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Der Kunsthändler Hans W. Lange hatte bereits 1937 die berühmte Berliner Kunsthandlung von Paul Graupe übernommen, der nach Paris emigriert war. Während der Besatzungszeit war Lange auf dem französischen Kunstmarkt aktiv, allerdings verliefen viele seiner Geschäfte über Mittelsmänner, sodass die damaligen Transaktionen nicht immer nachvollziehbar sind.

Werdegang

Der gelernte Bankkaufmann Hans Wolfgang Lange (1904-1945) übernahm als langjähriger Angestellter von Paul Graupe 1937 in abgesprochener „Arisierung“ dessen 1918 in Berlin gegründetes Auktionshaus und führte es unter dem eigenen Namen mit 35 Auktionen fort.1 Er besaß die große Versteigerererlaubnis, die ihm gestattete, neben den Auktionen auch frei mit Kunstobjekten zu haneldn. Nach der Zerstörung des Firmensitzes Ende 1943 konzentrierte er seine Tätigkeit ganz auf den Freihandverkauf.2

Ankäufe in und aus Frankreich

Die Akquisepraxis dieses Kunsthändlers in Frankreich kann nur kategorisch erläutert und bestenfalls exemplarisch belegt werden. Beachtenswert ist, dass diejenigen in seinen Auktionen angebotenen Kunstwerke, deren französische Herkunft offensiv annonciert wurde, von Dritten eingeliefert worden waren.1

Beim Einkauf in Paris standen die wirtschaftlichen Potenziale – durch den Zwangskurs von 1:20 seit Beginn der deutschen Besatzung sprunghaft erhöht – im Widerspruch zu den wachsenden Restriktionen. Diese beinhalteten nicht nur das Einholen einer Ausfuhrlizenz in Frankreich, sondern auch Genehmigungspflichten der Wareneinfuhr und der Zentralauftragsstelle des Militärbefehlshabers (Zast) Frankreich.2 Die Einschränkungen deutscher Warenbewirtschaftung ließen schließlich nur noch wenig Spielraum, weil spätestens 1944 die Kunstwerke nur an „amtliche Stellen“ verkauft werden durften und die Genehmigungsdauer ohnehin Zusagen vor Ort erschwerte.3 Das führte zu Rechnungsumstellungen, in der bewilligte Devisen anders aufgeteilt oder Daten dem Nachweisbedarf angepasst wurden.4

Lange selbst reiste wohl spätestens Mitte 1941 erstmals nach Paris. Er musste jedoch keineswegs anwesend sein, um Käufe abzuschließen, sondern konnte sich vertreten lassen oder Metageschäfte beauftragen,5 etwa wenn ein Kollege drei moderne Werke, vermutlich für deutsche Privatkunden bestimmt, in Langes Namen einkaufte.6 Bei mehreren Besuchen in der Zeit von 1942 bis 1944 baute Lange seine Verbindungen aus, bis er, wie er im Spätsommer 1944 schreibt, einen „vor Ort ansässigen Kommissionär“ hatte.7

Dabei scheint Lange sich auf stark nachgefragte Gemälde spezialisiert zu haben, für die er unter seinen Kunden sichere Abnehmer wusste. Er bediente zwei Interessenschwerpunkte, die auf verschiedene Kundengruppen abzielten. Zum einen suchte er nach Altmeistern, wie holländische Malerei des 16. Jahrhunderts, aber auch deutsche Maler des 19. Jahrhunderts, deren Werke durch öffentliche Sammlungen stark nachgefragt wurden. Zum anderen spezialisierte er sich auf französische Meister: sowohl auf ältere, deren Arbeiten ebenfalls von Museen stark nachgefragt wurden, als auch auf jüngere, weil ihre Werke für Sammler geschmacklich und monetär verlässliche Werte darstellten.

Wie erwähnt war Lange bei Kaufabschlüssen nicht zwingend persönlich vor Ort. Seit Mai 1943 zur Wehrmacht eingezogen, gaben Dienstfahrten und Arbeitsurlaube Lange die Gelegenheit, mit Kollegen Gefälligkeiten in Form von Hinweisen, Vermittlungen oder Abschlüssen zu tauschen.8

Lange blieb Gefreiter, wurde aber insofern begünstigt, als er zeitweise bei der Flakabwehr des Reichsluftfahrtministeriums eingesetzt war, um sein Geschäft täglich besuchen zu können, oder auch dadurch, dass das Propagandaministerium einen Arbeitsurlaub beantragte, um ihm die Beschaffung neuer Waren nach den Zerstörungen zu erleichtern.9 

Die Quellenlage ergibt weder ein einheitliches noch zuverlässiges Bild der Einkäufe Langes, weil die Aussagen der Dokumente nicht übereinstimmen beziehungsweise sich nur zum Teil überschneiden.10

