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09/11/2022 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Eugène Rudier wird ab 1902 der offizielle Gießer der Werke Rodins. Während der Besatzung nimmt er mehrere Aufträge von deutschen Würdenträgern und Museen an und schließt gleichzeitig Verkäufe von Kunstwerken ab, beispielsweise Bronzen aus dem Musée Rodin. Er ist ein Vertrauter von Arno Breker, Franz Graf von Wolff-Metternich und Hildebrand Gurlitt.

Der Gießer der Werke Rodins

François Eugène Rudier wird am 11. Januar 1879 im 3. Arrondissement von Paris geboren.1 Er ist der Sohn von Alexis Rudier, der seit 1874 als Gießer von Bronzenippes tätig ist. Seine Werkstatt befindet zunächst sich in der Rue Charlot im Marais und ab 1880 unter der Adresse 45, Rue de Saintonge. Eugène ist der Neffe von François und Victor Rudier, die Güsse von Groß- und Kleinstplastik ausführen.2 Alexis stirbt 1897 und Eugène übernimmt die Gießerei mit seiner Mutter. Er spezialisiert sich auf das Sandguß-Verfahren. Ab 1902 wird er der offizielle Gießer der Werke Auguste Rodins, aber er arbeitet auch weiterhin für die Pariser Goldschmiede Chaumet und Boucheron. Rudier bringt auf den Güssen zuerst den Stempel „Rudier (Vve Alexis) et fils“ [Rudier (Witwe Alexis) und Sohn] an und später „Alexis Rudier“. Ab 1918 befindet sich seine private Adresse 84, Avenue Georges-Clémenceau in Le Vésinet im Département Yvelines. Er stirbt am 18. Juni 1952 in Malakoff bei Paris. Wie er in seinem Testament verfügt hat, wird sein Archiv verbrannt und seine Gussformen werden zerstört. Er ist auf dem Friedhof von Le Vésinet (Yvelines) bestattet. Ein großformatiger Probeguß von La Grande Ombre [Der große Schatten] von Rodin schmückt sein Grab.3    

Die Gusswerkstatt, die sich 1919 an der Adresse sis 45, Rue de Saintogne befand, wird 1935 aufgegeben. Bereits 1919 verlegt Rudier einen Teil seiner Arbeitsräume in die ehemalige Gießerei Griffoul in 37, Rue Olivier de Serres. 1934 zieht das gesamte Unternehmen zur Adresse 12-16, Rue Leplanquais in den Pariser Vorort Malakoff um. Die Werkstatt läuft gut und Rudier beschäftigt zwischen 40 und 60 Mitarbeiter. Das Unternehmen genießt einen sehr guten Ruf: Knapp 300 Künstler sind unter den Klienten in den Auftragsbüchern der Gießerei Rudier zu finden,4 sowohl Bildhauer als auch Dekorationskünstler. Der Name Arno Breker taucht ab 1929 auf,5 aber auch weitere Namen von Bildhauern, die ihre Abgüsse bei Eugène Rudier anfertigen lassen, wie Antoine Bourdelle, Aristide Maillol (ab 1905), Charles Despiau, oder Paul Belmondo bestätigen seinen Ruf.

Während der Weltausstellung von 1937, als er einen Staatsauftrag für sich sichern kann (den Guss des Apoll von Despiau, der vom Künstler nie geliefert wurde), ist Eugène Rudier auf der Höhe seines Ruhms. Darüber hinaus wird er zum exklusiven Gießer des Museums Rodin, das auch die Urheberrechte des Bildhauers verwaltet. In der Nähe seiner Werkstatt in Malakoff richtet Rudier ein Gebäude mit seiner persönlichen Sammlung ein: Skulpturen, Gemälde und Zeichnungen, die die Künstler ihm geschenkt hatten oder die er selbst erwarb und somit weiterverkaufen konnte. Er ist mit verschiedenen Künstlern persönlich befreundet und lässt Antoine Bourdelle am Ende seines Lebens, von Mai bis zu dessen Tod am 1. Oktober 1929, bei sich wohnen.6 Rudier ist außerdem auch sehr aktiv auf dem Kunstmarkt.7

 

