KRUGER Léone (DE)
Der Name „Madame Kruger“ findet sich auf den von den Amerikanern Ende des Krieges erstellten Listen von Kunsthändlern, „die im Ruf stehen, während der Besatzungszeit Handel mit dem Feind getrieben zu haben“.1 Als Schwägerin des Händlers Paul Pétridès identifiziert, wird Kruger verdächtigt, „in einem unter ihrem Namen angemieteten Dienstmädchenzimmer an der Adresse 53 Avenue Foch im 16. Arrondissement Kunstwerke versteckt zu haben, die ihm die Deutschen im Gegenzug für Informationen über die jüdischen Sammlungen in Paris überlassen hatten.“2
Léone bzw. Liane Kruger ist die jüngste Schwester von Paul Pétridès‘ Frau Odette Bosc (1899-1975) und kam am 29. Dezember 1914 in Lagord in der Nähe von La Rochelle zur Welt. Sie heiratet Simon Kruger am 13. August 1937 im 10. Arrondissement der französischen Hauptstadt.1 Die seit 1935 verlobten Eheleute arbeiten beide in der Modebranche. Léone Bosc als Zeichnerin und ihr Mann als selbständiger Modellzeichner für die Haute Couture. Simon Kruger2 wurde am 24. Juli 1896 im russischen Nowe-Miasto3 geboren. Der aus einer israelitischen Familie stammende, aus Russland geflohene Kruger lässt sich im Oktober 1925 in Paris nieder. Im Jahr 1931 eröffnet er an der Adresse 125 Rue du Faubourg-Poissonnière eine auf den Handel mit Modellen für die Haute Couture spezialisierte Firma.4 Am 7. März 1933 meldet sein Unternehmen allerdings Konkurs an. Da er seinen Gläubigern noch beträchtliche Summen schuldet, droht man ihm ab 1934 mehrfach mit der Ausweisung.5
In einem Brief an den Innenminister schreibt Léone Bosc am 29. Januar 1935, weil ihrem Verlobten die Ausweisung droht: „Da ich Waise und erst 20 Jahre alt bin, ist er meine einzige Stütze und meine einzige Hoffnung, denn ich bin in Umständen, die mich zwingen, ihn sobald wie möglich zu heiraten. […] Ich flehe Sie an, tun Sie Ihr Möglichstes, damit mein Leben und das des Kindes, das ich erwarte, nicht zerstört werden.“6
Anfang 1939 leben die beiden gemeinsam am 28 Boulevard de Bonne-Nouvelle. Simon Kruger führt ein eigenes Geschäft, in dem er etwa ein Dutzend Angestellte hat. Regelmäßig reist er nach England und Belgien, um seine Modelle zu verkaufen. Außerhalb der US-amerikanischen Archive, die kurz auf die Unternehmungen von Frau Kruger eingehen, ist es jedoch schwierig, die Geschichte des Paares während der Besatzungszeit nachzuvollziehen.
Allerdings spricht Paul Pétridès in seiner 1978 erschienenen Autobiografie mit dem Titel Ma chance et ma réussite [~ Mein Glück und mein Erfolg] von einem Brief, den ihm am 30. April 1976 eine Dame namens Liane Stern geschickt hatte. Bei diesem Namen handelt es sich zweifelsohne um einen von Léone Kruger verwendeten Decknamen. Sie schreibt:
„Und es ist ja wohl die Höhe, dass man Sie beschuldigt, Antisemit gewesen zu sein! Sie haben nicht nur Juden geholfen, sondern auch meinen Mann Simon Kruger (russischer Jude, inzwischen verstorben) gerettet. Dank Ihrer Hilfe konnte ein russischer Pfarrer ihm eine Bescheinigung besorgen, dass er nur Halbjude war, denn er hatte einen evangelischen Vater, den dieser Pfarrer in Russland gekannt haben soll. Trotz endloser Denunziationen konnten wir während der Besatzungszeit in Paris bleiben. Das Pétain-Gesetz schützte die mit Katholiken verheirateten Halbjuden.“7
Offensichtlich hat Léone Kruger ihrem Schwager Paul Pétridès nur geholfen, um ihren Mann zu schützen.