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Der langjährige Leiter des Frankfurter Städelschen Kunstinstituts unternahm mit seinen Kollegen von anderen Frankfurter Museen Einkaufsreisen ins besetzte Frankreich und tätigte umfassende Erwerbungen für die von ihm geführten Sammlungen.

Leiter des Städelschen Kunstinstituts und der Städtischen Galerie

Ernst Holzinger leitete das 1815 durch Vermächtnis des Frankfurter Kaufmanns Johann Friedrich Städel (1728-1816) errichtete Städelsche Kunstinstitut für mehr als drei Jahrzehnte. Er hatte die Direktion der privaten Museumsstiftung im Mai 1938 als Nachfolger von Georg Swarzenski (1876-1957) übernommen, den man Ende 1937 aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dieser Position gedrängt hatte. Swarzenski war seit 1906 im Amt gewesen und damals zugleich Gründungsdirektor der neuen, dem Städel angegliederten Städtischen Galerie für die bildenden Künste der Gegenwart. Er baute eine moderne Sammlung auf, deren Schwerpunkt die französische Malerei des neunzehnten Jahrhunderts war. Auch die Frankfurter Malerei, ein weiterer Fokus seiner Erwerbungen, setzte Swarzenski in einen französischen Traditionszusammenhang und stellte sie gemeinsam mit Meisterwerken aus Paris aus. Finanziert wurden die Zugänge für die neue Galerie im Städel, deren Leitung Swarzenskis ehemaliger Assistent Alfred Wolters (1884-1973) seit 1928 innehatte, insbesondere aus Mitteln der Stadt Frankfurt. In den Jahren der deutschen Besatzung Frankreichs beriefen sich die Stadt wie auch das Städel auf fragwürdigste Weise auf diesen historischen Sammlungsfokus der französischen Moderne, als man umfangreiche Ankäufe von Gemälden, Skulpturen und Papierarbeiten auf dem Pariser Kunstmarkt tätigte, um diesen Bestand zu erweitern.

Als Direktor des Städel arbeitete Holzinger eng mit seinem Kollegen Wolters zusammen. Beide vertraten sich gegenseitig in ihren Funktionen. Ab Mai 1939 wurde Wolters im Auftrag der Devisenstelle offizieller Sachverständiger für die Bestimmung national wertvollen Kulturguts. Im August 1941 ernannte die Berliner Reichskulturkammer Holzinger zum „Sachverständigen für die Sicherung und Verwertung von deutschem Kulturgut aus jüdischem Besitz.“ Beide wurden in zahlreichen Fällen für in Frankfurt unter Druck verkaufte oder beschlagnahmte Objekte aus jüdischen Sammlungen gutachterlich tätig. Als Gutachter intervenierten sie auch in mindestens zwei bisher bekannten Fällen für im besetzten Paris beschlagnahmte Vermögen: für die Kunstsammlung aus dem Besitz der Erben Mathilde von Rothschilds und für die Bibliothek von Arthur Weil-Picard.1

„Auslandsankäufe“ im Auftrag der Stadt Frankfurt

Im „Kriegsjahr 1941“ verzeichnete die Städtische Galerie – wie dem von Wolters verfassten Abschlussbericht zu entnehmen ist – „in Paris und in Holland mit beträchtlichen Mitteln“ vorgenommene Ankäufe.1  Für die „Durchführung dieser Auslandsankäufe“, die Holzinger zunächst anstelle seines erkrankten Kollegen Wolters begann und dann bis zum Ende leitete, sei ihm die Stadt „zu großem Dank verpflichtet.”2 In den Jahren 1940 bis 1942 fuhr Holzinger insgesamt acht Mal nach Paris und logierte dabei im Hotel du Quai Voltaire. Bereits im September 1940 hatte die Stadt Frankfurt erste Mittel – 5000 RM – für Ankäufe in Frankreich zur Verfügung gestellt.3 So reiste Holzinger erstmals im Dezember 1940 und kurz darauf Mitte Februar 1941 in Begleitung von Walter Mannowsky, dem Direktor des Museums für Kunsthandwerk, und Ernst Otto Graf zu Solms-Laubach, dem Leiter des Stadtgeschichtlichen Museums4 im Auftrag der Stadt für einen Monat nach Paris. Nach dieser erfolgreichen Sondierung wurde der Ankaufsetat für Erwerbungen in Frankreich massiv auf 60.000 RM erhöht.5 Holzingers dritte Reise nach Frankreich – keine zwei Monate später – erfolgte im Mai 1941. Zuvor hatte die Stadt beim Reichswirtschaftsministerium in Berlin einen Sonderantrag für weitere 100.000 RM für französische Erwerbungen gestellt.6 Auch im Juni 1941 fuhr Holzinger wiederum für eine Woche nach Paris. Einen Monat später – im Juli 1941 – begleitete er Mannowsky erneut dorthin, „um die Kaufverhandlungen für die Städtische Galerie zum Abschluss zu bringen“ und kehrte dann insgesamt noch zweimal im selben Jahr nach Paris zurück. Die letzte bisher aktenkundige Dienstreise fand im Mai 1942 statt.

