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28/08/2023 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Catherine Iaremtchenko, geborene Kachtanoff, war Angestellte des Pariser Büros der Dienststelle Mühlmann, welche Kunstwerke für nationalsozialistische Amtsträger beschaffte. Sie war gleichzeitig als Spionin tätig.

Eine Doppelagentin im Sekretariat von Josef Mühlmann?

Catherine Iaremtchenko war die Tochter von Nicolas Kachtanoff (1874-1950) und Catherine Koudriavtzeff, zweier russischer Emigranen, die vor der Russischen Revolution flüchteten und zu Beginn der 1920er Jahre nach Frankreich kamen. Am 17. Juli 1927 heiratete Catherine ihren Landsmann Nicolas Iaremtchenko (1900-1952), der als Antiquitätenhändler in der 95, Rue de Rennes in Paris ansässig war.

Die genauen Tätigkeiten von Catherine Iaremtchenko während des Krieges sind dank einer von der französischen Regierung nach der Befreiung 1944 gegen sie veranlassten Untersuchung bekannt: Der mit „K. Iaremtchenko“ signierte Bericht wurde im Dezember 1945 an Albert Henraux, dem Präsidenten der Commission de récupération artistique [Kommission für die Wiedererlangung von Kunstwerken, CRA], durch die Kulturabteilung der Direction générale des études et recherches [Generaldirektion für Studien und Forschung, DGER]1, übergeben. Der Bericht dokumentiert Kunstankäufe, die das Reichskommissariat von Holland, dessen Sitz sich in Den Haag befand, während der Besatzungszeit in Frankreich getätigt hatte. Die Informantin Iaremtchenko gab an, im Februar 1941 eine Stelle als Sekretärin und Dolmetscherin in der Kunstabteilung der Amtsstelle angenommen zu haben, um die Geschäfte der Nationalsozialisten auszuspionieren und zu dokumentieren. Als einen ihrer Beweggründe nannte sie den Wunsch, die Restitutionen an Frankreich nach Beendigung des Konflikts erleichtern zu können.

In ihrem Bericht dokumentierte sie die Vorgänge in der Abteilung des Reichskommissariats, welche für die Ankäufe zuständig war. Der Sitz der Abteilung befand sich in Paris im Hôtel Majestic und wurde von dem österreichischen Nationalsozialisten und Gauleiter der Niederlande Arthur Seyss-Inquart (1892-1946)2 geleitet. Zu der Abteilung gehörten Dr. Eduard Plietzsch (1886-1961), Franz Kieslinger (1891-1955), Kajetan Mühlmann (1898-1958) sowie sein Halbbruder, Dr. Josef Mühlmann (1886-1972), für den Iaremtchenko arbeitete. Die den Decknamen „Nicole“ tragende Enddreißigerin schrieb, dass ihre Hauptaufgabe darin bestand, Josef Mühlmann bei administrativen Vorgängen und seinen Einkäufen in Paris zu unterstützen. Dieser privilegierte Posten ermöglichte es ihr „sehr einfach jedes einzelne [sowohl von Kajetan Mühlmann als auch von anderen nationalsozialistischen Abteilungen] gekaufte Objekt und den Namen des Käufers sowie den Ort zu notieren, wo er es gekauft hatte“.3

Für denselben Zeitraum gab sie außerdem an, einige der wichtigsten Verantwortlichen für den NS-Kunstraub in Frankreich kennengelernt zu haben, darunter vor allem Kurt von Behr, den Vorsitzenden des ERR. Darüber hinaus kam sie mit Baron von Tieschowitz und Felix Kuetgens in Kontakt, beides Mitglieder des Kunstschutzes.4 Dank der zahlreichen Beziehungen Kajetan Mühlmanns bis in die höchsten Reihen der nationalsozialistischen Führungsriege nahmen die Aktivitäten der Kunstabteilung schnell zu, weshalb die Abteilung auch unter dem Namen „Dienststelle Mühlmann“ bekannt wurde.

