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Der Kustos des Museums für Hamburgische Geschichte und zeitweilige kommissarische Leiter der Hamburger Kunsthalle unternahm zahlreiche Dienstreisen, auch ins besetzte Frankreich, unter anderem um Kunst für Hamburger Sammlungen und Privatpersonen zu erstehen.

Beruflicher Werdegang

Carl Schellenberg wurde am 10. Dezember 1898 in Hamburg geboren. Er studierte nach dem Notabitur 1916 in Hamburg und der Einberufung als Soldat im Ersten Weltkrieg (1916-1918) in München, Hamburg, Freiburg i. Br. und Leipzig Kunstgeschichte, Literaturgeschichte und Philosophie. Im Januar 1923 promovierte er bei Erwin Panofsky in Hamburg über „Die Illustrationsprinzipien der Dürer-Apokalypse“. Nach einem kurzen Volontariat in der Denkmalschutzbehörde in Hamburg war er von Juli 1923 bis März 1926 Assistent bei Ernst Sauermann am Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum in Kiel (Thaulow-Museum). Danach wechselte er, zunächst in verschiedenen Anstellungsverhältnissen, an das Museum für Hamburgische Geschichte (MHG). Erst am 16. Juni 1937 erfolgte die Vereidigung als Kustos im hamburgischen Landesdienst.1 Der Zusammenhang mit seinem Eintritt in die NSDAP am 1. Mai 1937 erscheint hier nicht zufällig.

Sonderaufträge während des Krieges

Schellenberg wurde während des Krieges wiederholt vom Wehrdienst freigestellt. Seine erste „U.K.-Stellung“1 erhielt er für den Auftrag „das bei Juden beschlagnahmte Silber und Gold [zu] sichten und auf künstlerischen bzw. Alterthumswert [sic] hin [zu] prüfen. Besondere Stücke soll[t]en unter Umständen in die Hamburger Museen aufgenommen werden“.2 Sein zweiter Sonderauftrag war die Überwachung und Auswahl von Kulturgut aus der „Metallspende des deutschen Volkes“ auf den Hamburger Sammelplätzen in Vertretung Ernst Sauermanns (1880-1956)3 und im Auftrag des Reichsstatthalters Karl Kaufmann (1900-1969).4 Die Beurlaubungen Schellenbergs vom Kriegsdienst waren jeweils befristet, später kamen weitere Sonderaufgaben hinzu. So wurde er am 24.8.1941 als Sachverständiger „für die Sicherstellung von jüdischem Kunstbesitz für die Hansestadt Hamburg“ benannt.5

Am 15. Januar 1942 wurde Schellenberg, in Vertretung des zum Kriegsdienst eingezogenen Werner Kloos, kommissarischer Leiter der Hamburger Kunsthalle.6 Damit war er der „einzig verfügbare Fachwissenschaftler“, dem die „Betreuung und Sicherstellung des gesamten Kunstbesitzes der Gemeindeverwaltung Hamburg“7 oblag. Zusätzlich war er für den Reichskommissar für die besetzten Niederlande als Kunstsachverständiger bei der „Glockenaktion“ 1943 im Rahmen der dortigen Glockenabnahmen,8 sowie für die entsprechende Aktion in Hamburg tätig.9 Für die vom „Kommissar für die Sicherung der Museen und des Museumsgutes in den besetzten Gebieten des Westens“10 angeforderte Zuarbeit zu den „Feststellungslisten“ von Hamburger Kulturgütern in diesen Gebieten engagierte er sich intensiv. Für seinen Einsatz im Kulturgüterschutz gegen Bombenschäden erhielt er 1942 ein Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse ohne Schwerter.11

