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Museen als Akteure auf dem französischen Kunstmarkt während der deutschen Besatzung

Die dynamische Entwicklung des französischen Kunstmarkts während der deutschen Besatzung ist nicht allein der Sammelwut hoher Funktionäre des NS-Regimes, allen voran Hitlers für sein geplantes „Führermuseum“ in Linz1 und Görings für sein Anwesen in Carinhall2, geschuldet. Auch viele Museen nutzten die sich unter den Besatzungsbedingungen bietenden Möglichkeiten, um in großem Umfang Kunst zu erwerben und ihre Sammlungen zu bereichern.3

Der 1945 erschienene Bericht „Accessions to German Museums, and Galleries during the Occupation of France – The Schenker Papers“4 ist bis heute die wichtigste Quelle zu den Aktivitäten deutscher Museen im besetzten Frankreich.5 Die sog. Schenker Papers, die auf der Auswertung der in Paris beschlagnahmten Geschäftsunterlagen der Transportfirma Schenker beruhen, listen zahlreiche Erwerbungen deutscher Museen auf. Doch erst durch die Nachkriegsuntersuchungen der Kunstschutzoffiziere der amerikanischen, französischen und britischen Besatzungsmächte, die in den Collecting Points auch die im Krieg ausgelagerten Bestände deutscher Museen überprüften, wurde das wahre Ausmaß der Erwerbungen deutlich. So stellte die französische Kunstschutzoffizierin Rose Valland fest, dass etwa von den durch die Stadt Köln „nach Frankreich entsendeten Emissären ein regelrechter Feldzug durchgeführt wurde, um Erwerbungen verschiedener Art in Angriff zu nehmen“.6

Sowohl Provinzmuseen wie etwa in Celle7, als auch die Häuser großer Städte wie Hamburg8 oder Nürnberg9 hatten sich während des Kriegs die Vorteile der Besatzung für Kunstankäufe nicht entgehen lassen und einige Objekte unterschiedlicher Gattungen, Regionen und Epochen erworben. Doch lässt sich feststellen, dass die Museen der in Nachbarschaft zu den besetzten Westgebieten entlang des Rheins gelegenen Regionen, mit deutlichem Abstand die umfänglichsten Kunstankäufe tätigten.

Auf Grundlage der im Januar 1943 erlassenen Londoner Erklärung, die alle von Deutschen in den besetzten Gebieten abgeschlossenen Geschäfte für nichtig erklärte,10 forderte Frankreich nach Kriegsende die Ankäufe der Museen zurück.11 So befinden sich viele dieser Erwerbungen heute im Bestand Musées Nationaux Récupération (MNR).12

Westdeutsche Museen der entlang des Rheins gelegenen Regionen

Es fällt auf, dass ein größerer Anteil der im Bestand MNR befindlichen Objekte durch Museen aus dem nördlichen Rheinland erworben worden waren. Auch in den Schenker Papers wird hervorgehoben, dass die Ankaufsmenge einiger (nieder-)rheinischer Museen die aller anderen bei weitem übersteigt. Die Leiter der städtischen Sammlungen in Bonn, Düsseldorf, Essen, Krefeld, Wuppertal sowie Aachen und Köln reisten wiederholt, manche mitunter gemeinsam, zu Ankaufszwecken nach Paris.1 Dort unterhielten sie dieselben Kontakte, vor allem zu Adolf Wüster,2 der u. a. für sie vor Ort mit den französischen Händlern verhandelte, sowie zu ihrem Kollegen Felix Kuetgens, Direktor der Aachener Museen, der als Mitglied des Kunstschutzes in Paris stationiert war und bei allen Formalitäten half.3 Der äußerst ambitionierte, rheinische Kulturdezernent Hans-Joachim Apffelstaedt,4 der den Kulturstandort Rheinland zu größerer Bedeutung führen wollte, war selbst verantwortlich für das Rheinische Landesmuseum Bonn und eine treibende Kraft bei den Ankaufsunternehmungen der Museen seines Zuständigkeitsbereichs.5 So unterstützte er die Direktoren der Düsseldorfer Kunstsammlungen, des Essener Museum Folkwang und des Krefelder Kaiser-Friedrich-Museums, die auch miteinander kooperierten, etwa bei der Organisation von Sammeltransporten der erworbenen Objekte.6 Auch das Städtische Museum Wuppertal war an diesen Aktivitäten beteiligt. Lediglich der Direktor des Kölner Wallraf-Richartz-Museums, Otto Förster, ging, im Bewusstsein der kulturellen Vormachtstellung der Rheinmetropole, eigene Wege, beispielsweise indem er unter anderem über Hildebrandt Gurlitt Kunst aus Frankreich erwarb.7

