Aller au contenu principal
Lien copié
Le lien a été copié dans votre presse-papier
28/08/2023 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Alphonse Bellier hatte den Sitz 66 der Gesellschaft der staatlichen Auktionatoren des Département Seine inne. Er wurde am 27. März 1920 ernannt und blieb bis zum 7. November 1958 im Amt. Er spielte eine bedeutende Rolle für Sammler und Museen in Paris in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Zwischen 1941 und 1944 organisierte er mehr als 250 Versteigerungen.

Ein Auktionator des Hôtel Drouot

Alphonse Bellier, Sohn eines Bäckers aus Saint-Nazaire, kam 1918 nach Paris. Er wollte zunächst Notar werden, ließ sich aber dann 1920 als Auktionator nieder. Mit 35 Jahren hatte er den Sitz 66 der Gesellschaft der staatlichen Auktionatoren des Département Seine inne:1 Am 1. Juli 1886 geboren, wurde er am 27. März 1920 zum staatlichen Auktionator ernannt und trat dabei die Nachfolge Eugène Baillys für 200.000 F an. Er blieb im Amt bis zum 7. November 1958, später gefolgt von Raoul Oury (geb. 1925, aktiv 1959-1965). Dieser wurde wiederum am 11. Juli 1965 von Guy Loudmer (1933-2019) abgelöst.2

Bellier richtete sein Büro zunächst am 1, Place de Boieldieu im 2. Arrondissement ein und verlegte es später an die Adresse 30, Place de la Madeleine im 8. Arrondissement, im Zentrum des Viertels der Kunsthändler. Ab den zwanziger Jahren spielte er eine bedeutende Rolle für Sammler und Museen in Paris. Seine Vermittler waren Francis Carco (1886-1958), Georges Aubry (aktiv 1910-1950) und Paul Eluard (1895-1952). Im Jahre 1924 traf er Georges Braque (1882-1958) und Pablo Picasso (1881-1973), zu einem Zeitpunkt, als über eine Subskription für das Denkmal für Guillaume Apollinaire nachgedacht wurde. Beide Künstler vertrauten ihm daraufhin gelegentlich Werke zum Verkauf an.

Bellier zeichnete sich durch seine Versteigerungen von Werken lebender Künstler und moderner, zeitgenössischer Malerei aus, insbesondere von der modernen École de Paris [Pariser Schule], zu der eine ganze Reihe in Paris arbeitender Künstler gehörten. Er organisierte beispielsweise den Verkauf der Werke von Francis Picabia aus der Sammlung Marcel Duchamps am 8. März 19263 oder die Auktion der Sammlungen sogenannter „primitiver Kunst“ von André Breton und Paul Éluard am 2. und 3. Juli 1931.4 Am 9. Juni 1932 führte er die Versteigerung der Sammlung Silberberg und Simon in der Galerie Georges Petit durch.5 Im Hôtel Drouot war er verantwortlich für die Entwicklung der Auktionen moderner Kunst, sogenannte „art vivant“ [lebende Kunst] von zeitgenössischen Künstlern.6 Zu Beginn seiner Tätigkeit hatte Bellier verschiedene Strategien für den Verkauf moderner Kunst (zwischen zwei und fünf Versteigerungen von moderner Kunst pro Jahr in den Jahren 1921-1924): Er gruppierte die Sammlungen verschiedener bekannter Sammler und überzeugte zeitgenössische Künstler – zum Beispiel Raoul Dufy, André Derain und Suzanne Valadon – direkt über das Hôtel Drouot zu verkaufen, indem er ihnen einen Minimalgewinn zusicherte.7 Seine Tätigkeit profitierte auch von seiner Zusammenarbeit mit dem Kunstgutachter Joseph Hessel (1859-1942).8

Bellier wurde auch für wichtige gerichtlich angeordnete und staatlich organisierte Zwangsversteigerungen hinzugezogen, beispielsweise um den Bestand des deutschen Händlers Daniel-Henry Kahnweiler (1884-1979) abzuwickeln; dieser war nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der deutschen Nationalität Kahnweilers unter Zwangsverwaltung gestellt worden.9 Die Kahnweiler-Verkäufe wurden unter der Aufsicht des durch das Finanzministerium eingesetzten Zwangsverwalters Jean Zapp organisiert. Offiziell wurden sie durch den Direktor der Kammer der staatlichen Auktionatoren ausgerichtet, der in diesem Fall die Durchführung aufgrund seiner Spezialisierung an Maître Bellier delegierte.10 Für die ersten drei Verkäufe wurde Bellier vom Sammler, Kunsthändler und Kunstexperten Léonce Rosenberg (1879-1947) assistiert.11 Diese Verkäufe schrieben den Kubismus in den Kanon der Kunstgeschichte der Moderne ein.

