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Über das RAMA Projekt

Vom 3. Dezember 2021 an stellt das Institut national d’histoire de l’art (INHA) mehr als 150 biografische Artikel des unter der wissenschaftlichen Leitung von Ines Rotermund-Reynard und Elisabeth Furtwängler erarbeiteten Repertoriums der Akteure des französischen Kunstmarkts während der deutschen Besatzung 1940- 1945 (RAMA) online. Die Einträge sind im Rahmen eines deutsch-französischen Forschungsprojekts in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) entstanden. Sie rekonstruieren den Werdegang von Personen, veranschaulichen die vielschichtigen Netzwerke, in denen sie sich bewegten und verweisen auf Werke, die durch ihre Hände gingen.

Wie lassen sich die Mechanismen eines Kunstmarkts verstehen, auf dem alles dafür getan wurde, Kunstraub zu legitimieren, Provenienzen zu verschleiern und Geschäftsabschlüsse zu vertuschen? Das Pariser Institut national d’histoire de l’art und die Technische Universität Berlin haben ein Forschungsprojekt mit Experten aus Deutschland und Frankreich durchgeführt, das gestützt auf ein internationales Netzwerk von Fachleuten und NachwuchswissenschaftlerInnen, ein unerlässliches Hilfsmittel für das Verständnis des Kunstmarkts dieser Zeit erarbeitet hat.

Das Repertorium, das ab dem 3. Dezember zunächst auf Deutsch und Französisch und im Frühjahr 2022 auch auf Englisch auf der Website des INHA veröffentlicht wird, zeigt Porträts von Frauen und Männern (HändlerInnen,

GutachterInnen, AgentInnen usw.), die auf dem Markt tätig waren und verweist auf Archivquellen, die KunsthistorikerInnen, ProvenienzforscherInnen und all denen, die sich um Aufklärung bemühen, bei ihrer Arbeit weiterhelfen werden. Dieses Portal wird weltweit all denen helfen, die beinahe 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Wunsch haben, Licht in das Schicksal von Menschen und geraubten Kunstwerken zu bringen.

Befund und Aufgabe: eine bis dato fehlende Dokumentation vorzulegen

Dem Kunstraub der Nationalsozialisten sind zahlreiche Publikationen und Forschungsprojekte gewidmet worden, dabei sind viele, vor allem objektbezogene Datenbanken entstanden. Bisher gab es jedoch noch kein umfassendes Forschungsprojekt zum französischen Kunstmarkt während der deutschen Besatzungszeit. Tatsächlich weist unser Kenntnisstand über die von der deutschen Besatzung in Frankreich begünstigten Objekttransfers, den illegalen Handel mit und den Raub von Kunstwerken noch etliche Lücken auf, die sich nur allmählich schließen lassen.

Eine möglichst umfassende Identifikation der verschiedenen Akteure des damaligen Kunstmarkts, der von ihnen durchgeführten Operationen und der durch ihre Hände gegangenen Werke fehlte bislang, obwohl diese Informationen für die Dokumentation und weitere Recherche zu einzelnen Personen und Werken, zu ihrer Geschichte und ihrer Provenienz, unabdingbar sind. Das Repertorium der Akteure des französischen Kunstmarkts während der deutschen Besatzung 1940- 1945 versteht sich als Antwort auf dieses Desiderat.

Zum Begriff „Akteure“

Unter der deutschen Besatzung boomt der Kunstmarkt in Frankreich und zieht eine Vielzahl deutscher und internationaler Akteure an. Der Zustrom von Waren stammt auch aus den Enteignungen jüdischer Personen, die unter die Rassengesetze der deutschen Besatzer fallen, welche durch das Vichy-Regime mitgetragen und durch das französische Generalkommissariat für Judenfragen zur Anwendung gebracht werden.

Der Ausschluss bzw. in vielen Fällen sogar die Vertreibung und Ermordung eines Teils der ProtagonistInnen dieses Markts erklärt, dass neue Akteure die üblichen Handelswege verändern. So verzeichnet die Datenbank verschiedene Typologien von Akteuren, die in den künstlerischen und wirtschaftlichen Austausch zwischen Frankreich und Deutschland und darüber hinaus eingebunden waren: KunsthändlerInnen, GaleristInnen,

MaklerInnen, GutachterInnen, AntiquitätenhändlerInnen, Auktionatoren, Transportunternehmen, FotografInnen, KunsthistorikerInnen, Museumspersonal, KünstlerInnen, SammlerInnen, KunstliebhaberInnen und VermittlerInnen aller Art.

Eine einzigartige Recherchehilfe

Das in die Open Access-Datenbank des INHA, AGORHA, eingebundene Repertorium der Akteure des französischen Kunstmarkts unter der deutschen Besatzung besteht aus mehr als 150 biografischen Artikeln, die von 70 internationalen AutorInnen verfasst und die in die deutsche und französische Sprache übersetzt wurden (die englische Version ist für 2022 geplant). Sie vollziehen mithilfe eines umfassenden Ensembles von gegenwärtig in Frankreich und Deutschland verfügbaren Archivquellen die Werdegänge von Personen und Werken in der damaligen Zeit nach. Ergänzt werden diese Artikel durch 830 dokumentarische Einträge, die Fakten zu Privatpersonen und Körperschaften liefern, wodurch die vielschichtigen Netzwerke anschaulich werden, innerhalb derer die Kunstwerke weitergegeben wurden. Diese Einträge verweisen auf die spezifischen bibliografischen oder archivalischen Quellen.