Erwerbungen für Städtische Galerie, Städelsches Kunstinstitut und private Sammler

Auch wenn Holzingers „Kauffahrten“1 im Auftrag der Stadt Frankfurt erfolgten, so beteiligte sich das Städelsche Kunstinstitut ebenfalls an den dort getätigten Transaktionen, wenn auch in weitaus geringerem Umfang. Insgesamt hatte die Stadt Frankfurt bis zum Herbst 1941 fast 280.000 RM für Erwerbungen ihrer Museen auf dem französischen Kunstmarkt aufgewandt.2 Die dem Städel angegliederte städtische Kunstsammlung wurde so um über hundert aus dem besetzten Paris bezogene Werke erweitert: 18 Gemälde mehrheitlich moderner französischer Kunst von u.a. Courbet, Corot, Delacroix, Gericault und Millet, aber auch einige alte Meister wie Poussin; neun zeitgenössische Skulpturen von Despiau, Maillol und Rodin, 35 Zeichnungen von u.a. Daumier, Delacroix, Despiau, Guercino, Maillol und Millet sowie 51 Druckgrafiken von Daumier, Delacroix, Despiau, Géricault, Ingres, Maillol, de Segonzac. Hinzukommen 13 alte Bildwerke, die für die städtische Skulpturensammlung im Liebieghaus akquiriert wurden. Für das Städelsche Kunstinstitut selbst gelangen Holzinger immerhin mehr als 20 Zugänge aus Paris, auch wenn es sich bei zehn Werken um Schenkungen des Kunsthändlers Rudolf Holzapfel und keine Ankäufe handelte: elf Zeichnungen von u.a. Cals, Delacroix, Rousseau, Rodin und elf Gemälde von u.a. Bazille, Brueghel und Elsheimer.3

Holzinger agierte zudem in vereinzelten Fällen auch im Auftrag von Frankfurter Privatsammlern wie Georg Hartmann (1870-1954), dem Inhaber der Bauerschen Gießerei, oder Lilly von Schnitzler (1889-1981).4 Für Hartmann vermittelte Holzinger zwei Skulpturen von Rodin und Despiau. Beide wurden direkt als Auftragswerke bei Eugène Rudier erworben. Zwei Kunsthändler ermöglichten jeweils als Mittelsmänner den Transfer der beiden Bronzen, Ludwig Gutbier und Hildebrand Gurlitt. Am 2. März 1942 hatte Holzinger an Gutbier bezüglich Hartmanns Ankaufswunsch – der Eva von Rodin – geschrieben: „Kommen Sie wieder nach Paris und haben Sie dort Gelder liegen oder die Möglichkeit, solche zu überweisen? Ich frage für einen besonders nahen Freund unseres Institutes, der in Paris ein Stück im Wert von 250,000.- frs kaufen möchte, das dort bereit steht.“5 Der Kunsthändler übernahm und verhandelte zehn Prozent Provision und weitere zwei Prozent für die Devisenbewilligung.6 Am 27. November 1942 traf die Bronze schließlich in München ein und wurde von Gutbier umgehend nach Frankfurt expediert.7

Auch Gurlitt diente Holzinger als Agent für Hartmann.8 Der Kunsthändler schrieb am 27. Oktober 1941 an Holzinger, dass die Bezahlung für die Bronze Eve von Despiau nun endlich durchgeführt werden müsse, denn er habe „die große Summe nun über ein Vierteljahr schon vorgelegt“.9 Der Transport der Skulptur erfolgte in diesem Fall zusammen mit den Skulptur-Ankäufen Holzingers für die Stadt.10 Am 1. April 1942 schrieb Holzinger an Rudier: „Dank Ihrer Hilfe konnte unser Museum, das immer schon mit großer Sorgfalt Meisterwerke der französischen Kunst sammelte, seinen Bestand an zeitgenössischen Skulpturen bereichern und vervollständigen.”11

Holzinger erwarb den größten Teil der zeitgenössischen Skulpturen für die Stadt bei Rudier, kaufte aber auch bei Louis Carré und G. Jacquart (Galerie: Le Nouvel Essor). Ein wichtiger Geschäftspartner und Mittelsmann für seine Gemäldeerwerbungen war der deutsch-amerikanische Kunsthändler und Privatsammler Rudolf Holzapfel. Weitere Händler, über die Holzinger hauptsächlich Werke im besetzten Paris erwarb, waren u.a. Maurice Gobin, Alice Manteau und Georges Aubry.

