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Maria Vincent verkaufte während der Besatzungszeit durch Vermittlung des Malers Godefroy in Paris Gemälde von August Schenck an das Museum Flensburg.

Spuren ihres Lebens in der Schweiz

Maria bzw. Marie Vincent wurde am 21. Dezember 1893 in Bubenheim bei Mainz als Marie Elisabeth Muhren geboren. Sie heiratete den Schweizer Emmanuel Georges Louis Vincent (1895-1951) am 10. Juni 1943 im 8. Arrondissement in Paris und bekam so die Schweizer Staatsangehörigkeit.1 Zu welchem Zeitpunkt sie nach Frankreich bzw. Paris kam, ist unbekannt. Ihre dortige Adresse war 58, Avenue Montaigne. Es ist auch nicht bekannt, welchen Beruf ihr Ehemann ausübte und wie lange er sich in Paris aufhielt. Am 9. März 1944 zog Vincent allein von Paris nach Zürich (nach damaliger Gesetzgebung hätte man im Falle der Begleitung nur den Ehemann registriert). Zunächst wurde sie dort aufgrund fehlender Dokumente als schriftenlose Person geführt, weshalb sie eine Kaution bezahlt haben muss. Sie wohnte vorerst an der Dufourstrasse 5 zur Untermiete, am 21. September 1946 bezog sie eine eigene Wohnung an der Mühlebachstrasse 46. Im Oktober 1946 meldete sie den Behörden eine Berufsänderung als Kunsthändlerin an. Davor war sie als „privat“ gemeldet und lebte demnach offiziell von ihrem eigenen Vermögen. Im November 1947 wurde sie geschieden und hieß von nun an Marie Elisabeth Schmidt. Die Änderung ihres Nachnamens von Vincent bzw. vor ihrer Heirat Muhren auf Schmidt lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, jedoch erstellte die Einwohnerkontrolle in Zürich eine Hinweiskarte zu ihrem Geburtsnamen. Ihren Beruf gab sie vermutlich altersbedingt im Januar 1959 auf. Im März 1981 war sie mit der Notadresse Am Strähler in Zürich gemeldet, befand sich aber im Pflege- und Krankenheim Muri AG, wo sie am 19. Oktober 1981 verstarb.2

Schenck-Gemälde für norddeutsche Museen

Vincent ist als Akteurin des Pariser Kunstmarkts während des Nationalsozialismus bislang nach Kenntnisstand der Autorin nur in Zusammenhang mit dem Verkauf von Gemälden des Malers August Schenck aus ihrem Besitz über den Vermittler Friedrich Göttler bekannt. 1943 bot Göttler, der ab 1937 als Künstler unter dem Pseudonym Godefroy im französischen Exil in Paris lebte, zunächst dem Leiter der Hamburger Kunsthalle Carl Schellenberg das Gemälde „Schafherde“ des Tiermalers August Schenck (1821-1901) an. Da der Maler Schenk gebürtig aus Glückstadt an der Elbe stammte und ab der Mitte des 19. Jahrhunderts als Teil der Künstlerkolonie École d’Écouen nördlich von Paris weltweit Ruhm erlangte, bestand seitens der schleswig-holsteinischen Museen Interesse am Kauf seiner Bilder. Schellenberg leitete das Angebot nachweislich an die Kunsthalle zu Kiel sowie das Grenzlandmuseum Flensburg (heute Museumsberg Flensburg) weiter.1 Im Oktober 1943 erhielt zudem der Leiter des Thaulow-Museums in Kiel, Ernst Sauermann, von dem später im CCP Celle tätigen Kunsthistoriker Sonderführer Heinrich Brauer (1900-1981) in Paris die Mitteilung, dass dort ein deutscher Maler namens Göttler weitere Kunden für die von ihm ausfindig gemachten Schenck-Bilder suche.2 Fritz Fuglsang (1897-1961), Leiter des Flensburger Museums, kaufte für die Sammlung 1943 das Gemälde Schafherde (Inv. Nr. 16361) für 5.500 RM und 1944 Ziegenherde in der Auvergne (Inv. Nr. 16362) für 7.300 RM bei Göttler. Die Kunsthalle zu Kiel unter der Leitung von Richard Sedlmaier (1890-1963) erwarb 1944 das Gemälde Schafherde im Schneesturm für 6.500 RM, das jedoch nie ankam. Während des aktiven Schriftwechsels zu den beiden Flensburger Ankäufen trat Vincent als Eigentümerin der Gemälde nur zweimal auf. Am 23. Januar 1944 unterzeichnete sie, während Göttler sich in Dresden aufhielt,3 einen Brief in seinem Auftrag, ohne sich als Eigentümerin des Bildes zu erkennen zu geben.4 Zudem fragte sie am 19. Oktober 1944 schriftlich unter ihrer aktuellen Adresse in Zürich (Dufourstr. 5) beim Flensburger Museum nach, ob der Restbetrag für das zweite Gemälde aus ihrem Besitz angewiesen worden sei. Über die Abwicklung der Ankäufe sei sie nur unvollständig informiert, sie könne derzeit weder mit ihrer Advokatin, an die der Betrag gezahlt werden sollte, noch mit dem „Sonderführer“ Brauer oder Göttler in Paris korrespondieren.5

Nach dem Krieg

Als das Flensburger Museum 1949 Einspruch gegen die Rückerstattungsforderung des Französischen Staates erhob, bestätigte sie Fuglsang schriftlich, dass sie als „Schweizer Staatsbürgerin (…) und absolute Privatperson“ freiwillig die Bilder durch Göttler verkauft habe. Weiter teilte sie mit, dass Göttler bei gemeinsamen Freunden in Paris verkehre.1 Obwohl sie nach ihrer Scheidung den Namen Marie Elisabeth Schmidt trug, agierte sie weiterhin unter dem Namen Maria Vincent. Zeitgleich erhielt Fuglsang in dieser Angelegenheit einen Brief von einer Person namens Margit Buschmann aus Hamburg, die darin keine Angabe zu der Art der Verbindung der beiden Frauen macht. Auf Bitte von Maria Vincent in Zürich solle sie mitteilen, dass Vincent als Schweizerin „jede Freiheit hatte“ den Verkauf zu tätigen.2 Auch die Kunsthalle zu Kiel, die das gekaufte Gemälde nie erreicht hat, erhielt von Buschmann einen Brief selben Datums und mit identischem Wortlaut.3

Im Zuge der Provenienzforschung am Museumsberg Flensburg konnte bislang kein NS-verfolgungsbedingter Entzug nachgewiesen werden, weitere Verkäufe aus ihrem Besitz an Museen sind der Verfasserin nicht bekannt. Die spätere Tätigkeit Vincents als Kunsthändlerin in der Schweiz wirft jedoch die Frage auf, ob sie bereits in Paris in diesem Beruf tätig war und ob sie ihre Tätigkeit selbstständig oder als Angestellte ausübte. Wenn sie vorher schon in der Branche tätig gewesen sein sollte, wären die offizielle Vermittlerrolle von Göttler und ihre Rolle als Privatverkäuferin äußerst fraglich.