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22/08/2023 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Marie Touzain war Antiquitätenhändlerin am Quai Voltaire 27 und verkaufte Tapisserien an deutsche und österreichische Kunden wie Friedrich Welz und Walter Bornheim. Ihr Bruder Eugène Pouget fungierte vereinzelt als ihr Vermittler.

Vor dem Krieg

Marie Touzain, geboren als Marie Pouget am 26. Mai 1876 in Espinasse im Département Cantal, war die Tochter von Eugène Pouget und Nathalie Jalbert.1 Ihr Bruder Eugène Pouget, wurde am 15. Januar 1889 in Paris geboren.2 Sie heiratete am 16. April 1895 Édouard Touzain, Sohn des Antiquitätenhändlers Gilbert Touzain, einem ehemaligen Stuhlhersteller aus der Auvergne und Bruder von Louis Touzain, ebenfalls Antiquitätenhändler.3 Die Brüder Touzain ließen sich am Quai Voltaire im 7. Arrondissement von Paris nieder, Édouard Touzain in der Hausnummer 27, Louis in 25, Quai Voltaire.4

1920 war der Wohnsitz von Marie Touzains Bruder Eugène in der Nähe ihrer Galerie an der Adresse 5, Rue de Beaune. Diese Informationen finden sich im Bericht der Inspektoren Thibault und Lelong vom 29. März 1946.5 Zu diesem Zeitpunkt war Marie Touzains Wohnsitz in 1, Rue de Beaune, einem an die Geschäftsadresse 27, Quai Voltaire angrenzenden Gebäude.6 Im Jahr 1935, dem Jahr des Todes und dem Verkauf des Nachlasses von Louis Touzain, war Marie Touzain bereits Witwe.7

Es liegen nur sehr wenige Quellen zur Aktivität von Édouard Pouget und Marie Touzain vor. Ein Artikel in La Petite République von 1907 erwähnt die Beteiligung der Brüder Touzain, insbesondere Édouard, im Zusammenhang mit dem Ankauf eines Schreins aus dem 16. Jahrhundert von Geistlichen der Stadt Saint-Augnat. Aus dem Artikel wird ersichtlich, dass Marie Touzain im Geschäft der Galerie 27, Quai Voltaire mitwirkte. Sie erklärt dem Journalisten: „Wenn ein Kauf in Saint-Augnat getätigt worden wäre, würde ich mich daran erinnern. [...] Ich entsinne mich beispielsweise, dass wir vor 7 oder 8 Jahren vermittelt durch den Auktionator Herr Grimont, von einer Familie aus Clermont-Ferrand einen Schrein gekauft haben.“8

Hier ist wichtig zu erwähnen, dass Louis Touzain in zweiter Ehe Marie Paicheur heiratete. Es gibt also zwei Familienmitglieder mit Namen Marie Touzain. Die Ehefrau von Louis Touzain scheint jedoch nicht als Antiquitätenhändlerin tätig gewesen zu sein, während die Frau von Édouard über die Aktivitäten der Galerie sehr genau Bescheid wusste. Im selben Artikel sagt sie außerdem: „Wenn uns ein Objekt von einem Kunstmakler angeboten wird, verhandeln wir außerdem direkt mit dem Eigentümer.“

Eine weitere Erwähnung von Marie Touzain in ihrer Rolle als Antiquitätenhändlerin findet sich in der Veröffentlichung von André Theunissen, Meubles et sièges du XVIIIe  siècle, menuisiers, ébénistes, marques, plans et ornementation de leurs œuvres [Möbel und Sitze des 18. Jahrhunderts, Schreiner, Tischler, Marken, Entwürfe und Dekorationen in ihren Werken], in welchem er eine „Kommode mit dem Beneman-Stempel auf den vier Füßen“ beschreibt, die im Oktober 1933 „Frau Touzain, Antiquitätenhändlerin“ gehörte.9 Dieses Möbelstück wurde im Musée du Louvre im Rahmen der Ausstellung Rétrospective du meuble du XVIIIe siècle à nos jours [Retrospektive des Mobiliars des 18. Jahrhunderts bis heute] gezeigt, die vom 22. September bis zum 14. Oktober 1933 stattfand.10

