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20/10/2021 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Als ehrgeiziger Kulturdezernent des Rheinlandes verfolgte Hans Joachim Apffelstaedt das Ziel, rheinisches Kulturgut aus dem besetzten Frankreich zurückzuführen. Mit dem Bonner Sammlungsdirektor Helmuth Rademacher und dem Düsseldorfer Kunsthändler Hans Bammann reiste er wiederholt nach Frankreich und kaufte in großem Umfang Objekte an, bei denen es sich keineswegs nur um rheinische Kunst handelte. Auch andere rheinische Museen unterstützte er bei ihren Ankäufen. Seine wichtigste Kontaktperson in Paris war Adolf Wüster.

Nationalsozialist und Kulturpolitiker im Rheinland

Hans Joachim Apffelstaedt (auch Hanns-Joachim) wurde am 10. Juli 1902 in Münster geboren, wo er in einer großbürgerlichen Familie aufwuchs.1 Sein Vater war Professor für Zahnmedizin und sammelte Kunst und Kunsthandwerk, vornehmlich westfälischer Herkunft. Nach dem Abitur studierte er von 1923 bis 1931 Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie in den Städten Münster, München, Wien und zuletzt in Marburg, wo er, nach einer Unterbrechung, 1933 bei Richard Hamann (1879-1961) promovierte. Seit 1927 war er Mitglied der NSDAP und der SA. Während seiner Studienzeit in Marburg engagierte er sich für den Aufbau und die Organisation der SA in Marburg-Stadt und -Land. 1933 wurde er von dem kurz zuvor zum Landeshauptmann der Rheinischen Provinzialverwaltung berufenen Heinrich Haake (1892-1945) als Leiter der Abteilung Kultur- und Denkmalpflege der Provinzialverwaltung der Rheinprovinz eingestellt. In dieser Funktion war er unmittelbar verantwortlich für das Rheinische Landesmuseum Bonn.2 Unter Apffelstaedts Ägide erhielt das Museum eine der NS-Ideologie entsprechende Neuausrichtung, wurde umgebaut und 1935/36 wiedereröffnet.3 Um die Sammlungen des Bonner Landesmuseums zu erweitern, begann er zusammen mit dem Kustos der Gemäldegalerie, Franz Rademacher, schon wenige Monate nach Beginn der deutschen Besatzung Frankreichs auf dem dortigen Kunstmarkt Objekte anzukaufen.

„Rückführung rheinischer Kulturgüter“

Dies ging einher mit Apffelstaedts intensivem Engagement für eine ‚Rück-‘ oder ‚Heimführung‘ rheinischer Kulturgüter. Aufgrund der geopolitischen Lage des unmittelbar an Frankreich angrenzenden Rheinlandes war es im Laufe der Geschichte immer wieder zu Übergriffen zwischen den Nachbarn gekommen und das Verhältnis war entsprechend voreingenommen. Zu der verbreiteten, revanchistischen Haltung gehörte die Rückforderung von Kulturgut. Im Herbst 1939 hatte Apffelstaedt eine Auflistung der von den Franzosen seit 1794 im Rheinland „geraubten“ Kunstwerke beim Bonner Ordinarius für Kunstgeschichte Alfred Stange in Auftrag gegeben.1 Diese lag im Herbst 1940 vor und lieferte dem „Gesamtverzeichniss des geraubten Kunstgutes” des Deutschen Reichs, welches auf Betreiben des Propagandaministeriums unter der Leitung Otto Kümmels erstellt wurde, wesentliche Grundlagen.2 Man unterschied in „einwandfrei geraubte“ Objekte einerseits und über den Kunsthandel nach Frankreich gekommene, nur „zum Zweck etwaiger Reparationsforderungen“ in die Liste aufgenommene Werke andererseits.3 Als Leiter der für das Rheinland, später auch für Westfalen verantwortlichen Kommission zur Nachforschung nach verschlepptem Kulturgut, trieb Apffelstaedt die Ergänzung der bereits erstellten Liste auch dann noch weiter voran, als der sog. „Kümmelbericht“ abgeschlossen und im Februar 1942 in Berlin entschieden worden war, dass weitere Aktivitäten in diesem Bereich unterbleiben sollten.4