Güsse und Verkäufe von Bronzen an deutsche Museen und Würdenträger

Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ist Rudier zu alt um noch eingezogen zu werden. Er arbeitet somit weiter als Bronzegießer. Sein Renommee und die Beziehungen zu hochgestellten Persönlichkeiten führen dazu, dass er dem Verbot Bronze für nicht-militärische Zwecke zu nutzen, entgehen kann.1 Er profitiert so von dieser für seine Konkurrenten sehr schwierigen Zeit und positioniert sich in einer deutlichen Vormachtstellung. Die Auftragsbücher des Unternehmens Rudier, die in den Jahren von 1939 bis 1945 für die Werke von Rodin weitergeführt werden, geben ein präzises Bild seiner Aktivitäten.2 Franz von Wolff-Metternich trifft im August 1940 in Paris ein und bleibt bis 1942.3 Er ist während seines gesamten Aufenthalts auch damit betraut, Bronzegüsse für deutsche Museen und Würdenträger anfertigen zu lassen. Der Kalender von Heinrich Ehmsen4 aus den Jahren 1941 und 1942, der in den Archives diplomatiques aufbewahrt wird,5 spricht ebenfalls von den Aktivitäten des Gießers. In diesem Kalenderheft taucht der Name Rudier fast täglich auf. Darüber hinaus verzeichnet es die Namen der Personen, die Rudier beim Künstler Ehmsen getroffen hat: Rudolf Wolters, Hanns Dustmann, Charles Despiau, Werner Lange … und selbstverständlich  Arno Breker, da es sich bei den Einträgen um die Monate handelt, die der Ausstellung des deutschen Bildhauers im Musée de l’Orangerie vorausgehen. Der Maler notiert diesbezüglich am 7. April 1942: „Material für Rudier von der Militärverwaltung.“ Rudier wird am 22. Mai 1942 anlässlich des Empfangs zu Ehren Arno Brekers ins Musée Rodin eingeladen.

Als offizieller Gießer des Musée Rodin stellt Rudier zwei Werke aus seiner Sammlung im Rahmen der Ausstellung „Centenaire Monet-Rodin“ [Hundert Jahre Monet-Rodin] aus, die vom 7. Dezember 1940 bis zum 16. März 1941 im Musée de l’Orangerie gezeigt wird.6 Während des Zweiten Weltkrieges sind die Künstler, die mit Rudier im Kontakt stehen, weniger zahlreich: Es finden sich Namen wie Aristide Maillol, Charles Despiau, Paul Belmondo und Alfred Janniot. Aufgrund seiner Nähe zu Arno Breker, erhält Rudier von ihm den Auftrag die Porte de l’Enfer [Das Höllentor] für das Linzer Museum zu gießen. Rudier führt außerdem alle Bronzen Brekers aus, die 1942 während der Ausstellung des deutschen Künstlers in der Orangerie gezeigt werden sollen und darüber hinaus noch zahlreiche weitere Abgüsse bis November 1944. Darunter auch die Bronzen, die Berlin im Rahmen des Projektes „Germania“ verschönern sollten, wie es Albert Speer im Auftrag von Hitler plante. Diese Güsse wurden bis November 1944 ausgeführt.7

Rudier interveniert auch als Vermittler oder Kunsthändler für die Werke Maillols, im besonderen jedoch für die Abgüsse Rodins:  Er erwirbt zwischen Oktober 1941 und Dezember 1943 vom Musée Rodin mehr als fünfzig Bronzen für deutsche Museen oder Privatleute.8 Einige dieser Bronzen befinden sich unter den Werken, mit denen sich die französische Kommission zur Wiedererlangung von Kunstwerken nach dem Krieg      befasst, zum Beispiel L’Âge d’airain [Das eherne Zeitalter], Adam, Eva, La grande ombre [Der große Schatten], Le baiser [Der Kuss, monumentales Modell], L’Enfant prodigue [Das verlorene Kind], Saint Jean-Baptiste [Johannes der Täufer],9 aber auch L’Homme qui marche, moyen modèle [Der Schreitende, mittleres Modell], Le Penseur, moyen modèle [Der Denker, mittleres Modell] für Arno Breker,10 Orphée [Orpheus], Les Bénédictions [Die Segnungen], l’Exhortation [der Mahnruf] und weitere, weniger bedeutende Werke. Er kauft außerdem das Denkmal der Bourgeois de Calais [Bürger von Calais] für das Wallraf-Richartz-Museum in Köln und erhält den Auftrag für einen Abguss des Höllentors, wie bereits oben erwähnt. Ab 1943 werden die Ankäufe Rudiers im Musée Rodin sehr viel seltener (1943 gibt es nur drei Ankäufe, darunter einer für einen gewissen Herrn Ilg aus Brüssel), 1944 sind es sieben Ankäufe für einen Herrn Romeis [sic].11 Die Abgüsse werden ihm für den Originalpreis der Güsse überlassen. Sprich, seine Preise entsprechen denen Ende der 1920er Jahre, ohne dass die Preisentwicklung der Folgejahre berücksichtigt wurde.12

