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Als Kunstschutzbeauftragter war Tieschowiz mitverantwortlich für die Kontrolle des Kunstmarktes. Er unterhielt Kontakte zu zahlreichen Kunsthändlern und Personen des kulturellen und kulturpolitischen Lebens im besetzten Frankreich.

Beruflicher Werdegang

Bernhard (Harry) von Tieschowitz (von Tieschowa) wurde 1902 in Berlin-Grunewald als Sohn einer preußischen Adelsfamilie geboren, zu deren Bekannten der spätere Reichspräsident Paul von Hindenburg  (1847-1934) gehörte.1 Nach einem Studium der Nationalökonomie in Berlin, München und Marburg 1922 bis 1925 wechselte er zum Fach Kunstgeschichte und promovierte 1929 bei Richard Hamann in Marburg über das Chorgestühl des Kölner Doms.2 Von November 1929 bis März 1931 war er Mitarbeiter der Galerie Bachstitz3 in Berlin, bevor er von April 1931 an für drei Jahre, zunächst als Lektor, dann ab September 1932 als Leiter der Photographischen Abteilung am kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Marburg tätig war. Nach einer zweijährigen Mitarbeit an der Redaktion des Reallexikons zur Kunstgeschichte bewarb er sich 1936 erfolgreich als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter (Assistent)  des Provinzialkonservators der Rheinprovinz Franz Graf Wolff Metternich (1893-1978). Ende August 1939 wurde er zur Wehrmacht einberufen und nahm ab Mai 1940 als Leutnant der Reserve bzw. Ordonnanzoffizier am Westfeldzug teil. Auf Initiative seines Bonner Vorgesetzten Graf Metternich, der im Mai 1940 zum Beauftragten für Kunstschutz des Oberkommando des Heeres (OKH) ernannt worden war, wurde er am 13. August 1940 zu dessen Stellvertreter (ab 14. September mit dem Grad eines Kriegsverwaltungsrats, KVR) berufen und trat am 19. August seine Stelle in Paris an. Bis zum 16. August 1944 blieb er mit allen Aufgaben des Kunstschutzes betraut und übernahm während der langen, krankheitsbedingten Abwesenheiten und des Arbeitsurlaubs Wolff Metternichs 1942, sowie vor allem nach dessen Entlassung 1943 die Leitung des Referats, wenn auch stets in engem Kontakt mit seinem Bonner Vorgesetzten.

Nach dem Krieg

Nach kurzer Kriegsgefangenschaft und Entnazifizierung (die anfängliche Einstufung als „Mitläufer“ konnte er erfolgreich anfechten und galt somit seit dem 20. Februar 1949 als „unbelastet“) trat er im April 1951 eine Stelle bei der 1950 geschaffenen „Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten“ (Vorgängerin des Auswärtigen Amts) an, zunächst in der Protokollabteilung, ab Januar 1952 in der neu gegründeten Kulturabteilung, wo er die „Treuhandverwaltung für Kulturgut“ mit vorbereitete und kurzzeitig der Verantwortliche ihres Bonner Büros war.1 Noch bevor er im Januar 1953 zum Kulturattaché der Diplomatischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Paris unter Wilhelm Hausenstein2 (1882-1957) ernannt wurde, nahm er im Auftrag der Bundesregierung an den internationalen Sitzungen für die Ausarbeitung der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten teil.3 Als Verantwortlicher für Kultur war er neben der Rückgabe des Goethe-Hauses und der Betreuung der Filmbranche mit der Restitution deutschen Kulturguts befasst, das im besetzten Deutschland abhanden gekommen war und sich mutmaßlich in Frankreich befand.4 Am 23. April 1968, ein Jahr nach seiner Pensionierung und seiner Rückkehr nach Bonn, nahm sich von Tieschowitz das Leben. Er hinterließ keine Nachkommen.