Hatte man in Bezug auf die Erwerbungen moderner und zeitgenössischer Kunst auf dem Pariser Kunstmarkt an den Sammlungsschwerpunkt französischer Kunst angeknüpft, so berief man sich auf ebenso fragwürdige Weise auf die Frankfurter Tradition der Bürgerstiftungen,12 als es darum ging, die in Frankreich durch den ERR beschlagnahmte Sammlung Rothschild für die Stadt zu sichern. Im März 1941 suchte Holzinger gemeinsam mit seinen Kollegen Mannowsky und Solms-Laubach aus diesem Grund das Jeu de Paume auf ohne jedoch Zugang zu erhalten.13 Bereits im Februar 1941 war der Oberbürgermeister Friedrich Krebs an Hermann Göring mit dem Anliegen herangetreten, die „von Frankfurt  nach dem Ausland gelangten Kunstgegenstände zurückzuholen.“14 Es handele sich um Kunstwerke, die, so Krebs, für Frankfurt „gesichert“ werden müssten, da sie „sinngemäß hierher“ gehörten.15  Man beabsichtigte, sich die Stücke aus dem ehemaligen Besitz Mathilde Rothschilds einzuverleiben. Wolters übersandte Posse zu diesem Zweck eine „Liste der einzelnen für Frankfurt erwünschten Gegenstände.“16 Nachdem sich abzeichnete, dass der am 21. März 1941 gestellte „Antrag auf Ueberweisung von Rothschildschem Kunstbesitz“ abgelehnt wurde, da der Verbleib der Werke nicht bekannt war, sprach Wolters in seiner Stellungnahme vom 23. Mai 1941 an das Kulturamt gar von einem „Verlust der Rothschildschen Sammlung.“ Gerade ein Museum, das „weit mehr als die irgend eines anderen Museums der Welt aus Stiftungen, Vermächtnissen und Geschenken Frankfurter Bürger“ bestünde, habe dies „besonders hart“ getroffen.17

Abschließend lässt sich sagen, dass die Stadt Frankfurt wie auch das Städelsche Kunstinstitut – Holzinger vertrat bei seinen Transaktion die Interessen beider Sammlungen – eine intensive Erwerbungspolitik im besetzten Paris betrieben. Dies wird sowohl anhand der Netzwerke des Museumsdirektors auf dem französischen Kunstmarkt, als auch anhand der getätigten Erwerbungen sowie der hierfür zur Verfügung gestellten Sondermittel deutlich. Der Oberbürgermeister resümierte das erfolgreiche Ergebnis der „Kauffahrten“ in einem Schreiben an Holzinger vom 25. Februar 1942 wie folgt:

„Die Frankfurter städtischen Museen haben durch die Wahrnehmung der günstigen Ankaufsmöglichkeiten in den Mittelpunkten des westeuropäischen Kunsthandels zu besonders angemessenen Preisen einen Zuwachs an bedeutsamen Kunstgütern erfahren, der zu einer beträchtlichen Ergänzung und Bereicherung der öffentlichen Sammlungen geführt hat.“18

Nach 1945

Da Holzinger kein Mitglied der NSDAP gewesen war, blieb er nach 1945 – wie auch sein Kollege Alfred Wolters – im Amt. Er war zunächst als „Chief German Expert“ in beratender Funktion am Central Collecting Point in Wiesbaden im Einsatz. Im März wurde er zum Direktor der Museen in Groß-Hessen ernannt und war in dieser Funktion unter anderem für die Abwicklung der Rückgaben aus den Central Collecting Points in Wiesbaden und Marburg mit zuständig. Am 4. Juni 1946 berichtete er an die Administration des Städelschen Kunstinstituts, dass die „während des Krieges in Frankreich erworbenen und geschenkten Kunstwerke“ an Frankreich abgeliefert werden müssten.1 Holzingers Kollege Wolters äußerte sich in seinen damaligen Aufzeichnungen ausführlich zu den geforderten Rückgaben. Am 3. Mai 1946 setzt er eine Stellungnahme „Zu den Auslandsankäufe(n) der Städtischen Galerie während des Krieges“ auf, deren Argumentation die Unrechtmäßigkeit der damaligen Erwerbungen verdrängt und euphemisiert:

„Wenn ich erklären soll, wie wir zu diesen Ankäufen kamen und in welchem Geist wir sie durchgeführt haben, so muss ich ein ganzes Stück in meinem Leben zurückschreiten, bis zu der Zeit – es war im Frühjahr 1911 – in der ich mit Georg Swarzenski meinen Eintritt in den Kreis seiner Mitarbeiter besprach (...) Eine tiefe, nie getrübte Liebe zu Frankreich, zur französischen Kunst war das Ergebnis dieser Monate (...). // Für Holzinger und mich bedeutete es nach Swarzenskis Emigrierung von Anfang an nicht nur eine Herzenssache, sondern auch der wesentlichsten Angelegenheiten unseres Sammelprogramms, diese französische Abteilung weiter auszubauen (...). So wandten wir also den größten Teil unserer Ankaufsmittel an diese Aufgabe (...), die vielmehr im Sinne einer europäischen geistigen Gemeinschaft gedacht war, die zudem im schroffsten Gegensatz zur Nazipolitik stand (...).“2