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Der Pariser Archäologe Arthur Sambon war nicht nur ein gefragter Experte bei französischen Museen und bei Drouot, er war auch ein großer Sammler und Händler und tätigte zahlreiche Geschäfte mit deutschen Museumleuten während der Besatzungszeit. Allerdings ist nicht geklärt, wie freiwillig diese waren.

Der Pariser Kunstexperte, Archäologe und Händler

Der ausgebildete Numismatiker und Archäologe Arthur Sambon (1867-1947) war nicht nur ein gefragter Experte, sondern handelte selbst mit Objekten aus seiner Privatsammlung, die er in einem Pariser Stadthaus in der 7, rue du Docteur Lancereaux, aufbewahrte.1 Schon sein Vater, Giulio Sambon (1836-1921), dessen Sammlung antiker Theaterobjekte sich heute im Museo del teatro de la Scala befindet, hatte im großen Stil in Italien mit Münzen und Kunstobjekten gehandelt.2 Nach verschiedenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Herausgeberschaften, u.a. der Zeitschrift „Le Musée“, war Arthur Sambon früh in die Fußstapfen seines Vaters getreten und regelmäßig Gutachter bei Versteigerungen in der Galerie Georges Petit und im Auktionshaus Drouot. Die Grenzen zwischen seiner Tätigkeit als Forscher, Sammler und Händler waren dabei durchaus fließend, wie nicht zuletzt der Familiennachlass zeigt, der sich heute im Archives nationales befindet.3

Die Schenker Papers

Sambon wird im Abschlussbericht der amerikanischen Kunstoffiziere aufgeführt, wo er im Register jener Personen genannt wird, die vermeintlich in den Kunstdiebstahl während der deutschen Besatzung von Frankreich im Zweiten Weltkrieg involviert waren: „Sambon, Arthur, Paris, 7 rue du Docteur Lancereaux, hat an Haberstock und deutsche Museen verkauft.“1 Dabei basierte diese Annahme, neben den Untersuchungen zum deutschen Kunsthändler Karl Haberstock (1878-1956),2 vor allem auf der Auswertung der Geschäftsunterlagen des Transportunternehmens Schenkers. Im Rahmen seiner Ermittlung zum Kunstraub durch die deutschen Besatzer hatte der britische Kunstoffizier Douglas Cooper (1911-1984) kurz nach der Befreiung von Frankreich deren Belege im verwaisten Pariser Zweigbüro beschlagnahmt. Da Schenker nicht nur eines der größten deutschen Transportunternehmen war, sondern sich früh auch auf den lukrativen Kunsttransport spezialisiert hatte, enthielten die Versanddokumente Informationen, die nach dem Krieg in vielen Fällen erst die Identifizierung zahlreicher deutscher Käufer und französischer Verkäufer ermöglichten. In diesen sognannten Schenker Papers wird Sambon als Verkäufer an die Ägyptische Abteilung der Staatlichen Museen Berlin geführt.3 Jedoch bleiben die Angaben zu den Erwerbungen (z.B. „Small wooden figure“ oder auch „Relief of a group of men”) sehr vage und konkrete Preise fehlen ganz.

Die Verkäufe Sambons an die Deutschen

Wie Recherchen im Rahmen des Projekts zur systematischen Erforschung der „Erwerbungen der Staatlichen Museen zu Berlin auf dem Pariser Kunstmarkt während der Besatzung 1940-1944“ bestätigt haben, nutzte der Direktor der Ägyptischen Abteilung, Günther Roeder (1881-1966), seine Aufenthalte in Frankreich im Auftrag der Luftwaffe tatsächlich, um gleich mehrere Objekte bei Sambon zu erwerben.1 So kaufte Roeder 1943 bei Sambon drei Objekte für insgesamt 440.000 Francs, darunter die Kalkstein-Statue einer Löwengottheit aus der Spätzeit (ÄM 24021), die Würfelfigur des Oberdomänenverwalters Iupa unter Ramses II. aus Sandstein (ÄM 24022) sowie das Fragment eines Grabreliefs aus Kalkstein mit einem Trauerzug aus der 19. Dynastie (ÄM 24023). Weitere vier Objekte, vor allem Reliefe, erwarb Roeder bei seinem Sohn Alfred für 115.000 Francs, wobei es sich hierbei wahrscheinlich ebenfalls um Stücke aus dem Besitz von Arthur Sambon handelt, der diese in den Nachkriegsuntersuchungen als seine eigenen Verkäufe ausgibt.2 Im Gegensatz zu den zahlreichen Ankäufen anderer deutscher Museen sind diese Objekte niemals an Frankreich restituiert worden3 und befinden sich noch heute im Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin.

Freiwillig oder unter Druck?

Zwar hat Alfred Sambon 1948 auf Bitte der Ägyptische Abteilung für seinen inzwischen verstorbenen Vater die Verkäufe bestätigt, doch muss unter Berücksichtigung von französischen Archivmaterialen die Frage offenbleiben, wie freiwillig diese waren. Wie viele andere Kunsthändler musste sich auch Arthur Sambon nach dem Krieg gegen den Vorwurf der Kollaboration verteidigen.1 Im Rahmen dieser Untersuchung der Commission nationale interprofessionnelle d’épuration gab sein Anwalt Folgendes zu Protokoll: „Ab September 1940 kamen die Deutschen in Paris zu ihm [Arthur Sambon] und forderten ihn auf, sein Stadthaus ohne jede Verzögerung betreten zu können. [...] Die Museumskonservatoren Dr. MOBIUS, Professor ROEDER, SCHMIDT, RUITGENS, sowie die bekannten Händler MUHLMANN; JUHLEX und HABERSTOCK erschienen gemeinsam als Delegation bei ihm. Und sofort wurde ihm gedroht, wodurch er sich mit folgendem Dilemma konfrontiert sah: Entweder würde Herr Sambon den Deutschen die von Ihnen ausgewählten Stücke überlassen oder aber sein Haus würde beschlagnahmt und seine Sammlung gleich mitgenommen werden. Von da an hatte Herr Sambon nur noch ein Ziel: Zeit zu gewinnen und nur nachzugeben, wenn er dadurch den massiven Raub verhindern konnte, der ihm angedroht worden war.“2 Demnach hätte Roeder also schon zu Beginn der Besatzung erstmals die Sammlung Sambons inspiziert und gemeinsam mit anderen deutschen Beamten und Kunsthändlern massiv Druck ausgeübt, um ihn zum Verkauf zu drängen.