Die Verkäufe während der Besatzungszeit

Bellier hatte aufgrund seines komödiantischen Talents einen sehr guten Ruf, da er seine Versteigerungen sehr lebhaft durchführte. Während der Besatzungszeit nahm seine Tätigkeit nicht ab: Bellier profitierte vom euphorischen Klima des Kunstmarktes und organisierte mehr als 250 Verkäufe in den Jahren zwischen 1941 und 1944.1 In seinen Auktionen wurden hauptsächlich Kunstwerke versteigert, es gab aber auch Mobiliar und Schmuck. Nicht alle zur Versteigerung stehenden Objekte sind katalogisiert, doch finden sich viele von ihnen in der ausführlichen Werbung, die die Verkäufe, darunter auch sogenannte „israelitische“ Verkäufe, in der Presse ankündigten (beispielsweise in den Zeitschriften Je suis partout, Comoedia, Pariser Zeitung).

Der Großteil der Versteigerungen waren freiwillige Verkäufe, bei denen die französischen Nationalmuseen Werke erwarben, es gab aber auch deutsche Kunden, die häufig über Vermittler kauften. Bellier organisierte beispielsweise Nachlass- und Erbschaftsverkäufe, wie den des Nachlasses von Doktor Georges Viau, der aufmerksam von der Presse verfolgt wurde. Das Sensationslos des Verkaufs der Sammlung Georges Viau am 11. Dezember 1942 war ein Gemälde von Cézanne, La Montagne Sainte-Victoire (MNR 528).2 Es wurde als Los 78 durch André Schoeller vorgestellt und von ihm im Auftrag von Hildebrand Gurlitt für 5 Millionen F ersteigert.3 Dieser verkaufte es an Carl Neumann weiter. Der Gesamtgewinn des Viau-Verkaufs am 11. Dezember belief sich auf 46.796.000 F. Bellier organisierte auch den freiwilligen Verkauf von Félix Fénélon am 4. Dezember 1941, der dem Kunstkritiker 6 Millionen F einbrachte, und vier weitere Verkäufe im Jahr 1947, um die übriggebliebenen Lose zu verkaufen.4

Welche Rolle spielte Bellier bei der Ausrichtung von Verkäufen von beschlagnahmten, jüdischen Kulturgut? Er führte auch Versteigerungen durch, die als „israelitische“ Verkäufe bezeichnet wurden; sie wurden von eingesetzten provisorischen Verwaltern auf der Grundlage der diskriminierenden Gesetze des Vichy-Regimes in Auftrag gegeben. Solche Zwangsversteigerungen waren zahlreich und ihre Organisation durch Justizverwalter betraf Güter, die durch ihre – jüdischen und anderweitig verfolgten – Eigentümer auf der Flucht zurückgelassen wurden oder verkauft wurden, um Gläubiger auszuzahlen.

Die Gesamtheit der Verkäufe aus enteignetem jüdischen Kulturgut und erzwungenen Auktionen ist schwer zu schätzen, da auch reguläre Versteigerungen, die hauptsächlich durch freiwillige Verkäufe bestückt wurden einzelne Lose enthalten konnten, deren Objekte von jüdischen Eigentümern stammten, die durch die diskriminierenden Umstände zum Verkauf gezwungen waren. Andere Versteigerungen, die einen regulären Anschein hatten, könnten durch provisorische Verwalter beauftragt worden sein, ohne dass die Herkunft der Objekte erwähnt wurde, bzw. diese absichtlich unerwähnt blieb. Dies ist beispielsweise der Fall beim Verkauf der Gemälde aus dem Bestand der Galerie Bernheim am 22. Dezember 1941.5 Hier wurden die Umstände der Versteigerung vorsätzlich verschleiert, sei es um die öffentliche Meinung nicht negativ zu beeinflussen oder um den Gewinn zu steigern. In den meisten Fällen war jedoch der Enteignungshintergrund von Bestandsauflösungen im Auftrag provisorischer Verwalter in den Ankündigungen und Katalogen angegeben. Solche Verkäufe wurden von Bellier sogar als Verkäufe „durch Diskriminierung“ bezeichnet.6