Die geheime Tätigkeit von Iaremtchenko weitete sich ebenfalls immer mehr aus. So nahm sie als private Informantin ab Ende Juli 1943 Verbindung zur Résistance auf. Die Festnahme ihrer Kontaktperson am 22. Februar 1944 unterbrach ihre Verbindung zu diesem Netzwerk der Gegenspionage. Der Anwalt Aur Payen, ihr Komplize in der Résistance und Anwalt am Pariser Berufungsgericht, stellte daraufhin Anfang März 1944 den Kontakt zu einem Agenten des Netzwerks Béarn her.5

Einsatz für Kunstrückführungen nach der Befreiung

Sie gab des weiteren an, dass sie am 11. August 1944 gezwungen war, Paris zu verlassen, um dem Dienst zu folgen, dessen Sitz nach Wien verlegt wurde, nicht ohne Aur Payen alle ihre Aufzeichnungen anzuvertrauen. Sie blieb für zwei Monate in der österreichischen Hauptstadt und arbeitete dort weiter für die Dienststelle Mühlmann. Der Einmarsch der alliierten Truppen in Holland im Herbst 1944 schien große Verunsicherung in der Dienststelle ausgelöst zu haben und Iaremtchenko entschied sich, unterzutauchen, um nicht weiter kollaborieren zu müssen. Im Januar 1945 wurde sie bei der Gestapo angezeigt und in das Lager Maria-Lanzendorf1 gebracht, das sich unweit Wiens befand.

Dort wurde sie der Kontrollabteilung ausländischer Arbeitskräfte zugeordnet und dazu gezwungen,  Übersetzungsaufträge zu übernehmen. Die ehemalige Spionin gab an, in dieser Zeit ihre Stellung genutzt zu haben, um kompromittierende Dokumente über französische Arbeiter zu vernichten. Ende März flüchtete sie in die Tiroler Alpen in die Umgebung von Salzburg, bis die amerikanischen Truppen eintrafen, die ihr eine Aufenthaltsgenehmigung erteilten und sie als Dolmetscherin einstellten.2

Iaremtchenko übergab im November 1945 die von ihr während und nach dem Krieg gesammelten Informationen an das 2. Französische Büro in Innsbruck. Sie gelangten in den Besitz von Hauptmann Jean Vlug, Agent des niederländischen Büros für Kunstrückführung, der auf Grundlage dieser neuen Informationen einen Bericht verfasste, den er am 25. Dezember 1945 unterzeichnete.3

Einen Monat später wurde Iaremtchenko als Mitarbeiterin der Kunstabteilung und der Direction de la sûreté du Gouvernement militaire de la zone française d’occupation [Direktion des Sicherheitsamt der Militärregierung in der französischen Besatzungszone, GMZFO] bestätigt. Daraufhin setzte sie sich mit der Commission de récupération artistique in Verbindung, der sie ihre Hilfe anbot:

„Ich möchte in einen offiziellen französischen Dienst treten, der mir die Möglichkeit gäbe, die Arbeit, die ich vor fast fünf Jahren begonnen habe, fortzusetzen, die geraubten Kunstwerke zu finden und meine Arbeit und die Informationen, über die ich verfüge, in den Dienst meiner Wahlheimat zu stellen: Frankreich. […] Ich kann selbstverständlich über jedes Objekt vollständig Auskunft geben und so die Suche nach den Kunstwerken unendlich erleichtern, denn ich bin die einzige Person, der die Arbeit der Dienststelle des Dr. Kai Mühlmann in Frankreich vollständig bekannt ist.“4

Als sie nach dem Krieg nach Frankreich zurückkehrte, wird Iaremtchenko jedoch wegen Gefährdung der äußeren Sicherheit des Staates angeklagt, die Klage wurde allerdings im Juli 1947 fallen gelassen. Daraufhin wurde sie für das französische Büro für Reparationen und Restitutionen in Wien tätig. Ihre Sprachkenntnisse und ihre Beziehungen zu mehreren österreichischen anti-nationalsozialistischen Persönlichkeiten, die nach dem Krieg städtische und regionale Regierungsposten inne hatten, erleichterten die Arbeit für die Kunstrückführungen. Catherine Iaremtchenko starb 1950 in Paris im Alter von 43 Jahren.