Die späteren Erwerbungen werden in der Stellungnahme sogar explizit thematisiert: „Im Juli 1943 kam Professor ROEDER, Direktor der Ägyptischen Abteilung der Berliner Museen, und Stellvertreter von Dr. MOBIUS wieder zurück. Diesmal wollte er die ägyptischen Objekte, auf die er es seit 1940 abgesehen hat, sofort mitnehmen. Die Stimmung heizt sich auf und Herr Sambon wurde persönlich bedroht. [...] Schließlich überließ er ihm die fraglichen Objekte für die Hälfte des Gesamtwerts, um eine Beschlagnahmung der ganzen Sammlung zu verhindern.“3 Zwar mag der Vorwurf der Kollaboration, mit dem sich Sambon konfrontiert sah, zur Dramatisierung der Erwerbungsumstände beigetragen haben, doch bleibt die grundsätzliche Frage bestehen, inwieweit ein Verkauf unter Besatzungsbedingungen überhaupt als freiwillig bezeichnet werden kann.

Die Verbindung zwischen Kunstschutz und Handel

Selbst wenn Roeder keinesfalls – wie in der Stellungnahme behauptet – der Stellvertreter des deutschen Kunstschutzoffiziers Hans Möbius1 war, spiegelt diese falsche Schlussfolgerung nichtsdestotrotz die enge Zusammenarbeit zwischen der deutschen Besatzungsverwaltung in Form des Kunstschutzes2 einerseits und Vertretern der deutschen Museen anderseits wider.3 So war Hans Möbius nicht nur Leiter des Referats „Archäologie und Vorgeschichte“ beim Kunstschutz in Paris, sondern als Kustos an den Staatlichen Kunstsammlungen Kassel verantwortlich für die Einrichtung der Antikensammlung im Landgrafenmuseum.4 Nach seiner Berufung als Professor für Archäologie an der Universität Würzburg war er seit 1943 darüber hinaus verantwortlich für das dortige Martin von Wagner Museum.5 In dieser doppelten Funktion als Kunstschutzoffizier in Frankreich und Museumsdirektor in Deutschland war Möbius also zugleich dafür zuständig, den Pariser Kunstmarkt zu überwachen, als auch durch Ankäufe vor Ort den Bestand der von ihm verantworteten Sammlung auszubauen.

So berichtet er in einen Brief von 1941 an seinen Bonner Universitätskollegen Ernst Langlotz (1895-1978) voller Stolz von einem Geschenk, das Sambon ihm gemacht habe: „Denken Sie, der gute alte Sambon hat mir die reizende Marmorstatuette der angelehnten Aphrodite für Kassel geschenkt, ich werde sie aber nach Würzburg mitbringen. Dafür konnte ich dann seiner Schwiegertochter einen Laissez-passer nach Pau besorgen, was ja jetzt ziemlich schwierig ist.“6 Was Möbius hier als Austausch eines Gefallens darstellt, mag vor dem Hintergrund von Sambons eigenen Nachkriegsaussagen und unter Berücksichtigung der Besatzungsbedingungen in einem anderen Licht erscheinen. Zudem er noch weitere Objekte bei Sambon erwarb, darunter das Kopffragment einer Satyr-Statuette aus dunkelgrünem Basalt (Br 795) für 2.300 Francs. Die hellenistische Bronzestatuette, die wohl zu Restaurierungszwecken noch während der Besatzung nach Berlin gelangte und nach der Deutschen Teilung dort fast 60 Jahre als Fremdbesitz blieb, wurde 2000 an die Museumlandschaft Hessen Kassel zurückgeben.7

Ganz im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen listet Sambon in den Nachkriegsuntersuchungen wegen des Vorwurfs der Kollaboration alle seine Verkäufe detailliert auf. Demnach verkaufte er nach eigenen Angaben zwischen November 1940 und Juli 1943 Objekte im Gesamtwert von rund 1.150.000 Francs an Deutsche.8 Zugleich betont er, seit 1939 keine neuen Objekte angekauft, sondern lediglich verkauft zu haben, was er schon vor der Besatzung besaß.9 Neben Roeder, der mit seinen Erwerbungen für die Ägyptische Abteilung alleine für die Hälfte dieses Umsatzes verantwortlich war, zählten Möbius sowie Haberstock ebenso wie der Direktor der Städtischen Museen in Aachen Felix Kuetgens (1890-1976)10 sowie der Kunsthändler Josef Mühlmann (1886-1972) zu seinen Kunden während der Besatzung. Durch Restitutionen in der Nachkriegszeit befinden sich einige dieser von Sambon verkauften Werke als Bestand des sogenannten Musée Nationaux Récupération in französischen Nationalmuseen. Darunter das um 1710 entstandene Gemälde „Le Muletier“ von Alessandro Magnasco (MNR 372), das Mühlmann 1941 ursprünglich für Hitlers Museum in Linz erworben hatte und das heute im Louvre ausgestellt ist.11