1941 akzeptierte Bellier den Verkauf eines Teils des Bestands des Kunsthändlers Léonce Rosenberg, noch bevor ein provisorischer Verwalter für seinen Besitz eingesetzt wurde. Rosenberg sah sich hierzu angesichts der zunehmenden Bedrohung gezwungen, in der sich jüdische Kunsthandlungen befanden. Diese verschärfte sich maßgebend mit der Einrichtung des Commissariat général aux questions juives [Generalkommissariat für „Judenfragen“] in Frankreich am 29. März 1941 und erneut mit dem Beschluss eines „zweiten Status“ der jüdischen Bevölkerung, der ihre Diskriminierung aufgrund der vermeintlichen unterschiedlichen „Rasse“ legitimierte (12. Juni 1941). Im April 1941 bestätigte Léonce Rosenberg eine Vereinbarung mit Bellier, durch die er 41 Werke aus dem Besitz Rosenbergs, die ihm bereits am 9. März 1941 anvertraut worden waren,7 anonym und in kleinen Teilen im Laufe des restlichen Jahres verkaufen sollte. Bellier verkaufte diese bei Auktionen am 30. April und 20. Juni 1941 im Hôtel Drouot.

Die freiwilligen Verkäufe wurden in seinen Räumen im Auftrag eines „mandataire verbal“ [mündlicher Auftraggeber] ausgerichtet. Zwei Aufrufer [crieurs], Charles Vial (1886-1973) oder Gabriel Valla (1898-1963), verkauften unter ihrem Namen die Objekte für die eigentlichen Anbieter, die aus ganz Frankreich kamen, um die Verkäufe schneller zu organisieren. Die am häufigsten zu Rate gezogenen Kunstexperten waren André Schoeller, Jacques Mathey, Jean Metthey und Jean Cailac für Gemälde und Zeichnungen, Louis Henri Prost für Mobiliar.8 Sie traten teilweise auch als Verkäufer oder Käufer in Erscheinung – in eigenem Interesse oder stellvertretend für Dritte. Weitere regelmäßige Händler waren Georges Aubry, der auch als provisorischer Verwalter tätig war, Pierre Colle, Direktor der Galerie Renou et Colle, der Makler Raphaël Gérard sowie die Kunsthändler Martin Fabiani und Paul Pétridès.

Oft fanden sich geraubte Werke, die dann von den Deutschen wieder verkauft wurden als Angebote in freiwilligen Verkäufen, wie das Bild Frau mit Schirm [Femme à l’ombrelle] (1919, 65 x 46 cm) von Henri Matisse. Es wurde 1941 Paul Rosenberg beschlagnahmt, im Jeu de Paume durch die Deutschen inventarisiert und als Teil der Sammlung von Herrn Berthet, 182, Rue du Faubourg Saint-Honoré ausgewiesen,9 der das Gemälde bei einer Auktion Maître Belliers am 9. März 1942 versteigern ließ. Im Auktionskatalog ist das Werk mit Abbildung angezeigt und ausdrücklich als aus der Sammlung von Paul Rosenberg stammend beschrieben. Das Bild wurde letztlich durch den Verkäufer selbst für 262 000 F gekauft,10 da es seinen Mindestpreis von 270 000 F nicht erreichte. Nachdem es den Besitzer mehrmals gewechselt hatte, wurde es in der Schweiz wiedergefunden. Den Unterlagen des Office des biens et intérêts privés [Büro für private Vermögen und Vermögensfragen] zufolge wurde es im Juli 1948 an Paul Rosenberg restituiert. Wenn ein geraubtes Kunstwerk durch eine öffentliche Auktion geschleust und vom Verkäufer selbst zurückgekauft wird, wird der Namen des ursprünglichen, rechtmäßigen Besitzers ausgelöscht. Bei aufeinanderfolgenden Auktionen werden die vorherigen öffentlichen Verkäufe angezeigt, der erste enteignete Eigentümer aber wird dann nicht mehr genannt.11

In Auktionen, die er nicht selbst ausrichtete, wurde Bellier teilweise als Vermittler aktiv: Er vertrat mehrere Käufer und agierte „im Auftrag Dritter“, wie beispielsweise bei einem Verkauf vom 24. bis zum 27. Juni 1942 in Nizza, kurz nach dem Tod Armand Dorvilles, der Anwalt am Pariser Berufungsgericht (1875-1941) war.12 Bei dieser Versteigerung erwarb der Sammler Mathieu Goudchaux – der später selbst Opfer von Kunstraub anderer Werke aus seinem Besitz wurde – die Porträts von Monsieur und Madame Charles Le Cœur von Auguste Renoir (lot n° 367) über Bellier, welcher sie für 300.000 F gekauft hatte.13 Bellier kaufte außerdem, für einen Dritten oder sich selbst, das Los 266; die Pastellzeichnung Die Löwin [la Lionne], die Eugène Delacroix zugeschrieben wurde. Am 28. März 1952 wurde die Zeichnung durch die siebte Auswahlkommission Commission de récupération artistique [Kommission für die Wiedererlangung von Kunstwerken] (CRA) in den Bestand der Musées nationaux (REC 148) übergeben. Ob dieses Werk ursprünglich einem jüdischen Eigentümer entzogen wurde, ist jedoch nicht erwiesen.14 Bellier tätigte bei dieser Versteigerung im Namen unbekannter Auftraggeber oder für sich selbst acht weitere Ankäufe. Bellier konnte durchaus für sich selbst einkaufen, er hatte sich bereits eine eigene Privatsammlung moderner Kunst aufgebaut, mit Werken u.a. von Bonnard, Vlaminck, Rodin, Utrillo und Pascin

