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29/11/2021 Répertoire des acteurs du marché de l'art en France sous l'Occupation, 1940-1945, RAMA (FR)

Der ehemalige Galerist René Avogli-Trotti ist ein enger Freund des Ehepaars Adolf und Nadine Wüster. In der besetzten französischen Hauptstadt tätigt er nicht nur Kunstkäufe für die beiden, sondern lässt sie 1944 auch in seiner Wohnung wohnen.

Die Galerie „Trotti & Cie“ vor dem Krieg

Der am 1. Oktober 1875 geborene Graf René1 Avogli-Trotti ist der Nachkomme einer angesehenen Familie aus Ferrare. 1895 lässt er sich in Nizza nieder2 und zieht drei Jahre später  nach Paris. Am 17. September 1900 heiratet er in London Évangeline Notman. Als Kunstliebhaber eröffnet er zwei Jahre später zusammen mit Marcel Nicolle (1871-1934) eine Galerie. Dieser ehemalige Assistenzkonservator des Musée des Beaux-Arts in Lille war zu diesem Zeitpunkt Museumsassistent in der Gemäldeabteilung des Louvre.3

Die damit gegründete offene Handelsgesellschaft „Trotti & Cie“ hat ihren Sitz zunächst an der Adresse 24 Rue Royale4 und zieht 1906 an die Nummer 8 Place Vendôme um. Ihre Kundschaft stammt zum Großteil nicht aus Frankreich, sondern in erster Linie aus Großbritannien und den USA. Jenseits des Atlantiks beteiligt sich der Galerist am Aufbau großer Sammlungen wie jene der Sammler Henry Clay Frick (1849-1919) und Henry E. Huntington (1850-1927). Im April 1932 fassen die beiden Geschäftspartner aufgrund der Weltwirtschaftskrise den Entschluss, ihr Unternehmen aufzulösen.5

Graf Avogli-Trotti, der ein ausschweifendes Leben führt, lebt ab diesem Zeitpunkt von seinem Privatvermögen. Dank seiner Handelstätigkeit in Frankreich wird ihm 1924 die Medaille der Ehrenlegion verliehen.6 Der Kunsthändler setzt sich in seiner Wahlheimat auch für die Verbreitung der italienischen Sprache und Kultur ein und wird 1913 Präsident des Pariser Komitees der Dante Alighieri-Gesellschaft.7 Außerdem ist er Mitglied der Union intellectuelle franco-italienne [Französisch-italienischer Intellektuellenverband].8

Die Verbindungen zu Adolf Wüster

René Avogli-Trotti ist ein enger Freund von Adolf Wüster, den er 1929 kennenlernt, als dieser als Maler in Paris lebt.1 Zwar verlieren sich die beiden Männer im Jahre 1939 aus den Augen, treffen aber 1941 wieder aufeinander,2 und ab 1942 wird ihre Beziehung dann enger. Zu Beginn des Jahres 1944 lässt sich Adolf Wüster, der im Juni 1942 zum Konsul berufen worden war, mit seiner Frau Nadine in unmittelbarer Nähe seines italienischen Freundes nieder. Das Paar wohnt nämlich bis zum Ende der Besatzungszeit in dem Stadtpalais, in dem auch sein Geschäftspartner seit 1923 lebt, und zwar im 7. Arrondissement in Paris, 88 Rue de Grenelle.

Im Auftrag der deutschen Museen und der deutschen Botschaft arbeiten die beiden Männer Hand in Hand, um Kunstwerke ausfindig zu machen. Avogli-Trotti dient dabei seinem deutschen Freund als „Kundenfänger“, weil er ihn auf interessante Objekte auf dem Kunstmarkt verweist. Als Adolf Wüster im April 1942 mehrere Wochen lang außerhalb der Stadt verweilt, beauftragt er Avogli-Trotti damit, seine von ihm in Paris getätigten Ankäufe zu begleichen. Diese Transaktionen in der Höhe von 11 Millionen F erfolgen zu diesem Zeitpunkt über das Devisenamt.3

Während der Besatzungszeit verkauft René Avogli-Trotti selbst etwa ein Dutzend Kunstwerke aus seiner Privatsammlung. Der Betroffene sagt zwar aus, elf Werke an die deutschen Besatzer verkauft zu haben, die Ermittlungen des Comité de confiscation des profits illicites [Komitees für die Beschlagnahmung unlauterer Gewinne] liefern jedoch den Beweis, dass er tatsächlich sechzehn Kaufgeschäfte mit ihnen getätigt hat.4 Um sein Einkommen aufzustocken, verkauft er so zum Beispiel zwei Skizzen von Tiepolo, den Joueur de musette [~ Der Sackpfeifenspieler] von Philippe Mercier zu einem Preis von 150.000 F5 sowie Les Petits Dénicheurs d’oiseaux [~ Die kleinen Vogelfänger] des Maître des Cortèges6.

