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08/12/2021 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Im Jahr 1935 werden der auf den Verkauf surrealistischer Werke spezialisierte Pierre Colle und  Maurice Renou Geschäftspartner und gründen die Galerie Renou & Colle, an der Adresse 164 Rue du Faubourg-Saint-Honoré. Während des Zweiten Weltkriegs setzt die Galerie ihre Tätigkeit auf dem französischen und internationalen Kunstmarkt fort. Zu ihren Kunden zählen Hans Wendland, Hildebrand Gurlitt, Adolf Wüster, Otto Helmut Förster, Kurt Martin sowie der Schweizer Verleger Albert Skira. Die Galerie verkauft an Museen im Rheinland und ist in den Verkauf beschlagnahmter Gemälde insbesondere aus der Sammlung Paul Rosenberg involviert.

Geschichte

Die Galerie Pierre Colle wurde 1930 am Montmartre, Rue Eugène-Carrière, von Pierre Colle, geb. 1909 in Douarnenez, gest. 1948 in Paris, gegründet. Sein Vater, Jean Colle (1875-1966), war Maler, seine Mutter, Marie Adordjan, Tragödiendarstellerin. Colle war ein Freund des Dichters und Malers Max Jacob (1876-1944), dessen Alleinerbe er wurde, und war mit den Musikern Francis Poulenc (1899-1963) und Henri Sauguet (1901-1989) bekannt.1 Bevor er seine eigene Galerie eröffnete, arbeitete Colle mit der von Jacques-Paul Bonjean (1899-1990) und Christian Dior (1905-1957) geführten Galerie Bonjean zusammen.2

Der Sitz dieser Galerie ist ab 1933 an der Adresse 29 Rue Cambacérès.3 Spezialisiert war sie auf den Verkauf surrealistischer Werke, insbesondere von Max Ernst, Salvador Dalí, Giorgio Di Chirico, Man Ray, Alexandre Calder und Alberto Giacometti.4 Drei Mal stellte sie Dalí aus: vom 3. bis 15. Juni 1931, vom 26. Mai bis 17. Juni 1932 und vom 19. bis 29. Juni 1933.5 Vom 7. bis 18. Juni 1933 zeigte sie eine Ausstellung zum Surrealismus.6 Krisenbedingt musste die Galerie dann schließen.7

Im Jahr 1935 geht Colle eine Geschäftspartnerschaft mit Maurice Renou ein und sie gründeten gemeinsam die Galerie Renou & Colle an der Adresse 164 Rue du Faubourg-Saint-Honoré, die bis 1948 bestand. Renou, ein Experte für die Kunst des 19. und 20. Jh., stand der Familie Renoir nahe. Die Galerie Renou & Colle richtete vom 6. bis 30. Juli 1937 eine Dalí-Schau aus und zeigte auf die Initiative André Bretons (1896-1966) vom 10. bis 25. März 1939 die Ausstellung über Mexiko und Frida Kahlo.8

Die Verkäufe während der Besatzungszeit in die Schweiz und nach Deutschland

Während des Zweiten Weltkriegs setzte die Galerie Renou & Colle ihre Tätigkeit auf dem französischen und internationalen Kunstmarkt fort. Zu ihren Kunden zählten die deutschen Kunsthändler Hans Wendland, Hildebrand Gurlitt, Adolf Wüster und Otto Helmut Förster, der Museumsdirektor Kurt Martin und der Schweizer Verleger Albert Skira (1904-1973).1 Letzterer kaufte in der Galerie Renou & Colle Werke zeitgenössischer Künstler wie Braque, Cézanne, Dalí, Chagall, Derain, Picasso, Renoir und Vlaminck. Alle 14 von Skira in der Galerie Renou & Colle erworbenen Werke wurden seiner Aussage nach während des Krieges direkt von den Künstlern oder ihren Erben angekauft, mit Ausnahme von Picassos Bild La Guitare [~ Die Gitarre], das 1941 im Auktionshaus Drouot erworben wurde.2 Laut der von Skira erstellten Liste wurde 1941 ein Gabrielle betiteltes Gemälde von Claude Renoir (1901-1969), dem Sohn des Malers, angekauft. Hierzu ist anzumerken, dass Wendland zufolge ein 1910 von Renoir gemaltes Bild, Gabrielle aux bijoux [~ Gabrielle mit Schmuck], von „Monsieur François“ (sic) angekauft wurde, das die Galerie Renou & Colle an Wendland weiterverkaufte.3 Anschließend gehört es zu Skiras Privatsammlung.4