Lange kaufte in Paris vorrangig bei bekannten Kunsthändlern wie Cornelius Postma, Gustav Rochlitz, Albert Loevenich ein, die nicht zum alteingesessenen französischen Kunsthandel gehörten, sondern quasi ‚Zuwanderer‘ und Profiteure der Besatzung darstellten.11 Alteingesessene Händler vermittelten ihm offenbar deutsche Kollegen,12 da er auch bei deutschen Händlern wie Walter Andreas Hofer (1893-1971)13 und Walter Bornheim aus deren Importen aus Frankreich kaufte.14

Raubkunst aus Frankreich

Zwei Gemälde aus den Ankäufen, die Lange bei Cornelius Postma tätigte, sind nachweislich Raubkunst, Objekte, die durch Dritte an Postma vermittelt und von diesem vertrieben wurden. Eines davon, ein Gemälde von Jan van Kessel, das Lange aus Frankreich gemäß der Auflagen 1944 an ein Museum weiterveräußerte, stammt aus der Sammlung Adolphe Schloss, an deren Verkauf Postma partizipierte.1

Da auch sonst ‚Vermittler‘ beteiligt waren, das heißt Kollegen, die Lange auf Objekte hinwiesen, ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der vorerst nicht ohne Weiteres als solche erkennbaren Raubkunststücke erhöht, wenn mehr Daten zur Identifikation der Werke verfügbar werden.2 Außerdem sind Direktimporte für höhergestellte Personen aus Politik und Wirtschaft anzunehmen, jedoch bislang nicht identifizierbar. Dies dürfte dem durch den Quellenmangel verzerrten Bild geschuldet sein, während sich Verkäufe an Museen weitaus besser rekonstruieren lassen.

An Umfang und Bedeutung scheinen die Einkäufe Langes auf dem französischen Markt hinter denjenigen der meisten seiner Kollegen zurückzustehen.3 Offenbar akquirierte er Antiquitäten, die keiner Ausfuhrgenehmigungen bedurften, für den alltäglichen Handel und suchte dabei zugleich nach spektakulären Stücken,4 um sich für den „Sonderauftrag Linz“ unentbehrlich zu machen.5

Auf kollegialen Hinweis kaufte Lange im Juli 1944 zwei Stillleben von Jean-Étienne Liotard, zwei als Gegenstücke konzipierte Darstellungen von Teegeschirr und Gläsern.6 Das Gemälde mit Teeservice gehörte dem niederländischen Sammler Fritz B. Gutmann (1886-1944), der es 1939 zur Einlagerung nach Frankreich versandt hatte.7 Lange bot die Gegenstücke schon Ende des Monats dem „Sonderbeauftragten“ Hermann Voss für das geplante Führermuseum in Linz an und benutzte diese Provenienz ganz offen als Qualitätsmerkmal, während Fritz Gutmann im April 1944 in Theresienstadt ermordet worden war.8

Nach der Beschlagnahme durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) ging das Werk durch die Hände diverser Agenten, bis Cornelius Postma eine Ausfuhr beantragte. Der Kurator des Louvre, Michel Martin, lehnte den Export ab und erkannte das Gegenstück als Fälschung, die auf passendes Maß vergrößert worden war, um mit dem Teegeschirr ein Paar zu bilden.9 Wer bei diesen Schiebungen die Idee realisierte, ein falsches Pendant herzustellen, um den Wert des Objekts zu erhöhen, bleibt unklar – Bruno Lohse reklamierte, er habe Lange die Objekte verschafft, während er Hans Bammann als den Ideengeber nannte.10 Dass Lange die Werke trotz allem anbot und Hermann Voss sie nach Ansicht in Dresden sofort akzeptierte, obgleich beiden die Umarbeitung nicht entgangen sein kann, illustriert die Komplizenschaft im Handel mit Raubgut in eindrücklicher Weise.

Das Handeln um jeden Preis nutzten beide Seiten weidlich aus. Lange offerierte Voss im Juni 1944 eine großformatige Parklandschaft von Hubert Robert mit Staffage von François Boucher für eine Viertelmillion Reichsmark (= 5 Millionen Francs), die dieser unbesehen sogleich akzeptierte.11 Auch hier hatte Martin die Ausfuhr zunächst abgelehnt, dann jedoch freigegeben. Voss’ Mitarbeiter Robert Oertel (1907-1981) kannte die Erstrechnung, nach der Lange das Werk bei Postma für 3,5 Millionen Francs einkaufte.12 Eine ähnliche, heute fragliche Provenienz wie bei den zuvor gekauften Liotar-Pendants wurde hier stillschweigend akzeptiert und die für „Linz“ erlangte 'Beute' unausgesprochen mit einer äußerst großzügigen Gewinnspanne sanktioniert. Forschungen aber fehlen, da dieses Bild 1949 irrtümlich nach Jugoslawien restituiert wurde.13

Sowohl Indizien weiterer Ausfuhrgenehmigungen als auch die Beispielrechnungen zeigen,14 dass Umfang wie Bedeutung von Langes Käufen, seine Einsichten und Absichten im besetzten Frankreich damit längst noch nicht erfasst und allenfalls annähernd bewertet sind.