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18/08/2023 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Albert Bourdariat wurde erst seit kurz vor dem Krieg als Dekorateur, Antiquitätenhändler und Kunstexperte tätig. Ende 1940 traf er Dr. Wolff, den Chefarchitekten der Berliner Reichsbank im Hôtel Drouot. In der Folge war er in die Geschäfte Margot Janssons involviert, die Verträge mit dem Händler für antikes Mobiliar wie Fabre & Fils aushandelte, um die Empfangsräume der Reichsbankzentrale im französischen Stil einzurichten. Als Sachverständiger war er für die Schätzung der meisten von Margot Jansson nach Deutschland verschickten Gegenstände verantwortlich.

Expertisen für die Reichsbank

Albert Bourdariat wurde am 10. Mai 1880 im 8. Arrondissement in Paris als Sohn von Joseph Bourdariat, der von Beruf Friseur war, und Anaïs Louise de Marguerie geboren.1 Am 16. Juni 1913 heiratete er Renée Chartier im 17. Arrondissement und gab in diesem Zusammenhang beim Standesamt an, von einer Lebensrente zu leben [rentier]. Sein Vater, gemeldet mit einer Adresse am Boulevard Malesherbes, war zu diesem Zeitpunkt Antiquitätenhändler.2 Auch zum Anlaß der Geburt seines ersten Sohnes am 27. Oktober 19133 gab Bourdariat unter der Berufsangabe an, „rentier” zu sein. Erst im November 1941, bei der Hochzeit seines zweiten Kindes, bezeichnete er sich als Dekorateur.4 Sein Wohnsitz war zu diesem Zeitpunkt 100, Rue de l’Université im 7. Arrondissement von Paris.

Es existieren nur wenige Quellen, die Auskunft über die antiquarischen Tätigkeiten Bourdariats vor der Besatzungszeit geben. Er ist vor allem bekannt als Mitbegründer der Fédération Française de boxe [Französischer Boxverband] im Jahr 1903, dessen Vorsitzender er bis zur Befreiung blieb. Um seine Aktivitäten als Antiquitätenhändler und Kunstexperte im Hôtel Drouot bewerten zu können, wurde die Dokumentation herangezogen, die gegen ihn nach der Besatzungszeit angesammelt wurde, insbesondere die Akte des Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für Beschlagnahmung unlauterer Gewinne], die in den Archives de Paris aufbewahrt wird.5

In dieser Akte findet sich der auf den 10. Oktober 1945 datierte „Rapport concernant M. BOURDARIAT Albert 100, rue de l’Université PARIS (7°)“ [Bericht bezüglich Monsieur Bourdariat, Albert, 100, Rue de l’Université, Paris (7. Arr.)], in welchem Bourdariats antiquarische produktive Aktivitäten während der Besatzungszeit zu Tage treten.6 Der Untersuchungsbeauftragte interessierte sich zu Beginn für die Herkunft der Einkünfte Bourdariats, die nach seinen Kenntnissen vor der Besatzung recht gering waren: Er spricht von „geringen Einkünften vor dem Krieg.“7 Bourdariat gab an, als Antiquitätenhändler und Kunstexperte tätig gewesen zu sein, behauptete aber, dass er seine Aktivitäten während des Krieges eingestellt habe, insbesondere da er sich weigerte, an die Deutschen zu verkaufen.

Dennoch konnte er es sich leisten, am 22. September 1942 ein Gebäude im Wert von 750.000 F zu erwerben. Bourdariat wurde aufgrund seiner Rolle als Gutachter und Kunstexperte für Ankäufe durch die Reichsbank vor das Komitee zitiert. Die Mehrzahl der durch ihn begutachteten Objekte wurde durch Margot Jansson nach Deutschland geschickt. Die durch Bourdariat erstellten Gutachten, die den Behörden durch die ehemalige Sekretärin Janssons übergeben wurden, belegen seine Rolle bei diesen Transaktionen.

