzt.“3

Ein ohne Verurteilung eingestelltes Verfahren

Bei den in der Nachkriegszeit durchgeführten Verhören sagte das Paar Aguilar-Lemonnier übereinstimmend aus, dass Herr Aguilar allein das Geschäft  führte und  Frau Lemonnier über dessen Geschäftstätigkeit nicht in Kenntnis gesetzt wurde.1 Zudem gaben beide an, die Mitglieder der wegen Kunstschmuggel im Mittelmeerraum unter Verdacht stehenden Organisation, also Bruschwiller, Holzapfel-Ward, Thierry und Soyer, nicht zu kennen.2 Aguilar gab zudem an, weder Hans Möbius, Konservator der Sammlungen in Kassel und in der Besatzungszeit Mitglied beim Kunstschutz, noch Mühlmann begegnet zu sein.3

Im Übrigen bestätigte Madame Lemonnier, dass der Kunsthändler Jean-François Lefranc öfter das Geschäft besuchte. Als Letzterer am Cour de Justice du Département de la Seine (Gerichtshof des Departement Seine) am 15. November 1946 vorgeladen war, sagte er Folgendes aus:

„Ich war von den völlig unbegründeten Behauptungen von Lemonnier und Laffaille vollkommen überrascht und zugleich entsetzt darüber, dass ich bei der Beschlagnahmung der beiden Werke von Chardin und bei der Verhaftung von Herrn Gimpel eine gewisse Rolle gespielt hätte. Herrn Gimpel kannte ich schon seit langem, weil ich ihn in der Besatzungszeit in Cannes kennengelernt und regelmäßig bei Herrn Aquilar, einem Antiquitätenhändler in der Rue d’Antibes, getroffen hatte.“4

Aguilar wiederum gab an, dass Rochlitz und der Händler und Gutachter Yves Perdoux mehrere Male ins Geschäft gekommen waren. Das Paar gab zudem an, mit keinem von beiden je ein Kaufgeschäft abgeschlossen zu haben.5

Um seine Verteidigung zu untermauern erwähnte Aguilar noch:

„Diese Personen kamen in Zivilkleidung und sprachen französisch, soweit ich mich erinnere. Ich glaube übrigens, dass nur dieser Loebl gesprochen hat. […] Die Begleiter des genannten Loebl kannte ich nicht. Ich wusste nicht, dass es Deutsche waren und welche Rolle sie in dieser Angelegenheit spielen konnten.“6

Er fügte hinzu, dass er erst bei Abschluss des Geschäfts der Transaktion erfahren habe, dass einer von ihnen Lohse hieß, und er betonte, nicht gewusst zu haben, dass das Gemälde für ihn bestimmt war.7

Loebl erklärte seinerseits, Lohse gezwungenermaßen begleitet zu haben, um das Gemälde zu begutachten:

„Ich sollte zu einem bestimmten Zeitpunkt  Lohse und Rochlitz am Pariser Bahnhof Gare de Lyon treffen. Meinen Ausweis hatte man mir vorsichtshalber abgenommen und erst nach erfülltem Auftrag zurückgegeben. […] Wie Lohse es von mir verlangt hatte, sagte ich, dass es sich um ein Original handelte. Meine Rolle war damit erfüllt und ich weiß nicht einmal, wer was für das Gemälde bezahlt hat. Das ist die einzige Tätigkeit, die ich für Aguilar erledigt habe. […] Ich hatte von einem sogenannten Herrn Mühlmann gehört, der bei dieser Transaktion jedoch nicht zugegen war.“8

Aguilar erreichte, dass der Besitzer des Gemäldes eine Zeugenaussage zu seinen Gunsten machte, indem dieser bestätigte, ihm das Stillleben aus freien Stücken zum Zwecke des Verkaufs anvertraut zu haben, da er Geld benötigte. Bei der Vorladung erklärte Levy:

„Ich habe das Gemälde bei ihm im Geschäft abgegeben und dabei den gewünschten Preis genannt, nämlich 300.000 F. Kurze Zeit später teilte er mir mit, dass das Gemälde zum geforderten Preis verkauft worden war, den er mir dann zur Gänze ausbezahlte. In dieser Angelegenheit habe ich keinerlei Grund, ihm Vorwürfe zu machen. Er hatte sich durchaus korrekt verhalten, sodass wir nach wie vor eine gute Beziehung zueinander haben. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass er mir angeboten hatte, bei ihm zu wohnen, falls ich wegen der Verfolgungen vonseiten der deutschen Besatzungsmacht Schwierigkeiten bekommen sollte.“9


Am 23. Mai 1949 stellte die Commission nationale interprofessionnelle d’épuration aus mehreren Gründen, die keine effizienten Sanktionen zuließen, das Verfahren ohne Verurteilung ein: Einmaligkeit der Angelegenheit, geringe Bedeutung der Transaktion, ausländische Staatsangehörigkeit und Rückzug aus dem Geschäft.10