Kunstschutz und Kunstmarkt, 1940-1944

Während der Besatzungzeit war von Tieschowitz als Stellvertreter Wolff Metternichs hauptsächlich mit organisatorischen Fragen beschäftigt: dazu gehörte die koordinatorische Leitung der sogenannten „kunsthistorischen Fotokampagne“,1 sowie insbesondere die Einrichtung der KS-Referate in Griechenland, Serbien und Italien und die Kommunikation mit den dortigen Verantwortlichen, was zahlreiche Reisen in die jeweiligen Länder sowie ins Reich erforderte. Hinzu kam die Pflege der Beziehungen des Kunstschutzes zu deutschen und französischen Dienststellen. Dennoch war er, zwar in geringerem Maße als seine Kollegen der Kunstschutzabteilung beim MBF in Frankreich, in die Kontrolle des dortigen Kunstmarkts involviert. So nahm er in führender Position teil an den Verhandlungen mit französischen Fachkollegen bezüglich der Frage der Ausfuhr von Kulturgütern ins Deutsche Reich.2 Sein Tageskalender verzeichnet lediglich einen Besuch im Hôtel Drouot, am Vortag einer Versteigerung.3 Als ehemaliger Student der Nationalökonomie verwaltete er das Budget des Referats, welches aus einem vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) gewährten Dispositionsfonds herrührte. Daher liegt die Vermutung nahe, dass er die im Lagebericht des MBF von Dezember 1941 bis Januar 1942 erwähnte Hilfestellung bei „Devisenüberweisungen im Clearing-Verfahren“4 übernommen haben könnte. Vor allem aber lag die Rolle des weltläufigen, frankophonen, polyvalenten und agilen Kunsthistorikers in der Knüpfung und Pflege von unzähligen Beziehungen zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Frankreich der Kollaboration unter dem Vichy-Regime, von Louis Hautecœur (1884-1973)5 über Sacha Guitry (1885-1957)6 bis hin zu Fernand de Brinon (1885-1947)7 und Jacques Bénoist-Méchin (1901-1983)8. Im Sinne der „kulturellen Kollaboration“ bestanden zudem Kontakte zu Künstlern, Kunstsammlern und Kunsthändlern, die sich in Einladungen zu gesellschaftlichen Anlässen wie Galerievernissagen und Ausstellungseröffnungen niederschlugen. Unter den Sammlern, mit denen von Tieschowitz regelmäßig verkehrte, finden sich bekannte Namen wie beispielsweise Gabriel Cognacq (1880-1951), Vorstandsvorsitzender des Kaufhauses „Samaritaine“, Mitglied der Akademie der Schönen Künste, Vorsitzender des Komitees der Nationalmuseen und Unterstützer der militärischen Kollaboration mit Nazi-Deutschland.9 Doch auch heute im wesentlichen unbekannte Sammler-Persönlichkeiten wie Igor von Baranowitsch (frz. Igor de Baranowicz) gehörten zu seinen Bekannten.10 Darüber hinaus frequentierte er deutsche und österreichische Staatsangehörige, die sich bereits vor dem Krieg in Paris niedergelassen hatten, wie z.B. den Kunsthistoriker, Kunstsammler und -händler Antonin Juritzky-Warberg (1887-1961).11 Nennenswert ist in diesem Zusammenhang aber vor allem die Beziehung zum Kunsthändler Gustav Rochlitz, der nach Kriegsende besonders durch seine Tauschgeschäfte moderner Gemälde aus beschlagnahmten jüdischen Privatsammlungen ins Fadenkreuz sowohl der alliierten als auch der französischen Ermittler geriet und dafür verurteilt wurde. Laut Tageskalender trafen sich die beiden zum ersten Mal Ende Juni 1943,12 also erst nachdem ein Mitglied der Kunstschutz-Abteilung am 24. Februar 1943 dem Kunsthändler ein Zertifikat über die Wichtigkeit seiner Tätigkeit ausgestellt hatte. Die Treffen häuften sich in den letzten Monaten vor der Befreiung von Paris und endeten erst am Nachmittag des 16. August 1944, unmittelbar bevor von Tieschowitz Paris verließ.13 Über die Natur ihres Verhältnisses ist nichts bekannt.14 Inwieweit geschäftliche Aspekte in ihre Beziehung hineinspielten, bleibt zu erforschen, ebenso wie die Frage nach einer eventuellen Wiederaufnahme des Kontakts nach 1945.

Kulturdiplomat

Von Tieschowitz‘ Rolle im Bonner Büro der „Treuhandverwaltung für Kulturgut“ erfordert ebenfalls weitere Forschungen.1 Zurück in Paris Anfang 1953, diesmal in Begleitung seiner Frau, konnte der zum offiziellen Kulturdiplomaten aufgestiegene Kunsthistoriker mühelos an seine Netzwerke aus der Besatzungszeit anknüpfen. Gegenüber den Restitutionen von Kulturgut, das während der Besatzung in Frankreich erworben worden war, nahm der ehemalige Kunstschutzbeauftragte und Legationsrat Erster Klasse eine seinem Diplomatenstatus entsprechende neutrale Position ein: im Dezember 1954 berichtete er seinem früheren Kunstschutz-Kollegen Hans Möbius über die im Deutschlandvertrag vom 23. Oktober 1954 festgelegte Legalisierung der bereits durchgeführten Restitutionen und zugleich über das Recht Frankreichs auf weitere Rückgabeforderungen, und fügte hinzu: „Eine andere Lösung zu erreichen, war in Anbetracht der Tatsache des verlorenen Krieges nicht möglich.“2