Dienst- und Einkaufsreisen

Im Auftrag des Reichsstatthalters unternahm Schellenberg zahlreiche Kunst-Einkaufsreisen, um „hochwertige Kunstwerke für die Hamburger Museen zu erwerben“.1 Diese Einkäufe dienten dem Sammlungsausbau der Hamburger Kunsthalle, doch erfolgten einige Erwerbungen auch für das Museum für Hamburgische Geschichte (MHG), für den „Architekten für die Neugestaltung Hamburgs“ Konstanty Gutschow (1902-1978)2 und für andere Einrichtungen.3 Schellenberg war also in verschiedenen Funktionen unterwegs: Als stellvertretender Direktor des MHG, als kommissarischer Leiter der Hamburger Kunsthalle,4 als Funktionär der Deutsch-Niederländischen Gesellschaft,5 als Vortragsreisender für die deutschen Truppen in den besetzten Gebieten,6 als Bearbeiter von Sonderaufgaben für die Reichsmetallstelle sowie als Einkäufer u.a. für den Architekten Gutschow. Schellenberg reiste von September 1940 bis 1944 innerhalb Deutschlands (vielfach nach Berlin) und ins benachbarte Ausland (Dänemark, Niederlande, Frankreich und Belgien). 1943 reiste er zudem in das „Protektorat“ Böhmen und Mähren.7

Drei Reisen nach Frankreich

Während Schellenberg nachweislich 18 Mal zwischen 1942 und 1944 in die Niederlande reiste, fuhr er in diesem Zeitraum dreimal nach Frankreich. Belegt sind diese Reisen hauptsächlich durch Reisedokumente und wenige Schriftwechsel. Was genau Schellenberg in Frankreich tat, lässt sich aufgrund der im MHG und im Staatsarchiv Hamburg gesichteten Akten nur ansatzweise rekonstruieren. Es konnten außerdem bisher nicht alle Akten der Hamburger Kunsthalle ausgewertet werden.

Reise 1 (1. bis 7. März 1943): Anstoß für die erste Reise gab Senator Dr. Hellmuth Becker1, wie einem Brief Schellenbergs vom 8. Januar 1943 an die Verwaltung für Kunst- und Kulturangelegenheiten (VKK) in Hamburg zu entnehmen ist. Dieser veranlasste ihn, mit dem Direktor der Versicherungsgruppe Deutscher Ring, einem Herrn Schacht, in Verbindung zu treten, der ihn wiederum mit Baron Kurt von Behr in Paris bekannt machen wollte. Schellenberg bat seine übergeordnete Behörde deshalb, eine Anforderung durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg für Anfang Februar 1943 zu erwirken. Als Begründung gab Schellenberg an, auf diesem Wege leichter an einen Reisepass zu kommen, um in Paris an „bedeutendes Material“ aus den bisher unbesetzten Gebieten Frankreichs zu gelangen.2 Schellenberg traf Adolf Wüster für Konstanty Gutschow und besuchte den Kunsthändler Jansen in der Rue Royale.3 Es liegt ein schriftliches Angebot Jansens an die Gemeindeverwaltung Hamburg vom 1. April 1943 vor.4

Reise 2 (24. bis 30. September 1943): Es ist anzunehmen, dass sich Schellenberg zum Zeitpunkt des Erwerbs des Gemäldes Porträt einer alten Dame von David Kindt in Paris aufhielt. Schellenberg schrieb, dass er zwei Jahre gebraucht habe, um einem Portraitgemälde von Kindt hinterher zu spüren, das schließlich im Herbst 1943 von Hildebrand Gurlitt in Paris gekauft wurde. Das MHG erwarb das Gemälde am 21. Oktober 1943 für 12.500 RM. Es handelte sich um das „Porträt einer unbekannten alten Dame“, „Ölgemälde von David Kindt“.5 Der Kunsthändler J.O. Leegenhoek hatte Schellenberg das Gemälde per Brief am 4. April 1943 in Aussicht gestellt („der Besitzer von das [sic] Kindt Portrait [ist] leider noch nicht nach Paris zurückgekommen“). Offenbar war das Bild von Schellenberg per Brief vom 22. März 1943 angefragt worden.6 Am 16. September schrieb Leegenhoek, dass das Bild von Kindt „zurückgefunden“ und fotografiert worden sei. Das Foto lag dem Brief vermutlich bei, da der Kunsthändler bemerkte, dass das Bild links „monogrammiert“ sei. Er benannte die Maße mit 100x78 cm und den geforderten Preis mit 10.000 RM. Er empfahl Schellenberg, die Schwierigkeiten beim Kauf vor Ort zu erledigen.7 Eine Rechnung von Theo Hermsen Jr. vom 28. September 1943 wurde über 500.000 F bzw. 25.000 RM ausgestellt. Hier wurden die Maße des „Kindt“-Gemäldes abweichend (s.o.) mit 61x50 cm angegeben, Dr. Hildebrand Gurlitt habe den Auftrag, so ein Zusatz zu den Ausfuhrmodalitäten, es zu transportieren.8