Aus den von der Roberts Commission geführten Verhören wie auch dem Firmenarchiv des Transportunternehmens Schenker gehen nähere Informationen zur den von der Galerie Renou & Colle nach Deutschland verkauften Werken hervor. Am 15. April 1941 verkaufte sie das 1917-1919 von Utrillo gemalte Bild La rue des Saules [~ Weidenstraße] für 35.000 F an den Berliner Verleger Wolfgang Krüger.5 Im November 1941 erwarb das Kölner Wallraf-Richartz-Museum in der Galerie Renoirs Tête de Femme [~ Frauenkopf] über Förster zum Preis von 3.500.000 F.6 Das Werk stammt aus der Sammlung Daudet und zeigt ein Porträt von Madame Alphonse Daudet.7 Am 6. November 1941 kaufte das Bonner Museum bei Renou & Colle ein Gemälde aus der niederländischen Schule von Gerbrand van den Eeckhout, Portrait de femme âgée assise [~ Porträt einer alten sitzenden Frau] für 200.000 F.8 Zudem erhielt Colle am 24. November 1941 im Hôtel Drouot den Zuschlag für ein Gemälde von Matisse mit dem Titel La Calanque für 45.000 F, bei dem es sich vermutlich um das Bild Rochers à Belle-Île handelt, das danach in eine bis heute nicht identifizierte Sammlung in Deutschland gelangte.9

Im Jahr 1942 verkaufte die Galerie zudem ein Gemälde Corots, Vue d’Orléans, an Kurt Martin für das Musée des Beaux-Arts in Straßburg. Wüster diente hier als Mittelsmann, da das Werk aus der Galerie stammte, wie ein Beleg aus der Galerie Renou & Colle beweist: „Hiermit bestätigen wir, von Dr. Martin den Betrag von achthunderttausend Franc als Zahlung für ein Gemälde von Corot, Vue d‘Orléans, erhalten zu haben.“10 Das Bild war am 15. Dezember 1941 bei der Versteigerung der Sammlung Maurice Delacre im Hôtel Drouot für 575.000 F unter den Hammer gekommen. Bei der gleichen Auktion erzielte Ingres‘ Portrait du graveur Desmarais [~ Porträt des Kupferstechers Desmarais] mit 1.440.000 F einen der höchsten Preise des ganzen Jahres.11 In der Folge verkaufte die Galerie Renou & Colle es Hildebrand Gurlitt für das Museum in Linz.12

Im Jahr 1943 erhielt die Galerie im Auktionshaus Drouot den Zuschlag für Monets 1861 entstandenes Gemälde Coin d’atelier [~ Eine Ecke im Atelier]. Das Bild gehörte „Monsieur Seigneure“ (wohnhaft in Le Havre, 2 Rue du Président-Wilson) und wurde bei der von Alphonse Bellier geleiteten Auktion Tableaux modernes am 6. Mai 1943 im Saal 10 des Pariser Hôtel Drouot unter der Nummer 84 (abgebildet unter dem Titel „Cabinet de travail“ [~ Arbeitsraum]) aufgerufen;13 zugeschlagen wurde es Renou & Colle für 140.000 F. Danach kaufte Gurlitt es für 1.500.000 F von dem in Paris ansässigen niederländischen Händler Theo Hermsen und 1943 erwarb es die Kunsthalle Hamburg für 75.000 RM.14

Der Verkauf geraubter Sammlungen

In dieser düsteren Zeit stellte die Galerie Renou & Colle zudem Gemälde aus, die bei dem Galeristen Paul Rosenberg (1881-1959) beschlagnahmt worden waren. Vom ERR im Jeu de Paume zwischengelagert, wurden sie am 25. Februar 1941 Gegenstand eines Tauschgeschäfts zwischen Hermann Göring und dem Händler Gustav Rochlitz, der die Werke im Nachhinein Wendland überließ.1 Mehrere von ihnen wurden danach von der Galerie Fischer in Luzern weiterverkauft.2 Wendland stand damals in Kontakt mit der Galerie Renou & Colle, um über sie Bilder von Renoir ausfindig zu machen.