Die Ankäufe wurden von verschiedenen deutschen Museen getätigt. Dank Wüsters Vermittlung traf Graf Avogli-Trotti nämlich den Direktor des Kaiser-Wilhelm-Museums in Krefeld, Friedrich Muthmann, den Direktor des Kunstmuseums in Düsseldorf, Hans Wilhelm Hupp, den Direktor der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe, Kurt Martin, sowie den Direktor des Museums in Essen, Heinz Köhn.7 Diese Herren informierte er über das Verkaufsgeschehen im besetzten Paris. Die französischen Widerstandsgruppen innerhalb des Post- und Telegrafendiensts sollen eine ganze Reihe an verschiedene Korrespondenten in Deutschland adressierter Telegramme mit Trottis Unterschrift abgefangen haben, die in unterschiedlichen Postämtern in Paris aufgegeben worden waren.8 Bei der Post waren diese Telegramme wegen der im Kunstbereich typischen Termini und der darin enthaltenen Künstlernamen aufgefallen. Der italienische Graf galt bei den deutschen Museumsdirektoren als Vertreter verschiedener Kunsthändler und Privatsammler.9

Als das Bonner Museum am 15. Juni 1941 bei Drouot ein Werk von Jacob van Ruysdael mit dem Titel Solitude, ruines près d’une mare [~ Einsame Stimmung, Ruinen am Teich] erwirbt, spielt der pensionierte Kunsthändler eine entscheidende Rolle.10 Angeblich soll er im Namen des Direktors des Bonner Museums an der Versteigerung teilgenommen haben. Dies bezeugt der anonyme Brief eines Widerstandskämpfers mit Datum vom 22. Januar 1945.11 Graf Avogli-Trotti steht überdies in Kontakt zur Münchner Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich, da er, als diese am 6. Januar 1943 von Eugénie Broglio, geb. Capella ein Gemälde erwirbt, als Vermittler fungiert. Es wird vermutet, dass er von den 130.000 F, das dieses Gemälde kostete, 20.000 F Verkaufsprovision einstrich.12

Die Nähe zu faschistischen Kreisen

Der von den Renseignements généraux de la Préfecture de police [Nachrichtendienst der Polizeipräfektur] erstellte Bericht zum Fall René Avogli-Trotti erwähnt unter anderem, dass er einem italienischen Landesgenossen „mit zweifelhaften und recht skrupellosen Sitten“ nahestand.1 Es handelt sich hierbei um Carlo Di Vieto, geb. am 22. Februar 1898 in Neapel, den faschistischen Kreisen nahestehenden Verwalter von beschlagnahmtem Gut und Rechtsberater an der italienischen Botschaft. Des Weiteren ist Di Vieto ein beflissener Kollaborateur von Gestapo und Propagandastaffel.

Avogli-Trotti selbst steht in besonders engem Kontakt zur italienischen Botschaft. Aus seiner Akte geht hervor, dass er „dort sehr wohlwollendes Ansehen genoss“2 und dieser Aspekt könnte ein möglicher Hinweis darauf sein, dass er mit den faschistischen Kreisen in der französischen Hauptstadt sympathisierte. Die Berichte der Vaucher-Kommission bestätigen in Bezug auf seine Person: „Obwohl er seit langen Jahren in Frankreich lebte, behielt er seine frankreichfeindliche Haltung und brachte eine Abneigung gegenüber Italien erst nach dem Sturz Mussolinis zum Ausdruck.“3

Als er am 9. Oktober 1945 wegen Gefährdung der Staatssicherheit vor dem Cour de justice du département de la Seine [Gerichtshof des Departement Seine] geladen ist, verteidigt sich der Betroffene allerdings mit der Behauptung, bei der Machtübernahme Mussolinis sein ganzes Kapital in Italien aufgelöst zu haben.4 Auch scheint er mit der Dante Alighieri-Gesellschaft, dessen Präsident er 1913 geworden war, zu dem Zeitpunkt, als sich diese faschistischen Kreisen annähert, nicht mehr in Verbindung zu stehen.5

Die Verfahren nach Ende der Besatzung

Ein am 17. Februar 1945 vom 5. Büro des Generalstabs ausgestellter Erhebungsbogen weist René Avogli-Trotti als in Paris untergetaucht und „auf der Flucht“ aus.1 Dabei wird er verdächtigt, im Auftrag der deutschen Besatzer gestohlene Kunstwerke bei sich zuhause zu verstecken. Per Erlass vom 23. August 1945 wird sein Vermögen beschlagnahmt.2

Nach dem Krieg führt das Comité de confiscation des profits illicites Ermittlungen zum Fall des Grafen Avogli-Trotti. In den Augen der Behörden steht seine Schuldigkeit außer Zweifel und „seine Kollaboration aus freien Stücken scheint offensichtlich“.3 Am 12. Dezember 1946 wird das einstimmige Urteil gegen ihn zur Konfiszierung einer Summe in Höhe von 1.901.207 F verkündet. Zusätzlich zu dieser Konfiszierung wird er zu einer Geldstrafe in Höhe von 5.774.100 F verurteilt,4 die im Januar 1950 jedoch reduziert wird. Graf Avogli-Trotti stirbt am 7. Februar 1946.5 Seine Schwester und Alleinerbin Elisa Nagliati reicht im Jahre 1950 ein die Konfiszierung betreffendes Revisionsgesuch ein,6 das jedoch am 29. Mai 1952 abgelehnt wird.

Wegen Graf Avogli-Trottis Tod zu Beginn der großen Prozesse der Nachkriegszeit werden die seine Person betreffenden Verfahren seitens des Cour de justice du département de la Seine7 und der Commission nationale interprofessionnelle d’épuration [Nationale berufsübergreifende Säuberungskommission]8 eingestellt.