Apffelstaedt hatte sich durch Andeutungen des Bonner Kunsthistorikers, Kunstschutzmitarbeiters und Beraters Görings in Paris, Hermann Bunjes,8 anfänglich Hoffnungen gemacht, auf beschlagnahmte Objekte aus jüdischem Besitz zugreifen zu können. Doch waren die Pläne Hitlers, wie mit der beschlagnahmten Kunst zu verfahren sei, andere. Gemäß Görings Anweisungen sollte sie zunächst nach Deutschland transportiert werden und erst dort eine Zuweisung an Museen erfolgen,9 wozu es nie kam. Kein Museum erhielt Zugriff, sie mussten sich darauf beschränken, mit von lokalpolitischen Entscheidungsträgern bewilligten Mitteln – die oft beträchtlich waren – Kunst auf dem Markt zu kaufen.

In der Rhein-Main-Region hatte der Oberbürgermeister von Frankfurt, Friedrich Krebs,10 ebenfalls Ambitionen, Werke aus jüdischem Besitz für seine Stadt zu sichern, als er den Kontakt zwischen den Leitern der Frankfurter Museen11 und einem Mitarbeiter des ERR in Paris, Günther Schiedlausky,12 herstellte. Krebs hatte die Erweiterung der städtischen Sammlungen zu einem Schwerpunkt seiner Kulturpolitik erklärt und die Direktoren beauftragt, in die besetzten Gebiete zu reisen, um Objekte zu erwerben. Zu diesem Zweck genehmigte er beträchtliche Sondermittel, wovon das Völkerkundemuseum, die Städtische Galerie, das Museum für heimische Vor- und Frühgeschichte, das Stadtgeschichtliche Museum und das Museum für Kunsthandwerk profitierten. Dessen Direktor Walter Mannowsky wurde darüber hinaus mit der Organisation von Möbeln und Hausgeräten aus der M-Aktion für das bombengeschädigte Frankfurt betraut. Nach der Annexion des Elsass und dessen Zusammenschluss mit dem Gau Baden zum Gau Baden-Elsass, wurde im Rahmen der ehrgeizigen Kulturpolitik des Gauleiters Robert Wagner (1895-1946), eine „Generalverwaltung der oberrheinischen Museen“ GVOM geründet. Diese wurde dem Direktor der Karlsruher Kunsthalle Kurt Martin13 unterstellt, der darüber hinaus zum Leiter des Straßburger Musée des Beaux-Arts ernannt wurde. In seinen neuen Funktionen kaufte Martin vor allem für Straßburg, das Wagner zum „ersten herausragenden Kulturzentrum des Deutschen Reiches" machen wollte, in außergewöhnlichem Umfang Kunst in den besetzten westlichen Gebieten, insbesondere in Paris. Obwohl Martin, der dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstand, sehr bemüht war, keine NS-verfolgungsbedingt entzogenen Werke zu erwerben, wurden später solche Objekte unter den Ankäufen identifiziert. Nach dem Krieg verblieben die in Frankreich erstandenen Kunstwerke, nachdem sie aus Badener Depots nach Straßburg gebracht wurden, auf Martins Betreiben in den dortigen Sammlungen.