Die Empfänger dieser Ankäufe sind hauptsächlich die Städtische Galerie (Städelmuseum) in Frankfurt am Main, die Landesgalerie in Salzburg,13 das Museum von Düsseldorf, das Wallraf-Richartz-Museum in Köln und das Linzer Museum.14  Weitere Werke werden an bis heute Unbekannte verkauft. Hildebrand Gurlitt und Friedrich Welz kaufen bei Rudier Objekte, die zum Teil nach dem Krieg wiedergefunden werden.15 In den Archives diplomatiques und amerikanischem Archivmaterial sind Quellen erhalten, die die Aktivitäten Rudiers während des Zweiten Weltkriegs dokumentieren: Die Rechnungen der Verkäufe von Bronzeplastiken an Museen und Privatpersonen.16 Es wird so nachvollziehbar, dass Rudier bei der Materialbeschaffung für die Käufe der Städtischen Galerie in Frankfurt am Main von den deutschen Besatzungskräften unterstützt wurde, was wir bereits dem Kalender von Ehmsen entnehmen konnten.17   

Die Untersuchungen nach dem Krieg

Die Aktivitäten des Gießers werden bereits im August 1944 angezeigt, wie Briefe aus der Gießerei im August 1944 einerseits, aber auch die Akte „Fall Rudier, Verfahren eingestellt, März 1945-Februar 1946“ belegt, die in den Archives diplomatiques aufbewahrt wird.1 Am 9. Dezember 1944 wird Rudier vor das Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für Einziehung unlauterer Gewinne] zitiert2, und ab Januar 1945 beschäftigt sich das zweite Comité de confiscation mit seinen Aktivitäten als Gießer, aber auch solchen als Kunsthändler.

Der Gerichtsberichterstatter Flaujac verweist auf die Motivationen Rudiers für die Besatzungsmacht zu arbeiten.3 Außerdem setzt er sich detailliert mit der problematischen Buchhaltung des Unternehmens Rudier auseinander: Die unregelmäßigen Buchungssätze, Barverkäufe, falsche oder lückenhafte Angaben der Gewinne gegenüber dem Finanzamt, Einkäufe von Metall auf dem Schwarzmarkt,4 falsch geschätzte Metallbestände, die Abstimmung der Geschäfte zwischen seiner beruflichen Aktivität als Gießer (sogenannte „industrielle Einkünfte“) und seiner privaten Aktivität als Sammler (sogenannte „kommerzielle Einkünfte“), die Schenkungen von Kunstwerken von Künstlern als Bezahlung für ihre Gießaufträge, wobei die Werke dann in die persönliche Sammlung Rudiers eingingen ohne dass sie in der Buchführung der Gießerei als Einnahmen auftauchten und zuletzt die Lügen Rudiers.5 Der Berichterstatter schließt:

„neben seiner Aktivität als Kunstgießer ist Rudier auch als Sammler und Kunsthändler aktiv. Nach eigener Aussage ist diese Tätigkeit sehr viel lukrativer als sein offizieller Beruf. […] Dürfen die so erreichten Gewinne der regulären Besteuerung und der      Einziehung entgehen (da sie nicht deklariert wurden)? Davon gehen wir nicht aus. Die zwei Tätigkeitsbereiche des Betroffenen sind zu eng miteinander verbunden, auch wenn er vorgibt dies sei nicht der Fall, um unabhängige Untersuchungen zu erreichen. […] Die Untersuchungsresultate der Buchhaltung müssen aus diesem Grund ganz einfach aus dem Verfahren ausgeschlossen werden. […] Die Schätzung der Gewinne kann nur auf der Grundlage der Bewertung der Gesamtsituation erfolgen. […] Allein das detaillierte und vollständige Inventar der Werke im Besitz von Rudier vom 1. September 1939 bis zum 31. Dezember 1944 mit der Angabe aller Käufe und aller Vermittlerkäufe, belegt durch Namen und Adressen der Verkäufer und Käufer, würde eine präzise Schätzung möglich machen. Ein solches Inventar existiert nicht, oder wurde, falls es existierte, noch nicht gefunden. Die Versicherungspolicen enthalten keinerlei Angaben zu den versicherten Objekten.“6