Während der Besatzung

Dies sind bis jetzt die einzigen Hinweise auf Marie Touzains Tätigkeiten als Antiquitätenhändlerin. Darüber hinaus jedoch gibt es in den Akten der Commission nationale interprofessionnelle d’épuration [Nationale berufsübergreifende Säuberungskommission] und des Comité de Confiscation des Profits Illicites [Komitee für Einziehung unlauterer Gewinne] mehr Spuren der Aktivitäten der Galerie während der Besatzungszeit. Aus diesen wird ersichtlich, dass Marie Touzain fünf Mal an deutsche oder österreichische Kunden verkauft hat, insgesamt sechs Objekte.1 Sie gibt der Commission nationale interprofessionnelle d’épuration gegenüber an, am 10. Oktober 1940 an, Herrn Welz (aus Salzburg oder Wien) eine Tapisserie „L XX“ und einen Verdüren-Wandteppich für 40.000 und 16.000 F verkauft zu haben. Ein Paar Wandleuchter verkaufte sie am 11. Februar 1941 für 3.500 F an Herrn Strach, zwei dekorative, bemalte Paneele an das Haus Binag Schwartzkoff (24, Avenue Friedland) für 25.000 F am 13. Juni 1941. Im folgenden Jahr verkaufte sie am 12. Oktober 1942 eine Kommode im Wert von 15.000 F an einen gewissen Herrn Solz und zuletzt am 22. Dezember 1942 eine Gruppe von sechs Tapisserien nach David Teniers für 700.000 F an einen Herrn Grotte.2

Im Bericht über die Beziehungen von Frau Touzain zu den Besatzungsbehörden und den in deren Auftrag handelnden Personen, der auf Juli 1946 datiert ist, kommt der Anwalt von Marie Touzain, Frédéric Dupont, auf diese Verkäufe zurück. Er erklärt, dass „Frau Touzain sich nie um deutsche Kunden bemühte. Aber da sie Gegenstände im Schaufenster ausstellte, sah sie sich, wie alle anderen Ladenbesitzer, gezwungen, an jeden zu verkaufen, der sich als Käufer vorstellte. Und obwohl es ihr mehrmals gelang, die Deutschen zu vertreiben, war dies nicht immer erfolgreich.“3 Für zwei Verkäufe führte er seine Erklärungen weiter aus.

Frédéric Dupont bezieht sich in seiner Argumentation zuerst auf den Verkauf der sechs Wandteppiche an Herrn Grotte, der ihm zufolge unter Zwang stattfand. 1942 besuchte demnach ein Kunde die Galerie, der „einwandfrei französisch sprach und keinerlei Akzent hatte.“4 Er erkundigte sich nach dem Preis der Wandteppiche, Marie Touzain hatte 700.000 F festgelegt. Drei oder vier Monate später kam er erneut, um die Tapisserien zu erwerben. Deren Preis war jedoch zwischenzeitlich gestiegen, was er nicht akzeptieren wollte. „Frau Touzain weigerte sich zu verkaufen, doch er bedrohte sie, dass, sollte sie die Tapisserien nicht liefern, er sie beim Militarbefelshaber (sic) anzeigen würde. Aus diesem Grund war sie gezwungen ihm die Wandteppiche auszuliefern.“5 Sie bat daraufhin das Handelsministerium, die Freigabe dieser Objekte zu untersagen, was zunächst gelang. Aber Herr Grotte bekam letztlich, was er wollte. Dieser Verkauf für 700.000 F repräsentierte fast den gesamten Gewinn der Verkäufe an die Deutschen, der insgesamt auf 799.500 F geschätzt wurde. Um jedoch keinen Profit aus diesen Transaktionen zu schlagen, kaufte sie „einen sehr seltenen norwegischen Wandteppich und stiftete diesen an das Musée des Gobelins.“6 Es handelt sich um den Flachwebteppich Les vierges sages et les vierges folles [Die klugen und die törichten Jungfrauen] (Inventar-Nr. GOB-863-000), der am 10. Januar 1944 in die Sammlung des Mobilier national aufgenommen wurde.7