Bourdariat gab den Untersuchungsbeauftragten gegenüber an, dass er Ende 1940 im Hôtel Drouot auf Dr. Wolff getroffen sei. Dieser habe ihn nach Antiquitätenhändlern gefragt, bei denen er Möbel finden könne, um den Sitz der Reichsbank in Berlin auszustatten. Er habe ihm in diesem Zusammenhang Aufnahmen von Objekten gezeigt und ihn um seine Einschätzung gebeten. Bourdariat zufolge bot ihm Jansson kurze Zeit später an, sie zum Händler für antike Möbel Fabre & Fils zu begleiten, um seine Meinung zu einigen Möbeln zu hören, die sie zu kaufen gedachte. Am 25. Januar 1941 erhielt Bourdariat zwei Kommissionen für Verkäufe von Fabre & Fils, die von Jansson durchgeführt und Wolff in Rechnung gestellt wurden. Nach Aussage Fabres wurden die Möbel zu Bourdariat geliefert, damit Jansson dort, in der Rue de l’Université, ihre Auswahl treffen konnte.

Ein anderer Vorgang betraf nicht Bourdariats Rolle als Vermittler sondern einen im eigenen Namen durchgeführten Verkauf: Den Untersuchungsbeamten lag ein auf Deutsch verfasstes Gutachten vom 15. Februar 1941 vor, das die Tapisserie Hercule chassant les oiseaux des lacs de Stymphale [Herkules jagt die Stymphaliden] betraf. Ein Wandteppich mit eben diesem Motiv habe sich im Bestand Bourdariats befunden, den dieser im Rahmen der chaotischen Zustände des Exodus aus Paris im Juni 1940  im Rathaus des 7. Arrondissements als verloren deklarierte. Die Untersuchungsbeauftragten gingen davon aus, dass es sich bei dem auf Deutsch begutachteten und dem als Verlust gemeldeten Wandteppich um dasselbe Objekt handelte. Aus diesem Grund warfen sie Bourdariat vor, mindestens ein Objekt aus seinem Lager an die Deutschen verkauft zu haben. Der Angeklagte wies den Vorwurf zurück und erwidert, dass es mehrere Wandteppiche mit demselben Titel gegeben habe.8

Die Affäre um die Tapisserien der de Sèze

Auch auf die Rolle Bourdariats in der Affäre um die Wandteppiche der de Sèze wird im Bericht eingegangen. 1941 wurde Bourdariat von Jansson beauftragt, zwei Tapisserien aus dem Besitz des Ehepaares de Sèze im Schloß de Bort in Saint Priest Taurion im Département Haute-Vienne zu kaufen. Der Ankauf sollte im Auftrag von Dr. Wolff, des Chefarchitekten der Reichsbank, für denselben erfolgen. Bourdariat bat Eugène Pouget um Hilfe in dieser Sache, denn Pouget kannte die Stücke bereits seit 1919 oder 1920: Zu diesem Zeitpunkt hatte er selbst versucht, sie von ihrer Besitzerin zu erwerben. Pouget und Bourdariat suchten also im September oder Oktober 1941 das Schloss de Bort ein erstes Mal auf. Sie geben laut der Aussage Pougets vor, ein Buch über die Tapisserien schreiben zu wollen.1 Madame de Sèze gab außerdem an, dass sie sich als Beamte des Secrétariat Général des Beaux-Arts [Generalsekretariat der schönen Künste] ausgeben hätten, was Bourdariat jedoch bestreitet.2

Drei Wochen oder drei Monate später (hier widersprechen sich Pougets Aussagen von 1942 und 1945) kehrte Pouget gemeinsam mit einem Fotografen zum Schloss zurück, um Bilder der beiden Wandteppiche machen zu lassen. Ab diesem Zeitpunkt kommen die beiden Männer regelmäßig ins Schloß, um das Ehepaar de Sèze - und insbesondere Madame de Sèze, die die Besitzerin der Stücke war - vom Verkauf der Wandteppiche zu überzeugen.3 Monsieur de Sèze schien letztlich den Verkauf akzeptieren zu wollen.

Es handelt sich hierbei jedoch allem Anschein nach um eine Falle, mit dem Ziel Bourdariat und Pouget verhaften zu lassen. Dies wird auch von André Castier bestätigt, dem Kommissar, der am 9. April 1942 die Verhaftung von Pouget und Bourdariat vornahm. Bei der Festnahme waren diese im Besitz von 20.000.000 F, einer für diese Zeit erheblich hohen Summe. Es handelt sich um denselben Betrag, den Dr. Wolff angewiesen hatte und der ihnen durch Jansson für den Kauf der beiden Wandteppiche anvertraut worden war.4 Im Rahmen der darauf folgenden polizeilichen Befragungen geben Pouget und Bourdariat an, dass die Teppiche ein Geschenk der Reichsbank an den Reichsmarschall Hermann Göring sein sollten.5 Die beiden Männer blieben in Limoges inhaftiert, wurden jedoch nach etwa zwei Wochen wieder freigelassen.6