Im weiteren Schriftverkehr zwischen Gurlitt und Schellenberg, wie auch zwischen Schellenberg und der Kulturverwaltung Hamburg, machte Schellenberg deutlich, dass die Rechnung versehentlich doppelt so hoch ausgestellt wurde.9 Schellenberg informierte die Kulturverwaltung Hamburg über das Kaufangebot von Gurlitt und auch darüber, dass Gurlitt es ohne Devisengenehmigung eingeführt habe. Er beantragte 12.500 RM bei der Kulturverwaltung Hamburg für den Kauf des Kindt-Porträts und entschuldigte sich für die Umstände des Erwerbs ohne Genehmigung.10 Gurlitt übersandte Schellenberg den Gepäckschein „für die Kiste mit dem Bilde vom Kindt“ am 4. Oktober 1943 und drängte auf eilige Bezahlung.11 Die korrigierte Rechnung von Gurlitt folgte am 7. Oktober 1943.12 Im Zugangsbuch des MHG war das Gemälde unter der Inventarnr. 1943,74 und mit der Provenienz Hildebrand Gurlitt, Dresden eingetragen. Im Im- und Exportbuch Gurlitts (S. 66/67) wurde der Einkauf des Gemäldes „David Kindt: Damenporträt“ folgendermaßen notiert: Bei „Hermsen, Paris“ am 28. September 1943, und der Verkauf an den Auftragskäufer „Museum für Hamburgische Geschichte“ am 4. November 1943.13 Das Porträt befand sich ab 28. August 1946 zum Zwecke der Restitution in der Hamburger Kunsthalle und wurde am 3. Mai 1948 an Frankreich restituiert (Claim Nr. 2166).14

Ob Gurlitts Hinweis an Schellenberg im Jahr 1943: „Zunächst die Hauptsache: Das Vogelfutter für Sie ist [handschriftlich eingefügt:] aus Dresden unterwegs“, eine verschlüsselte Botschaft hinsichtlich eines weiteren Gemäldeerwerbs für die Hamburger Kunsthalle war, kann nur vermutet werden.15 Es wurden am 4. September 1943 zwei Stillleben des Hamburger Malers Franz Werner von Tamm (1658-1724), u.a. Vögel darstellend, ebenfalls von Gurlitt für die Hamburger Kunsthalle bei Hermsen in Paris erworben.16 Beide Gemälde wurden am 31. Oktober 1948 an Frankreich restituiert.17

Für diese Reise Schellenbergs ist auch ein Treffen mit einem D. Göttler in Paris aktenkundig, bei dem es um Kunsterwerb ging.18 Möglicherweise traf er auch den Maler und Zwischenhändler Dietz Edzard (1893-1963).19 Schellenberg wohnte im Grand Hotel und im Hotel Brighton, sein Meldezettel wurde vom Kommandanten von Groß-Paris, Gruppe P. ausgestellt. Die Reise war am 6. Juli 1943 vom Auswärtigen Amt bewilligt worden.