Ankäufe für das Bonner Museum

Bei der Nachforschung nach und dem Erwerb von Kunstwerken für das rheinische Landesmuseum ging nicht nur der erwähnte Franz Rademacher Apffelstaedt „als ständiger Stellvertreter und Spezialkenner des rheinischen Kunsthandwerks laufend zur Hand“.1 Auch der Düsseldorfer Händler Hans Bammann war aufgrund seiner guten Kenntnisse französischer Privatsammlungen Apffelstaedts häufiger Begleiter. Zu diesem Zweck konnte er wiederholt eine UK-Stellung (Unabkömmlichkeitsstellung) für Bammann erwirken.2 Auch wurde die Kommission von Landeshauptmann Heinz Haake nach Kräften unterstützt, etwa indem er, um die aufwändigen und zeitraubenden Einreiseformalitäten zu vermeiden, einen Passierschein beantragte, der zur „wiederholte(n) Einreise“ berechtigte.3

In der Auflistung der vom Transportunternehmen Schenker aus dem besetzten Frankreich nach Deutschland transportierten Kunstwerke, in der die Trias aus Apffelstaedt, Rademacher und Bammann als „Rhineland Gang“ bezeichnet wird, sticht die besonders große Anzahl der von rheinischen Museen angekauften Objekte hervor.4 Die von Apffelstaedt geleitete Abteilung Kultur- und Denkmalpflege des Provinzialverbandes war auch für die Betreuung der rheinischen Museen zuständig.5 So unterhielt er Verbindungen zu führenden Mitarbeitern verschiedener städtischer Sammlungen der Rheinprovinz und unterstützte auch deren, sich während des Krieges entwickelnden Ankaufsaktivitäten.6

Im September 1940 wies Hermann Bunjes – Kunstschutzmitarbeiter und zu Beginn der Besatzung Leiter der Kulturabteilung der Militärverwaltung in Paris sowie als Beauftragter Hermann Görings für die beschlagnahmten Werke aus jüdischem Besitz zuständig – Apffelstaedt darauf hin, dass „eine Anzahl wertvollster Kunstgegenstände aus Privatbesitz in den hiesigen Kunsthandel gebracht werden“, und dass sich für Museumsankäufe die Bildung einer Kommission anböte.7 Auch stellte Bunjes ihm in Aussicht, beschlagnahmte Objekte aus jüdischem Besitz gleich nach Göring begutachten zu können.8 Direkten Zugriff auf konfiszierte Werke erhielt Apffelstaedt jedoch nicht. Sein Versuch, zwei aus jüdischem Besitz stammende niederländische Gemälde aus einer Pariser SS-Dienststelle für Bonn zu erwerben, scheiterte am Zugriff Görings.9

Kooperation mit rheinischen Museen und Kontakte in Frankreich

Vom 15. bis 23. November 1940 reiste Apffelstaedt mit Rademacher und in Begleitung des Düsseldorfer Museumsdirektors Hans Wilhelm Hupp sowie Heinz Köhn vom Essener Museum Folkwang erstmals nach Frankreich. Nach der Rückkehr von seiner ersten Reise berichtete Apffelstaedt an den Landeshauptmann Heinrich Haake von der Entdeckung, dass „sich in Paris und in anderen Orten ungewöhnlich günstige Möglichkeiten zur Bereicherung der westdeutschen Kunstsammlungen ergeben“ hätten.1 So folgte der Krefelder Museumsdirektor Friedrich Muthmann, mit dem Apffelstaedt ebenfalls in Kontakt stand, dessen Beispiel bald. Auch Victor Dirksen aus Wuppertal erwarb bereits 1940 erste Gemälde für sein Museum. Dass Apffelstaedt eine gewichtige Stimme bei den die französischen Erwerbungen betreffenden Fragen hatte, belegen etwa die Briefwechsel zwischen Apffelstaedt, Muthmann, Köhn, Hupp und dem Zwischenhändler Adolf Wüster zu einem Tauschvorhaben im Jahre 1942 zwischen Krefeld und Essen, bei dem Krefeld ein von Köhn für das Museum Folkwang bei Etienne Bignou in Paris erstandenen Gemälde(?) Corots übernehmen und im Gegenzug ein Degas-Pastell, ebenfalls bei Bignou, für Essen erwerben wollte.2 Köhn war unschlüssig und wolle, moniert Muthmann:

„sich auch von keinem Menschen, selbst nicht von Apffelstaedt, etwas sagen lassen. […] Nur hätte ich mich wirklich gefreut, wenn der schöne Degas auch noch ins Rheinland gekommen wäre. Und nach Essen würde er mit seinen schönen, klaren Farben besonders gut passen. Darin bin ich mit Apffelstaedt völlig einer Meinung.“3

Die meisten in Frankreich erworbenen Objekte wurden in von den rheinischen Museen organisierten Sammeltransporten nach Deutschland gebracht. Der in Paris als Kriegsoberverwaltungsrat des militärischen Kunstschutzes stationierte Direktor des Aachener Suermondt-Museums Felix Kuetgens kümmerte sich um die administrative Abwicklung der Transporte sowie die komplizierten Einreiseformalitäten für seine Kollegen.4 Apffelstaedt stand für seine Nachforschungen nach rheinischen Kulturgütern in engem Kontakt mit den Mitarbeitern des Kunstschutzes, für den mehrere Mitarbeiter der in der Zuständigkeit des Kulturdezernenten stehenden rheinischen Denkmalpflege tätig waren.5 Besonders unterstützt wurde auch er von Kuetgens, der neben Carlheinz Pfitzner die meisten der obligatorischen Einreise- sowie die Ausfuhrbefürwortungen für die Erwerbungen des rheinischen Landesmuseums ausstellte.6

Wichtiger Verbindungsmann zu den Pariser Händlern, mit denen Apffelstaedt und sein Kollege Rademacher in Kontakt traten, war der bereits seit den 1920er Jahren in Paris lebende, aus Elberfeld stammende und ab Juni 1942 an der deutschen Botschaft angestellte Kunsthändler Adolf Wüster, bei dem sie während ihrer Einkaufsreisen häufig zu Gast waren. Wüsters Ehefrau Nadine sowie der enge Freund und Vermieter des Ehepaars, Graf Trotti – auch er als Kunsthändler tätig – waren ebenfalls in die geschäftlichen Abwicklungen einbezogen. Apffelstaedt zeigte sich erkenntlich für die Gastfreundschaft und die Unterstützung, die er von seinen Pariser Kontakten erfuhr, indem er etwa Nadine Wüster und Graf Trotti Präsente zukommen ließ.7 Auch den Mitarbeitern des Kunstschutzes erwies er seine Dankbarkeit durch eine Essenseinladung.8

Apffelstaedt war für Bonn zwar vorrangig an „rheinischen Werken“ interessiert, die ihm zufolge zum „ureigensten Sammlungsbereich des rheinischen Landesmuseums gehören, d.h. rheinische Kunst von der Vorzeit bis gegen 1500, sowie rheinisch-niederländisch flämische Bilder aus der Zeit des 15. bis 17. Jahrhunderts“.9 Doch stehen auf der nach dem Krieg erstellten Ankaufsliste des Landesmuseums u. a. auch als „italienisch“ oder „französisch“ bezeichnete Objekte sowie Kunsthandwerk nicht-rheinischer Regionen wie Emaille-Arbeiten aus Limoges. Die 23 erworbenen Gemälde waren ausschließlich Werke der niederländischen und flämischen Kunst, die Apffelstaedt als der rheinischen Kunst „stammverwandt“ erachtete.10

Der umtriebige rheinische Kulturdezernent war also sowohl als Leiter der Rheinlandkommission zu „Nachforschungen nach verschlepptem rheinischem Kulturgut“ als auch als Ankäufer für das Rheinische Landesmuseum in Bonn in den besetzten westlichen Gebieten aktiv und stand dabei in kontinuierlichem, beratendem Austausch mit den führenden Mitarbeitern rheinischer Museen. Im Rahmen dieser Tätigkeiten reiste er insgesamt 25 Mal ins besetzte Frankreich und Belgien,11 bis er nach freiwilliger Meldung am 1. April 1944 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Nach kurzem Einsatz in Norwegen wurde er an die Front nach Litauen versetzt. Dort galt er seit dem 28. Juli 1944 als vermisst.