Anschließend führte der Anwalt Marie Touzains Details zu einem Verkauf aus, der nicht in der Buchhaltung der Galerie auftaucht. Es handelt sich dabei um den Verkauf von Objekten aus dem Besitz eines jüdischen Kollegen im Mai 1941. Herr Baccara kam zu Marie Touzain, um sie um Hilfe zu bitten. Aufgrund seines jüdischen Glaubens wollte er Objekte verkaufen und mit dem Erlös seine Flucht finanzieren. Da ein Gemälde das wertvollste Objekt in seinem Besitz darstellte, lehnte Marie Touzain, die keine Expertin für Malerei war, den Verkauf zunächst ab. Da Herr Baccara jedoch insistierte, akzeptierte sie letztlich seinen Auftrag. Er vertraute ihr folgende Objekte an:

 „1 – kleines Gemälde aus dem 15. Jahrhundert, französische Schule, im Wert von 88.000 F. 2 – Ein kleiner Holztisch aus Rosenholz, aus der Zeit Louis 15., im Wert von 25.000 F. 3 – Ein geschnitztes Holzpaneel aus dem 15. Jahrhundert im Wert von sechstausendfünfhundert F (6 500). 4 – Ein niederländischer Rahmen im Wert von 1.000 F.“8

Als sie die Objekte in ihrem Schaufenster “vorteilhaft präsentiert”,9 bemerkte Walter Bornheim das Gemälde. Marie Touzain stimmte dem Verkauf unter der Bedingung zu, dass Bornheim das gesamte Los nähme. Dem stimmte er zu. Touzain überwies die Bezahlung, insgesamt 120.500 F, vollständig an Herr Baccara für seine Flucht in die unbesetzte Zone. Unglücklicherweise wurde er von den Deutschen aufgegriffen und nach Deutschland deportiert. Den Transport der verkauften Objekte in das Hotel, in welchem Bornheim wohnte, übernahm Eugène Pouget für seine Schwester. Dies erklärt, weshalb die Rechnung zu diesem Verkauf, datiert am 13. Mai 1941, von ihm unterzeichnet wurde.10 Eine Erklärung von Gustave Beauvois, einem engen Freund von Herrn Baccara, wurde den Akten hinzugefügt, um die Aussagen von Marie Touzain und Eugène Pouget zu belegen.11

Das Einstellen der Strafverfolgung

Das Verfahren gegen Marie Touzain wurde eingestellt. Das Comité de confiscation des profits illicites entschied am 24. Juni 1948 Marie Touzain gemäß der Anklage vom 17. Oktober 1946 nicht zu belangen, da die unlauteren Gewinne sehr gering waren im Verhältnis zu den Einnahmen der Gesamtverkäufe berechnet auf drei Jahre. Sie entsprachen 139.000 F im Verhältnis zu 919.500 F insgesamt.1 Michel Martin, der Leiter der Musées Nationaux, wandte sich am 30. Dezember 1948 an den Präsidenten der Commission d'épuration, um vorzuschlagen, auch das hier laufende Verfahren gegen Marie Touzain einzustellen. Er argumentierte, dass sie nicht aktiv nach deutschen Kunden gesucht habe und dass:

„[…] diese Antiquitätenhändlerin nachweisen konnte, dass sie die hochwertigen Objekte, die sich 1939 in ihrem Besitz befanden, vor den Fahndungen der deutschen Käufer verbergen konnte, wodurch sie in Frankreich verblieben. Folglich hat das nationale Kunsterbe durch diese Antiquitätenhändlerin keinen nennenswerten Verlust erlitten.“2

Der Name Marie Touzains tauchte auch im Zusammenhang mit der Affäre um die Tapisserien de Familie de Séze auf, in die Eugène Pouget verwickelt war.3 Marie Touzain starb am 2. Juni 1950 in ihrer Pariser Wohnung im 6. Arrondissement, 4bis, Rue du Cherche-Midi.4