Daraus resultiert der Einziehungsvorschlag des Betrags von 4.300.000 Francs und ein Bußgeld in Höhe von 2.150.000 Francs. Das Comité entscheidet am 13. Februar 1945, dass die Einziehungssumme 4.300.000 Francs betragen soll und ein Bußgeld in Höhe von 3.000.000 Francs verhängt wird.7 Diese vorläufigen Maßnahmen werden im März 1945 beschlossen.8

Rudier legt bereits am 1. März gegen diesen Beschluss Berufung ein. Sein Antrag wird aber am 13. Februar 1946 abgelehnt.9 Am 30. März 1946 legt der Gießer auch gegen diese Entscheidung vor dem Obersten Rat des Comités Widerspruch ein und erbittet außerdem im Mai und Juli 1946 um Stundung der Zahlungen. Die Anträge werden im Juni und September desselben Jahres gewährt.10 In der Zwischenzeit erstellt Flaujac in Antwort auf den Widerspruch Rudiers einen weiteren Bericht.11 In diesem Bericht vom 11. Juli 1946 schlägt er vor, die industriellen Einnahmen (der Gießerei) und die kommerziellen Einnahmen (durch Kunstverkäufe) zu differenzieren und den Betrag der Einziehung      auf 1.800.000 Francs und den des Bußgelds auf 1.000.000 Francs zu reduzieren. Dieser Vorschlag wird vom Comité de confiscation des profits illicites in der Sitzung am 18. Dezember 1946 übernommen.12 Der Beschluss wird am 15. Januar 1947 verkündet, woraufhin Rudier seinen Widerspruch „ganz einfach“ zurückzieht, wie es der Bericht des Comité am 29. April 1947 vermerkt.13

Die Untersuchung gilt damit als abgeschlossen, wie es die Antwort des Comité de confiscation des profits illicites in einer Antwort auf die Anfrage des Office des biens et intérêts privés (OBIP,     Amt für private Vermögen und Vermögensfragen) vom 6. Februar 1950 belegt, in der es um einen Monumentalbrunnen geht, der von Rudier gegossen und in Deutschland wiedergefunden wurde.14 Die Zeiten des Ruhms sind vorbei: Dies wird durch die Anfragen Jacques Jaujards und Marcel Auberts bezeugt, die alle Gipse zurückforderten, die sich noch im Atelier Rudiers befanden, aber auch durch die genauere Buchführung über Metallbestände und Bestellungen und die sorgfältige Buchhaltung des Musée Rodin in der Nachkriegszeit.15

Schlussendlich kann Rudier als Person charakterisiert werden, der es gelang, die Hürden, die sich ihr in den Weg stellten, mithilfe von Beziehungen zu mächtigen Personen zu überwinden: Breker, aber auch Wolff Metternich oder Gurlitt, die nach dem Krieg nicht belangt werden. Er zeigt sich als sehr effizienter und zynischer Kunsthändler, der nicht zögert Werke vom Musée Rodin zu kaufen, deren Preise schon seit Jahren überholt waren oder die Urheberrechte von Künstlern zu ignorieren, z.B. Maillol. Er sah sich bezüglich seiner Verpflichtung der Steuerabgaben als „über dem Gesetz stehend,“ indem er die Ermittler des Comité de confiscation des profits illicites ohne Hemmungen bezüglich seiner Einnahmen belog. Diese konnten die Ausmaße der Verkäufe von Kunstwerken an das nationalsozialistische Deutschland nicht rekonstruieren, da die Inventare der Landesgalerie Salzburg und des Linzer Museum noch nicht bekannt waren. Außerdem stellt Flaujac in seinem Bericht vom 20. Januar 1945 fest, dass die Ankaufslisten der deutschen Museen während der Besatzungszeit noch nicht eingesehen werden konnten. Rudier konnte so, fast ohne dafür nach dem Krieg belangt zu werden, eine persönliche Sammlung aufbauen, die auf Bezahlungen „en nature“, d.h. durch ihm und seinem Unternehmen geschenkten Kunstwerken, basierte. Er gelangte in den Besitz vieler Kunstwerke zu sehr bescheidenen Preisen und konnte sie wieder verkaufen, ohne dafür belangt zu werden.