Reise 3 (16. bis 19. März 1944): Möglicherweise traf sich Schellenberg wieder mit Göttler, über den es eine Verbindung zu Gustav Rochlitz und Gurlitt gab.20 Für den Märzaufenthalt 1944 ist lediglich bekannt, dass er über einen Durchlassschein Frankreich-Belgien vom 13. März 1944 für die Durchlassstelle Esschen besaß. In Brüssel und Amsterdam hatte er vom 14. bis zum 16. März Möbellager besichtigt, das Möbellager in Lille war nicht zugänglich. Sein Meldezettel für Paris trug den Stempel vom 16. März 1944, Kommandant von Groß-Paris, Gruppe P..

Mögliche Reisepläne nach Paris für die Zeit nach Juni 1944 unterbreitete Schellenberg seinem Kollegen Walter Müller-Wulckow (1886-1964) aus Oldenburg in einem Brief vom 31. Mai 1944: Von „anderer Seite“ sei diese Reise gewünscht.21 Ob eine weitere Reise nach Juni 1944 noch stattfand, ließ sich bisher nicht feststellen. Möglicherweise wurde diese durch eine Reise nach Schloss Aschbach vom 17. bis 24. Juli 1944 ersetzt. Schellenberg traf dort Haberstock und erwarb ein Bild von „Makart“.

Ein weiterer Kauf in Frankreich bildet sich in den Restitutionsmodalitäten im Bereich der Kulturbehörde Hamburgs 1947 ab. Es handelt sich um einen syrischen Bleisarkophag, Französische Rückerstattungsreklamation No. 1877.22 Wer diesen Sarkophag wann und wo erwarb, ist bis jetzt nicht bekannt.

Nach dem Krieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte Schellenberg noch bis Ende September 1945 als kommissarischer Leiter der Hamburger Kunsthalle.1 Das Entnazifizierungsverfahren verlief für Schellenberg nicht problemlos. Trotz der Bemühungen seines Vorgesetzten, Direktor Otto Lauffer (1874-1949), um Weiterbeschäftigung im MHG wurde dies abgelehnt.2 Ab dem 1. Dezember 1945 wurde Schellenberg vom damaligen Hamburger Kultursenator Hans-Harder Biermann-Ratjen (1901-1969) und mit Einverständnis des britischen Kunstschutzoffiziers George Willmot (1908-1977) mit der Inventarisierung des beschlagnahmten Silbers aus jüdischem Besitz in Hamburg beauftragt, die als „Grundlage für eine spätere Rückgabe des Silbers an die Eigentümer oder ihre Rechtsnachfolger dienen“3 sollte. Es schlossen sich im Juli 1947 Überlegungen der Kulturbehörde an, Schellenberg wieder mit Aufgaben des MHG zu betrauen. Nach der Verabschiedung des Rückerstattungsgesetzes in der britischen Besatzungszone 1949 wurde er nur noch tageweise für die praktische Rückgabe in den Räumen der Finanzbehörde am Gänsemarkt („Silberkeller“) vom Museum für Hamburgische Geschichte abgeordnet. Diese Tätigkeit führte er mit allmählich geringer werdendem Stundenkontingent bis zu seiner Pensionierung weiter. 1951 befasste er sich außerdem mit der Neuordnung der Sammlung des Fürsten Bismarck in Friedrichsruh. 1952 wurde Schellenberg als Beamter neu vereidigt.4 Spuren seiner Tätigkeit sind noch für das Jahr 1954 im MHG zu finden. Von 1953–55 war er für den Aufbau des Bergedorfer Museums zuständig und leitete später die stadtgeschichtliche und volkskundliche Abteilung des Helms-Museums in Hamburg-Harburg. Am 31. Oktober 1963 endete dort seine Museumstätigkeit. Bis zu seinem Tod am 9. Februar 1968 in Hamburg publizierte er kunsthistorische Veröffentlichungen zu Hamburgs Kunst- und Kulturgeschichte.