Berlin

Auch für einzelne Sammlungen der Staatlichen Museen von Berlin1 wurden im besetzten Frankreich Objekte angekauft. Der 1941 als Wehrmachtssoldat in Paris stationierte Leiter der ägyptischen Abteilung, Günther Roeder, hatte im dortigen Handel Stücke ausgesucht, die er für Berlin erwerben wollte. Doch sollte es bis 1943 dauern, die notwendigen finanziellen Mittel zu erhalten. Mit wachsender Unruhe verfolgte man, wie durch das zügellose Kaufen anderer Museen, vor allem der rheinischen, die scheinbar über unerschöpfliche Budgets verfügten, das Angebot qualitätsvoller Werke schrumpfte. Neben den vorrangig kleineren Objekten, die die ägyptische und die islamische Abteilung ab 1943 erwarben, wurden zuvor bereits zwei Gemälde durch die Nationalgalerie erstanden.2 Da sich die Berliner Ankäufe nach Kriegsende auf der Museumsinsel im sowjetischen Sektor und damit außerhalb des Zugriffs der westlichen Alliierten befanden, sind sie bis heute fast vollständig im Besitz der Museen.

Österreich und Schweiz

Für bestimmte öffentliche Sammlungen in Österreich wurde ebenfalls im besetzten Frankreich Kunst angekauft. So erwarben Vertreter des Gaus Oberdonau und der Leiter der kunsthistorischen Sammlung des Oberösterreichischen Landesmuseums Linz, Justus Schmidt,1 über den seit 1938 in Paris ansässigen, österreichischen Kunstexperten Antonin Juritzky,2 Kunstwerke auf dem französischen Markt. Auf den zu diesem Zweck unternommenen Reisen wurden zudem für Heinrich Himmler Ankäufe getätigt sowie für den eigenen Gebrauch eingekauft.

Der Salzburger Galerist Friedrich Welz nutzte seine guten Kontakte zu ranghohen NS-Funktionären und zur regionalen Führung des Salzburger Gaus, um in deren Auftrag unter anderem in Frankreich über 300 Kunstwerke für die 1942 durch Gauleiter Gustav A. Scheel gegründete Salzburger Landesgalerie, die Welz bis 1944 leitete, zu erstehen. Darüber hinaus kaufte er für sich und seine eigene Verkaufsgalerie weitere Objekte.3

Vergleichbare Ankaufsmengen sind in Schweizer Museen nicht zu verzeichnen. Hier hat aber etwa das Kunsthaus Zürich durch Vermittlung seines Beraters Charles Montag einzelne Käufe in Frankreich während des Krieges getätigt.4

Vermittler und Agenten

Die meisten Museumsdirektoren oder ihre Mitarbeiter reisten mindestens einmal persönlich zu Ankaufszwecken ins besetzte Paris. Doch arbeiteten sie ausnahmslos auch mit Vermittlern zusammen, meist deutschen Händlern, die über ein weitreichendes Netzwerk verfügten, den Markt sondierten, mit ihren französischen Kollegen verhandelten, und auch die formale Abwicklung übernahmen. Hier ist vor allem Adolf Wüster zu nennen, der in enger Verbindung zur deutschen Botschaft stand und der wohl wichtigste Mittelsmann vieler Museen entlang des Rheins war.1 Nicht zuletzt durch seine guten Kontakte zu den Besatzungsbeamten konnte er bei der Beschaffung der nötigen Exportgenehmigungen sowie dem oftmals schwierigen Devisentransfer behilflich sein.2 Weitere Zwischenhändler, die Werke aus Frankreich an deutsche Museen vermittelten, waren etwa Hildebrandt Gurlitt vor allem, aber nicht ausschließlich, für Köln,3 Rudolf Melander Holzapfel besonders für Frankfurt,4 oder auch Albert Loevenich, der vorrangig für Nürnberg tätig war.5 Die Beziehungen von Museumsdirektoren und Kunsthändlern waren dabei von wechselseitiger Abhängigkeit geprägt, da Händler bei der Verbringung ihrer Handelsware nach Deutschland sowie bei Devisenbewilligungen und -transfers sehr von den Privilegien, die Museen diesbezüglich genossen, profitieren konnten. Zum Teil führte dies zu höchst komplizierten Transaktionen, die, auch aufgrund des komplexen Netzwerks beteiligter Akteure, sich heute nur mühsam rekonstruieren lassen und die Herkunft vieler Werke verschleiern.6