Weitere entzogene Kunstwerke wurden von Rochlitz an Pariser Händler - darunter Ignacy Izak Rosner und Martin Fabiani - weiterverkauft. Unter den Gemälden aus der Sammlung Rosenberg wurden Vase devant la fenêtre [~ Vase vor dem Fenster] von Georges Braque wie auch die beiden 1940 von Henri Matisse gemalten Bilder Ananas sur fond rose [~ Ananas vor rosa Hintergrund] und  Dormeuse [~ Schlafende] in der Galerie Renou & Colle gesehen.3 Das Braque-Bild wurde Renous Aussage zufolge über die Vermittlung Fabianis, die beiden Matisse von Rosner angekauft.4

In einem Brief bestätigte Paul Rosenbergs Bruder Edmond im Januar 1945, dass das Gemälde La nature morte à la dormeuse [~ Stillleben mit Schlafender] sich nach dem Verkauf durch die Galerie Renou & Colle in einer Privatsammlung in Paris befinde.5 Maurice Renou zufolge wurde das Bild Femme endormie [~ Schlafende Frau] an einen Kunden Paul Rosenbergs, „Monsieur Bellanger“ verkauft, der nichts von der Herkunft gewusst habe. Um zu einem „Arrangement“ zu finden, wurde Matisse im Februar 1949 von der Galerie Renou & Colle gebeten, den Schätzwert von 600.000 F für ein Gemälde zu bestätigen.6 Tatsächlich regelte Paul Rosenberg „seine Angelegenheiten einvernehmlich mit diesem Unternehmen“, das als Vermittler aufgetreten war und bemühte sich, „es zu rehabilitieren“.7 Die Werke wurden ihm nach dem Krieg restituiert.8

Nach dem Krieg

In der Sitzung vom 6. Januar 1949 verhängte das Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für die Beschlagnahmung unlauterer Gewinne] eine zu beschlagnahmende Summe von weniger als 500.000 F und so wurde, da der Beweis für den unlauteren Charakter des Gewinns nicht erbracht werden konnte, das aufgrund des geringen Betrags nicht mehr zu rechtfertigende Verfahren gegen die Galerie Renou & Colle eingestellt.1

Nach dem Zweiten Weltkrieg unternahm Colle eine Reise nach Mexiko und anschließend in die USA. Im Februar 1946 hielt er sich im Auftrag des französischen Außenministeriums in Mexiko auf und sollte, Maurice Renou zufolge, Ende des Jahres zurückkehren.2 Im März importierte er aus Mexiko Werke aus seiner Privatsammlung in die USA, darunter Arbeiten von Picasso, Matisse, Braque und Chirico, die er während des Krieges direkt bei den Künstlern bzw. in Chiricos Fall 1942 von „Mrs Jacques Doucel“ (sic), also von Jacques Doucet (1853-1929) erworben hatte.3

Nach dem Tod von Pierre Colle wurde 1948 die Galerie Renou & Poyet gegründet. Sie unterhielt in der Nachkriegszeit Verbindungen zum US-amerikanischen Kunstmarkt. Insbesondere der New Yorker Händler Stephen Hahn (1921-2011) kaufte 1975 von der Galerie Renou & Poyet das von Picasso 1922 gemalte Bild Femme en blanc [~ Frau in Weiß]. Das von Robert und Carlotta Landsberg (1899-1994) 1926/1927 angekaufte Werk hatte Carlotta Landsberg 1938-1939 in die Obhut des Galeristen Justin Thannhauser (1892-1976) gegeben. 1940 wurde es in Paris vom ERR beschlagnahmt, gleichzeitig mit der Sammlung des deutschen, aus einer jüdischen Familie stammenden Galeristen, der einen Teil seines Galeriebestands in Paris gelassen hatte, bevor er in die Schweiz und dann in die USA ausgewandert war.4 Das Picasso-Bild wurde 2002 den Erben der Familie Landsberg zurückgegeben. Dem Direktor der Galerie Renou & Poyet, Maurice Covo (1925-2019), zufolge hatte die Galerie dieses Picasso-Werk einem Sammler abgekauft, der es wiederum von einem Händler gehabt habe, der während der Besatzungszeit in den Handel mit Raubkunst involviert gewesen sei.5