Nachkriegszeit

Auch nach Kriegsende war Bellier weiterhin beruflich sehr aktiv, er erfuhr keine Sanktionen. Das Comité de confiscation des profits illicites [Komitee für die Einziehung unlauterer Gewinne] leitete keine Untersuchung gegen ihn ein. Er musste sich jedoch in zwei großen Prozessen verteidigen: zum einen im Prozess gegen Jean Bloch bezüglich eines Verkaufs vom 11. Dezember 1941 und im Prozess um den Verkauf des Galeriebestands der Familie Fabius, der 1942 durch seine Vermittlung stattgefunden hatte. Die Aufarbeitung der Aktivitäten der Auktionatoren war nach dem Krieg sehr schwach, die sogenannte “Säuberung” (épuration) fand nicht statt, da der Berufsstand seine eigene Aufsichtsbehörde hatte. Als Ministerialbeamte waren sie, ähnlich wie Notare, auch während der Besatzungszeit verpflichtet, die Gesetze und Verordnungen des Vichy-Regimes anzuwenden. Nach dem Krieg unterstützte Bellier jüdische Familien bei Nachforschungen zu geraubten Kunstwerken, beispielsweise für die Galerie Jacob, die ihren Sitz in der 19, Rue Cambon hatte und deren Bestand er selbst 1942 abgewickelt hatte.1

Gemäß der Verordnung vom 21. April 1945 beantragten Henri und Jean Bernheim-Dauberville die Annullierung der Verkäufe ihrer beschlagnahmten Kulturgüter aus dem Bestand der Galerie Bernheim-Jeune, die Bellier selbst am 22. Oktober und 22. Dezember 1941 sowie am 2. März 1942 durchgeführt hatte. Der Auktionator Bellier machte also die Käufer ausfindig und annullierte die Verkäufe; die Brüder Bernheim erstatteten den wiedergefundenen Käufern die Kaufbeträge.2

Bellier half auch bei der Dokumentation des Rückforderungsantrags, den die Erben Georges Lévys (1887-1943) bei der CRA einreichten. Lévys Schließfach bei der Société générale in Bordeaux war am 15. März 1943 geplündert worden. In seinem zweiten Testament, dass Lévy am 24. Oktober 1943 im französischen Lager Drancy aufsetzte, bevor er am 25. November 1945 in Auschwitz ermordet wurde, hatte Lévy den Verkauf seiner Werke durch Alphonse Bellier vorgesehen. Dies zeugt von ihrer Nähe und einem vertrauensvollen Verhältnis. Der Erlös aus dem Verkauf sollte nach dem Ermessen von Oberrabbiner Kaplan für wohltätige Zwecke zugunsten kriegsgeschädigter israelitischer Familien in Frankreich verwendet werden; die Verkäufe fanden 1947 und 1950 statt.3

Die langjährige Karriere Belliers, die von 1920 bis 1958 dauerte und die Komplexität seiner Persönlichkeit veranschaulichen die Vitalität der öffentlichen Auktionen des Pariser Kunstmarktes während der Besatzungszeit, bevor dieser in London und New York eine starke Konkurrenz erhalten sollte. Diese neuen Märkte sorgten für eine Aufbrechug des Monopols der staatlichen Auktionatoren bei öffentlichen Versteigerungen, auch der exklusive Charakter dieser Profession in der Hand ministerialer Beamter wurde dadurch hinterfragt.

Die Quellen, die die Rekonstruktion der Tätigkeit Belliers ermöglichen, befinden sich in öffentlichen Archiven bestehend aus Verkaufsprotokollen, die in den Archives de Paris aufbewahrt werden, und Privatarchiven, in denen Akten zur Vorbereitung und Durchführung der Versteigerungen erhalten sind, wie beispielsweise in dem Bestand Fond Guy Loudmer, der 2018 vom INHA erworben wurde.