Diese Recherchehilfe stellt einen wesentlichen Beitrag zur Untersuchung und zum historischen und kunsthistorischen Verständnis der Besatzungszeit dar. Dabei handelt es sich um eine kostenlos nutzbare Ressource, die allen NutzerInnen, BürgerInnen, Forschenden oder Kunstfachleuten offensteht, die die Abläufe auf dem Kunstmarkt der damaligen Zeit verstehen oder die Provenienz eines Werks - in einer öffentlichen Sammlung, in Privatbesitz oder auf dem Kunstmarkt - überprüfen wollen.

Ein auf Quellenabgleich basierendes Vorgehen

Das RAMA-Projekt bietet neue Forschungsansätze, denen seit 2015 die allmähliche, weiterhin erfolgende Öffnung der französischen Archivbestände zum Zweiten Weltkrieg zugutekommt. Erstmals konnten die Gerichtsakten der Archives de Paris [Pariser Stadtarchiv], der Archives nationales [französisches Nationalarchiv], der Archives de la Préfecture de police [Archiv der Pariser Polizeipräfektur], aber auch die jüngst erworbenen oder erfassten Bestände in der Bibliothek des INHA (wie Adressbücher von Kunsthändlern und Auktionskataloge insbesondere aus dem Nachlass des Auktionators Loudmer, dessen Archivbestände Alphonse Bellier betreffen) und auch die Archive deutscher Museen miteinander abgeglichen werden. All diese Elemente ermöglichen es, die Akteure sowie die Orte von Geschäftsabschlüssen, von Stationen des Verbleibs oder von Ausstellungen der Werke zu identifizieren bzw. zu lokalisieren.

Die Publikation in Form einer allen zugänglichen Datenbank steigert die digitale Dimension und die Verbreitungsweite der kunsthistorischen Forschung. Das RAMA-Projekt trägt so aktiv zur Öffnung des Fachs hin zu neuen Forschungsgegenständen und -methoden bei.

Partnerinstitutionen

Das offiziell 2017 von den Hauptpartnern INHA und TU Berlin initiierte, seit 2018 von Elisabeth Furtwängler (TU Berlin) und Ines Rotermund-Reynard (INHA) geleitete Projekt wurde auf deutscher Seite vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste Magdeburg mitfinanziert. Unterstützt wurde es zudem durch das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in Paris, aber auch weitere namhafte Partnerinstitutionen aus der Schweiz (das Kunstmuseum Bern, die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne), aus den USA (Association of Art Museum Directors,

Washington DC) und aus Österreich (Lexikon der österreichischen Provenienzforschung, Wien) beteiligten sich an dem Projekt. Die Datenbank ist zudem das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit den Archives nationales, den Archives de Paris und den Archives diplomatiques du ministère de l’Europe et des Affaires étrangères (MEAE) [Archiv des diplomatischen Diensts des französischen Ministeriums für Europa und Äußeres].

Die Projektleiterinnen

Elisabeth Furtwängler ist Projektleiterin des Repertoriums der Akteure des französischen Kunstmarkts während der deutschen Besatzung (RAMA) an der Technischen Universität Berlin. Nach ihrem Studium der Kunstgeschichte, Neueren Geschichte und Archäologie arbeitete sie im Antikenhandel in der Schweiz. Sie war Forschungs- und Lehrassistentin an der Universität Leipzig und verfasste eine Dissertation zur künstlerischen Druckgrafik im Parisder Nachkriegszeit. Sie ist Mitgründerin der Arbeitsgruppe Frankreich des Arbeitskreises Provenienzforschung. Gegenwärtig bereitet sie zusammen mit Mattes Lammert eine Publikation zu den Museen als Akteuren des französischen Kunstmarkts während der deutschen Besatzung (1940-1945) vor, die 2022 bei De Gruyter erscheint.

Ines Rotermund-Reynard ist seit 2018 Projektleiterin des Repertoriums der Akteure des französischen Kunstmarkts (RAMA) während der deutschen Besatzung am INHA. Sie ist promovierte Kunsthistorikerin und Germanistin mit einem deutsch-französischen universitären Werdegang. Sie ist Spezialistin für die Zeit zwischen 1933 und 1945, und insbesondere für die kulturellen Aktivitäten von anti-nationalsozialistischen EmigrantInnen und für Provenienzfragen. Sie unterrichtete Kunstgeschichte an der Universität Paris I Panthéon-Sorbonne, an der Kölner Universität und an der Universität Genf. 2017 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Provenienzrecherche Gurlitt. Seit April 2019 ist sie Beiratsmitglied der CIVS (der französischen Kommission für die Entschädigung von Opfern der aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung während der deutschen Besatzung erfolgten Enteignungen).