Kunstschutz

Um die angekauften Stücke ausführen zu können, mussten die Einkäufer der Museen diese unter anderem beim militärischen Kunstschutz anmelden, der neben der Sicherung des Kulturgutes vor Kriegseinwirkungen auch für die Kontrolle des Kunsthandels zuständig war.1 Die Kunstschutzmitarbeiter unterstützten aktiv die Ankaufstätigkeiten der deutschen Museen, leiteten doch manche von ihnen selbst Sammlungen in Deutschland. So war etwa der erwähnte, als Oberkriegsverwaltungsrat beim Pariser Kunstschutz eingesetzte Felix Kuetgens Direktor des Aachener Suermondt-Museums.2 Bei der Regelung der Einreise- und Ausfuhrformalitäten war er insbesondere für seine rheinischen Kollegen eine wichtige Unterstützung, die ihm ihrerseits beim Transport seiner für Aachen getätigten Einkäufe behilflich waren. Auch der Archäologe Hans Möbius,3 seit Juni 1941 Kunstschutzbeauftragter in Paris, war bis 1942 als Kustos und stellvertretender Direktor bei den staatlichen Kunstsammlungen in Kassel tätig, bevor er Professor in Würzburg wurde und damit die Leitung des universitätseigenen Martin von Wagner Museums übernahm.4 Für beide Standorte kaufte er vorrangig, aber nicht ausschließlich, antike Kunst. Die ambivalenten Doppelrollen dieser Vertreter des militärischen Kunstschutzes machen deutlich, wie eng nicht zuletzt die militärische Besatzungspolitik auch personell mit der Ankaufspolitik deutscher Museen verbunden war.

Heutiger Untersuchungsstand

Seit der Washingtoner Konferenz von 1998 haben zahlreiche Museen im deutschsprachigen Raum begonnen, ihre Bestände auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zu prüfen. Im Rahmen von Tagungen, Publikationen, Forschungs- und Ausstellungsprojekten haben sie ihre eigene Geschichte im Nationalsozialismus beleuchtet. Teilweise wurden dabei auch Erwerbungen im besetzten Frankreich thematisiert. Daraus lässt sich im museumsübergreifenden Vergleich der erwähnte geografische Schwerpunkt entlang des Rheins ablesen, innerhalb dessen sich die Museen befanden, die am aktivsten ihre Sammlungen durch Ankäufe in den besetzten Westgebieten bereicherten.

Auch französische Museen kauften zum Teil umfänglich während der Besatzung ein. Nationalmuseen wie dem Chateau de Versailles standen Sonderbudgets zur Verfügung, welche die finanziellen Mittel der Vorkriegszeit deutlich überstiegen.1 So machten die französischen Nationalmuseen bei vielen Auktionen ihr traditionelles Vorkaufsrecht geltend. Unmittelbar nach dem Krieg stellte der Louvre die Neuerwerbungen aus.2 Seit Kurzem werden die Ankäufe dieser Zeit und ihre Herkunft genauer untersucht.3

Durch die intensivierte Provenienzforschung in deutschen Museen wurde festgestellt, dass sich auch dort nach wie vor Objekte befinden, die vom französischen Kunstmarkt der Besatzungsjahre stammen, nach Kriegsende jedoch nicht restituiert wurden, wie etwa im erwähnten Beispiel der Berliner Museen.

Bislang ist die Frage, wie mit Erwerbungen dieser Zeit umgegangen werden soll, nicht abschließend geklärt. Bei der anstehenden Aufarbeitung ist es wichtig, auch den sammlungshistorischen Umgang mit diesen Objekten und die damit verbundenen Diskurse zu beleuchten. Während in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Erwerbungen deutscher Museen vorrangig unter dem Gesichtspunkt der unrechtmäßigen Bereicherung betrachtet wurden, muss heute die Überprüfung eines möglichen verfolgungsbedingten Entzugs zentrale Aufgabe sein. Diesen Herausforderungen sollten sich deutsche und französische Museen möglichst gemeinsam im transnationalen Forschungsaustausch stellen.