Pouget gab später an, der Kontakt zu Jansson sei im März 1941 durch Bourdariat hergestellt worden.7 In seiner Aussage im Jahr 1945 erklärte er, es sei ihm durchaus bewusst gewesen, dass die Familie de Sèze ihre Wandteppiche nicht verkaufen würde. Die Reisen seien jedoch gute Gelegenheiten gewesen, sich in die freie Zone zu begeben und „vielen Leuten Gefallen zu tun.“8

Steuerverfahren der Nachkriegszeit

Nach dem Beschluss des Comité de confiscation des profits illicites vom 7. Dezember 1945 belief sich der Betrag der einzuziehenden Gewinne Bourdariats auf 1.142.000 F. Zusätzlich wurde ein Bußgeld von 2.285.200 F erhoben. Darüber hinaus wurde entschieden, diesen Beschluss, die Identität Bourdariats sowie die gegen ihn erhobenen Vorwürfe auf seine Kosten in den Zeitungen Front National, Paris Presse, Le Populaire und am Rathaus des 7. Arrondissements öffentlich bekannt zu machen.1

Bourdariats Antrag auf einen Zahlungsaufschub wurde am 10. Mai 1946 vom Komitee abgewiesen.2 Nach der Vorlage neuer Informationen durch Bourdariat reduzierte das Comité de confiscation des profits illicites die Summe der Nachforderung im Beschluss des 15. April 1948 auf 942.000 F; die Geldstrafe verringerte sich auf 1.885.000 F.3 In einem weiteren Brief, der auf den 26. Februar 1951 datiert ist, reichte Bourdariat erneut Beweismittel ein und bat um Revision des Beschlusses.4

Er legt hierfür z.B. Aussagen von ihm nahestehenden Personen vor, die seine Verbundenheit mit Frankreich und seinem Kulturerbe bezeugen sollten. Unter anderem hob er seine Rolle bei der Schenkung der Sammlung Schlichting und einer Stiftung der Prinzessin de Polignac an das Musée du Louvre hervor. Weiter führt er aus, dass die Sammlung Tissandier, die sich im Besitz eines Monsieur de Dominicis befand, nur durch sein Mitwirken der Beschlagnahmung und dem Zwangsverkauf durch die Deutschen entging. Er erklärt auch, dass er die Reisen nach Limoges, die er im Zusammenhang mit den Wandteppichen der de Sèzes unternommen hatte, dazu genutzt habe, jüdischen Menschen und Verweigerern des Service du travail obligatoire [STO, Pflichtarbeitsdienst] zu helfen. Er habe außerdem Menschen über die Demarkationslinie gebracht und ihnen Beschäftigungsnachweise und falsche Papiere besorgt. Am 18. Februar 1952 zog er jedoch den Antrag auf Revision zurück: Er hatte dem Comité de confiscation des profits illicites zum Nachweis einer finanziellen Transaktion ein gefälschtes Dokument vorgelegt.5

In einem Schreiben vom 17. Mai 1954 beantragte er erneut die Revision des Urteils vom 15. April 1948.6 Er berief sich dabei auf seinen Freispruch durch das Militärgericht am 20. April 1954. In diesem Prozess war ihm Spionage für den Feind vorgeworfen worden. Diese Entscheidung des Militärgerichts betraf jedoch nach Ansicht des Komitees lediglich die Rolle Bourdariats in der Affäre um die Wandteppiche der de Sèze und stand demnach nicht im Zusammenhang mit dem Beschluss zu Nachforderungen. Bourdariat wies auch auf die Verleihung des Diplôme et la Médaille du Passeur [Diplom und Medaille des Schleusers] am 14. Juni 1953 hin, womit er seine Unterstützung der Résistance während der Besatzungszeit belegen wollte. Diese Informationen beurteilten die Behörden allerdings nicht als neu und der Antrag auf Revision wurde am 27. Januar 1955 abgelehnt.7 Einen letzten Antrag auf Revision reichte Bourdariat am 9. März 1955 beim Conseil supérieur [Obersten Rat] des Comité des confiscations des profits illicites ein – auch dieser wurde abgelehnt.8

Bourdariat verstarb am 3. April 1974 im 6. Arrondissement in Paris.9